2 Fossile Energieträger



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2 Fossile Energieträger Allen fossilen Energieträgern ist gemein, dass sie aus abgestorbenen Bestandteilen von Pflanzen und Tieren entstanden sind. Bei ihrer energetischen Umwandlung (Verbrennung) wird hauptsächlich CO 2 freigesetzt, welches lange zuvor beim Wachstum der Ausgangsbestandteile gespeichert wurde. In Deutschland wurden im Jahr 2011 insgesamt 13.374 PJ Primärenergie benötigt. Zur Bereitstellung dieser Energie tragen insbesondere die fossilen Energieträger bei. Zu den wichtigsten fossilen Energieträgern zählt Mineralöl mit einem Beitrag von 4.549 PJ im Jahr 2011, gefolgt von Erdgas (2.733 PJ), Steinkohle (1.685 PJ) und Braunkohle (1.562 PJ). Der Anteil aller fossilen Energieträger, an der in Deutschland eingesetzten Primärenergie, beträgt zur Zeit etwa 79%. Im Vergleich dazu tragen die erneuerbaren Energien (1.452 PJ), die Kernenergie (1.178 PJ) und sonstige Energieträger (214 PJ) zusammen nur zu etwa einem fünftel zur benötigten Primärenergie bei [138]. Zur Bereitstellung von elektrischer Energie tragen mit Braunkohle, Steinkohle, Erdgas oder Erdöl befeuerte Kraftwerke zu etwa 60 % bei [455]. Damit sind die fossilen Energieträger der wichtigste in Deutschland genutzte Energieträger. Im Vergleich zu den erneuerbaren Energien ist das Vorkommen der fossilen Energieträger endlich. Bei einem Vorkommen eines (fossilen) Rohstoffs wird zwischen der Reserve, der Ressource, der Reichweite und dem Gesamtpotential unterschieden [450]: Reserve: sind Vorkommen, die durch Bohrungen bestätigt sind, durch den heutigen Stand der Technik förderbar sind, auf Grundlage heutiger Preise wirtschaftlich förderbar sind Ressource: nachgewiesene Vorkommen, die technisch bzw. wirtschaftlich nicht förderbar sind sowie Vorkommen, die nicht nachgewiesen aber geologisch möglich sind Reichweite: Quotient aus den Reserven geteilt durch die aktuelle Fördermenge pro Jahr Gesamtpotentital: Summe aus der Reserve, der Ressource und der insgesamt bisher geförderten Menge eines Rohstoffs. Erdöl ist ein wichtiger Rohstoff der chemischen Energie und dient hauptsächlich, in Form von Kraftstoff, als Energielieferant in Verbrennungsmotoren. Kohle wird zum überwiegenden Teil in elektrische Energie umgewandelt. Erdgas wird sowohl in (Heiz-)Wärme als auch in elektrische Energie umgewandelt und kann als Treibstoff genutzt werden. 2.1 Kohle Kohle entsteht durch die anaerobe Umwandlung von Pflanzenbestandteilen. Zur Bildung von Kohle in größeren Mengen sind hohe Produktionsraten von Biomasse über einen längeren Zeitraum notwendig, wie sie beispielsweise in den subtropischen Klimazonen anzutreffen sind. Einmal abgestorbene Pflanzenteile müssen schnell mit Sediment abgedeckt werden, um vom (Luft-) B. Diekmann, E. Rosenthal, Energie, DOI 10.1007/978-3-658-00501-6_2, Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

16 2 Fossile Energieträger Sauerstoff abgeschlossen zu werden. Andernfalls verwesen die organischen Pflanzenbestandteile, sodass Kohlenstoffdioxid entsteht und die anorganischen Stoffe (Mineralstoffe) der Pflanzen übrig bleiben. Mit steigender Überdeckung der Pflanzenbestandteile, und dem damit verbundenen Anstieg von Temperatur und Druck, beginnt die Inkohlung. Zunächst wird das Porenwasser aus den Pflanzenbestandteilen gedrückt, die zunächst durch biochemische Prozesse in Torf umgewandelt werden, der langsam in Braunkohle übergeht. Durch die zunehmende Überlagerung der Braunkohle durch Sediment erhöht sich der Druck und die Temperatur in der Lagerstätte. In der geochemischen Phase sinkt der Wassergehalt des organischen Materials weiter ab. Flüchtige Bestandteile, wie z.b. Kohlenstoffdioxid und Methan, werden abgegeben. Der prozentuale Kohlenstoffanteil des Materials steigt stetig an. Mit zunehmender Inkohlung gehen die organischen Texturen des Pflanzenmaterials verloren, beispielsweise Zellwände. Am Ende der Inkohlung ist Graphit mit einem Kohlenstoffanteil von 100 % entstanden, wobei Graphit nicht mehr zu den Kohlen gezählt wird [389]. Tabelle 2.1 gibt einen Überblick über verschiedene Kohlenarten, sortiert nach dem Grad ihrer Inkohlung. Bei Kohle handelt es sich immer um ein heterogenes Stoffgemisch, das überwiegend aus Kohlenstoff besteht. In geringeren Mengen ist aber auch Wasserstoff und Sauerstoff enthalten. Es gibt keine einheitliche Molekülstruktur. Kohle kann beispielsweise langkettige Paraffine enthalten, die noch aus den Wachsen der ursprünglichen Pflanze stammen [389]. Tabelle 2.1: Zusammensetzung von verschiedenen Kohlen (wasser- und aschefrei) [389]; für Graphit gilt: Kohlenstoff mit 100 Gew. % Bezeichnung Kohlenstoff Wasserstoff Sauerstoff flüchtige Heizwert Bestandteile [Gew.-%] [Gew.-%] [Gew.-%] [Gew.-%] [MJ/kg] Braunkohle/ 65-75 5,5-8 12-30 43-60 7-13 Steinkohle: Flammkohle 75-81 5,8-6,6 > 9,8 40-45 < 32,0 Gasflammkohle 81-85 5,6-5,8 7,3-9,8 35-40 33,0-34,2 Gaskohle 85-87,5 5,0-5,6 4,5-7,3 28-35 33,9-34,8 Fettkohle 87,5-89,5 4,5-5,0 3,2-4,5 19-28 34,5-35,6 Esskohle 89,5-90,5 4,0-4,5 2,8-3,2 14-19 35,2-35,6 Magerkohle 90,5-91,5 3,8-4,0 2,5-2,8 12-14 35,2-35,5 Anthrazit > 91,5 < 3,8 < 2,5 < 12 35,0-35,3 2.1.1 Vorkommen, Abbau und Einsatz von Kohle Weltweit werden etwa 7 10 12 kg Kohle pro Jahr gefördert. Die Kohlereserven werden mit 1 10 18 kg beziffert (Braunkohle 723 10 15 kg, Steinkohle 278 10 15 kg), wobei die Gesamtressource auf 54 10 18 kg geschätzt wird [68]. Deutschland ist mit 169 10 9 kg Braunkohleförderung pro Jahr das Land mit der höchsten Förderrate, gefolgt von China. Die in Deutschland geförderte Menge Braunkohle übersteigt die Summe

