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Transkript:

15 A. Einleitung Sanktionen sind ein unverzichtbares Mittel, über das der Sicherheitsrat verfügt, um Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit präventiv entgegenzutreten. Sie stellen den notwendigen Mittelweg zwischen einem echten Krieg und bloßen Worten dar 1. Diesen Worten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen Kofi Annan ist auf den ersten Blick sicherlich zuzustimmen, insbesondere wenn man bedenkt, dass die Vereinten Nationen aufgrund des Fehlens von geeigneten Durchsetzungsmechanismen auf die Kooperation der Mitgliedsstaaten bei der Einhaltung ihrer Entscheidungen angewiesen sind. Sanktionen können in diesem Zusammenhang sowohl eine Strafmöglichkeit als auch z.b. durch das Inaussichtstellen der Aufhebung von Sanktionen ein Anreiz zur Überzeugung darstellen. Cortright und Lopez formulieren zutreffend, wenn sie behaupten, Sanktionen könnten beides sein Zuckerbrot und Peitsche 2. Jedoch hat sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen längst von der früher gängigen und auch dem aufmerksamen Zeitungsleser eher vertrauten Praxis entfernt, Sanktionen allein in Form von Wirtschaftsembargos, Beschränkungen des Flugverkehrs oder des Verbots von Investitionen in dem sanktionierten Staat zu erlassen, indem er insbesondere im Rahmen der gesteigerten Bemühungen um eine weltweite effektive Terrorismusbekämpfung nach den Ereignissen des 11. September 2001 dazu übergegangen ist, Sanktionen nicht nur gegen bestimmte Staaten, sondern auch zielgerichtet gegen Einzelpersonen zu verhängen (sog. targeted sanctions ). Bei solchen Sanktionen werden die klassischen Maßnahmen eines allgemein gegen ein Land gerichteten Handelsembargos oder umfassende Wirtschaftssanktionen durch gezieltere und selektivere Maßnahmen wie wirtschaftliche oder finanzielle Sanktionen, Reiseverbote, ein Waffenembargo oder ein Embargo bestimmter Produkte, wie z.b. Rohdiamanten ersetzt, um die Leiden der Zivilbevölkerung des betreffenden Landes zu mindern und zugleich dem betreffenden Regime und dessen Macht- 1 Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zur Weiterverfolgung der Ergebnisse des Millenium Gipfels In Larger Freedom vom 21. März 2005, Ziffer 109, verfügbar im Internet unter http://www.un.org/largerfreedom/. 2 Cortright/Lopez, Sanctions and the search for security, S. 5: From this ongoing debate, we attempt to compare the utility of sanctions as a means of coercion with the utility of sanctions of a means of persuasion, thus combining sticks and carrots ; so auch Biersteker/Eckert, Watson Report, 5.

16 A. Einleitung habern echte Sanktionen aufzuerlegen 3. Insbesondere im Zusammenhang mit Finanzsanktionen, die vor allem die Sperrung von Konten von Einzelpersonen und Unternehmen und mit Reisebeschränkungen zu Lasten von u. a. Regierungsmitgliedern oder Rebellenführern des betreffenden Staates beinhalten, werden von den Sanktionsausschüssen der Vereinten Nationen regelmäßig mit den Namen der sanktionierten Personen veröffentlicht, um zu gewährleisten, dass die verhängten Sanktionen von den übrigen Mitgliedsstaaten eingehalten werden. Der Einzelne erhält damit eine wachsende Bedeutung als Adressat im Völkerrecht, welches klassischerweise als Ordnungsregularium zwischen Staaten konzipiert war 4. Zielgerichtete Sanktionen sind momentan im Zusammenhang mit Afghanistan bzw. den dort ansässigen Taliban und der Terrororganisation Al-Quaida, dem Irak, der Elfenbeinküste, Liberia, Ruanda, dem Sudan, Sierra Leone, Somalia und der Demokratischen Republik Kongo in Kraft 5. Syrien wurden durch die Resolution 1636 (2005) 6 Sanktionen im Zusammenhang mit der Behinderung der Ermittlungen zum Mordfall am libanesischen Staatspräsident Rafik Hariri angedroht, in die