NATUR Garten Urwald hinter G Wintergärten üben eine grosse Faszination aus: Die lichtdurchfluteten, verglasten Räume vermitteln eine südlich angehauchte Atmosphäre und bringen tropische Stimmung ins Haus selbst im Winter. Hier kann man die Pflanzenwelt mit allen Sinnen erleben auch wenn es draussen schneit und stürmt. Wintergärten sind so individuell wie die Menschen, die sie nutzen. Ob man im Glasanbau üppig wucherndes Grün oder eher eine karge Kaktuslandschaft anlegen will, muss jedoch früh entschieden werden. Denn neben den Lichtverhältnissen und der Luftfeuchtigkeit ist die Temperatur das entscheidende Kriterium bei der Wahl der Pflanzen. Deshalb sollte man sich bereits vor der technischen Planung Gedanken zu den Pflanzenwünschen machen. Dschungel oder karge Wüstenlandschaft Entsprechend der Mindesttemperatur ändert sich die Auswahl: «In einem kalten Wintergarten gedeihen völlig andere Arten als in einem warmen», erklärt Maria Köchel. Die Agrar-Ingenieurin führt gemeinsam mit ihrem Mann die auf Wintergärten spezialisierte Gärtnerei Flora Mediterranea im bayrischen Au. Bei Glasanbauten unterscheidet man laut Köchel zwischen dem völlig ungeheizten und nicht frostsicheren Wintergarten, dem kühlen, aber frostfreien Wintergarten, dem lauwarmen Wintergarten mit einer Mindesttemperatur von zwölf Grad Celsius und dem warmen Wintergarten, der sich vor allem für tropische Pflanzen eignet. Um die richtige Auswahl zu treffen, ist es hilfreich, die Heimat der Pflanzen zu kennen. Am schwierigsten ist die Begrünung eines völlig ungeheizten Wintergartens. Ein solcher Glasanbau stellt hohe Anforderungen an den Nutzer: Denn die 22 Natürlich 12-2005
las Damit es im Wintergarten wirklich das ganze Jahr über grünt und blüht, muss die Bepflanzung genau geplant sein. Ausschlaggebend bei der Pflanzenwahl sind neben den Lichtverhältnissen vor allem die Temperaturen. Text: Helen Weiss für die jeweiligen Pflanzenarten maximal erreichbare Frosthärte muss sich im Herbst langsam aufbauen, im Winter halten können und im Frühjahr schrittweise wieder abbauen. «Man kann also an kalten Wintertagen nicht einige warme Sonnenstunden im Glasanbau geniessen, sondern muss dann entsprechend lüften, damit die Temperatur konstant bleibt», erklärt Köchel. Doch selbst völlig ungeheizte Wintergärten können begrünt werden. Hier kommen Pflanzen aus unseren Breitengraden zum Zuge, also etwa immergrüne Gehölze wie Koniferen oder Buchs. Wer es etwas fremdartiger liebt, kann auch frostfeste Pflanzen aus Ostasien, den südlichen USA sowie aus Mediterrangebieten oder Australien (siehe auch Kasten auf Seite 29) wählen. Weniger problematisch ist der frostfreie Wintergarten. Die Temperatursteuerung ist nicht mehr ganz so knifflig, die Beachtung einer eventuellen Frosthärte unwichtig. Die Auswahl an Pflanzen ist hier grösser: Neben den oben genannten Arten eignen sich zudem Pflanzen aus Australien und Südafrika. Fotos: vsl/mediacolors Winterquartier für Kübelpflanzen Eine weitere Grenze stellt das Temperaturminimum von zwölf Grad beim lauwarmen Wintergarten dar, der auch während der kalten Jahreszeit frostfrei bleibt. Er ist einerseits kühl genug, um Kübelpflanzen zu kultivieren und anderseits genügend warm, um Tropenstimmung in den Glasanbau zu zaubern. Denn viele Pflanzen der Subtropen, die oft schon tropisch anmuten, können nun Verwendung finden. So fühlen sich etwa viele Calliandra- und Passionsblumen- Arten bei diesen Temperaturen wohl, aber auch Pflanzen aus kühleren Gebieten wie etwa die Kamelie stehen zur Auswahl. Köchel: «Will man den lauwarmen Win- Natürlich 12-2005 23