2.1 Kohle 17 der Förderraten der USA, von Kanada und Mexiko, mit insgesamt 106 10 9 kg pro Jahr deutlich. Im Gegensatz zur Steinkohle wird Braunkohle fast ausschließlich im Tagebau gefördert. Wegen des hohen Wassergehalts, und dem damit verbundenen niedrigeren Heizwert, eignet sich Braunkohle nicht zum Transport über längere Strecken, sondern wird meistens in direkter Nähe zum Fundort in elektrische Energie umgewandelt. Verwendet wird die geförderte Braunkohle zum größten Teil zur Produktion von elektrischem Strom. Insgesamt werden in deutschen Kraftwerken 154,61 10 9 kg Braunkohle pro Jahr verbrannt [126]. Zu den wichtigsten Abbaugebieten in Deutschland zählen das Rheinische, das Lausitzer und das Mitteldeutsche Braunkohlerevier. Weltweit wird etwa siebenmal mehr Steinkohle als Braunkohle gefördert und genutzt. Dies gilt jedoch nicht für Deutschland, wo lediglich 14 10 9 kg Steinkohle gefördert werden. Etwas weniger als ein Drittel dieser Menge wird zu Koks weiterverarbeitet, der in der Stahlindustrie benötigt wird. Die übrige Steinkohle wird in Kraftwerken verbrannt. Abhängig von der Geologie findet der Abbau von Steinkohle entweder im Tagebau oder in Bergwerken statt. Steinkohle aus Lagerstätten, die im Tagebau gefördert werden kann, hat einen deutlich niedrigeren Preis als Steinkohle, die im Untertage-Bergbau gefördert wird. In Deutschland erfolgt der Abbau ausschließlich in Bergwerken, was ein Grund für die doppelt so hohen Kosten für deutsche Steinkohle im Vergleich zum Weltmarktpreis ist. Zur Zeit wird der Abbau von Steinkohle in Deutschland staatlich bezuschusst. Geplant ist der Auslauf des subventionierten Steinkohlebergbaus bis zum Ende des Jahres 2018 [128]. Aufgrund der geringeren Kosten werden rund 42,455 10 9 kg Steinkohle pro Jahr aus dem Ausland eingeführt. Die meiste Steinkohle wird in China gefördert, gefolgt von den USA und Indien [126]. 2.1.2 Kohlekraftwerk Die chemische Energie von Braun- und Steinkohle wird von Dampfkraftwerken in elektrische Energie umgewandelt. Dazu wird fein gemahlene Kohle verbrannt. Bei der Verbrennung wird Bindungsenergie in Form von Wärme frei. Wasser nimmt die Energie auf und es entsteht komprimierter (Wasser-)Dampf. Die potentielle Energie (Druck) des Dampfs wird in einer Turbine in kinetische Energie (Rotationsenergie) umgewandelt, die von einem elektrischen Generator in elektrische Energie gewandelt wird. Bevor die Kohle verbrannt wird, muss sie zunächst zu Kohlestaub zermahlen werden. Anschließend wird der feine Kohlenstaub, zusammen mit der im Luftvorwärmer erhitzten Verbrennungsluft, in die Brennkammer des Dampferzeugers eingeblasen. Die große Oberfläche der gemahlenen Kohlepartikel begünstigt den nahezu vollständigen Ausbrand der Kohle. Der Verbrennungsprozess selbst wird durch die Regulierung der Brennstoff- und Luftzufuhr gesteuert. Die Verbrennung erfolgt homogen bei einer durchschnittlichen Temperatur von 1.200 C. Durch die relativ niedrige Verbrennungstemperatur wird die Entstehung von Stickoxiden reduziert. Die bei der Verbrennung entstehenden heißen Rauchgase werden in einen Dampferzeuger geleitet. In Rohrbündeln zirkuliert Wasser, dass im Gegenstrom einen Großteil der Wärmeenergie der Gase aufnimmt. Nachdem das Rauchgas den Dampferzeuger mit einer Temperatur von etwa 350 C verlassen hat, wird es durch den Luftvorwärmer geleitet, wo die angesaugte Verbrennungsluft vorgewärmt und das Rauchgas auf eine Temperatur von ungefähr 160 C weiter abgekühlt wird. Im nächsten Schritt werden, in einem elektrostatisch arbeitenden Filter, mehrheitlich die im Gasstrom befindlichen Partikel abgeschieden (Entstaubung). Der anschließende Rauch-

18 2 Fossile Energieträger Abbildung 2.1: Schematischer Aufbau eines Kohlekraftwerks gaskühler überträgt einen Teil der Wärmeenergie des Rauchgases an das kondensierte Wasser des Dampfkreislaufs. Im letzten Prozessschritt gelangt das abgekühlte Rauchgas in die Entschwefelungsanlage, bevor es über den oberen Teil des Kühlturms in die Atmosphäre abgeleitet wird. Im Kalksteinnassverfahren wird in der Entschwefelungsanlage aus dem Rauchgas, neben Schwefeldioxid, auch Chlorwasserstoff und Fluorwasserstoff ausgewaschen. Etwa 90 % des zuvor im Rauchgas enthaltenen Schwefeldioxids wird aus dem Gasstrom entfernt und in Gips umgesetzt 1 [368]. Zentraler Bestandteil eines Kohlekraftwerks ist der Dampferzeuger. Dort wird die Wärmeenergie der heißen Rauchgase auf Wasser übertragen, welches zunächst verdampft wird. Anschließend wird im Überhitzer die Temperatur des Wasserdampfs, über die Verdampfungstemperatur hinaus, auf 600 C bei einem Druck von mehr als 270 bar gesteigert. Der komprimierte Dampf wird zum Hochdruckteil einer Dampfturbine geleitet und auf einen Druck von etwa 55 bar entspannt. Von dort aus gelangt der Dampf zurück in den Dampferzeuger, um im Zwischenerhitzer erneut auf eine Temperatur von mehr als 600 C aufgeheizt zu werden. Es schließt sich eine zweite Hochdruckturbine sowie eine Mittel- und Niederdruckturbine an, in denen der Dampf vollends entspannt wird. Der Druck wird auf den im Kondensator herrschenden Druck von wenigen zehn Millibar reduziert, indem sich der Dampf als Wasser niederschlägt. Während des Phasenüber- 1 Dabei wird unter Zugabe von Calciumhydroxid und Kristallwasser das Schwefeldioxid (welches beim Verbrennen der schwefelhaltigen Kohle ins Rauchgas kommt) zu -trioxid oxidieren, welches dann mit dem Calciumhydroxid und dem Kristallwasser zu Gips (CaSO 4 ) reagiert.

2.1 Kohle 19 gangs wird Kondensationswärme frei, die im Kondensator an einem Kühlwasserkreislauf übertragen und anschließend über einen Kühlturm in die Atmosphäre abgeleitet wird [368]. Kraftwerksblöcke mit einer typischen elektrischen Leistung von 1.100 MW erreichen nach dem heutigen Stand der Technik einen Gesamtwirkungsgrad von rund 45 %. Eine elektrische Regelleistung von maximal 500 MW kann innerhalb von 15 Minuten bereitgestellt werden. Neben der (Braun-)Kohle als Brennstoff (rund 820 t/h) 2, benötigt ein Kraftwerk noch Wasser (1.520 t/h) und Luft (66.800 t/h) zum Kühlen sowie Kalk (3 t/h) zur Entschwefelung. Es fallen Gips (5 t/h) und Asche (30 t/h) an [368]. 2.1.2.1 Braunkohletrocknung Braunkohle besitzt einen Wasseranteil von 50 bis 60 % bezogen auf ihr Gewicht. Beim Verbrennungsvorgang muss zunächst das enthaltene Wasser verdampft werden. Hierfür muss Energie aufgewendet werden, sodass der Heizwert von Braunkohle deutlich geringer ausfällt als der von trockener Kohle. Anstatt die Braunkohle während der Verbrennung zu trocknen, kann dies auch in einem vorgelagerten Trocknungsprozess geschehen. Zur Trocknung der Kohle werden in einem herkömmlichen Braunkohlekraftwerk heiße Rauchgase mit einer Temperatur zwischen 900 und 1.000 C aus dem Brennraum entnommen und in die Kohlemühlen geleitet, sodass die Trocknung der Kohle während der Zerkleinerung in der Mühle stattfindet [373]. Die Trocknung der Kohle bei Temperaturen knapp oberhalb von 100 C ist energetisch deutlich günstiger, verglichen mit der wesentlich heißeren Rauchgastrocknung. Ein Verfahren, das die Kohle mit überhitzten Wasserdampf trocknet, ist die Wirbelschicht-Trocknung mit interner Abwärmenutzung (WTA) [216]. Abbildung 2.2 zeigt den Aufbau einer WTA-Trocknungsanlage. Zunächst wird die Kohle fein zermahlen und gelangt dann in den Trockner. Dort wird der Kohlenstaub zusammen mit dem überhitzten Wasserdampf verwirbelt. Bei einer Dampftemperatur von 110 C und einem Druck von 1, 1 bar stellt sich ein Gleichgewicht zwischen der Temperatur des Dampfs und der Restfeuchte der Kohle von rund 12 % Feuchte ein [373]. Zur Trocknung der Braunkohle wird Energie benötigt. Es bietet sich die Nutzung von Dampf aus dem Kraftwerksprozess an, der durch einen im Wirbelbett integrierten Wärmetauscher geleitet wird und Wärme auf die zu trocknende Kohle abgibt. Der bei der Trocknung der Braunkohle austretende Wasserdampf (Brüden) wird zunächst in einem Elektrofilter von Kohlepartikeln befreit. Ein Teil des gereinigten Wasserdampfs wird zurück in den Trockner geblasen und dient dort zur Verwirbelung der Rohbraunkohle. Dem restlichen Wasserdampf wird in einem Kondensator Wärme entzogen, die dem Kraftwerksprozess zugeführt wird [373]. Eine andere Variante nutzt die Wärme des austretenden Wasserdampfs zur Bereitstellung der zur Trocknung benötigten Energie, indem in einem offenen Wärmepumpen-Prozess, ein Teil der Energie des austretenden Wasserdampfs zurückgewonnen wird. Nach der Entstaubung im Elektrofilter wird ein Teil des Wasserdampfs in einem Verdichter auf 3 bis 4 bar komprimiert. Durch die Kompression wird dem Dampf zusätzliche Energie zugeführt, sodass er über ausreichend Wärme zur Beheizung des Wärmetauschers im Wirbelbett verfügt. Durch die Kondensation des Wasserdampfs im Wärmetauscher wird zusätzlich Energie frei. Das anfallende warme Wasser wird zur Erwärmung 2 Die Zahlenbeispiele beziehen sich auf einen der beiden Kraftwerksblöcke BOA 2 & 3 des Braunkohlekraftwerks Neurath [368].

