Kosten der Ausbildung



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Transkript:

Kosten der Ausbildung von Adalbert Ruschel Für die Krise des dualen Systems werden soweit entsprechende Diagnosen nicht von vornherein als Märchen abgetan werde eine Vielzahl von Gründen angeführt. Besonders gerne wird dabei auf die stärkere Kostenorientierung der Unternehmen verwiesen, was dazu führt, dass diese Unternehmen die kostenintensive Berufsausbildung aufgeben und sich für die Rekrutierung ihrer Mitarbeiter lieber des Arbeitsmarktes bedienen. In einem Interview für die Wochenzeitung ZEIT hat nun der Bremer Berufsbildungsforscher Felix Rauner am 31. Januar 2008 seine neueste Untersuchung vorgestellt, wonach Betriebe, die ihre Lehrlinge gut ausbilden, damit unter dem Strich Gewinn machen. Diese Meldung hat heftige Diskussionen ausgelöst, die aber meiner Meinung nach am Wesentlichen vorbei gehen. Dass manche Unternehmen ja ganze Branchen an ihren Auszubildenden verdienen, ist doch keineswegs neu. Und die Tatsache, dass die Bundesregierung und andere Stellen der öffentlichen Hand ihre Fördermittel nicht immer an die richtigen Empfänger weiterleiten, ist ein alter Hut. So mancher gewitzte Wohltäter hat sich für ein ausbildungsplatzförderndes Luftei feiern und subventionieren lassen. Die Töpfe sind offen, warum sich nicht bedienen, wird sich mancher fragen. Die Analyse von Herrn Rauner halte ich für glaubwürdig und nützlich, seinen Verbesserungsvorschlag dagegen für kontraproduktiv. Aus seinen Ausführungen kann ich den gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Nutzen der Berufsausbildung nicht erkennen. An diesem aber sollte sich die Subvention durch die öffentliche Hand messen lassen. Und nach meinem Ermessen sind es gerade diejenigen Unternehmen, die Erträge mit der Ausbildung Jugendlicher erwirtschaften, nicht, die der Gesellschaft einen Gefallen tun. Was helfen uns billig ausgebildete Arbeitskräfte, die nach der Ausbildung der Gesellschaft mehr Kosten verursachen als sie ihrem Ausbildungsbetrieb Ertrag eingebracht haben. Herr Rauner hat bei seinen Ausführungen vergessen zu erwähnen, wann er einen Ausgebildeten für ausreichend oder gar vorzüglich ausgebildet hält. Die statistische zahl der Auszubildenden, die ihre Abschlussprüfung bestanden haben, sagt darüber nur sehr wenig bis gar nichts aus. 0bwohl die Ausbildung in den Betrieben Bestandteil der Unternehmenstätigkeit ist, im Allgemeinen der Nachwuchssicherung dient und deshalb auch durch die Unternehmen selbst finanziert wird, bleibt dennoch auch für die Volkswirtschaft ein nicht unerheblicher Anteil an den Ausbildungskosten zu finanzieren. So groß der Aufwand der Unternehmen für die Berufsausbildung auch immer sein mag, sie werden versuchen, ihn über die Kalkulation in die Preisbildung für ihre Produkte und Dienstleistungen einfließen zu lassen und ihn damit auf die Konsumenten abzuwälzen. Die in der Bundesrepublik praktizierte Verteilung der Kosten der Berufsbildung auf die öffentliche Hand, die Unternehmen, die Erziehungsberechtigten und die Konsumenten entlastet zwar die Eltern der Auszubildenden, macht aber eine durchschaubare Berechnung der Kosten schwierig. Die Berechnung der Ausbildungskosten ist kompliziert und in Teilbereichen überhaupt nicht zu bewältigen. Die unbefriedigende Datenlage geriet erst im Rahmen der intensiven Bildungsreformdiskussion der späten sechziger und frühen siebziger Jahre in das öffentliche Bewusstsein. Der Deutsche Bildungsrat bemängelte in seinen Empfehlungen zur Verbesserung der Lehrlingsausbildung 1969 insbesondere das Fehlen von Unterlagen über die Finanzierung der betrieblichen Berufsausbildung.