Mitglieder der syrischen Regierung verwickelt zu sein verdächtigt werden, und auch im Zusammenhang mit der Weigerung der iranischen Regierung, das nationale Atomprogramm einzustellen, hat sich die internationalen Gemeinschaft im Dezember 2006 auf Sanktionsmaßnahmen gegen Iran geeinigt. Mit der allgemein der Terrorbekämpfung dienenden Resolution 1373 (2001) 7, die sich nicht gegen einen einzelnen Staat richtet, sondern unabhängig von deren Staatsangehörigkeit zielgerichtete Sanktionen gegen einzelne Personen vorsieht, die mit dem internationalen Terrorismus in Verbindung gebracht werden, hat die Staatengemeinschaft ein weiteres Sanktionsregime geschaffen, welches die bereits genannten in seinen Dimensionen deutlich übersteigt. Knapp 700 Namen von Einzelpersonen und Unternehmen oder Gruppierungen stehen zur Zeit insgesamt auf allen existierenden Sanktionslisten, nur rund 30 wurden bisher wieder von den Listen entfernt. 3 Vgl. EuG Urt. v. 21.9.2005 T-306/01, BeckRS 2005, 70726 = EuZW 2005, 672 Ahmed Ali Yusuf und Al Barakaat International Foundation./. Rat der Europäischen Union und Kommission, Rn. 113. 4 Vgl. Dahm et al., Völkerrecht, Albin, ZRP 2004, 71; Partsch in: Bernhardt, Encyclopedia of public international law, Bd. 8, Individuals in international law, S. 316 ff., m.w.n.; Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht; Rn. 632 ff. 5 Eine aufschlussreiche Zusammenstellung der Sanktionsregime des Sicherheitsrates mit Stand 15. Juli 2005 findet sich bei Schaller, Vereinte Nationen 2005, S. 135.; vgl. außerdem die Übersichtsseite des Sicherheitsrates http://www.un.org/docs/sc/committees/intro.htm. 6 Resolution 1636 (2005) vom 31. Oktober 2005, UN Doc S/RES/1636/2005. 7 Resolution 1373 (2001) vom 28. September 2001, UN Doc S/RES/1373/2001.

A. Einleitung 17 Solchen Individualsanktionen liegt die Annahme zugrunde, dass das Objekt der Sanktion Einfluss auf die Aktivität hat, die man zu beenden beabsichtigt 8, so zum Beispiel auf die Finanzierung des Terrorismus oder eines Bürgerkrieges oder die Versorgung von Bürgerkriegsparteien mit Waffen und Material. Insbesondere im Rahmen der Terrorbekämpfung erscheinen targeted sanctions in diesem Zusammenhang durchaus geeignet, kurzfristig Erfolge zu erzielen. Im Rahmen des 1373er-Regimes und der Sanktionen gegen die Terror-Organisation Al-Quaida beispielsweise soll einem vom Nationalstaat losgelösten, weltweit operierenden Terror-Netzwerk die finanzielle Grundlage durch das Einfrieren von Finanzmitteln einzelner beteiligter Personen oder Organisationen punktuell entzogen werden, mit dem Ziel, durch die Schwächung einer Gruppe Einzelner das gesamte Räderwerk ins Stocken zu bringen. Allerdings sind in neuerer Zeit Stimmen, die an der Rechtmäßigkeit solcher Individualsanktionen zweifeln, nicht mehr zu überhören. In 22 Fällen hat sich bereits das Europäische Gericht Erster Instanz (EuG) aufgrund von Klagen von Betroffenen, die sich zu Unrecht auf den Sanktionslisten glaubten, mit der Frage nach der Rechtmäßigkeit von Sanktionsmaßnahmen, die auf Artikel 41 der Charta der Vereinten Nationen beruhen, beschäftigt 9. Ca. 13 weitere Verfahren sind bei nationalen Gerichten anhängig 10, mit sieben Verfahren war bzw. ist der Europäischen Gerichtshof (EuGH) befasst 11. Auch wenn bis zum heutigen Tag noch kein Gericht ausdrücklich die Rechtswidrigkeit einer Sanktionsmaßnahme des Sicherheitsrates festgestellt hat, sondern nur die Rechtswidrigkeit einer gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsmaßnahme im Rahmen des 1373er-Regimes 12, so stellen die anhängigen Verfahren dennoch eine deutliche potentielle Bedrohung der Legitimität des Vorgehens des Sicherheitsrates dar. Eine Entscheidung eines nationalen oder supranationalen Gerichts, die eine Sanktionsmaßnahme des Sicherheitsrates als rechtswidrig einstuft, wäre Wasser auf die Mühlen derjenigen, die bereits seit Jahren den Sicherheitsrat als gescheiterte Institution betrachten 8 Cameron, NJIL 2003, S. 171. 