NATUR Garten tergarten nicht in einen Dschungel verwandeln, bietet sich als Alternative auch eine Bepflanzung mit Arten aus der Halbwüste an.» Verschiedene Yucca-, Aloeoder Agaven-Arten und andere Sukkulenten begeistern durch ihren zum Teil knorrigen Wuchs und ihre Anspruchslosigkeit. Auch ein lauwarmer Wintergarten ist ideal, um Kübelpflanzen frostfrei zu überwintern. So bleibt er während der Sommermonate mehr oder weniger leer und füllt sich erst im Winter mit Oleander, Citrus-Bäumchen, Fuchsien oder Geranien, die hier ihre Winterruhe verbringen. Grosse tropische Auswahl Ein wahrhaft tropisches Paradies à la Masoala-Halle kann man sich mit einem warmen Wintergarten ins Haus holen. Neben den südafrikanischen und südamerikanischen Arten gedeihen auch Pflanzen aus dem südostasiatischen Raum gut. «Wer es sich einfach machen will, kann auf gewöhnliche Zimmerpflanzen zurückgreifen», so Köchel. Doch die Auswahl für die Begrünung eines warmen Zimmergartens ist weit vielfältiger. Denn vor allem tropische und subtropische Pflanzen mit hohen Lichtansprüchen werden kaum im Fachhandel angeboten, da sie im Zimmer schlecht gedeihen der helle Wintergarten deckt ihre Lichtansprüche jedoch problemlos. Tropische Pflanzen benötigen vor allem eine konstante Temperatur, die Tag und Nacht das ganze Jahr über bei zirka 20 Grad liegen sollte. Das tropische Klima entspricht so ungefähr dem Wohnklima, der Wintergarten kann daher auch ohne Raumtrennung als zusätzlicher Wohnraum genutzt werden. Mediterran benötigt Tag-Nacht-Rhythmus Ein warmer Wintergarten, der ganzjährig genutzt wird, muss allerdings entsprechend beheizbar sein, was beim Bau berücksichtigt werden muss. Mediterrane Pflanzen gedeihen dagegen am besten mit einem natürlichen, thermischen Rhythmus. Hier sollte der Wintergarten bei Nacht und während der kalten Jahreszeit weniger beheizt werden und vom Wohnraum, etwa durch eine Schiebetür, klimatisch getrennt sein. Foto: f1-online Lüftung: Da die korrekte Lüftung eines Wintergartens einiges an Fachwissen voraussetzt, ist eine automatische Klimaregelung von Vorteil Mit einer automatischen Klimaregelung, wie sie zum Beispiel Wärmepumpen (siehe auch «Natürlich» 10-2005) in Verbindung mit einer Wintergarten- Steuerung bieten, lässt sich sowohl tropisches als auch subtropisches Klima dauerhaft simulieren. Das Klima im Wintergarten reagiert schnell auf sich ändernde Witterungsverhältnisse und manuelles Eingreifen ist nicht immer möglich. Zudem ist gerade bei einem warmen Wintergarten das Lüften bei winterlichen Minustemperaturen nicht einfach und setzt viel Fachwissen voraus. Daher stellt eine Automatisierung der Heizungs- und Belüftungskomponenten sowie der Beschattung eine sinnvolle Investition dar, die vor Pflanzenverlusten schützt (siehe Kasten auf Seite 29). Solitärpflanzen in Gruppen Wer den Wintergarten nach seinen Ideen verwirklichen möchte, sollte neben den Baukosten auch die Begrünung in die Budgetplanung einrechnen. «Je nach Bedürfnis kann die Bepflanzung zwischen 1000 und 15 000 Franken kosten», erklärt Jürg Kümmerli, Spezialist für Wintergärten bei der Wyss Samen und Pflanzen AG in Zuchwil SO. Bei der Begrünung unterscheidet man grundsätzlich zwischen einer Festanlage und einer mobilen Bepflanzung. Erstere kommt vor allem in grösseren Wintergärten gut zur Geltung hier muss die Planung jedoch mit dem Architekten eingehend besprochen werden. Fest verankerte Beete fordern ihren Platz und sind später schwer veränderbar. Zudem ist die Festanlage pflegeintensiver: «Es ist teuer und aufwändig, wenn man eine Pflanze auswechseln muss», erklärt Kümmerli. Allerdings erhält man mit einer Pflanzenanlage eine üppigere und harmonischere Vegetation als mit Topfpflanzen. Mit der heutigen Auswahl an Gefässen aus den verschiedensten Materialien etwa Fiberglastöpfe, die sich von innen beleuchten lassen kann man auch mit einer mobilen Bepflanzung eindrückliche Effekte erzielen; zudem sind die Investitionen niedriger. Wichtig ist hier, dass man nicht viele kleine Pflänzchen im Wintergarten verteilt. «Gruppen mit grossen Solitärpflanzen in passenden Gefässen wirken besser», rät Kümmerli. Aufwändige Pflege und Schädlinge Ob man sich beim Substrat für Hydrokultur oder Erde entscheidet, hängt ganz vom persönlichen Geschmack ab. «Beide Arten eignen sich im Wintergarten gut», erklärt Stefan Schwärzler, der sich mit seiner Firma Andergarten in Bern auf die Begrünung von Wintergärten spezialisiert hat. Bei Erdbepflanzungen sollte man auf hochwertiges Material achten: 24 Natürlich 12-2005