20 2 Fossile Energieträger Abbildung 2.2: Aufbau einer WTA-Anlage; links Energiezufuhr durch Dampf aus dem Kraftwerk; rechts Energiezufuhr durch einen offenen Wärmepumpen-Prozess [373] der Rohbraunkohle genutzt, die vor der Zermahlung auf eine Temperatur zwischen 65 und 70 C vorgewärmt wird [216]. Die getrocknete Kohle bildet am Boden des Trockners ein Festbett. Die Kohle wird ausgetragen, gekühlt und bevor sie als Brennstoff in das Kraftwerk gelangt, gegebenenfalls in einer zweiten Mühle auf eine Korngröße von weniger als 1 mm zerkleinert. Durch die Reduktion des Wassergehalts der Braunkohle von 51 % auf 12 %, bezogen auf das Gewicht der Kohle, wird der Gesamtwirkungsgrad eines Kraftwerks mit Dampfkreislauf um 4... 6 % gesteigert. Kraftwerke mit Kohlevergasung, oder nach dem Oxyfuel-Verfahren arbeitende Kraftwerke, setzen aus verfahrenstechnischen Gründen eine vorherige Trocknung der Braunkohle voraus [216]. 2.1.3 Kohlebefeuerte Kombikraftwerke Kombikraftwerke kombinieren den Dampfprozess mit einer vor- oder nachgeschalteten Gasturbine. Im Unterschied zur drucklosen Verbrennung in einem herkömmlichen Kraftwerk wird die Kohle in einem Kraftwerk mit Druckwirbelschichtfeuerung in der Brennkammer des Dampferzeugers unter einem Druck von 14 bis 18 bar verbrannt. Nachdem das komprimierte Rauchgas den größten Teil seiner Wärmeenergie im Dampferzeuger an den Dampfkreislauf abgegeben hat, wird es gereinigt und anschließend in einer Gasturbine entspannt. Zur Stromerzeugung im nachgeschalteten Generator steht nur ein Teil der Rotationsenergie der Gasturbine zur Verfügung, weil zusätzlich Energie zum Verdichten der Verbrennungsluft benötigt wird. Die Gasturbine trägt etwa 20 % zur insgesamt abgegebenen elektrischen Energie des Kraftwerks bei. Der überwiegende Teil der Energie (80 %) wird durch die Dampfturbinen bereitgestellt [381]. Durch die Druckwirbelschichtfeuerung wird der Gesamtwirkungsgrad des Kraftwerks, je nach eingesetztem Brennstoff, auf insgesamt 47 % gesteigert [303]. Eine Weiterentwicklung der Druckwirbelschichtfeuerung ist die Druckkohlenstaubfeuerung. Auch bei diesem Verfahren wird der Kohlenstaub unter Druck verbrannt. Das gereinigte Rauch-

2.1 Kohle 21 gas wird zuerst in einer Gasturbine entspannt, bevor es in den Dampferzeuger geleitet wird. Entsprechend trägt die Gasturbine mehr zur bereitgestellten elektrischen Energie bei, als die Dampfturbine [381]. Das Verfahren befindet sich in einer frühen Entwicklungsphase und lässt sich momentan im industriellen Maßstab noch nicht umsetzen. Problematisch ist vor allem die Reinigung des heißen komprimierten Rauchgases, um einen fehlerfreien und verschleißarmen Betrieb der Gasturbine zu gewährleisten. Der Gesamtwirkungsgrad eines Kraftwerks mit Druckkohlenstaubfeuerung könnte zwischen 53 % und 55 % betragen [303]. Ein Integrated Gasification Combined Cycle (IGCC-)Kraftwerk nutzt einen kombinierten Gasund Dampfprozess zur Umwandlung von Energie, bei der aus dem Brennstoff Kohle zunächst ein Synthesegas gewonnen wird. Während der Kohlevergasung 3 wird der feste (fossile) Brennstoff in Synthesegas überführt. Zur Aufbereitung werden zunächst im Staubabscheider Partikel aus dem Gas entfernt. In der anschließenden Wassergas-Shift-Reaktion wird das im Synthesegas enthaltene Kohlenstoffmonoxid in Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff umgewandelt [268]: CO + H 2 O CO 2 + H 2 H = 42 kj mol Das Kohlenstoffdioxid und andere Sauergase (z.b. H 2 S) werden anschließend aus dem Synthesegas abgetrennt und einer Speicherung oder Weiterverarbeitung zugeführt. Im Vergleich zu anderen Verfahren, bei denen CO 2 erst aus dem Rauchgas entfernt wird, ist die Abtrennung nach der Wassergas-Shift-Reaktion effizienter, weil CO 2 in deutlich höherer Konzentration im Sauergas enthalten ist [358]. Das nahezu CO 2 -freie Brenngas wird in einer Gasturbine verbrannt, die einen elektrischen Generator antreibt. Zusätzlich wird dem hauptsächlich aus Wasserdampf bestehenden Rauchgas, in einem nachgeschalteten Dampfprozess, (Kondensations-)Wärme entzogen. (2.1) Abbildung 2.3: Prozessschritte in einem IGCC-Kraftwerk mit nachgeschalteter Carbon Dioxide Capture and Storage (CCS)-Technologie Zukünftig ist auch die Umwandlung des überwiegend aus Wasserstoff bestehenden Brenngases in Brennstoffzellen denkbar. Mit einer nachgeschalteten Abgas- bzw. Abwärmenutzung ließe 3 siehe Kapitel 2.1.5

22 2 Fossile Energieträger sich ein Integrated Gasification Fuel Cell Combined Cycle (IGFC-)Kraftwerk realisieren. Wird auf die CO 2 -Abtrennung verzichtet, könnte der Wirkungsgrad, eines mit Braunkohle betriebenen Gas- und Dampfkraftwerks mit Kohlevergasung, voraussichtlich die 50%-Marke übersteigen. Durch die Abtrennung und Speicherung des Kohlenstoffdioxids würde der Gesamtwirkungsgrad des Kraftwerks um etwa 10 bis 11 Prozentpunkte gesenkt [358]. IGCC-Kraftwerke mit CO 2 -Abtrennung werden auch als IGCC-CCS-Kraftwerke bezeichnet, wobei sich der Zusatz CCS aus der Carbon Dioxide Capture and Storage Technologie ableitet. Die Kohlevergasung ermöglicht, neben der energetischen Nutzung, auch eine weiterführende stoffliche Nutzung von Kohle. Während zur energetischen Nutzung das Kohlenstoffmonoxid in der Shift-Reaktion möglichst vollständig in CO 2 und H 2 umgewandelt werden sollte, muss bei der stofflichen Nutzung des Synthesegases nur ein Teil des CO umgewandelt werden. Das Verhältnis zwischen H 2 und CO wird durch die jeweilige Synthese und ihre Produkte vorgegeben. Abbildung 2.4 gibt einen Überblick über die verschiedenen stofflichen Nutzungspfade der vergasten Kohle. Abbildung 2.4: Verschiedene stoffliche Nutzungspfade von vergaster Kohle; nach [358]