9 Eine aktuelle Liste der bei den Gemeinschaftsgerichten anhängigen Verfahren findet sich im Internet unter http://www.statewatch.org/terrorlists/terrorlists.html. 10 Vgl. Annex I des Sechsten Berichts des Monitoring Teams des Taliban-Sanktionsregimes vom 7. März 2007, UN Doc S/2007/132. 11 Vgl. dazu ebenso http://www.statewatch.org/terrorlists/terrorlists.html. 12 Vgl. EuG Urt. v. 12. Dezember 2006 T-228/02 Organisation des Modjahedines du peuple d Iran./. Rat der Europäischen Union und EuG Urt. v. 11. Juli 2007 T-47/03 José Maria Sison./. Rat der Europäischen Union.

18 A. Einleitung und seiner Abschaffung oder zumindest einer Einschränkung seiner Kompetenzen positiv gegenüberstehen 13. Auch im Kreise der Mitgliedsstaaten regt sich Skepsis, die sich in der politischen Praxis oft darin äußert, dass neue Namen nur sehr zurückhaltend den Sanktionslisten hinzugefügt oder dass Sanktionen nicht konsequent durchgeführt werden. Diese Skepsis gründet sich ebenso auf die fehlende Transparenz der Entscheidungen der Sanktionskomitees wie auch auf die Tatsache, dass klare Verfahren für die Beantragung von Ausnahmen oder Streichungen von den Sanktionslisten kaum in verlässlicher Form bestehen, und dass betroffene Personen oder Gruppierungen oft nicht von ihrer Listung informiert werden. Auch wenn die Verhängung von Sanktionen im Wesentlichen ein politischer Prozess ist, so werden nun auch in der internationalen Diskussion die Defizite deutlich, die ein solcher Prozess auf rechtlicher Ebene zeitigt und die einer klaren und umfassenden Lösung bedürfen. Denn durch unklare oder nicht vorhandene Rechtsschutzmechanismen bedroht ist summa summarum nicht nur die Effektivität internationaler Sanktionen im Allgemeinen tendieren doch zumindest die USA im Fall der Unterminierung von VN Sanktionsmaßnahmen schnell zur verstärkten Rückkehr zu unilateralen Sanktionen sondern auch die Autorität des Sicherheitsrates als zentrales Organ der kollektiven Sicherheit. Die Frage der Effektivität von Sanktionen ist in den sogenannten Interlaken-, Bonn-Berlin- und Stockholm-Prozessen 14 insbesondere im Hinblick auf Wirtschaftssanktionen, Waffenembargos und Reisesanktionen bereits ausführlich untersucht worden. Auch die Frage, ob Verletzungen des humanitären Völkerrechts dem Erlass von umfassenden Wirtschaftssanktionen entgegenstehen, ist insbesondere im Hinblick auf den Irak diskutiert worden 15. Nicht um Fokus stand jedoch bisher die Frage nach effektivem Rechtschutz gegen Individual- Sanktionen. Allerdings handelte es sich bislang um ein eher akademisches Pro- 13 Vgl. zur Frage der Reform des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Hofstötter, ZaöRV 2006, 143 ff.; Bruha in: Wolfrum/Philipp, Handbuch Vereinte Nationen, Sicherheitsrat, Rn. 19 ff. m.w.n.; Pleuger, Praxishandbuch UNO, S. 683 ff. 14 Vgl. die Abschlussberichte der Prozesse: Biersteker, Targeted Financial Sanctions; Brzoska, Design and Implementation of Arms Embargoes and travel an aviation related sanctions; Wallensteen/ Staibano/ Eriksson, Making targeted sanctions effectice guidelines for the implementation of UN-policy options. 15 Vgl. Marc Bossuyt, Working paper on the adverse consequences of economic sanctions on the enjoyment of Human Rights, sub-comission on the promotion and protection of Human Rights, fifty-second session, UN-Doc. E/CN.4/Sub.2/2000/33; Gowlland-Debbas, National implementation of United Nations sanctions, S. 17.; Weiss et al., Political Gain and Civilian Pain: Humanitarian Impacts of Economic Sanctions; Craven, EJIL 2002, S. 43 ff.; Starck, Die Rechtmäßigkeit von UNO-Wirtschaftssanktionen.

