Übertragung von Unternehmerpflichten



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Transkript:

Neustadt Weinstraße, 21. Januar 2016 Übertragung von Unternehmerpflichten Voraussetzungen, Inhalte, Rechtswirkungen und Haftungsfolgen Autor Produktsicherheit Rechtsanwalt Dr. Thomas Wilrich Fachanwalt für Verwaltungsrecht Madeggerweg 13a 82541 Münsing Telefon: 08177 / 929 557 Email: info@rechtsanwalt-wilrich.de Website: www.rechtsanwalt-wilrich.de Hochschule München Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen zuständig für Arbeits- und Wirtschaftsrecht Produkt- und Technikrecht Unternehmensorganisationsrecht Autor Betriebssicherheit mit 20 Gerichtsurteilen Prof. Dr. Thomas Wilrich, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (Email: thomas.wilrich@web.de)

13 BGV A1 bzw. DGUV Vorschrift 1 Pflichtenübertragung Der Unternehmer kann zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm nach Unfallverhütungsvorschriften obliegende Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Die Beauftragung muss den Verantwortungsbereich und Befugnisse festlegen und ist vom Beauftragten zu unterzeichnen. Eine Ausfertigung der Beauftragung ist ihm auszuhändigen. Wer? der Unternehmer und die von ihm Beauftragten an Wen? zuverlässige und fachkundige Personen Wie (formal)? Schriftlichkeit und Gegenzeichnung Wofür (örtlich)? festgelegter Verantwortungsbereich Was (inhaltlich)? festgelegte Befugnisse Rechtsfolge? Aufgaben in eigener Verantwortung wahrnehmen Pflicht zur Schaffung einer geeigneten Organisation 3 ArbSchG Pflicht zur Einbindung des Arbeitsschutzes in Führungsstrukturen 3 ArbSchG keine Pflicht zur Beauftragung gemäß 13 BGV A1 kann, nicht muss keine Pflicht zur Aufgabenübertragung gemäß 13 ArbSchG BAG 2009 Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 2

Hierarchische Voraussetzungen Wer kommt generell in Betracht? 1. allgemeine unternehmenshierarchische Delegationsvoraussetzungen: Führungskräfte der mittleren und unteren Ebene, etwa Bereichsleiter, Gruppenleiter, Schicht- + Maschinenführer sowie Meister und Vorarbeiter Übertragung nach ArbSchG + UVV setzt Vorgesetztenstellung mit Befugnis zu Eingriffen in Arbeitsabläufe voraus VG Augsburg 2012 Der haftungsscheue Professor letztlich kommen (je nach Aufgabe) auch einfache Arbeitnehmer in Betracht Das bestätigt die BAuA, wenn sie sehr weitgehend (!) im Faltblatt Kopiergeräte und Drucker im Büro aus 2005 die Benennung einer verantwortlichen Person für jedes Gerät empfiehlt. auch externe Dienstleister bestätigend DGUV Regel 100-001 Nr. 2.14 Mai 2014 Fazit: keine abstrakte unternehmenshierarchische Delegationsgrenzen, sondern nur konkrete - personenbezogene - Delegationsvoraussetzungen Lorenz Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 3

Personenbezogene Voraussetzungen Auswahlverschulden Schlüsselbegriffe: Zuverlässigkeit und Fachkunde 2. konkrete personenbezogene Delegationsvoraussetzungen Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand Bin ich meinem Amte nicht gewachsen, so ist der zu tadeln, der es mir anvertraut Schiller, Der Parasit oder die Kunst, sein Glück zu machen Man soll nicht den Bock zum Gärtner machen Hegel in seiner Vorrede zu den Grundlinien der Philosophie des Rechts Zuverlässig ist (vgl. die Formulierung in 10 Abs. 1 der 5. BImSchV) wer persönlich geeignet ist, die Arbeitsschutzaufgaben zu übernehmen. Dazu ist erforderlich, dass der Beauftragte auf Grund seiner persönlichen Eigenschaften, seines Verhaltens und seiner Fähigkeiten zur ordnungsgemäßen Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben geeignet ist personenbezogen Fachkunde hat wer über die theoretischen Kenntnisse, praktischen Fertigkeiten und hinreichende berufliche Erfahrung verfügt aufgabenbezogen AG Offenbach Der gebrochene Schiffsmast auf dem Spielplatz in Offenbach Zuverlässigkeit ersetzt nun mal keine Fachkenntnisse. Ohne Fachkenntnisse kann auch der zuverlässigste Mitarbeiter Spielgeräte nicht verantwortlich auf Sicherheit prüfen Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 4