2.1 Kohle 23 2.1.4 CCS-Technologie Die Carbon Capture and Storage (CCS-)Technologie soll zukünftig den CO 2 -Ausstoß von fossilen Kraftwerken drastisch senken. Die Technologie hat drei grundlegende Bestandteile: 1. Abscheidung: Bei der Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Materialien entsteht CO 2, das entweder vor der eigentlichen Verbrennung durch eine Shift-Reaktion oder nach erfolgter Verbrennung aus dem Abgasstrom abgeschieden wird. 2. Transport: Das abgetrennte Kohlenstoffdioxid muss vom Ort der Entstehung (Kraftwerk) zu einer geeigneten Lagerstätte transportiert werden. 3. Speicherung: Das CO 2 muss dauerhaft in einer Lagerstätte gespeichert werden, sodass es dem atmosphärischen Kreislauf entzogen wird. Zur Abscheidung des Kohlenstoffdioxids im Kraftwerk haben sich drei verschiedene Methoden etabliert. Alle drei Verfahren zur CO 2 -Abtrennung benötigen Energie und verringern den Gesamtwirkungsgrad eines Kraftwerks. Abhängig vom jeweiligen Verfahren ist mit einem Wirkungsgradverlust zwischen acht und zwölf Prozentpunkten zu rechnen [67]. Bei der Pre-Combustion -Technologie wird der Brennstoff zunächst in ein Synthesegas umgewandelt 4, dessen Hauptbestandteile Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff sind. Im nächsten Schritt wird das Kohlenstoffmonoxid in einer Shift-Reaktion mittels Wasserdampf in CO 2 und Wasserstoff umgewandelt. Aus dem Synthesegas wird CO 2 ausgewaschen, während der Wasserstoff als eigentlicher Brennstoff in einer Gasturbine verbrannt wird [67]. Vorteilhaft bei dem Verfahren ist vor allem die Kombination der CCS-Technologie mit dem hohen Wirkungsgrad einer Gas- und Dampfturbine. Beim Oxyfuel -Verfahren wird die Kohle in einer Atmosphäre aus reinem Sauerstoff verbrannt. Zum einen entsteht deutlich weniger Rauchgas als bei einer Verbrennung der Kohle mit Luft, die zu 78 % aus Stickstoff und nur zu 21 % aus Sauerstoff besteht. Zum anderen enthält das Abgas hauptsächlich Kohlendioxid und Wasserdampf. Durch die Kühlung des Abgases kondensiert der Wasserdampf zu Wasser, sodass der Abgasstrom Kohlendioxid in sehr hoher Konzentration enthält, das direkt gespeichert werden kann. Ein gesonderter Abscheideprozess entfällt [371]. Der Gesamtwirkungsgrad eines Kraftwerks wird jedoch durch die Oxyfuel -Technologie gesenkt, weil 250 bis 270 kwh für die Bereitstellung von einer Tonne Sauerstoff aufgewendet werden müssen [67]. Die Post-Combustion -Technologie setzt nach der Reinigung des Rauchgases an. Nach der Entschwefelung besitzt das Rauchgas eine Temperatur von etwa 65 C. In einem weiteren Wäscher wird das Gas gekühlt und von Schwefeldioxid-Restspuren befreit, die sich im anschließenden CO 2 -Wäscher zu schwefeliger Säure verbinden würden. In der nächsten Stufe, dem Absorber, wird das gereinigte Rauchgas in Kontakt mit einer Waschflüssigkeit (einer wässrigen Lösung von Aminen) gebracht, die im Gegenstrom das CO 2 aus dem Rauchgas an sich bindet. Im Anschluss wird das um bis zu 90 % CO 2 reduzierte Rauchgas erneut mit Wasser gewaschen und in die Atmosphäre eingeleitet. Zur Regeneration der mit CO 2 gesättigten Waschflüssigkeit wird diese in einen Desorber geleitet. Dort wird sie auf 120 C erhitzt, wodurch sich das CO 2 aus 4 siehe auch 2.1.5.

24 2 Fossile Energieträger der Flüssigkeit löst. Die erhitzte Waschflüssigkeit wird abgekühlt und danach zurück in den Absorber gepumpt. Im Desorber wird gasförmiges CO 2 mit einer hohen Reinheit freigesetzt, das komprimiert und zur Lagerstätte transportiert werden kann [372]. Ausgehend von einem IGCC-Kraftwerksblock mit CCS-Technologie, einer elektrischen Leistung von 450 MW und einer CO 2 Abscheidung von 90 %, müssen rund 2,6 10 6 t Kohlendioxid pro Jahr vom Kraftwerk zur Lagerstätte transportiert werden. Grundsätzlich eignen sich zum Transport von Kohlenstoffdioxid Tankkraftwagen, Güterzüge, Schiffe oder Pipelines. In Anbetracht der Menge des zu transportierenden Gases, der Streckenlängen, der Wirtschaftlichkeit und der Energieeffizienz sind Pipelines das Transportmittel der Wahl. Dazu wird das CO 2 beim Kraftwerk auf einen Druck von 200 bar verdichtet, wodurch das Gas in einen nebelartigen Zustand übergeht. Die Fließeigenschaften des Gases sind in dieser dichten Phase vergleichbar mit denen einer Flüssigkeit. In den USA existiert bereits ein 3100 km langes Netz aus Pipelines, durch das pro Jahr etwa 40 10 6 t CO 2 transportiert werden. Das Gas wird in Erdöllagerstätten injiziert, um die Förderung des Öls zu erleichtern [369]. Eine geeignete Lagerstätte zeichnet sich durch die dauerhafte Speicherung des eingebrachten Kohlenstoffdioxids aus. Einmal gespeichertes Gas darf weder zurück in die Atmosphäre gelangen, noch darf das Grundwasser beeinträchtigt werden. Als mögliche Lagerstätten kommen saline Aquifere, ungenutzte Kohlevorkommen, ausgeförderte Erdölfelder und (Erd-)Gaslagerstätten in Betracht [67]. Als saline Aquifere werden poröse salzwasserführende Gesteinsformationen bezeichnet, die sich unter tiefen, undurchlässigen Gesteinsschichten befinden. Durch das eingespeiste CO 2 wird zunächst das Wasser aus den Hohlräumen verdrängt. Langfristig löst sich das Gas im Wasser, sodass sich der ph-wert des Wassers verringert. Das saure Wasser löst Salze aus dem umgebenden Gestein heraus, die wiederum mit dem gelösten CO 2 reagieren. Es entstehen mineralische Verbindungen, wie beispielsweise Kalzite, die zu den wichtigsten gesteinsbildenden Mineralien zählen. Als Lagerstätten sind besonders saline Aquifere mit Deckschichten aus Tonstein, Steinsalz oder Anhydrid-Gestein geeignet, die das Aufsteigen des eingespeisten Kohlendioxids verhindern. Weltweit gesehen bieten saline Aquifere aufgrund ihrer Ausdehnung das größte Speicherpotenzial für Kohlendioxid. Alleine in Deutschland wird die Speicherkapazität saliner Formationen auf etwa 20 10 9 t [369] bzw. 12 bis 28 10 9 t CO 2 geschätzt [67]. Nennenswerte salzwasserführende Speichergesteine sind in Deutschland vor allem nördlich einer Linie Berlin-Hannover zu finden. Eine weitere Möglichkeit zur Speicherung von Kohlenstoffdioxid bieten Kohleflöze, die aufgrund ihrer Tiefe von mehr als 1.500 m wirtschaftlich nicht für einen Abbau geeignet sind. Durch die Struktur der Kohle wird das eingespeiste CO 2 an die Oberflächen der Kohlepartikel angelagert und dauerhaft gebunden. Jedoch lässt das eingespeiste CO 2 die Kohle aufquellen, sodass die Kohleflöze ihre Durchlässigkeit verlieren. Für eine mittelfristige Speicherung von CO 2 sind ungenutzte Kohleflöze deshalb keine Option, nicht zuletzt weil die in Deutschland vorhandenen Speicherkapazitäten mit 0,37 bis 1,67 Gt CO 2 zu gering sind [67]. Im Enhanced-Oil-Recovery-Verfahren wird Kohlendioxid zur Erhöhung der Fördermengen in Öllagerstätten gepresst. Auch bereits erschlossene Öllagerstätten eignen sich zur Speicherung von Kohlenstoffdioxid, wenn zuvor alle Bohrlöcher abgedichtet wurden. In Deutschland sind die vorhandenen Lagerkapazitäten mit insgesamt 0,13 Gt CO 2 gering, sodass ausgeförderte Erdöllagerstätten zur Speicherung von Kohlenstoffdioxid eher international von Interesse sind [67].

