DOKUMENTE Projekt 17. Juni 1953



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Transkript:

1 Bezirksvorstand FDGB Frankfurt-Oder, den 24.6.53 Frankfurt-Oder - Sekretariat - Zusammenfassender Situationsbericht über die Lage in den Betrieben des Bezirkes Frankfurt-Oder in der Zeit vom 17. 23.6.53 Übersicht der Einschätzung: 1. Allgemeine Situation in den Betrieben 2. Stellungnahmen zum Beschluß des Zentralkomitees 3. Argumente der Arbeiter 4. Forderungen der Kollegen in den Betrieben 5. Wie werden die Belegschaftsversammlungen vorbereitet und wie unterstützt das Funktionärkollektiv diese Vorbereitungen 6. Wie arbeiten die Leitungen wie BGL, Kreis-, Gebiets- und Bezirksvorstände 7. Arbeit des Klassengegners 9. (sic!) Schlußfolgerungen Zu 1: Allgemeine Situation in den Betrieben Alle Betriebe des Bezirkes Frankfurt-Oder, die am 17. und 18.6. die Arbeit niederlegten, nahmen am 19.6.53 die Arbeit wieder voll auf. (Mit Ausnahme von Baustellen der IG Bau- Holz wie auf der Baustelle Hüttenkombinat J.W. Stalin, Bau-Union Stalinstadt, wo am 20.6. von der 1. und 2. Schicht insgesamt 73 Kollegen, und auf der Baustelle Stalinstadt, wo von der 1. und 2. Schicht 217 Kollegen fehlten. Hierbei muß bemerkt werden, daß darunter ein Teil Provokateure waren, die inzwischen festgenommen wurden sowie ein Teil, die nach Hause gefahren waren.) Besonders in den Betrieben, wo zeitweilig die Arbeit niedergelegt wurde, ist das Verhalten eines großen Teiles der Kollegen zurückhaltend, so z.b. - im Textilwerk Fürstenwalde, - in der Schuhfabrik Storkow, - im EKM Finow, - im Abus Kranbau Eberswalde und - in der Bauunion Stalinstadt. Das trifft auch zum großen Teil auf die übrigen Betriebe unseres Bezirkes zu. Einzelne Beispiele aus unserem Bezirk, wie z.b. im Reichsbahnausbesserungswerk Eberswalde, zeigen aber auch, daß man sehr offen zu den Ereignissen vom 17. und 18.6. Stellung nimmt.

2 Langsam ringt sich bei den Arbeitern die Erkenntnis durch, wie es besonders bei den Reifenwerkern in Fürstenwalde der Fall ist, daß ihre Handlungen falsch waren. Weiter kann man feststellen, daß die Mehrzahl der Betriebe, die am 18.6. ihre Arbeit niedergelegt haben, das aus Solidarität taten. In den Tagen des 17. und 18.6. ist das Verhalten der Kumpel im Eisenhüttenkombinat J.W. Stalin an den Hochöfen besonders hervorzuheben und zwar arbeiteten die Hochöfner vom Hochofen 4 z.b. trotz Anstrengungen der demonstrierenden Bauarbeiter, sie davon abzuhalten, hundertprozentig weiter. Die Kumpel des Ofens IV von der Frühschicht am 17.6.53 erschienen auch zu 50 % zur Nachtschicht, um sich davon zu überzeugen, ob alle Kollegen dieser Schicht anwesend sind, um sonst evtl. einzuspringen. Auch die Aggregate im Kalk-, Zement- und Betonwerk wurden von bewußten Arbeitern bewacht und zwar in der Zeit, in der die übrigen Kollegen des Betriebs demonstrierten. Ebenfalls wurden in den Betrieben der Industriegewerkschaft Nahrung und Genuß wie z.b. in der Konsumschlächterei Frankfurt-Oder von den Kollegen aus Protest eine Aufbauschicht geleistet, in der Zuckerfabrik Vossberg im Kreise Seelow