Strukturelle Voraussetzungen Organisationsverschulden Schlüsselfunktion der Organisation 3. Schaffung der organisationsbezogenen Voraussetzungen der Delegation: es ist nachteilig, einen Mitarbeiter mit einer Aufgabe zu betrauen, die Sie noch gar nicht durchdacht haben Nölllke/Zielke/Kraus, Praxiswissen Management Aufgaben müsse transparent und Entscheidungsbefugnisse geklärt sein : Erst auf dieser Basis ist eine Pflichtenübertragung sinnvoll Unfallkasse Hessen Je besser die Rahmenbedingungen desto eher ist eine Pflichtenübertragung zulässig / haftungsvermeidend: VGH München 2014 Fachunkundiger Professor Angesichts der Formblattstruktur und der einmaligen Begleitung im Jahr 2004 ist der Professor in der Lage eine sofern überhaupt erforderlich erneute Gefährdungsbeurteilung eigenverantwortlich vorzunehmen. Hinsichtlich seiner weiteren Aufgaben bietet ihm das Handbuch Arbeitssicherheit eine weitere Handreichung, dort werden alle von ihm zu berücksichtigenden Gefahren anschaulich bebildert und nachvollziehbar beschrieben AG Offenbach 2004 Der gebrochene Schiffsmast auf dem Spielplatz : Ein Blick in die Norm hätte gezeigt, dass die eigenen Untersuchungen und Dokumentationen nicht in Ordnung waren und dass es gar kein vernünftiges Sicherheitsmanagement gab, dessen Wirksamkeit der Sachverständige hätte überprüfen können Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 5

Wie? Schriftlichkeit und Gegenzeichnung 126 BGB: Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet sein Unterschrift des Beauftragenden Unterschrift des Beauftragten wegen Gegenzeichnung eine Meinung: Pflichtenübertragung kann nicht einseitig erfolgen, sondern bedarf der Vereinbarung mit dem Mitarbeiter so Bock + Kranig/Timm andere Meinung: Ob einem Beschäftigten ein Teil der Pflichten übertragen werden kann, ist eine Frage des Arbeits- und Gesellschaftsrechts und keine Frage des Präventionsrechts der Unfallversicherung so auch Bock Die Zustimmung des Verpflichteten ist nur erforderlich, sofern der bisherige Rahmen des Arbeitsvertrages überschritten wird DGUV Regel 100-001 Nr. 2.14 bei 13 ArbSchG reicht ohnehin die Unterschrift nur des Beauftragenden Übergabe der Aufgabe, nicht nur Unterweisung VG München Urteil aus März 2012 Fazit: Wer nicht schriftlich (durch Unterschrift des Vorgesetzen) beauftragt, ist nicht arbeitsschutzverantwortlich nach Öffentlichem Recht Vorsicht: Mit straf- und zivilrechtlicher Wirkung wird Sicherheitsverantwortung automatisch übertragen! Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 6