«Handelsübliche Substrate haben oft einen zu hohen Torfanteil», so Schwärzler. Bei Hydrokulturen, wo das Substrat aus gebranntem Ton besteht, verringert sich die Gefahr von Bodenschädlingen. Doch: «Die Hydrokultur funktioniert erst ab 16 Grad und ist deshalb für den kalten und kühlen Wintergarten nicht geeignet», warnt Maria Köchel. Wo Pflanzen sind, siedeln sich auch gerne Parasiten an. Spinnmilben, weisse Fliegen sowie Schmier- und Wollläuse können sich bei günstigem Klima rasend schnell vermehren. Eine regelmässige und genaue Kontrolle ist deshalb wichtig hat man einmal Schädlinge, wird man sie kaum mehr los. Zudem gilt es bei jedem Befall abzuklären, wo die Ursache liegt, denn meistens lassen sich die Probleme auf ungünstige Wachstumsbedingungen zurückführen. Wer keine Chemie versprühen will, kann auf alte Hausmittel oder biologische Alternativen zählen. Schild- und Wollläusen macht man etwa den Garaus, indem man sie mit reinem Spiritus betupft. Dies gelingt am besten mit einem kleinen Pinsel, damit die Blätter keine Verbrennungen erleiden. Eine selbst angesetzte Schachtelhalmbrühe das getrocknete Kraut ist im Handel erhältlich wirkt gegen Echten Mehltau und Rostkrankheiten. Gegen saugende Insekten wie Blattläuse, Weisse Fliegen oder Spinnmilben kann Pyrethrum gespritzt werden. Es wird aus den Blüten von Chrysanthemen gewonnen, schädigt jedoch auch Nützlinge. Bei Grossanlagen ist der Einsatz von Nützlingen (siehe «Natürlich» 10-2004) ideal: «Es braucht, wie in der Natur, ein Gleichgewicht von Nützlingen und Schädlingen, damit sich die Pflanzen gut entwickeln können.» Eine weitere Alternative sind Farbfallen. Alles, was Flügel hat, also Thrips, Weisse Fliegen und Trauermücken, «fliegt» förmlich auf Gelbtafeln und -sticker. Die Insekten bleiben dank einer Leimbeschichtung an den Fallen kleben. die Wirkstoffe immun werden», sagt Kümmerli. Schwärzler hingegen rät zur Präventivspritzung statt zur chemischen Keule im Nachhinein: Zweimal jährlich sollten die Pflanzen im Wintergarten mit einem Insektizid und Fungizid behandelt werden. «Laien sehen den Schädlingsbefall oft zu spät. Mit einer vorbeugenden Spritzung können sich Schädlinge und Krankheiten gar nicht erst ausbreiten.» Ein systemisch wirkendes Pflanzenschutzmittel ist gegen Schädlinge ideal. Festanlage: Festbepflanzungen können ebenerdig oder in erhöhten Beeten angelegt werden Der Wirkstoff, in Form eines Granulats, wird der Erde beigemischt und von der Pflanze über die Wurzeln aufgenommen und tötet so saugende Schädlinge ausser Spinnmilben ab. Bei Festanlagen wie auch bei mobilen Bepflanzungen kann eine automatische Bewässerung installiert werden. Ist man oft unterwegs oder plant jeweils längere Ferien, ist eine automatische Bewässerung sicher von Vorteil. Je nach Substrat, Sonneneinstrahlung und Anspruch un- Sukkulenten: Statt eines üppigen Dschungels wirken in einem Wintergarten auch Kakteen und Sukkulenten gut Solitärpflanzen: Mit einer mobilen Begrünung mit grossen Solitärpflanzen in originellen Gefässen kann man eindrückliche Effekte erzielen Fotos: Wyss Samen und Pflanzen AG Automatische Bewässerung von Vorteil Wer sich von der chemischen Keule nicht abschrecken lässt, findet im Handel allerlei Mittel. Dennoch: «Man sollte nie vorbeugend spritzen, sonst besteht die Gefahr, dass die Schädlinge gegen Foto: vsl/mediacolors