2.1 Kohle 25 Erdgas-Lagerstätten sind nachweislich gasdicht. Nach Abdichtung der ehemaligen Bohrlöcher können erschöpfte Lagerstätten sowie Teile der Infrastruktur direkt zur Speicherung von CO 2 genutzt werden. In Deutschland beträgt die Speicherkapazität rund 2,75 Gt CO 2. Der überwiegende Teil der Lagerstätten befindet sich in Norddeutschland. Dort befinden sich 66 Felder mit einer Aufnahmefähigkeit von etwa 1,77 Gt CO 2 [67]. Weltweit wird die Speicherkapazität der technisch nutzbaren CO 2 -Speicher- und Lagerstätten auf etwa 2 10 12 t Kohlenstoffdioxid geschätzt. Im optimistischsten Fall könnte eine Kapazität von 11 10 12 t CO 2 vorhanden sein. Werden alle ausgeförderten Öl- und Gasfelder sowie salzwasserführenden Gesteinsschichten zur Einlagerung von CO 2 genutzt, so könnte das weltweit emittierte CO 2 der nächsten 80 Jahre gespeichert werden [67]. Heutige Förderungsraten vorausgesetzt, reichen die Braunkohlevorräte im Rheinland schätzungsweise noch 350 Jahre [370]. Folglich kann die CCS-Technologie nur eine Brückentechnologie sein. Entweder erschließen sich andere Nutzungspfade für das abgetrennte CO 2, beispielsweise in der chemischen Industrie, oder die benötigte Energie muss spätestens bei gefüllten CO 2 -Speichern CO 2 -frei bereitgestellt werden. Die Kosten für die CCS-Technologie belaufen sich auf rund 34 bis 53 Euro pro Tonne CO 2. Detailliert aufgeschlüsselt entfallen pro Tonne Gas 25 bis 34 Euro auf die Abscheidung, 4 bis 6 Euro auf den Transport und 4 bis 12 Euro auf die Speicherung des Kohlenstoffdioxids und die Überwachung der Lagerstätten [67]. Aus wirtschaftlicher Sicht lohnt sich die CCS-Technologie erst dann, wenn die Kosten dauerhaft niedriger sind als der Preis für CO 2 - Emissionszertifikate. 2.1.5 Kohlevergasung und To-Liquid-Verfahren Bei der Kohlevergasung wird die Kohle in einem Vergaser bei hohen Temperaturen in ein Synthesegas umgewandelt. Bei Temperaturen oberhalb von 800 C reagiert der organische Anteil der Kohle mit einem gasförmigen, sauerstoffhaltigen Vergasungsmittel, z.b. Wasserdampf, und wird vollständig in ein Synthesegas umgesetzt. Die Zusammensetzung des Synthesegases ist abhängig von der Prozessführung. Im Allgemeinen steigt mit zunehmender Prozesstemperatur die Bildung von Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff, während die Bildung von Methan verringert wird. Hohe Prozessdrücke wirken sich umgekehrt aus. Aufgrund der heterogenen Zusammensetzung der Kohle entstehen neben den bereits genannten Gasen u.a. unerwünschte Gase, wie Schwefelwasserstoff, Ammoniak und höhere Kohlenwasserstoffe [268]. Im Allgemeinen wird zwischen drei unterschiedlichen Verfahren zur Vergasung der Kohle unterschieden: Festbett-, Wirbelschicht- und Flugstromvergaser. Bei einem Festbettvergaser (z.b. Lurgi-Druckvergaser) wird das Vergasungsmedium im Gegenstrom der zerkleinerten Kohle, mit einem Durchmesser von 3 bis 50 mm, zugeführt. Während im unteren Teil des Reaktors Temperaturen bis 2.000 C vorherrschen, sodass die Asche flüssig abgezogen werden kann, ist die Temperatur im oberen Teil des Reaktors deutlich niedriger. Als Folge weist das Synthesegas einen hohen Methananteil sowie unerwünschte teerartige Komponenten auf. Bei Wirbelschichtvergasern (z.b. Hochtemperatur-Winkler-Vergaser) wird feinkörnigere Kohle verwendet, mit einem Durchmesser zwischen 0, 5 und 5mm. Die Kohle wird vom Vergasungsmedium aufgewirbelt und reagiert mit diesem bei Temperaturen von 800 bis 1.000 C zum Synthesegas. Beim Flugstromverfahren (z.b. Texacon-Verfahren) wird die Kohle sehr fein vermahlen. Die feinen Kohlepartikel

26 2 Fossile Energieträger mit einem Durchmesser von weniger als 0, 1 mm werden zusammen mit dem Vergasungsmedium in den Reaktor eingeblasen. Im gesamten Reaktionsraum herrschen Temperaturen von bis zu 2.000 C, sodass die Kohlepartikel in sehr kurzer Zeit in ein Synthesegas umgesetzt werden. Aufgrund der hohen Temperaturen ist der Anteil an höhermolekularen Kohlenwasserstoffen (insbesondere Methan) im Synthesegas gering [268]. Welches Verfahren zur Vergasung der Kohle angewendet wird, hängt vor allem von der Zusammensetzung der Kohle und dem späteren Verwendungszweck des Synthesegases ab. Insbesondere bei IGCC-Kraftwerken ist ein hoher Anteil an Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff im Synthesegas erwünscht, weshalb die Kohle, bei hohen Temperaturen und unter einem Druck von etwa 35 bar, im Flugstromverfahren in ein Synthesegas umgewandelt wird. Anstelle von Kohle lässt sich auch Biomasse durch Vergasung in ein Synthesegas umwandeln. Nach der Reinigung lässt sich das Gas in einer katalytischen Synthese zu langkettigen Kohlenwasserstoffen umsetzen (Fischer-Tropsch-Synthese). Bei der Fischer-Tropsch-Synthese werden aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff überwiegend Paraffine, aber auch Olefine gebildet. Die beiden Hauptreaktionen 5 lauten [390]: n CO + (2 n + 1)H 2 C n H 2 n+2 + n H 2 O (2.2) n CO + 2n H 2 (CH 2 ) n + n H 2 O H = 159 kj mol Durch die Vergasung eines kohlenstoffhaltigen Materials, und die anschließende Fischer-Tropsch- Synthese, lassen sich aus dem Synthesegas (flüssige) Kohlenwasserstoffe herstellen. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um einen gasförmigen (Gas To Liquid (GTL)), festen (Coal To Liquid (CTL)) oder nachwachsenden (Biomass To Liquid (BTL)) Rohstoff handelt. Der Gesamtprozess ermöglicht es, synthetische Kraftstoffe ohne die Verwendung von Erdöl bereitzustellen, wie beispielsweise schwefel- und aromatenfreien Diesel-Kraftstoff oder petrochemische Grundstoffe. Weltweit beträgt die Produktionskapazität an Fischer-Tropsch-Kraftstoffen etwa 30 Mt pro Jahr [390]. (2.3) 2.1.6 Ausblick Kraftwerke zur Wandlung von Kohle werden auch zukünftig maßgeblich zur Bereitstellung von elektrischer Energie beitragen. Ziel zukünftiger Entwicklungen wird es sein, den CO 2 -Ausstoß der Kraftwerke in den nächsten Jahren und Jahrzehnten deutlich zu senken. Kurz- und mittelfristig kann dies durch einen gesteigerten Anlagenwirkungsgrad erreicht werden. Der Brennstoff muss besser ausgenutzt werden, beispielsweise durch die Vortrocknung von Braunkohlen in WTA-Anlagen. Durch die Entwicklung und den Einsatz neuer Werkstoffe lässt sich die Temperatur des Dampfs auf 700 C bei einem Druck von 350 bar steigern. Durch diese Maßnahmen soll sich der Gesamtwirkungsgrad neu errichteter Kohlekraftwerke auf über 50 % bis zum Jahr 2015 erhöhen. Für den Zeitraum von 2015 bis 2020 ist die Marktreife der CCS-Technologie denkbar, sodass ab dem Jahr 2020 vorhandene oder neue Kohlekraftwerke mit CO 2 -Wäschern ausgestattet werden könnten. Integrated Gasification Combined Cycle (IGCC-)Kraftwerke mit 5 Die Methylengruppe (CH 2 ) bezeichnet ein Kettenglied eines Kohlenwasserstoffmoleküls.