Was? Befugnisse möglichst ausdrücklich und klar Bernhard Moestl, Die 13 Siegel der Macht Von der Kunst der guten Führung, Siegel Nr. 7: Nur wer gelernt hat, deutlich zu kommunizieren, kann sich in der Folge auch darauf verlassen, dass seine Anordnungen nach seinen Wünschen ausgeführt werden Fall Sturz im Krankenhaus OLG Celle Urteil aus August 2005 Kernsatz: Delegation der Verkehrssicherungspflichten setzt klare Absprache voraus, die eine Ausschaltung von Gefahren zuverlässig sicherstellt. Unklarheiten in der Kompetenzabgrenzung gehen zu Lasten des ursprünglich Verkehrssicherungspflichtigen Im Fall sagte der Vertrag: Reinigungsfirma hat dafür zu sorgen, dass durch die Reinigungsarbeiten für Bewohner und Personal keine Gefährdung möglich ist, und soweit erforderlich die gebotenen Sicherungsmaßnahmen zu treffen und entsprechende Hinweise an den Gefahrenstellen anzubringen. Empfehlung: Verwendung der korrekten Rechtsbegriffe also: Das Fremdunternehmen übernimmt für die Zeit und den örtlichen Bereich seiner Tätigkeit die Verkehrssicherungspflicht, insbesondere Prof. Dr. Thomas Wilrich, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (Email: thomas.wilrich@web.de) 7

Was? Befugnisse möglichst konkret festlegen Jemanden für das Erreichen eines unklaren Ziels verantwortlich machen, ist unfair Stephen R Covery, Management Essentials für die Unternehmensführung, 2014, S. 50 Die erste Instanz LG Verden ist Fall Sturz im Krankenhaus streng: zu allgemein um eine klare Abgrenzung der Verantwortlichkeiten herbeizuführen keine hinreichend klaren Absprachen, die eine Verhinderung der typischerweise mit der Bodenreinigung verbundenen Rutschgefahr durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen Weil dies nicht erfolgt war, scheiterte die Pflichtenübertragung (in 1. Instanz), es gab sie für das Gericht also nicht und das Krankenhaus haftete. Prof. Dr. Thomas Wilrich, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (Email: thomas.wilrich@web.de) 8

Ausgestaltung der Pflichtenübertragung Spezielle und detaillierte Übertragung von Einzelpflichten: Vorteil: Rechtssicherheit Nachteil, dass falsche Handlungsanweisung gegeben wird ==> Vermeidung durch Vorgabe von Zielen! dass einzelne Pflichten vergessen werden: Wenn 10 Pflichten übertragen werden, ein Unfall aber gerade durch die Außerachtlassung einer elften Pflicht durch den Mitarbeiter geschieht, bleibt der Vorgesetzte verantwortlich, denn er hat diese Pflicht Nr. 11 nicht übertragen und daher ist sie bei ihm verblieben. ==> Vermeidung durch allgemeine Pflichtenübertragung zb wie BGI 508 Vorteil, dass nichts vergessen wird und der Pflichtige selbst den Umfang (mit-)bestimmen muss und insoweit mitverantwortlich ist (im Beispiel ist auch die Pflicht Nr. 11 übertragen, soweit sie erkennbar war) Nachteil: Rechtsunsicherheit, denn Gericht fordern teilweise genaue und spezielle Pflichtenübertragungen Empfehlung: Kombination = allgemeine Pflichtenübertragung und nicht abschließende ( insbesondere ) Benennung von Einzelpflichten Prof. Dr. Thomas Wilrich, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (Email: thomas.wilrich@web.de) 9

. personeller Geltungsbereich der Delegation räumliche/organisatorische Einräumung und Beschränkung des Handlungsspielraums insbesondere inhaltliche Einräumung und Beschränkung des Handlungsspielraums finanzielle Einräumung und Beschränkung des Handlungsspielraums. sehr wichtig: Aufgabenverteilung konkret nachvollziehbar DGUV Regel 100-001 Nr. 2.14 Mai 2014 Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 10

DGUV Regel 100-001 Mai 2014 Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 11