der Wachdienst des Betriebes verstärkt und in der Konservenfabrik Frankfurt-Oder Maßnahmen zur Werbung von Mitgliedern für den FDGB eingeleitet. Zu 2: Stellungnahmen zum Beschluß des Zentralkomitees Die Maßnahmen des Zentralkomitees der SED auf dem 14. Plenum wurden überall begrüßt, jedoch wird allgemein an der Verwirklichung noch gezweifelt. Die Kollegen vom Rat des Kreises, Objekt altes Stadthaus in Strausberg, sind hierzu der Meinung, daß eine Umbesetzung im Staatsapparat notwendig ist, besonders unter den Räten des Bezirkes, da hier sehr bürokratisch und losgelöst von der Masse gearbeitet wird und man nicht genügend dazu beiträgt, die zentral gefaßten Beschlüsse in die Tat umzusetzen. In der Bauunion Spree, Baustelle Sportschule Strausberg, sind die Kollegen der Meinung, daß sich die Regierung von den Massen entfernt hat und sich ungenügend um die Versorgung der Arbeiter kümmert, z.b. mit Margarine. In der Schuhfabrik Storkow sind die Kollegen der Ansicht, daß in der Erklärung des Zentralkomitees die Fragen der Normen zu kurz gekommen sind. Wenn die alten Normen zugrunde gelegt werden, tritt wieder im Betrieb der Zustand ein, daß die niedrigen Lohngruppen einen höheren Verdienst haben als die höheren. Der Angehörige der technischen Intelligenz, Kollege W., von der Baustelle (Rostock Bauunion) Autobahn Frankfurt-Oder, stimmt dem Beschluß des Zentralkomitees voll zu, verlangt jedoch, daß der Wasserkopf verschwindet und mehr operative Hilfe gegeben wird. Zu 3: Argumente der Arbeiter: Die Kollegen in der Schuhfabrik Storkow, besonders die Lehrlinge, sind der Meinung, daß die Verhaftung von 5 Kollegen aus dem Betrieb nicht notwendig war.

3 Im Betrieb Baumechanik Herzfelde argumentieren die Kollegen zur Arbeitsniederlegung wie folgt: Das ist von uns deshalb geschehen, weil wir Solidarität üben wollten. Die Baubrigade Wall, Breske und Schwonke der Abt. Hochbau im Eisenhüttenkombinat J.W. Stalin, erklärte: Wir mißbilligen die durch einige feindliche Elemente hervorgerufenen Demonstrationen und Arbeitsniederlegungen. Wir setzen uneingeschränkt unsere Arbeit fort und fordern die strengste Bestrafung der Provokateure. Allgemein wird von den Kollegen die Brandschatzung und die Übergriffe durch die Provokateure abgelehnt. Besonders im Kreis Fürstenwalde argumentieren die Kollegen: daß es am 17.6.53 keine organisierte Sache durch den Klassengegner war, sondern spontan von einem Teil der Demonstranten ausgelöst wurde. Die Kollegen der Textilfabrik Fürstenwalde wissen gar nicht, weshalb sie am 18.6.53 zeitweilig die Arbeit niedergelegt haben. Der Kollege H., Eisenbieger in der Bauunion Halle, Baustelle Autobahn Frankfurt-Oder, ist folgender Auffassung: Die Ausschreitungen brauchten nicht sein, wenn die Regierung und vor allem die Funktionäre bisher besser auf den Baustellen gearbeitet hätten. Der Kollege L., E-Schweißer auf der Baustelle Autobahn Frankfurt-Oder, Bauunion Spree, verurteilt, daß bisher von den Funktionären, besonders vom Genossen Müller, Parteisekretär, argumentiert wurde: Ihr müßt die Normen erhöhen. Auf der gleichen Baustelle, Bauunion