2.2 Erdöl und Erdgas 27 nachgeschalteter Carbon Dioxide Capture and Storage (CCS-)Technologie und einer elektrischen Leistung von 450 MW könnten ebenfalls bis zum Jahr 2020 Gestalt annehmen. IGCC- Kraftwerke mit CCS-Technologie mit einer höheren Leistung dürften voraussichtlich nicht vor dem Jahr 2022 realisiert werden können [372]. 2.2 Erdöl und Erdgas Die Ausgangssubstanzen von Erdöl sind Kleinstlebewesen, vor allem Algen sowie pflanzliches und tierisches Plankton. Nachdem die Organismen abgestorben sind, sinken sie auf den Meeresboden ab. In Wasserschichten, in denen der für die Verwesung erforderliche Sauerstoff fehlt, bilden die organischen Substanzen, zusammen mit kalk- und tonhaltigem Schlamm, einen Faulschlamm (Sapropel). Durch die Überlagerung des Faulschlamms mit Gesteinsmaterialien entsteht Erdölmuttergestein, mit einem Gehalt an organischem Material von 1 bis 20 %. Ideale Bedingungen für die Bildung von Erdölmuttergestein sind in nicht allzu tiefen Meeresgebieten zu finden, die vom offenen Ozean weitgehend abgetrennt sind [450]. Unter Sauerstoffabschluss und dem Einfluss von Druck und (Erd-)Wärme, wandeln Bakterien die komplexen organischen Verbindungen (Kohlenhydrate, Eiweiße, Fette) in einfachere flüssige oder gasförmige Kohlenwasserstoffe um. Durch die fortwährende Überlagerung mit Sedimenten gelangt das Gestein in größere Tiefen. In einer Tiefe zwischen 2.000 und 4.000 m herrschen Temperaturen zwischen 65 und 120 C, die die Bildung von Erdöl begünstigen. Bei höheren Temperaturen zwischen 120 und 180 C, also einer größeren Tiefe zwischen 4.000 und 6.000 m, wird die Bildung von Erdgas bevorzugt [450]. Neben der Temperatur steigt mit zunehmender Tiefe auch der Druck an, der die Poren des Gesteins zusammenpresst (Katagenese). Als Folge steigen die in den Poren befindlichen flüssigen oder gasförmigen Kohlenwasserstoffe auf. Stößt das Öl oder Gas auf eine undurchlässige Gesteinsschicht, beispielsweise aus Salz, Mergel oder Ton, sammelt es sich dort an. Ist die abdichtende Schicht nach unten glockenförmig gekrümmt und befindet sich unter der sperrenden Schicht ein poröses, speicherfähiges Gestein, wie beispielsweise Sandstein oder ein klüftiger Kalkstein, so bildet sich eine Lagerstätte, in der Erdöl oder Erdgas dauerhaft gespeichert wird. Geeignete Standorte sind beispielsweise die Schelfränder der Kontinente, Grabenbrüche oder die Umgebung von Salzstöcken. Meist wird von einer Lagerstätte immer dann gesprochen, wenn Erdöl oder Erdgas in ausreichenden Mengen vorhanden sind und die Durchlässigkeit des Speichergesteins groß genug ist, um eine wirtschaftliche Förderung zu ermöglichen [450]. Rohöl ist ein Gemisch aus mehr als 500 chemischen Verbindungen, das ortsspezifische Zusammensetzungen aufweist. Bezogen auf das Gewicht enthält es 83 bis 87 % Kohlenstoff, 11 bis 15 % Wasserstoff, 0,1 bis 7 % Schwefel, 0,06 bis 1,5 % Sauerstoff und zwischen 0,1 und 0,5 % Stickstoff [57]. Das typische Volumenmaß für Rohöl ist das US-amerikanische Barrel (bbl): 1bbl = 158,99 l (2.4) Häufig entsteht Erdgas in Verbindung mit Erdöl. Es kann aber auch durch einen fortschreitenden Inkohlungsprozess gebildet werden. Gelangen Kohleflöze in tiefe Erdschichten, kommt es durch die dort vorherrschenden Temperaturen und Drücke zu einer Anreicherung des Kohlenstoffs, sodass Gase, wie beispielsweise Sauerstoff, Wasserstoff und Methan, aus dem Kohleflöz verdrängt

28 2 Fossile Energieträger werden. Treffen die Gase auf eine gasdichte Gesteinsschicht, können sich Erdgaslagerstätten bilden. Erdgas besteht hauptsächlich aus Methan (je nach Typ zu 85 bis 98%). Weitere Bestandteile sind höhere Kohlenwasserstoffe wie Ethan, Propan und Butan sowie Kohlenstoffdioxid, Stickstoff und Schwefelwasserstoff in unterschiedlich hohen Konzentrationen [450]. 2.2.1 Erdgas- und Erdölvorkommen und -Förderung Die Reichweite von Erdöl und Erdgas ist definiert als Quotient aus der Reserve, geteilt durch die aktuelle Fördermenge pro Jahr. Bessere Förder- und Erkundungstechniken steigern die weltweite Reserve kontinuierlich, sodass die Reichweite sich in den letzten 60 Jahren verdoppelt hat. Die Reichweite von Erdöl betrug im Jahr 1940 insgesamt 21 Jahre, im Jahr 1960 waren es bereits 38 Jahre und im Jahr 1998 erhöhte sich die Reichweite auf 40 Jahre. Ende 2007 wurden die weltweiten Erdölreserven mit 180 10 12 kg beziffert, was einer rechnerischen Reichweite von 46 Jahren entspricht [451]. Aktuell wird die Erdölreserve mit 217 10 12 kg beziffert, wobei auch genutzte Ölsandreserven in Kanada sowie Schwerstölreserven in Venezuela und den USA berücksichtigt sind. Bei einer momentan geförderten Menge von rund 4 10 12 kg Erdöl pro Jahr, entspricht die Reserve einer Reichweite von 54 Jahren. Die Erdöl-Ressourcen werden weltweit mit 298 10 12 kg veranschlagt. Insgesamt wird das Gesamtpotential von Erdöl unter Berücksichtigung von Ölsanden und Schwerstölen, die zusammen ein Potential von 312 10 12 kg besitzen (könnten), auf 678 10 12 kg geschätzt 6. Damit ist Erdöl wahrscheinlich der einzige nicht erneuerbare Energieträger, bei dem in den kommenden Jahrzehnten eine steigende Nachfrage nicht mehr gedeckt werden kann [68]. Eine vergleichbare Entwicklung ist auch bei der Erdgasreserve zu beobachten. In einem Zeitraum von 37 Jahren hat sich die Reserve nahezu vervierfacht auf insgesamt 175 10 12 m 3 im Jahr 2007. Dies entspricht einer Reichweite von rund 60 Jahren [451]. Die aktuelle Erdgas-Reserve wird mit 192 10 12 m 3 beziffert. Bei einer aktuellen Förderrate von 3,2 10 12 m 3 pro Jahr, ergibt sich auch nach heutigem Stand eine Reichweite von rund 60 Jahren. Die Erdgas-Ressource wird mit 531 10 12 m 3 angegeben und ist damit bezogen auf die jeweilige Förderrate deutlich höher als die von Erdöl. Das Gesamtpotential von Erdgas beträgt nach [68] schätzungsweise 819 10 12 m 3 und nach [452] sogar 1798 10 12 m 3. In Deutschland wird sowohl Erdgas als auch Erdöl gefördert. Die Fördermenge liegt bei rund 20 10 9 m 3 Erdgas pro Jahr. Das wichtigste Bundesland, in dem Erdgas gefördert wird, ist Niedersachsen mit einem Anteil von 94% an der Gesamtfördermenge. Die Erdgas-Reserve in Deutschland wird auf 82 10 9 m 3 geschätzt. Rund 55 10 9 m 3 Erdgas werden als Ressource eingestuft. Erdöl wird überwiegend in Schleswig-Holstein (63 %) und Niedersachsen (33 %) gefördert. Die Fördermenge beträgt rund 4 10 9 kg Erdöl pro Jahr. Die Reserve beträgt rund 21 10 9 kg Erdöl und als Ressource werden 15 10 9 kg Erdöl eingestuft [450]. Erdöl- und Erdgasvorkommen werden durch Bohrungen erschlossen, wobei die Bohrungen meist senkrecht zur Erdoberfläche durchgeführt werden. Lässt sich eine Lagerstätte nicht direkt von oben erschließen, kann ab einer vorgegebenen Tiefe die Richtung der Bohrung gezielt verän- 6 Diese Schätzungen sind im Vergleich zur Reserve sehr schwierig. Zum Vergleich: Ende des Jahres 2006 schätzte die Bundesanstalt für Geowissenschaften das Gesamtpotential von Erdöl noch 561 10 12 kg (entspräche einer Reichweite von etwa 143 Jahre).