Rechtsfolge Wer schriftlich beauftragt ist, ist auch ohne Gegenzeichnung für den Arbeitsschutz verantwortlich nach Öffentlichem Recht andere Rechtsvorschriften bleiben unberührt Schriftform also nur Voraussetzung für öffentlich-rechtliche Wirksamkeit der Beauftragung VG Regensburg 2011 Hersteller oder Betreiber? Erweiterung des Adressatenkreises zur Erleichterung behördlicher Überwachungsmaßnahmen+Vollzugsanordnungen VG Augsburg Haftungsscheue Professor Die eigentliche Bedeutung des Formblattes BGI 508 ist die Bestätigung Pflichtenübertragung nach Zivil- und Strafrecht, die automatisch geschieht durch Übertragung einer Funktion (Übernahmeverantwortung + -haftung) Pflichtenübertragung erübrigt sich, soweit Beschäftigte bereits aus einem anderen Rechtsgrund eigenständige Pflichten auf dem Gebiet der Unfallverhütung haben z.b. betriebliche Führungskräfte und Vorgesetzte, z.b. Meister. Denn die Verantwortung dieser Personen, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und damit für die Gefahrenabwehr in ihrem Bereich zu sorgen, ergibt sich bereits im wesentlichen aus den ihnen durch Arbeitsvertrag übertragenen Aufgaben, also aus der Stellung, die sie im Betrieb einnehmen. Einer gesonderten Übertragung dieser mit der Stellung des Vorgesetzten ohnehin verbundenen Pflichten bedarf es nicht BGI 508 Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 12

Neustadt Weinstraße, 21. Januar 2016 Übertragung von Unternehmerpflichten Voraussetzungen, Inhalte, Rechtswirkungen und Haftungsfolgen Autor Produktsicherheit Rechtsanwalt Dr. Thomas Wilrich Fachanwalt für Verwaltungsrecht Madeggerweg 13a 82541 Münsing Telefon: 08177 / 929 557 Email: info@rechtsanwalt-wilrich.de Website: www.rechtsanwalt-wilrich.de Hochschule München Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen zuständig für Arbeits- und Wirtschaftsrecht Produkt- und Technikrecht Unternehmensorganisationsrecht Autor Betriebssicherheit mit 20 Gerichtsurteilen Prof. Dr. Thomas Wilrich, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (Email: thomas.wilrich@web.de)

Einführung Zur Sicherheitsverantwortung der Unternehmensmitarbeiter gibt es 3 Antworten zwei Verantwortungsbeziehungen sind ausdrücklich geregelt, teilweise sind die Antworten rechtlich schwierig 1. Öffentliches Recht [nicht praxisrelevant] 2. Ordnungswidrigkeitenrecht = Bußgelder [nicht gefährlich] eine Verantwortungsbeziehung ergibt sich aus allgemeinen Rechtsprinzipen, das Prinzip ist klar, nur die konkreten Ergebnisse sind wegen der Vielfältigkeit in Unternehmen etwas ungenau 3. zivilrechtliches Schadensersatzrecht und Strafrecht alle Antworten gelten nebeneinander und unabhängig voneinander das Wichtigste zur Schriftlichkeit vorweg: Schriftform kann im Öffentlichen Recht nötig sein, aber nicht für die zivilrechtliche Schadensersatzhaftung und strafrechtliche Sanktionen Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 14

Automatische Verantwortung gemäß 13 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) mit der Leitung des Unternehmens Beauftragte (Nr. 2 und 3) Unternehmen = Rechtsträger z.b. die GmbH oder AG mit Leitung eines Betriebes beauftragt (Nr. 4) ~ Dienststelle Betrieb = tatsächliche Organisationseinheit mit gewisser Selbständigkeit die Verantwortlichkeit ist untrennbarer Teil der Führungsaufgabe einige meinen: alle Führungskräfte der oberen betrieblichen Leitungsebene so Kollmer, in: Landmann/Rohmer, GewO, 49. Lieferung Januar 2007, ArbSchG, 13 Rn. 25; Lorenz, in: Kollmer, ArbSchG, 2005, 13 Rn. 42 und Steffek, in: Kollmer/Klindt, ArbSchG, 2. Aufl. 2010, 13 Rn. 42 Dazu gehören etwa die Personen, die einen räumlich oder organisatorisch getrennten Betriebsteil (z.b. Zweigstelle, Filiale) oder eine als eigenständige Organisationseinheit innerhalb des Gesamtbetriebs geführte Betriebsabteilung (z.b. den Fuhrpark oder die Schlosserei) leiten Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 15

Gliederung 1. Öffentliches Recht 2. OWiG = Bußgelder 3. Zivil- und Strafrecht = Schadenersatz und Strafen Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 16