Der Deutsche Bundestag hat die Anregung aufgegriffen und am 1. April 1971 eine unabhängige Sachverständigenkommission eingesetzt, die nach ihrem Vorsitzenden "Edding-Kommission" genannt wird, um eine Untersuchung der Finanzierung und der Kosten der beruflichen Bildung nach Wirtschaftszweigen durchzuführen. Die Edding- Kommission ermittelte die Bruttokosten, die sich aus den direkten Kosten (Personalund Sachkosten der Auszubildenden) und den indirekten Kosten (Personal- und Sachkosten der Ausbildungs- und Hilfsprozesse) zusammensetzen, sowie die Erträge der Ausbildung, wie sie sich aus den produktiven Tätigkeiten der Auszubildenden ergeben. Der Saldo aus Bruttokosten und Erträgen ergibt die Nettokosten. Weitere Kosten- und Ertragsuntersuchungen führten das BIBB und das Institut der Deutschen Wirtschaft im Rhythmus von zehn Jahren durch, m. W. zuletzt 1991. Dazwischen wurden die Daten hochgerechnet. Die Kommission hat für ihre Erhebung die Kosten folgendermaßen unterschieden: 1. Direkte Kosten a) der Unternehmen, b) der überbetrieblichen Bildungseinrichtungen (Kammern, Verbände, Gewerkschaften), c) der Auszubildenden und Weiterzubildenden, d) des Staates. 2. Indirekte Kosten a) der Auszubildenden und Weiterzubildenden durch die ihnen während der Ausund Weiterbildung entgehenden Einkommen, b) des Staates in Form von Einnahmeausfällen, c) der Gesamtwirtschaft in Form sozialer Zusatzkosten (z. B. höhere/geringere Arbeitslosigkeit

Der Berechnung der Bruttokosten durch das BIBB liegt folgendes Schema zugrunde. Bruttokosten der Ausbildung Personalkosten Auszubildenden Personalkosten der Ausbilder Anlage- und Sachkosten Sonstige Kosten Ausbildungsvergü tung Hauptberuflich Ausbilder Arbeitsplatzausstatt ung 1 Kosten für Lehrmaterial Gesetzliche Sozialleistungen Nebenberufliche Ausbilder Kosten der Lehrwerkstatt 2) Kammergebühren: Eintragung, Prüfung Tarifliche Sozialleistungen Externe Ausbilder Innerbetrieblicher Unterricht 3) Kosten für Berufs-/ Schutzkleidung Freiwillige Sozialleistungen 1) Werkzeuge, Material für Übungszwecke Kosten externer Lehrgänge 2) Abschreibungen, Raum-, Energie-, Reinigungs-, Reparaturkosten Kosten der Ausbildungsverwaltung Grau unterlegt = der Ausbildung zugerechnete Kostenarten, die der Betrieb in jedem Fall zu tragen hat. 3) Abschreibungen und Kosten für spezielle Schulungsräume Sonstige Personalkosten in der Lehrwerkstatt Abb. 1: Kostenarten der betrieblichen Berufsausbildung 1 8,20% 3,50% Personalkosten der Auszubildenden Kosten des Ausbildungspersonals Anlage- und Sachkosten Sonstige Kosten 39,40% 48,80% Abb. 2: Struktur der Bruttokosten für die betriebliche Ausbildung Betrachtet man die Struktur der betrieblichen Ausbildungskosten, kann man erkennen, dass der überwiegende Teil des betrieblichen Anteils der 1 Vgl. Bardeleben, R.v./Beicht, U./Kàlmàn, F.: Was kostet die betriebliche Ausbildung? Fortschreibung der Ergebnisse 1991 auf den Stand 1995. Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Berichte zur beruflichen Bildung, Heft 210, Bielefeld 1997, Seite 11