Rostock, hat die Steinmetzbrigade (10 12 Kollegen) durch Druck und List von Seiten der Funktionäre ihre Norm freiwillig erhöht. Mit der Argumentation von Seiten der Betriebsgewerkschaftsleitung und Betriebsparteiorganisation, daß die generelle Normerhöhung doch früher oder später durchgeführt werden muß, ist dieses geschehen. Zu 4: Forderungen der Kollegen in den Betrieben: 1. allgemeine Lohnerhöhung der Lohngruppen 1 4 EKM Finow 2. dreitägiger Mehrurlaub für Schichtarbeiter EKM Finow 3. bessere Versorgung der HO- und Konsumverkaufsstellen mit Mangelwaren, Gemüse usw. 4. In sehr vielen Betrieben richten sich die Forderungen der Arbeiter an die Betriebsleitungen zur Verbesserung der Arbeitsorganisation. Hier wirken sich besonders das fehlende Werkzeug, schlechte Materialbelieferung usw. auf die Arbeitsfreudigkeit der Arbeiter schlecht aus. Folgendes Beispiel aus diesem Betrieb: Früher war der Weg der Kollegen aus dem Produktionsbereich I zur Werkzeugausgabe 50 m lang, jetzt sind es 250 m. Auf der Baustelle Neuendorf im Kreise Seelow fordern die Bauarbeiter, daß endlich der Materialzufluß verbessert wird, damit es nicht mehr vorkommt, daß z.b. am 23.6.53 die Brigade Stellwach aufgrund der schlechten Materialzufuhr einige Stunden Wartezeit hatte. Schuhfabrik Storkow RAW Eberswalde

4 5. Erfüllung der Verpflichtungen im BKV durch die Betriebsgewerkschaftsleitungen, besonders in den Fragen der Arbeiterversorgung und der regelmäßigen Durchführung von Produktionsberatungen. 6. Angleichung des Lohnes an den Tarif der Berliner Bauarbeiter RAW Eberswalde Kreisbaubetrieb 7. Betriebsversammlungen während der Arbeitszeit Kreisbaubetrieb 8. Urlaubsangleichung an die Berliner Regelung Kreisbaubetrieb 9. Zahlung des Durchschnittslohnes an Feiertagen Kreisbaubetrieb 10. Allgemeine Lohnerhöhung Gaselan Fürstenwalde 11. Einstufung der Hilfsarbeiter in die Lohngruppe V Bauunion Stalinstadt Baustelle EK J.W. Stalin 12. Achttägige Lohnzahlung Kalk-, Zement- und Betonwerk 13. Verbesserung der Qualität des Werkküchenessens und der Belieferung der Kioske mit Obst usw. Baustellen der Bauunionen Halle, Rostock und Spree an der Autobahn FFO 14. Bessere Versorgung mit Kartoffeln Kreis Eberswalde Zu Punkt 5 Gemeinsam mit Funktionären der Bezirksleitung der SED werden in 14 folgenden Betrieben ab 22.6.53 Belegschaftsversammlungen vorbereitet und durchgeführt: - RAW Eberswalde (Koll. Wolf); - Bauunion Spree, Baustelle Autobahn Frankfurt/Oder (Koll. Noack, Mann, Schmidt, Schulz); - Textilwerke Fürstenwalde (Koll. Thieme, Höhne); - EKM Finow (Koll. Donath); - Forstwirtschaftsbetrieb Groß-Schönebeck (Koll. Hattwig); - Baumechanik Herzfelde (Koll. Meister); - Stalinstadt (Koll. Semmler); - Schuhfabrik Storkow (Koll. Wendt, Peter); - Hüttenzementwerk Fürstenberg (Koll. Nicht);