A. Einleitung 19 blem, denn es fehlte an anhängigen Gerichtserfahren 16. Dies hat sich spätestens mit der vielbeachteten Entscheidung des Europäischen Gerichts Erster Instanz vom 21. September 2005 17 geändert, auf die im Folgenden noch einzugehen sein wird. Außerdem ist inzwischen eine nicht unbeachtliche Anzahl von Fällen vor nationalen Gerichten unter anderem in Belgien, Italien, der Schweiz, Großbritannien, Pakistan, der Türkei und der USA anhängig 18. In der vorliegenden Arbeit sollen unter anderem zwei Fragen behandelt werden: einerseits die Frage nach den tatsächlichen Möglichkeiten des betroffenen Individuums, Rechtsschutz gegen zielgerichtete Sanktionen zu erlangen, und zweitens die Frage nach Rechtsbindung und Rechtskontrolle des Sicherheitsrates verbunden mit der Frage nach den Rechtsfolgen einer Maßnahme des Sicherheitsrates, die sich nicht im Rahmen seiner rechtlichen Kompetenzen hält. Diese beiden Fragen sind allerdings bereits rein tatsächlich durch die Tatsache verknüpft, dass der Sicherheitsrat seit Jahren zielgerichtete Sanktionen gegen Einzelpersonen erlässt, und dass die entsprechenden Resolutionen und Verfahrensrichtlinien der jeweiligen Sanktionskomitees, wie zu zeigen sein wird, eine Rechtsschutzmöglichkeit genauso wenig bieten wie bestehende nationale und internationale Rechtsnormen und somit dem Recht des Einzelnen auf effektiven Rechtsschutz entgegenlaufen. Stellt man nun fest, dass in der Tat rechtliche Grenzen für Maßnahmen des Sicherheitsrats bestehen und stellt man weiter fest, dass sich die vom Sicherheitsrat erlassenen Individualsanktionen in der zur Zeit gültigen Form nicht in diesem Rahmen halten, kommt man zu dem Ergebnis, dass der Erlass von Individualsanktionen rechtswidrig sein kann. Nur allzu deutlich zeichnet sich an dieser Stelle ein fundamentaler Konflikt ab: einerseits sind die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen durch Art. 25 der Charta an die Entscheidungen des Sicherheitsrates gebunden, andererseits kann diese Entscheidung im konkreten Fall rechtswidrig sein. Auch die Frage nach den Folgen, die eine rechtswidrige Sicherheitsratsresolution zeitigt, ist in der Wissenschaft lange eher stiefmütterlich behandelt worden, da es an praktischen Bezügen fehlte dies hat sich durch die neue Sanktionspraxis des Sicherheitsrates geändert, so dass diese Frage einer genaueren Betrachtung bedarf. 16 Vgl. Cameron, NJIL 2003, S. 161; de Wet/Nollkaemper, GYIL 2002, S. 170. 17 EuG Urt. v. 21.9.2005 T-306/01, BeckRS 2005, 70726 = EuZW 2005, 672 L Ahmed Ali Yusuf und Al Barakaat International Foundation./. Rat der Europäischen Union und Kommission der Europäischen Gemeinschaften. 18 Vgl. Biersteker/Eckert, Watson Report, S. 10 und Annex I des Sechsten Berichts des Monitoring Teams des Taliban-Sanktionsregimes vom 7. März 2007, UN Doc S/2007/132.