Berufsbildungskosten für Personalkosten (88%) aufgewandt wird. Allein die für die Auszubildenden ausgegebenen Vergütungen und Sozialversicherungsbeiträge machen 49% der Bruttokosten aus. Die restlichen 39% der Personalkosten werden für das Ausbildungspersonal verwandt. Erheblich Unterschiede der Bruttokosten, Erträge und Nettokosten ergeben sich auch zwischen Betrieben verschiedener Größe. 50.000 DM 40.000 DM 30.000 DM 20.000 DM 10.000 DM 13.528 21.458 14.046 18.787 13.212 20.358 14.021 21.679 11.970 29.527 Erträge Nettokosten 0 DM Insgesamt 1-9 Beschäftigte 10-49 Beschäftige 50-499 Beschäftigte 500 und mehr Beschäftigte Abb. 3: Brutto- und Nettokosten in der betrieblichen Berufsausbildung pro Auszubildenden 1995 in DM 2 Ich bedauere sehr, dass ich neuere Zahlen im Augenblick nicht vorliegen habe, vermute aber auch, dass die DM-Zahlen in der Tendenz auch heute noch stimmen. Die Tatsache, dass die Großbetriebe die höchsten Nettokosten verzeichnen, liegt darin begründet, dass dort ein erheblicher Teil der gewerblichen Berufsausbildung in Lehrwerkstätten stattfindet. Dadurch werden die Erträge der Auszubildenden entsprechend gering. In Industrie und Handel erwirtschaften immerhin 6,6% und im Handwerk sogar 7,4% der Auszubildenden mehr Erträge als sie Kosten verursachen. 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 6.948 17.043 20.499 29.573 34.985 6.753 2.561 10.289 4.387 Abb. 4 : Entwicklung der Kosten und Erträge der betrieblichen Berufsausbildung in DM 3 Rechnet man die Bruttokosten für alle Auszubildenden hoch, ergibt sich ein Gesamtfinanzierungsaufwand für die Ausbildung in den Betrieben von 43 Milliarden DM. Wird davon der Ausbildungsertrag von 18 Milliarden DM abgezogen, verbleiben 8.151 12.348 11.711 17.862 13.528 21.458 1971 1980 1985 1991 1995 Erträge Nettokosten 2 Bardeleben, R.v.; Beicht, U.; Kàlmàn, F.: Was kostet die betriebliche Ausbildung? Fortschreibung der Ergebnisse 1991 auf den Stand 1995. Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Berichte zur beruflichen Bildung, Heft Nr. 210, Bielefeld 1997, Seite 26 3 Ebenda, Seite 18

Nettokosten für die Unternehmen von 25 Milliarden DM. Gleichzeitig betrugen die Ausgaben von Ländern und Gemeinden für das berufliche Schulwesen 8 Milliarden DM und die Ausgaben der Bundesanstalt für Arbeit für den gleichen Zweck 14,5 Milliarden DM. Ausländische Berufsbildungsexperten sind immer wieder erstaunt darüber, dass die deutschen Unternehmen derartig hohe Kosten für die Berufsbildung zu tragen bereit sind. Der Grund dafür liegt in erster Linie in der Möglichkeit, damit langfristig über den benötigten Berufsnachwuchs verfügen zu können. So werden die Kosten für die Berufsausbildung als Investition gesehen. Der grundsätzlich hohe Stellenwert betrieblicher Bildungsarbeit im Gesamtspektrum betrieblichen Geschehens ist zurückzuführen auf die weit verbreitete Vorstellung, dass weder die technischen Entwicklungen noch die organisatorischen Veränderungen über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens bestimmten, sondern einzig und allein die Menschen. Ganz ohne Zweifel werden die Humanressourcen in zunehmendem Maße als Wettbewerbsfaktor erkannt und mit der Unternehmensstrategie verknüpft. Probleme der Bildungsinvestitionsrechnung Erfassung der Aufwendungen Buchen der Aufwendungen Leistungen des betrieblichen Bildungswesens Betriebliches Rechnungswesen Quantitativ, nicht qualitativ Direkt, nicht indirekt Schwierigkeiten Komplexität der betrieblichen Bildungsaufwendungen Gliederung der Aufwandsarten untereinander mit anderen personalpolitischen Maßnahmen Zwischenbetrieblicher Vergleich Beeinflussbarkeit kostenrechnerisch Time-lag Erfolgsermittlung Mitarbeiterbefragung Kosten-Nutzen-Analyse Abb. 5: Probleme der Bildungsinvestitionsrechnung Schon mancher Bildungsmanager musste sich still und heimlich von der Illusion trennen, dass Investitionen in die Qualifizierung seiner Mitarbeiter bereits kurzfristig in zählbare Erträge umschlagen könnten. Solche Enttäuschungen (Verlust von Täuschungen) führen nicht selten dazu, dass an der Berufsbildung als erstes gespart wird oder sie gar ganz und gar der Privatinitiative überlassen bleibt.