5 - Gleisbau Cottbus, Stalinstadt (Koll. Berger); - Bauunion Spree, Baustelle Strausberg (Koll. Schieder); - Baustelle Sportschule Straußberg (Koll. Zülke); - Stalinstadt (Koll. Neumann); - VHZ Schrott Fürstenwalde (Koll. Lebe). Am 1. Tag haben die eingesetzten Funktionäre mit den Kollegen Funktionären im Betrieb Verbindung aufgenommen und sich gründlich über die Lage informiert. Im Textilwerk Fürstenwalde ist z.b. eine Entschließung für die Versammlung vorbereitet, die augenblicklich in den Gewerkschaftsgruppen diskutiert wird. Der Einsatz dieser Funktionäre im Betrieb erstreckt sich bis zur Durchführung der Versammlung. Zu Punkt 6 Die Haltung der Kreis-Gebiete und Bezirksfunktionäre war im allgemeinen gut. Auch bes. BGL-Vorsitzende haben ihre Aufgabe richtig erkannt und mit allen Mitteln der Überzeugung versucht, die Kollegen in den Betrieben von ihrer falschen Handlung zu überzeugen. So hat z.b. der Kollege BGL-Vorsitzende von der Bauunion Halle, Baustelle Autobahn Frankfurt/Oder, tatkräftig den Sekretär der Betriebsparteiorganisation unterstützt, während die übrigen Genossen sich von der Belegschaft fernhielten bzw. den fasch. Forderungen zustimmten. Ebenso hat der Koll. BGL-Vorsitzende des Kranbaus Eberswalde, Koll. R., gemeinsam mit dem Werkleiter des Betriebes und den Genossen der BPO sich kämpferisch mit der Belegschaft auseinandergesetzt. Negatives Verhalten von Gewerkschaftsfunktionären: Kollege B., Kreissekretär IG Bau-Holz Fürstenwalde: Nach Aussagen des Kollegen B. hatten die Kollegen der Bauunion Spree, Baustelle Deka- Reifenwerk Fürstenwalde ihn gezwungen, ein Transparent zu tragen mit der Aufschrift: HO macht uns KO, und zwar vor dem Demonstrationszug durch das Werkgelände. Der BGL-Vorsitzende der Bauunion Spree, Baustelle Autobahn Frankfurt/O, Koll. B., wurde am 18.6. verhaftet. Er war der Initiator, der von der Belegschaft ein Telegramm mit den üblichen RIAS-Forderungen annehmen ließ und es nach Berlin schickte. Der Koll. Kultur, BGL-Vorsitzender der Baustelle des Reifenwerkes Fürstenwalde, wurde gleichfalls wegen schädlichen Verhaltens verhaftet. Die BGL und Betriebsleitung des VEB Kerzen- und Seifenfabrik Frankfurt/O hat am 19.6.53 eine Preiserhöhung für das Werkküchenessen um 10 Pfennig für werkseigene Kollegen und um 40 Pfennig für Gastessen ab 28.6.53 bekanntgegeben. (Qualität ist nicht entsprechend)

6 Während in der Schuhfabrik Storkow die Gewerkschaftsfunktionäre am 17. und 18.6.53 eine abwartende Haltung einnahmen, war die BGL des RAW Eberswalde der Meinung, daß sie als gewählte Leitung die Interessen der Kollegen (auch Streik) vertreten müssen. Die Meinung der Arbeiter zu den Funktionären der BGL, der BPO und der Werkleitung ist, daß diese Funktionäre die Arbeiter kaum beachten, ja nicht einmal grüßen, wenn sie durch das Werkgelände gehen. In einigen Betrieben hat sich die BGL überhaupt nicht um die Ereignisse im Betrieb gekümmert, wie z.b. im Betrieb Bau-Mechanik Herzfelde, während auf der Baustelle Sportschule Strausberg der Bauunion Spree überhaupt keine BGL vorhanden ist. In einigen Betrieben war die Haltung von Leitungsmitgliedern der SED parteifeindlich. Im Textilwerk Fürstenwalde hat der Genosse K., Mitglied der Parteileitung des Betriebes, am Tage der Arbeitsniederlegung weder die Arbeiter aufgeklärt, noch mitgeholfen, Provokateure zu entlarven. Er ist aus dem Betrieb gegangen, um