terscheidet sich der Wasserbedarf der Pflanzen. Punkto Nährstoffe empfiehlt Jürg Kümmerli für Erdbepflanzungen einen Flüssigdünger, da er einfacher zu dosieren ist. Maria Köchel hingegen rät zu Langzeitdünger: «Er ist praktikabler, da Laien das Düngen oft vergessen.» Im Handel werden verschiedene Spezialdünger angeboten: Solche für Blütenpflanzen enthalten mehr Phosphor, solche für Grünpflanzen mehr Stickstoff. Mit einer dünnen Schicht aus gut gereiftem Kompost oder anderem organischem Dünger sorgt man ebenfalls für eine gute Nährstoffzufuhr. Auf den Einsatz von chemischem Kunstdünger sollte jedoch verzichtet werden. Vorsicht Sonne Alle Glasflächen, die von der Sonne direkt angestrahlt werden, sind auch vor ihr zu schützen vor allem natürlich die Pflanzen darunter. «Die meisten Zimmerpflanzen kommen direkt aus dem schattierten Treibhaus und verbrennen bei starker Sonneneinstrahlung durch das Glas», erklärt Wintergarten- Spezialist Stefan Schwärzler von der Firma Andergarten. Bei Flora Mediterranea werden die Pflanzen absichtlich ohne Schattierung kultiviert: «So entsprechen sie später dem im Wintergarten vorkommenden Klima», sagt Köchel. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen der technischen und der natürlichen Beschattung. Bei der technischen Variante hat man die Auswahl zwischen der Innen- und Aussenbeschattung. Mit der Innenbeschattung kann man die Gestaltung des Wintergartens wirkungsvoll unterstreichen, da die Materialien nicht Wind und Wetter ausgesetzt sind. Jedoch ist die Sonnenaufwärmung im Wintergarten wirksam und man muss besonders auf die Entlüftung des Wärmepolsters zwischen Verglasung und Beschattung achten. Die Aussenbeschattung kann mit Jalousien, Rollos, Rollläden oder Markisen erreicht werden. Sie bricht die Sonnenstrahlen bereits, bevor sie auf die Glasflächen auftreffen. Das nach allen Seiten offene Luftpolster kann durch die natürliche Luftbewegung bis zu 60 Prozent der einfallenden Sonnenenergie ableiten und damit eine übermässige Aufwärmung im Wintergarten verhindern. Die technische Beschattung innen wie aussen wird meist elektrisch betrieben und ist kombiniert mit einer Belüftungsund Heizungssteuerung. Bei zweistöckigen Wintergärten und gut dimensionierter Lüftung kann man auf die Schattierung auch verzichten. Köchel: «Die Temperaturen können durch die natürliche Lüftungswirkung und die Verdunstungskälte ausreichend abgesenkt werden.» Neben der technischen Beschattung kann man das Glashaus auch mit Laubbäumen und Rankpflanzen beschatten. Die natürliche Beschattung ist sicher schöner als Rollos oder Markisen, hat aber auch ihre Nachteile. So «wandert» sie etwa mit dem Sonnenstand über den Wintergarten hinweg und ist meist nur für wenige Stunden wirksam. Blühende Schattenspender verursachen zudem eine Menge organischen Abfall: «Die natürliche Beschattung ist sehr pflegeintensiv», weiss Schwärzler aus Erfahrung. Denn abgefallene Blüten und Blätter auf dem Glasdach sehen von unten wenig dekorativ aus. Pflanzen mit verschiedenen Ansprüchen Magnolie Minimum- Herkunft temperatur Der kalte und kühle Wintergarten Kamelie (Camellia japonica) Ostasien 10 C Fruchtfeige (Ficus carica) Mittelmeergebiet 15 C Magnolie (Magnolia grandiflora) südliches Nordamerika 15 C Eisenholzbaum (Metrosideros excelsa) Australien 0 C Zimmeraralie (Fatsia japonica) Ostasien 15 C Kamelie Baumstrelizie Der lauwarme Wintergarten Baumstrelitzie (Strelitzia nicolai) Südafrika 10 C Zyperngras (Cyperus papyrus) Südafrika 10 C Jakaranda (Jacaranda mimosifolia) Süd- und Mittelamerika 5 C Bougainvillea (Bougainvillea glabra) Süd- und Mittelamerika 5 C Grünlilie (Chlorophytum comosum) Südafrika 5 C Bougainvillea Fotos: René Berner Roseneibisch Der warme Wintergarten Gardenie (Gardenia carinata) Südostasien 10 C Roseneibisch (Hibiscus rosa-sinensis) Südostasien 15 C Palmgras (Setaria palmifolia) Südostasien 5 C Fruchtbanane (Musa acuminata) Südostasien 15 C Kletterfeige (Ficus pumila) Südostasien 0 C Quelle: Flora Mediterranea Gardenie Natürlich 12-2005 27