Bildung ist Investition in die Zukunft, verbunden mit einem Risiko, das sich eher mit Bundesschatzbriefen als mit Aktien eines Montanunternehmens vergleichen lässt. Anders als in amerikanischen Unternehmen, sind die deutschen Firmen noch nicht dazu übergegangen, Personalinvestitionen zu bilanzieren. Das deutsche Bilanzrecht würde das wohl auch nicht erlauben - und das Steuerrecht schon gar nicht. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts begann in den USA die Diskussion um die Frage, wieso Investitionen in das Personal nicht wie Investitionen für langfristig nutzbare Anlagegüter in den Unternehmensbilanzen erscheinen. Es dauerte aber bis 1967, bis die Thematik zum ersten Mal in einem Jahresbericht (R. G. Barry Corporation) behandelt wurde. 4 Seither hat die Diskussion der Humanvermögensrechnung nie mehr ganz aufgehört, auch wenn sie nie lauthals geführt wurde. In der BRD klang sie besonders verhalten, weil das geltende Bilanzierungsrecht dagegen stand und steht. Außerdem verstößt die Vorstellung, die Mitarbeiter als Anlagegut zu betrachten, gegen den Wertkonsens der Gesellschaft. So blieb man bisher bei der Personalkostenrechnung. Diese wird insbesondere vom Steuerrecht begünstigt. So wird Ausbildung des Nachwuchses im Unternehmen i.d.r. als Kostenfaktor gesehen, die humanvermögenswirksamen Effekte bleiben unberücksichtigt. Da ist der Weg zur Reduzierung der Ausbildung und damit der Kosten nicht mehr weit. Umgekehrt liegen die Verhältnisse bei Personalfreisetzung (hire and fire), wo Mitarbeiter, die das Unternehmen selbst qualifiziert hat, dem Arbeitsmarkt überlassen werden. So wird Aus- und Fortbildung zu hinausgeworfenem Geld. Wunderer/Seiler definieren die Humanvermögensrechnung 1987: Mit diesem Ansatz versucht man, den Wert der Investitionen in das sog. Humanvermögen zu einem bestimmten Zeitpunkt zu ermitteln. Dabei werden alle zahlungswirksamen Aufwendungen, die menschliches Leistungspotential schaffen, erhalten und vergrößern, erfasst. 5 Humanvermögen wird gebildet aus der Summe aller betrieblichen menschlichen Faktoren, die den Erfolg eines Unternehmens bzw. den der Unternehmensbeteiligten beeinflussen können. 6 Die Hauptprobleme im Zusammenhang der Humanvermögensrechnung sind die rechtlichen Vorgaben zu Nutzungsdauer, Abschreibungsarten und -raten und Kalkulationszinsfüßen. Wegen der einseitigen Festlegung der Vertreter einer Humanvermögensrechnung auf monetäre Bewertung, ohne die qualitative Seite der Personalarbeit, z.b. den Zuwachs an Lernerfahrung bei den Mitarbeitern, zu berücksichtigen, konnten sich die Konzepte bisher in der Praxis nicht durchsetzen. Auch die Erfassung des Bildungsertrages macht Schwierigkeiten, schon die Komplexität der Bildungsmaßnahmen untereinander. Ist die erkennbare Verhaltensänderung eines Auszubildenden auf seinen Aufenthalt in einer überbetrieblichen Ausbildungsstätte zurückzuführen oder auf den Blockunterricht? Noch schwieriger wird es, wenn man versucht, die Wirkung von Bildungsmaßnahmen und anderen personalpolitischen Maßnahmen zu trennen. Ein anderes Problem ergibt sich aus der Tatsache, dass Bildungsmaßnahmen in der Regel nicht sofort wirksam werden, sondern erst nach einer zeitlichen Verzögerung (time-lag). Wann soll dann das Ergebnis "verbucht" werden? Fragen über Fragen, dennoch lohnt sich das Nachdenken über die Humanvermögensrechnung. Mit ihr sollen Lücken geschlossen werden, die das traditionelle Rechnungswesen offen lässt. 4 Hekiman, J.C., Jonnes, C.H.: Put People in Your Balance Sheet. In: HBR, Vol. 45, Jan.-Feb. 1967, Seite 105-113 5 Wunderer, R., Sailer, M.: Personal-Controlling. Eine vernachlässigte Aufgabe des Unternehmenscontrolling. In: Personalwirtschaft, Heft 8 1987, Seite 321-327 6 Schoenfeld, H.-M.: Die Rechnungslegung über das betriebliche Humanvermögen. In: BfuB, 1974, Seite 1