Ordnungswidrigkeitenrecht = Bußgelder abstrakte Gefährdungsdelikte im Vorfeld einer Verletzung zb 22 BetrSichV: Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen 3 I 1 die auftretenden Gefährdungen nicht oder nicht richtig beurteilt Wer = Wirtschaftsakteur = Unternehmen aber keine Strafe möglich gegen Unternehmen auch keine Geldstrafe Verlagerung der Sanktion durch 9 OWiG Wer sind auch die 9 OWiG genannten Personen Verantwortungsverschiebung nach unten Petra Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 2. Aufl. 2011, 6 Rn. 77 Prof. Dr. Thomas Wilrich, Hochschule München (thomas.wilrich@web.de) 17

Zusätzliche Verantwortliche nach OWiG für Strafe + Bußgeld gehen 9 OWiG viel weiter als ArbSchG 1. jeder Unternehmensleiter ( ~ 13 ArbSchG und DGUV Vorschrift 1 / BGV A1) 2. nicht nur Betriebsleiter, sondern auch jeder Betriebsteilleiter = jeder Abteilungsleiter + Leiter weiterer eigenständiger Unternehmenseinheiten 3. nicht nur schriftlich, sondern auch nur ausdrücklich Beauftragte = explizit, unmissverständlich, klar und deutlich Duden, Bedeutungswörterbuch, 3. Aufl. 2002 = nicht unbedingt schriftlich: Anhaltspunkte in Dokumentation, Zeugenaussagen = nur nicht geduldete Wahrnehmung betrieblicher Aufgaben Wittig was aber ausreicht nach den allgemeinen Regeln ( 823 BGB + 13 StGB) wenn es um straf- und bußgeldrechtliche Sanktionen bei Verstößen gegen Unternehmerpflichten geht, ist die Gruppe der verantwortlichen Mitarbeiter - weiter als nach Arbeitsschutzrecht ( 13 ArbSchG und 13 BGV A1) - enger als nach den allgemeinen Regeln ( 823 BGB und 13 StGB) Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 18

1. Öffentliches Recht 2. OWiG = Bußgelder Gliederung 3. Zivil- und Strafrecht = Schadensersatz und Strafen Geldstrafe oder Freiheitsstrafe (auf Bewährung) Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 19

Zivilrechtliche und strafrechtliche Verantwortlichkeit nach den allgemeinen Regeln Zivilrechtliche Verkehrssicherungspflicht 823 BGB Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt 276 BGB Alles in konkreter Situation Mögliche + Zumutbare zur Schadensvermeidung neminem laedere = (Bitte) schädige niemanden Strafrechtliche Garantenpflicht 13 StGB Wer es unterlässt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt. es kommt darauf an (sehr) unbestimmte Rechtsbegriffe Einzelfallurteil Rechtspflicht zum Handeln? BGH sagt im Urteil zu Bad Reichenhall: Garantenstellung hängt letztlich von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab; dabei bedarf es einer Abwägung der Interessenlage und des Verantwortungsbereichs der Beteiligten Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 20

Begründung von Verantwortungsbereichen/Führungspflichten Welche Ursachen haben Befugnisse Woher kommen Befugnisse? 1. gesellschafts- oder arbeitsvertragliche Absprachen Dokumentation Grundsatz: Wenn Befugnis festgelegt ist, muss sie wahrgenommen werden Beispielsfall Der patriarchalische Firmenchef LG Nürnberg-Fürth Urteil aus Februar 2006 Kernsatz: Wer formal alle Befugnisse hat, die Organisation zu gestalten, muss sich durchsetzen, auch wenn andere faktisch einflußreicher sind 2. tatsächliche Betriebsabläufe, aus denen sich die vereinbarte gelebte Aufgabenverteilung und deren Handhabung ableiten ließen Organisation OLG Thüringen 2006: Verantwortlichkeit eines Angestellten einer Zoohandlung für Tierseuchenrecht Grundsatz: Wenn Aufgabe übernommen wird, muss sie erledigt werden Beispielsfall Wuppertaler Schwebebahn BGH, Urteil aus Januar 2002 Kernsatz: Maßgebend für die Begründung einer Garantenstellung ist allein die tatsächliche Übernahme des Pflichtenkreises Grundaussage 16: Es gibt 2 Arten der Begründung von Pflichten: Absprachen (formelle Organisation Papierform Predigt ) und tatsächliche Betriebsabläufe (informelle bzw. gelebte Wirklichkeit Automatik Praxis ) Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 21

