Hartgeld. Ich schätzte, dass er irgendwo einen Wunschbrunnen leergefischt hatte und die Pennystücke von drei Jahren brachte, damit man sie ihm in Rollen verpacke. In der nächsten Schlange stand ein älterer Herr vor mir, der jeden zu kennen schien. Sicher wollte der seinem Geld im Tresorraum einen Besuch abstatten. Ich stellte mich daher hinter einen kleinen Jungen ohne Socken in schmutzigen Turnschuhen und einem Sweatshirt mit Aufdruck. Das konnte nur eine Transaktion von 30 Sekunden werden. Der Junge hatte seit der ersten Klasse nichts mehr eingezahlt. Sein Sparbuch hatte er verloren. Seine Belege fanden sich nicht unter den Bankauszügen auf seinen Namen, sondern unter denen seiner Schule. Er wusste seine Kontonummer nicht, auch nicht den Namen seiner Lehrerin, denn die hatte zu
Beginn des neuen Schuljahrs geheiratet. Es mussten alle 2017 Eintragungen seiner Schule durchgeblättert werden. Er zahlte 25 Cent ein. Als er dann das Buch besah, stutzte er, denn es waren ihm 15 Cent Zinsen gutgeschrieben worden. Die wollte er sofort abheben. Da er noch zu klein war, brauchte er die Genehmigung seiner Mutter. Diese wurde angerufen, was geraume Zeit dauerte, da sie zum Kaffee bei einer Nachbarin war. Sie sagte nein. Dann wollte er sehen, wo sein Geld aufbewahrt wurde, und eine der Gratis- Regenkapuzen haben, die in der Anzeige abgebildet waren. Er fragte noch, wie er zum Trinkwasserautomaten käme, dann ging er. Nach 23 Minuten.
Seelisch geplättet bin ich aber auch, wenn ich in einer Zeitschrift testen möchte, wie gut ich als Hausfrau und Mutter bin, und erst mal in einem Haus mit sechs Zimmern keinen Bleistift dafür finde. Zähle ich dann meine Punkte zusammen, muss ich feststellen, dass ich für Ehe und Mutterschaft ungeeignet bin, aber das Zeug dazu hätte, als Nonne aus dem Kloster durchzubrennen, um durch Stepptanz und Gesang Goldene Schallplatten zu verdienen. Manchmal weiß ich nicht, was mit mir los ist: Mir fehlt das Selbstbewusstsein der Berufstätigen. Mich versetzte schon die Führerscheinprüfung in einen derartigen Zustand, dass ich eine Woche lang mein Frühstück aus dem Whiskyglas zu mir nehmen musste. Ich stand in einer langen Warteschlange bei der Prüfstelle an und stellte fest, dass die Frau vor mir anscheinend
genau solche Angst hatte wie ich. Ihr Gesicht war geisterbleich, ihre Augen starr, die Mundwinkel zuckten, und die Füße zog sie nach, als hingen Kettenkugeln daran. Ich drehte mich um. Die Frau hinter mir trug entweder ein Korsett, das ihr die Nieren zerquetschte, oder sie hatte gerade erfahren, dass sich der Besuch ihrer Schwiegermutter um 3 Monate verlängern würde, weil die sich die Hüfte gebrochen hatte und nicht transportfähig war. Und ich? Total verkrampft vor Angst und Misstrauen. Wenn Sie mich fragen, steckte hinter dem ganzen Test das Verkehrsministerium, das versuchte, mich von der Straße zu verbannen. Worte wie»immer«,»jeder«und»nie«lassen mich aufhorchen, dazu habe ich in meinem Leben schon zu viele Tests durchgemacht. Ich hatte auswendig gelernt, welche Scheinwerfer ich bei einem zweiachsigen
Laster nach Einbruch der Dämmerung auf einer Bundesautobahn einzuschalten habe. Gefragt wurde ich aber ganz andere Sachen, zum Beispiel: Eine ältere Dame überquert bei Rot die Kreuzung. Der Fahrer sollte in diesem Falle a. scharf bremsen und sie die Straße überqueren lassen b. die Hupe betätigen und vorsichtig weiterfahren c. ausweichen und versuchen, an ihr vorbeizukommen. Ich habe mir diese Frage gewiss 50 mal durchgelesen. Wenn ich bremse, verursache ich unter Umständen hinter mir acht Auffahrunfälle und behindere dadurch den Verkehr, was die Straßenverkehrsordnung verbietet. Betätige ich die Hupe, bekommt die Fußgängerin vielleicht einen Herzanfall, der mich für den Rest meiner Tage psychisch