H u m a n v e r m ö g e n s r e c h n u n g Nutzen: Probleme: Alternativen: Entscheidungshilfe für das Personalmanagement Information über den Unternehmenswert Mitarbeiter werden wie Objekte behandelt Zeitliche Zurechnungsprobleme Sachliche Zurechnungsprobleme Wertermittlung (Schätzwerte, insbesondere für die Zukunft) Humankapital-Theorie Human Resources Index Personalvermögensrechnung Human Cost Accounting Erfassen und messen aller personalspezifischen Aufwendungen eines Unternehmens Vergangenheitsbezogen: feed-back-orientierung Kostenrechnung Human Value Accounting Ermitteln des ökonomischen Wertes aller Mitarbeiter für das betreffende Unternehmen Zukunftsbezogen: feed-forward-orientierung Wertrechnung Abb. 6: Humanvermögensrechnung

Im betrieblichen Rechnungswesen wird ausschließlich das Sach- und Finanzvermögen erfasst, nicht der Wert menschlicher Fähigkeiten. In ihren Geschäftsberichten weisen aber viele Unternehmen gerne auf ihr Engagement in der beruflichen Bildung hin. Finanziers Staat Infrastrukturausgaben Personalausgaben Sachausgaben Sachinvestitionen Ausbild.vergütungen Lohn- und Gehaltsfortzahlungen Sonstige Ausgaben (BAFöG, Forschung) Bundesanstalt für Arbeit Institutionelle Förderung Unterhalt Sonstige Ausgaben Unternehmen Infrastrukturausgaben Personalausgaben Sachausgaben Sachinvestitionen Ausbild.vergütungen Forschungsförderung Sonstiges (Kammern) Private Haushalte Unterhalt Sachausgaben Summe Berufsschule Betrieb / ÜBS Schulen FH / Uni Weiterbildungsträger Kam mern Private & öffentliche Hand. Kirchen/ Gewerkschaften Legende: Graue Felder = mit Finanzierungsströmen; weiße Felder = ohne Finanzierungsströme Abb. 7: Finanzierungsrechnung der Berufsbildungsinvestition 7 Betriebe Empfänger Duales System Berufliche Privat- Sum perso- nen me Wenn einerseits die Unternehmen die Ausgaben für die Berufsbildung bilanzieren möchten, dann darf nicht übersehen werden, dass andererseits auch jährlich rund 0,5 Millionen Jugendliche und junge Erwachsene bereit sind, für drei Jahre auf ein höheres Einkommen zu verzichten, weil auch sie die Ausbildungszeit als Investition in die eigene Zukunft betrachten. Damit lassen sich deutlich drei Quellen für die Investition in die berufliche Zukunft ausmachen: die öffentliche Hand (Bund, Länder, Gemeinden, Bundesanstalt für Arbeit indirekt) die Unternehmen, Privatpersonen (Auszubildende und Angehörige). Fazit: Die Bundesregierung und andere öffentlich-rechtlichen Geldgeber sollten ihre Subventionen nicht einstellen, sondern vielmehr darauf achten, dass die daraus entstehenden Erträge einen gesellschaftlichen Nutzen darstellen. 7 Vgl. Kath, F.: Aufwendungen für die berufliche Aus- und Weiterbildung. In: Cramer/Schmidt/Wittwer (Hrsg.): Ausbilder Handbuch, Grundwerk, Nr. 8.1, Seite 4