Verantwortungsumfang abhängig von Unternehmensstellung 1. Fall: Stabsstelle = Beratungs- und Unterstützungsaufgabe Erster Fall: immer und nur - also nichts anderes - bei reinen Stabsstellen Garantenpflicht für richtige + vollständige Beratung + Unterstützung keine Verantwortung für (Nicht-)Durchführung der Unternehmerpflicht Beispiel Strafsanktion: Der Schlackenkübel AG Kehl Urteil Juni 2002 Beispiel Schadensersatzhaftung: Der Unfall an der Pappkartonstanze OLG Nürnberg Juni 2014: er hätte diese Mängel unverzüglich dem Arbeitgeber mitteilen + auf sofortige Abhilfe hinwirken müssen Zweiter Fall: zusätzliche Übertragung von Befugnissen: muss insoweit selbst Maßnahmen ergreifen und durchsetzen Doppelfunktion: als Stabstelle bleibt man Fall 1 zb OLG Düsseldorf, Beschluß v. 3.12.90 für Gewässerschutzbeauftragten Dritter Fall: Übernahme ( Anmaßung ) von Befugnis ( gelebter Organisation ): muss dann in Zukunft diese Maßnahmen auch ergreifen und durchsetzen Fall Die Wärmematte AG + LG Hamburg Urteile Februar 1999 und Juli 1990 Grundaussage 17 + Mahnung Nr. 2 an Berater + Unterstützer = Stabsstellen Stabsstellen ohne Verantwortung für die Beratungs- und Unterstützungsaufgabe gibt es nicht. Es ist auch möglich, dass zusätzliche Unternehmeraufgaben (formal) übertragen oder (informell) übernommen gelebt werden. Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 22

Verantwortungsumfang abhängig von Unternehmensstellung 2. Fall: Linienfunktion = Aufgabe in Unternehmenshierarchie = Garantenpflicht für vollständige und ordnungsgemäße/gesetzeskonforme Aufgabenerfassung und -durchführung im eigenen Zuständigkeitsbereich + Garantenstellung für Unternehmeraufgaben ( Führungspflichten ) Verantwortung, also Möglichkeit der Haftung bei fehlerhafter und bei Nichtumsetzung der eigentlich den Arbeitgeber/Unternehmer treffenden Pflichten automatisch begründete Führungspflicht / Gesetz der Unauflöslichkeit Verkehrssicherungspflicht knüpft an die typischerweise Gefahren reduzierende soziale Rolle, die hierauf vertrauende Verkehrserwartung und die tatsächliche Wahrnehmung der Aufgabe, nicht an den Vertrag OLG Frankfurt Gerüst oder Kartenhaus Fall Die beschädigte Kabeltrommel AG Tettnang Strafbefehl Februar 2005 Verantwortung des Geschäftsführers und Vorarbeiters Fall Ferienarbeiten des Schülers LG Ulm Urteil Oktober 1999 Verantwortung des Abteilungsleiters, Meisters und Vorarbeiters Schliephacke die jeweiligen Pflichten reichen von unmittelbaren Handlungspflichten auf der untersten Stufe über Leitungs- und Kontrollpflichten auf der mittleren Stufe bis hin zu Organisationspflichten auf der obersten Stufe Schünemann, Unternehmenskriminalität und Strafrecht, 1979; idennis Bock, Criminal Compliance, 2011 Grundaussage 18 Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 23