seinen Garten umzugraben. Am Nachmittag erschien dieser Genosse wieder im Betrieb und äußerte: Ich mache nicht mehr mit, mit der Freundschaft ist es jetzt aus, wenn sie so auf unsere Arbeiter vorgehen. (sic!) Die beiden Leitungsmitglieder B. und F. von der Bauunion Spree Baustelle Strausberg haben sich, als der Streik begann, aus dem Betrieb entfernt und sind erst nach zwei Tagen wieder erschienen. Zu Punkt 7 (In der negativen Haltung einer Reihe von Gewerkschaftsfunktionären, wie sie im Punkt 6 aufgeführt sind, widerspiegelt sich die Arbeit des Klassengegners.) Die demonstrierenden Bauarbeiter versuchten gleichfalls, die Hochöfner des Ofens IV für die Demonstration zu gewinnen, was ihnen jedoch aufgrund der konsequenten Haltung der Kumpels nicht gelang. Daraufhin wollten sie die Produktion der Öfen durch Sperrung der Wasserzufuhr einstellen. Ursache: fingierter Anruf, daß die Öfen sowieso nicht arbeiten und deshalb eine Wasserzufuhr nicht mehr erforderlich sei. Bei Kienitz haben Provokateure ein Drahtseil über die Straße gespannt, und der Bürgermeister ist dadurch körperlich verletzt worden. Die Lehrlinge der Schuhfabrik Storkow, 1. Schicht, wurden vom Hauptprovokateur G., (Jugendlicher), aufgefordert, die Bilder unserer führenden Staatsfunktionäre von der Wand zu nehmen bzw. umzudrehen und die Losungen abzureißen mit der Erklärung: Wir haben keine Regierung mehr! G. wurde verhaftet. Zu 8: Schlußfolgerungen A) Die jetzt begonnene operative Hilfe des Funktionärkollektivs in den Betrieben, die breite Aufklärungsarbeit und Veränderung von Mißständen, müssen zum Hauptinhalt unserer gesamten gewerkschaftspolitischen Arbeit werden.

7 B) Die Leitungen des Bezirkes und der Kreise müssen gleichfalls die unteren Leitungen befähigen, die operative Arbeit in den Betrieben durchzuführen. C) Die Leitungen der Gewerkschaften müssen sich auf die Kader konzentrieren, die ab 17.6. sich konsequent mit den Massen über ihr falsches Verhalten auseinandersetzten und treu zur Politik der Partei und Regierung standen. Die übrigen Gewerkschaftsfunktionäre, die sich in Büros abgesperrt, unter faschistischen RIAS-Losungen mitmarschierten und teils die Belegschaften aufgewiegelt haben, sind sofort zur Verantwortung zu ziehen und von ihren Funktionen zu entbinden. D) Alle Gewerkschaftsleitungen müssen gründlichst die berechtigten betrieblichen Forderungen, Wünsche und Beschwerden der Belegschaften beachten und sie verwirklichen. (auch die unscheinbar kleinsten Forderungen). E) Die Bezirksvorstände der Industriegewerkschaften und Gewerkschaften werden verpflichtet, dem Bezirksvorstand des FDGB jeweils bis Montag, 9 Uhr, ihren wöchentlichen Einsatzplan ihrer Funktionäre in den Betrieben einzureichen, um die Hilfe und Kontrolle durch den FDGB zu organisieren. F) Der Bezirksvorstand des FDGB kontrolliert die Kreisaktive und leitet die Bezirksvorstände der IG und Gew. an, um die Hilfe der Industriearbeiter zur Einbringung der Ernte mit dem Schwerpunkt Saatenpflege für Agrarkreise zu organisieren. gez. Köttig gez. Sparchholz [Quelle: SAPMO-BArch, DY 34/15/515c/3100]