2.2 Erdöl und Erdgas 29 dert werden (Ablenkbohrungen). Um den Zufluss zum Bohrloch zu verbessern und eine höhere Förderrate zu erzielen, wird häufig innerhalb einer Lagerstätte horizontal gebohrt (Horizontalbohrung) [450]. Die Förderung von Erdöl wird in drei Phasen unterteilt. Zu Beginn der Primärförderung steigt das Öl aufgrund des natürlichen Drucks in der Lagerstätte durch die Produktionssonden an die Erdoberfläche. Durch die Entnahme des Öls sinkt der Druck in der Lagerstätte, sodass die natürliche Förderrate kontinuierlich sinkt. Um weiterhin Öl zu fördern, werden je nach Tiefe der ölführenden Schicht oberirdisch angetriebene Tiefpumpen (Pferdekopfpumpen, bis 2.500 m Pumpleistung) oder direkt angetriebene Pumpen in das Bohrloch eingesetzt. Wieviel Öl mit dem Primärverfahren gefördert werden kann, hängt von der Beschaffenheit der Lagerstätte und des Erdöls ab. Unter günstigen Umständen, etwa bei starkem Wassertrieb und guter Lagerstättenbildung, können bis zu 50% des Öls gefördert werden. In Deutschland liegt der Grad der Entölung im Primärverfahren bei rund 18 % [190]. Im Sekundärverfahren wird der Druck in der Lagerstätte künstlich erhöht. Dies geschieht entweder durch Wasserfluten, einem Verfahren bei dem fortlaufend Wasser in die Lagerstätte gepresst wird, oder durch die Injektion von Gasen. Falls das Speichergestein säurelöslich ist, kann durch das Einpressen von Säure die Durchlässigkeit des Gesteins und damit die Förderrate erhöht werden. Mit dem Sekundärverfahren wird in Deutschland ein durchschnittlicher Entölungsgrad der Lagerstätten von 32 % erreicht [190]. Beim Tertiärverfahren handelt es sich um ein Verfahren, bei dem das noch vorhandene restliche Erdöl gefördert wird, das durch Primär- und Sekundärverfahren nicht gefördert werden konnte. Dabei wird die Viskosität des nunmehr zähen und dickflüssigen Öls verringert und somit dessen Flussrate erhöht. Dies geschieht beispielsweise durch das Einpressen von heißem Wasser und Dampf oder Tensiden in die Lagerstätte. Durch die Injektion von Kohlenstoffdioxid erhöht sich der Druck innerhalb der Lagerstätte und durch die gleichzeitige Lösung im Erdöl verringert sich dessen Viskosität. Die Tertiärverfahren ermöglichen es, in Deutschland insgesamt etwa 45 % des in einer Lagerstätte befindlichen Erdöls zu fördern [190]. Unter optimalen Bedingungen können etwa 70 % des lagernden Öls genutzt werden. Erdgas-Lagerstätten stehen meist unter einem hohen Druck, sodass das komprimierte Gas selbstständig aus einer einmal angebohrten Lagerstätte strömt. Die Materialien der Bohr- und Förderanlagen richten sich nach der Beschaffenheit des Erdgases, die abhängig ist vom Gestein der Lagerstätte. Lagerstätten aus Buntsandstein, Rotliegend oder Karbon enthalten Erdgas mit einem geringen Anteil Schwefelwasserstoff (Süßgas). Die Lagerstätten in Niedersachsen liegen in Zechsteinformationen, wodurch das Erdgas einen hohen Gehalt an Schwefelwasserstoff aufweist (Sauergas). Die Förderung von Sauergas stellt im Gegensatz zu Süßgas hohe Anforderungen an den Korrosionsschutz der Anlagen. Hat eine Lagerstätte nur eine geringe Durchlässigkeit, weil beispielsweise die Porenräume mit Tonmineralien verschlossen sind, so kann ein Erdgasfeld durch horizontale Bohrungen und Hydraulic Fracturing (Fracking) erschlossen werden [189]. Bei diesem Verfahren wird Wasser, dem Sand und Chemikalien beigemischt sind, in die Lagerstätte gepresst, um das Gestein aufzubrechen. Die zugesetzten Chemikalien sollen beispielsweise den Sandtransport verbessern oder die Mineralien des Speichergesteins auflösen. Nach dem Fracking wird die Flüssigkeit zurückgepumpt. Der Sand bleibt in den entstandenen Sprüngen und feinen Klüften zurück, um die Risse offen zu halten. Das geförderte Erdgas ist mit Wasserdampf gesättigt und muss zunächst getrocknet werden. An den Produktionsbohrungen sind Gastrocknungsanlagen installiert, die das Wasser abscheiden