Arten von verantwortungsauslösenden Befugnissen (1) Ausführungsstellen (Fachverantwortung) Wer (selbst einfachste) Aufgaben übernommen hat, trifft Entscheidungen Jeder Arbeitsauftrag bedeutet automatisch Handlungsverantwortung Laufer = Entscheidungsbefugnis Vahs/Schäfer-Kunz, BWL = Fachverantwortung Garant ist, wer mit der Sache unmittelbar umgeht und über ihre Behandlung entscheiden kann Schünemann, Unternehmenskriminalität Garant ist, wer Sacheinwirkungsbefugnis hat so ist ein einfacher Arbeiter hinsichtlich seiner Maschine (Überwachungs-)Garant Herzberg Fall Stadthalle Freising OLG München, Urteil aus Dezember 2010 15 ArbSchG + DGUV Vorschrift 1: Beschäftigten sind verpflichtet, für ihre Sicherheit und für Sicherheit und Gesundheit der Personen zu sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind Verpflichtung zu Eigen- und Fremdvorsorge DGUV Regel 100-001 Nr. 3.1.1 Grundaussage 19 und Mahnung Nr. 3 an die Ausführungsebene: Wer sich von Sicherheit vergewissern kann, hat Entscheidungsspielraum und so verantwortungsauslösenden Einfluss. Arbeitnehmer ohne Verantwortung gibt es nicht. Wer es ablehnt, Verantwortung zu tragen, verletzt seinen Arbeitsvertrag. Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 24

Arten von verantwortungsauslösenden Befugnissen (2) Weisungsbefugnis Personalverantwortung Wer Weisungsbefugnis hat, ist Vorgesetzter oder jedenfalls Entscheider zb SiGeKo, Fremdfirmenkoordinator Vorgesetzter/Entscheider = Verantwortung auch für die Auswirkungen allen Handelns auf betroffene Untergebene = Personalverantwortung es reicht fachliche Weisungsbefugnis Disziplinargewalt nicht nötig [ Disziplinarvorgesetzter = Befugnis, Disziplinarmaßnahmen zu verhängen ] auch personeller Verantwortungsbereich von Vorarbeitern BGH Urteil 20.10.2011 OLG Koblenz 1972 zu Polier: In dieser Stellung hatte er die Pflicht, darauf zu achten, die in seinem Aufgabenbereich tätigen Arbeiter von Gefahren fernzuhalten DIN VDE 0105-100 Betrieb von elektrischen Anlagen zu Arbeitsverantwortlichem: Person, die beauftragt ist, die unmittelbare Verantwortung für die Arbeiten zu tragen Grundaussage 20 und Mahnung Nr. 4 an die Vorgesetztenebene: First line bis middle management Jede Führungsebene auch Vorarbeiter hat (fachliche) Weisungsbefugnis und damit Sicherheitsverantwortung für die Mitarbeiter. Vorgesetzte ohne Verantwortung gibt es nicht. Wer es ablehnt, Verantwortung zu tragen, kann nicht Vorgesetzter sein BGI 528 Sicherheit und Gesundheitsschutz durch Koordinieren Ausgabe 2002 Nr. 3 Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 25

Arten von verantwortungsauslösenden Befugnissen (3) Leitungsverantwortung Middle bis Top Management Führungskraft = Einbindung in Hierarchie kein unbegrenzter Einfluss, aber: Führungskraft wird nicht immer im Einzelnen angewiesen, sondern in Position eingesetzt zb Betriebs- + Abteilungsleiter oder verantwortliche technische Führungskraft DVGW Technische Regel Arbeitsblatt W1000 Nr. 6.2.1 Verantwortlicher mit sehr selbständiger Handlungsmöglichkeit ( führen ) weite Handlungsfreiheit weite Handlungspflichten große Verantwortung Meldung macht frei stimmt jedenfalls nur, wenn man nur melden kann, Wer gegensteuern kann, muss das im Rahmen der Befugnisse tun und: Durchsetzung notfalls gegen zaudernden Chef BGH 2008 [schon Reichsgericht 1883] Vorgesetzter der Führungskraft ist (etwas) weitergehend entlastet Verantwortung vor allem für Organisation, Personalaufsicht, Fehlerwiederholung z.b. LG Oldenburg, Urteil aus Februar 2010 Baustellenleiter bleib bei Deinen Leistungen Grundaussage 21 und Mahnung Nr. 5 an die oberen Führungskräfte Leitungsfunktion heißt (Führungs-)Verantwortung zur selbständigen Planung + Umsetzung und bedeutet weitgehende Entscheidungsspielräume und Verantwortung. Die Eigenständigkeit zwingt zu eigenständigem Sicherheitshandeln. Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 26