20 A. Einleitung Wenn man nun einerseits zu dem Ergebnis kommt, dass Rechtsschutzmechanismen im Falle von individuellen Sanktionen für die Betroffenen nicht bestehen, andererseits aber feststellt, dass der Sicherheitsrat an bestimmte Normen des Völkerrechts gebunden ist, und diese auch das Recht des Einzelnen auf effektiven Rechtsschutz mit einschließen, dann liegt es nahe, in einem folgenden Schritt die Frage zu stellen, wie dieser Widerspruch zu lösen ist. Im letzten Teil dieser Arbeit sollen daher Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, sowohl praktischpolitischer als auch rechtstheoretischer Art. Der hier bearbeitete Themenkomplex berührt viele aktuelle diskutierte Bereiche des Völkerrechts wie zum Beispiel die Kontroverse um eine Konstitutionalisierung bzw. eine Fragmentierung des Völkerrechts 19, der Entwicklung von Normen des ius cogens oder der Frage der rechtlichen Kontrolle des Sicherheitsrates durch internationale Gerichte. Insbesondere über die Frage der Rechtsbindung und der Rechtskontrolle des Sicherheitsrates gibt es umfassende Literatur 20, im Zusammenhang mit zielgerichteten Sanktionen des Sicherheitsrates hat diese Frage aber erst in diesen Tagen wieder aktuelle Bedeutung erlangt und bedarf daher einer erneuten eingehenden Betrachtung. In Teil B dieser Arbeit soll zuerst ein umfassender Überblick über die Rechtsgrundlagen und die Funktionsweise der verschiedenen Sanktionsregime gegeben werden, die zur Zeit in Kraft sind. Teil C behandelt die Frage, welche Rechte durch Individualsanktionen betroffen sind, und ob und wenn ja welche Rechtsschutzmöglichkeiten den Betroffenen unter Berücksichtigung des aktuellen Standes der Rechtsprechung zur Verfügung stehen. Teil D befasst sich mit dem Verhältnis von Völkerrecht und Gemeinschaftsrecht, in Teil E wird anschließend die Frage nach der rechtlichen Bindung des Sicherheitsrates untersucht. In Teil F soll anschließend der Versuch unternommen werden, die Frage zu klären, welche Qualität das Recht auf effektiven Rechtsschutz im Völkerrecht besitzt. 19 Aufschlussreich dazu Aust/Naske, ZÖR 2006, S. 594 ff. 20 Vgl. unter Vielen: Angelet, International Law limits to the Security Council, Fraas, Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und Internationaler Gerichtshof, Herbst, Rechtskontrolle des UN-Sicherheitsrates, Lamb, Legal Limits to United Nations Security Council Powers, Lauterpacht, Judicial Review of the Acts of International Organizations, Martenczuk, Rechtsbindung und Rechtskontrolle, Martenczuk, EJIL 1999, Meyer-Ohlendorf, Gerichtliche Kontrolle des VN-Sicherheitsrates, Nolte, The limits of the Security Council s Powers, Stein, Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und die Rule of Law, Zemanek, Is the Security Council the sole judge of its own legality?.

A. Einleitung 21 In Teil G soll dann untersucht werden, welche Rechtsfolgen es hat, wenn eine Resolution des Sicherheitsrates nicht mit den den Sicherheitsrat bindenden Rechtsnormen übereinstimmt, Teil H befasst sich mit dem entsprechenden Prüfungsmaßstab der Gemeinschaftsgerichte. Nach der Zusammenfassung des gefundenen Ergebnisses in Teil I, sollen im letzten Teil J schließlich Lösungsansätze tatsächlicher und rechtlicher Art diskutiert werden.