30 2 Fossile Energieträger und über Versenkbohrungen in die Lagerstätte zurück pressen. In Erdgasaufbereitungsanlagen wird dem Sauergas zusätzlich der Schwefelwasserstoff entzogen und in Schwefel umgewandelt. Anschließend wird das gereinigte Erdgas aus unterschiedlichen Lagerstätten zu einer einheitlichen Qualität gemischt und zum Transport in Pipelines eingespeist [189]. Weil Erdgas überwiegend im Winter zum Heizen genutzt wird, schwankt die Nachfrage jahreszeitlich. Im Sommer wird ein Teil des geförderten Erdgases unterirdisch zwischengespeichert. Dazu wird das Erdgas in ehemalige, ausgeförderte Erdgasfelder (Porenspeicher) eingelagert. Um kurzfristige Bedarfsspitzen oder Schwankungen auszugleichen, wird das Erdgas in ausgespülte Hohlräume in Salzstöcken gepresst, die während der Salzförderung entstanden sind (Kavernenspeicher) [191]. Gasturbinenkraftwerke wandeln die chemische Energie von Erdgas in elektrische Energie um. In der Brennkammer einer Turbine wird Erdgas mit komprimierter Luft vermischt und verbrannt. Die heißen Verbrennungsgase expandieren, strömen durch die Turbine und übertragen einen Teil ihrer Energie auf die Turbinenschaufeln, die wiederum einen elektrischen Generator antreiben. Ausführlich wird die Funktion von Gasturbinen in Kapitel 8 im Unterabschnitt 8.1.6 erläutert. Reine Gasturbinenkraftwerke nutzen die Wärme der heißen Abgase nicht oder übertragen sie an einen Fernwärmekreislauf. Die Kraftwerke können sehr schnell elektrische Energie bereitstellen, und zeichnen sich durch niedrige Investitionskosten, aber hohe Betriebskosten aus. Im Vergleich zu Kohlekraftwerken ist ihr Gesamtwirkungsgrad geringer. Gas- und Dampfkraftwerke (GuD- Kraftwerke) kombinieren ein herkömmliches Dampfkraftwerk mit einer oder mehreren Gasturbinen. Die heißen Abgase der Turbine gelangen in einen Dampferzeuger, wo sie einen Teil ihrer Wärmeenergie abgeben. Durch den Dampf wird eine Dampfturbine angetrieben, die ebenfalls zur Stromproduktion beiträgt. Durch die Kombination einer Gasturbine mit einem Dampfprozess liegt der Gesamtwirkungsgrad eines modernen GuD-Kraftwerks bei über 57% [195]. Ein Kohle- Kombikraftwerk ist eine Kombination aus einem konventionellen Kohlekraftwerk mit einer oder mehreren Gasturbinen. Die Turbinen treiben einen elektrischen Generator an und ihre heißen Abgase werden in die Brennkammer eines kohlebefeuerten Dampferzeugers geleitet. Zuschaltbare Gasturbinen oder Gasturbinenkraftwerke eignen sich insbesondere, um zu Spitzenlastzeiten oder beim Ausfall von (fluktuierenden) Stromerzeugern, innerhalb von wenigen Minuten elektrische Energie bereitzustellen. Um eine bessere Auslastung von erdgasbetriebenen GuD-Kraftwerken zu erreichen, werden diese auch als Grund- und Mittellastkraftwerke eingesetzt [374]. 2.2.2 Erdöl und Erdölerzeugnisse Nach der Förderung muss das Rohöl aufbereitet werden. Zunächst wird das Gemisch bei leicht erhöhtem Druck verwirbelt, um das Erdgas von den flüssigen Bestandteilen zu trennen. Anschließend wird das in der Flüssigkeit enthaltene Wasser durch Dichtetrennung vom Erdöl separiert. Es folgt der Transport in eine Erdölraffinerie, in der aus dem Erdöl Kraftstoffe, Brennstoffe, Mineralöle und Stoffe für die chemische Industrie hergestellt werden. In der Raffinerie wird das gereinigte Rohöl zunächst auf 370 C erhitzt. Es entsteht ein Gas- Flüssigkeitsgemisch, welches in einen Destillationsturm geleitet wird. Die Destillation findet bei atmosphärischem Druck statt (atmosphärische Destillation). Der Temperaturgradient im Turm, der aus mehreren Glockenböden besteht, nimmt nach oben hin ab. Entsprechend herrscht am Boden des Turms (Sumpf) die höchste Temperatur. Alle Gase, die kleinere Kondensationstem-

2.2 Erdöl und Erdgas 31 peraturen besitzen als die Temperatur des Sumpfes, steigen im Turm auf. Dort werden sie im Gegenstrom mit den im jeweiligen Glockenboden bereits kondensierten Flüssigkeiten in Kontakt gebracht (Rektifikation). Ist die Temperatur des Glockenbodens kleiner als der Siedepunkt des (gasförmigen) Stoffs, so kondensiert er. Alle anderen Stoffe steigen weiter auf, bis sie einen Glockenboden erreichen, dessen Temperatur kleiner ist als ihr Siedepunkt. Im oberen Bereich des Turms werden alle gasförmigen Bestandteile gesammelt, die in keinem Glockenboden kondensiert sind. In den Glockenböden, mit einer Temperatur zwischen 370 und 250 C, kondensieren die Mitteldestillate, aus denen Diesel und leichtes Heizöl hergestellt werden. Bei einer Temperatur zwischen 250 und 170 C siedet Petroleum, aus dem Kerosin hergestellt wird. Rohbenzine kondensieren zwischen 170 und 35 C und bilden den Ausgangsstoff für Aromaten, Alkene und andere Grundstoffe für die pharmazeutische und petrochemische Industrie. Zu den leicht flüchtigen Bestandteilen, die unterhalb von 35 C kondensieren, zählen u.a. Propan und Butan [410]. Die Rückstände aus dem Sumpf der atmosphärischen Destillation werden ein zweites Mal destilliert. Weil viele der Bestandteile bei einer Temperatur von mehr als 350 C zerfallen, findet die zweite Destillation bei einem verminderten Druck statt, um den Siedepunkt zu erniedrigen. Aufsteigend nach ihren Siedepunkten genannt, entstehen Vakuumgasöl, Wachsdestillate und der Vakuumrückstand. Aus den Wachsdestillaten werden Schmiermittel hergestellt, oder sie werden zusammen mit dem Vakuumgasöl in Crackanlagen in kurzkettige Kohlenwasserstoffe zerlegt. Dies geschieht einerseits durch thermisches Cracken, bei dem der Zerfall der Kohlenstoffketten durch Erhitzung verursacht wird und andererseits durch einen Katalysator. Der Katalysator bewirkt eine Aufspaltung der Kohlenwasserstoffe bei niedrigen Temperaturen und beschleunigt den Vorgang. Durch das Cracken entstehen Mitteldestillate, Alkylate, Benzine und Propylen. Abbildung 2.5: Schema der Rohöl Destillation in einer Raffinerie

32 2 Fossile Energieträger Tabelle 2.2: Energiebedarf und Emissionsfaktoren für die Erkundung, die Förderung, die Herstellung, den Transport und die Verteilung verschiedener Energieträger, bezogen auf 1 kg des jeweiligen Treibstoffes [244] Effizienz 7 CO 2 [g] NO X [g] SO 2 [g] VOC[g] PM[g] Benzin 0, 75 670 2, 1 5, 8 2, 1 0, 29 Diesel 0, 78 470 1, 8 4, 4 1, 5 0, 23 Kerosin 0, 79 450 1, 8 4, 3 1, 5 0, 23 LPG 0,83 550 1,8 4,9 1,5 0,24 Marine Diesel-Öl 0, 79 400 1, 7 4, 0 1, 5 0, 21 Außerdem bildet das Vakuumgasöl den Rohstoff für die Herstellung von Tensiden. Aus dem Vakuumrückstand wird entweder direkt schweres Heizöl oder Bitumen hergestellt oder es wird im Coker zu Koks, Mitteldestillaten oder Benzinen aufbereitet [410]. Sowohl die Produkte der atmosphärischen Destillation als auch der Vakuumdestillation, müssen vor der weiteren Verarbeitung entschwefelt werden. Dazu wird das Mineralölprodukt mit Wasserstoff vermischt und bei einer Temperatur von 400 C und einem Druck von 70 bar über einen Katalysator geleitet. Der Schwefel verbindet sich mit dem Wasserstoff zu Schwefelwasserstoff, der in einer Claus-Anlage wiederum in elementaren Schwefel und Wasser aufgespalten wird. Eine Raffinerie benötigt hauptsächlich Wärme zum Erhitzen des Rohöls und elektrischen Strom. Abhängig vom Grad der Verarbeitung des Rohöls, werden zwischen 4 und 10 % des ankommenden Rohöls benötigt, um den Energiebedarf einer Raffinerie zu decken [255]. Zu den wichtigsten Rohölerzeugnissen gehören Otto- und Dieselkraftstoffe sowie Kerosin und marine Dieselöle, deren chemische Energie von Verbrennungsmaschinen (Kapitel 8) in Bewegungsenergie umgesetzt wird. Sowohl bei der Exploration der Lagerstätten als auch bei der Herstellung der genannten Kraftstoffe wird Energie benötigt und es entstehen Emissionen. Tabelle 2.2 zeigt vergleichend den Energiebedarf und die Emissionsfaktoren für die Erkundung, die Förderung, die Herstellung, den Transport und die Verteilung gebräuchlicher Kraftstoffe. Die Werte berücksichtigen auch die Emissionsfaktoren und den Energiebedarf für den Bau und Rückbau der Raffinerien und decken somit die gesamte Prozesskette ab, von der Erkundung der Lagerstätte bis zum Transport des Kraftstoffs zur Tankstelle. 7 Die Effizienz beschreibt das Verhältnis von eingesetzter Primärenergie, der nach der Umwandlung bereitgestellten Energie.

http://www.springer.com/978-3-658-00500-9