Früherkennung von psychischen Störungen bei Schulverweigerung und Arbeitssuche/-losigkeit im jungen Erwachsenenalter Johannes Hebebrand Rheinische Kliniken Essen Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Universität Duisburg-Essen
Grundidee Früherkennung und Behandlung psychischer Störungen, die Schulbesuch beeinträchtigen die Arbeitsmarkt-Integration erschweren Ziele: Verbesserung der schulischen Bildung Ermöglichung des Berufseinstiegs Prävention psychischer und somatischer Erkrankungen
Schulische Bildung: hohes gesellschaftliches Gut schulischer (Miss)Erfolg determiniert in hohem Maße späteren sozialen und ökonomischen (Miss)Erfolg Schulabbrecher haben kaum eine Chance auf einen qualifizierenden Ausbildungsoder Arbeitsplatz und steuern auf soziale und ökonomische Randständigkeit zu Schulausstieg bedeutet fast immer schwer umkehrbare Desintegration. Schul- und Sozialkarriere sind nach wie vor fast untrennbar verknüpft. Ohder et al.; Ergebnisse eines dreimonatigen Studienprojekts an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin, Fachbereich Polizeivollzugsdienst, 2004
Schulverweigerung: Epidemiologie und psychiatrische Aspekte einheitliche, allgemeingültige Definition fehlt in Deutschland einzelne regional repräsentative Untersuchungen Schätzungen: ca. 8 % der SchülerInnen mit zunehmendem Alter häufiger Hauptschule und Sonderschule besonders betroffen Tendenz zunehmend? > 50% weisen eine definierte psychiatrische Störung auf betrifft 20-45% aller kinder- und jugendpsychiatrischen Patienten
Rasche diagnostische Abklärung: zentrale Schulverweigererambulanz Erhebung: psychiatrische Anamnese schulische Laufbahn testpsychologische Diagnostik orientierende Leistungsdiagnostik (CFT-20) ADHS-Symptomatik (Qb-Test) Emotionaldiagnostik (Angstfragebogen für Schüler) Einleitung therapeutischer Maßnahmen falls psychiatrische Behandlung notwendig: Entscheidung (Teil)Stationär, ambulant ambulante Behandlung: niedergelassene Ki-JuPsychiater Das Essener Konzept
2 Tagesklinik Stationärer Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie Zentrale Ambulanz Schulverweigerung 1 Jugendliche Eltern Kinderärzte Allgemeinmediziner Lehrer Jugendhilfe Kinder- und Jugendpsychiater Jugendhilfe 4 Niedergelassene Kinderund Jugendpsychiater Schule 3 5
Vorläufige Ergebnisse (n=105) primär Schüler weiterführender Schulen Gesamt-, Hauptschulen (ca. 60%) ca. 70% mindestens eine Klasse wiederholt ca. 33% Schulform herunter gestuft ca. 33% IQ < 85 ca. 25% mobbingähnliche Situationen, schlechtes Klassenklima ca. 10% Trennungsangst 50% bleiben ohne Wissen der Eltern der Schule fern überdurchschnittliche Schulunlust hohe Rate an psychiatrischen Störungen
Psychiatrische Störungen bei arbeitslosen jungen Erwachsenen Akteure: Arbeitsagentur, Gesundheitsamt, Kinder- und Jugendpsychiatrie Etablierung einer psychiatrisch/psychologischen Beratung in der Arbeitsagentur Essen Ziele: psychiatrisch/psychologische Diagnostik Motivationsaufbau: Kontaktaufnahme mit medizinischem Versorgungssystem Beratung der Fallmanager: wer ist krank, wer nicht? Forschung: Diagnosenspektrum, Überleitung ins Vorsorgungssystem, Rate erfolgreicher Vermittlungen Finanzierung Arge Essen (Beginn: März 2007) 1 Arzt, 1 Psychologin, Sachmittel
Jugendarbeitslosigkeit Jugendarbeitslosigkeit in D 2005: 14,8% (Eurostat) 2005: 16,7% (ILO) 2006: 14,2% (Eurostat)
Erstdiagnosen arbeitsamtsärztlicher Begutachtungen von Arbeitslosen im Jahr 2001 Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und Bindegewebes 42% Psychische und Verhaltensstörungen 25% Hollederer, 2002
Circulus vitiosus Krankheit erhöht Risiko arbeitslos zu werden Verbleibsrisiko in Arbeitslosigkeit wird erhöht Arbeitslosigkeit macht krank (social causation Hypothese) Krankheit verschlechtert Jobchancen nach Hollederer, 2006
Soziodemographie bisher 78 Klienten 55% weiblich / 45 % männlich Durchschnittsalter: 21,4 Jahre (45 % unter 21 J.) > 85% in Deutschland geboren
Anderer Abschluss Abitur 60 50 40 30 20 10 0 Schulabschluss n = 48 Realschule 10. Klasse Fachhochschulreife Hauptschule Kein Abschluss Häufigkeit (%)
Schulverweigerung in (%) (n = 31)
Diagnosenspektrum n = 74 30 25 Häufigkeit (%) 20 15 10 5 0 F1 F2 F3 F4 F5 F6 F7 F8 F9 Diagnosen
Clinical Global Impression in (%) (n = 78)
Beck Depressionsinventar in (%) (n = 72)
Politische Implikationen Schulverweigerung ernst nehmen! Psychische Störungen relevant bei Schulverweigerung und Jugendarbeitslosigkeit Unterstützung vernetzter Konzepte Förderung der Begleitforschung
Mitwirkende Support 25 Support 25 Fr. Rosien Hr. Dr. Reissner Hr. Jochheim Hr. Prof. Hebebrand JobCenter Essen Hr. Müller Hr. Mikoteit Hr. Lindemeier Arbeitsagentur Essen Hr. Dr. Ehren Hr. Frania Hr. Glantschnig Gesundheitsamt Fr. Eifert Hr. Pokojski