Der Unfall an der Schleifmaschine LG Osnabrück, Urteil vom 20. September 2013 10 KLs 16/13 Sachverhalt: Glaskantschleifmaschine Lichtschranke mit elektronische Manipulation überbrückt ein 19-jähriger Auszubildender (Flachglasmechaniker) wird vom beweglichen Maschinenkopf erfasst und eingeklemmt und verstirbt Urteil: Verurteilt wegen fahrlässiger Tötung wird u.a. der Produktionsleiter er hat in Kenntnis des Fehlens der erforderlichen Lichtschrankensicherheitseinrichtung an der Ausbildung mitgewirkt, indem er den Ausbildungsplan erstellt hat, der explizit auch Einsätze der Flachglasmechaniker-Auszubildenden an der manipulierten Glaskantenschleifmaschine vorgesehen hat hat als Produktionsleiter den Einsatz des Auszubildenden mit veranlasst. Dem Angeklagten wäre eine Nichtberücksichtigung der Glaskantenschleifmaschine in den Ausbildungsplänen auch zumutbar gewesen. Die Zumutbarkeit entfällt nicht dadurch, dass er für den Fall der Nichtberücksichtigung der Schleifmaschine in den Ausbildungsplänen unter Hinweis auf eine Gefährdung der Auszubildenden den Verlust seines Arbeitsplatzes zu befürchten gehabt hätte. Im Konfliktfall mit den Geschäftsführern hätte er auch dann die Mitwirkung an der Ausbildung unter Berufung auf den Arbeits- und Auszubildendenschutz ablehnen müssen Verwarnung: Die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,- bleibt vorbehalten. Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Hochschule München (thomas.wilrich@web.de) 27

Der Unfall am Abfallförderband LG Baden-Baden, Urteil aus November 2009 Sachverhalt: Förderband eines Stanzautomaten ohne Kettenschutz Funktionsschwierigkeiten: herunterfallende und sich stauende Abfälle Leiharbeiter im 3-Schicht-Betriebs zur manuellen Beförderung auf Förderband Einweisung durch Abteilungsleiter kein Hinweis, dass Grube unterhalb des Steigförderers nicht betreten werden darf schwerer Arbeitsunfall, weil (Leih-)Arbeiter von Grube in die Maschine hineingreift AG Gernsbach: 70 Tagessätze gegen Betriebsleiter BG verlangt 50.000,- Unfallfolgekosten von Unternehmen + Betriebsleiter B Urteil: Rückgriff möglich bei grober Fahrlässigkeit objektiv schwerer Verstoß: BetrSichV regelt elementare Sicherheitspflichten subjektiv unentschuldbar? B dachte, der Abteilungsleiter weist auf Gefahr hin aber Abteilungsleiter sagt, er habe nicht vom Fehlen des Kettenschutzes gewusst = er war selbst nicht ordnungsgemäß eingewiesen Schuld erhöhend kommt hinzu, dass der Beklagte die Produktion mittels des noch nicht abgenommenen und freigegebenen Bandes nur hat laufen lassen, damit die Produktions- und Lieferpläne eingehalten werden können. Dies zeigt, dass der Beklagte den wirtschaftlichen Interessen unter Hintanstellung des Sicherungsinteresses seiner Arbeiter Vorrang eingeräumt hat. Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Hochschule München (thomas.wilrich@web.de) 28

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! monatlich eine Fallbesprechung in Zeitschrift für betriebliche Prävention und Unfallversicherung (BPUVZ) und sicher ist sicher (sis) Autor BetrSichV: Autor Produktsicherheitsrecht: Autor Arbeitsschutzrecht: Beuth-Verlag VDE-Verlag Erich Schmidt-Verlag mit 20 Gerichtsurteilen Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 29