Ethisches Leitbild DER ERGOTHERAPEUTINNEN ÖSTERREICHS. Mag. Irene Benke



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Transkript:

Mag. Irene Benke Ethisches Leitbild DER ERGOTHERAPEUTINNEN ÖSTERREICHS Hintergrund Als TherapeutInnen machen wir oft die Erfahrung, dass uns Therapiesituationen noch lange beschäftigen, weil verschiedene Fragen offen geblieben sind: Habe ich die Wünsche der Klientin oder des Klienten richtig wahrgenommen oder einseitig meine eigenen professionellen Ziele verfolgt? Habe ich ihre / seine persönlichen Ziele ernst genommen, oder bin ich eher der Sicht der Angehörigen gefolgt? Was soll ich tun, wenn eine Klientin oder ein Klient nicht in der Lage ist, den Selbstbehalt für die erforderliche Therapie zu leisten? Wir arbeiten nicht nur mit den Fakten von Diagnose, Befund und Therapiemaßnahmen. Jede Arbeit mit KlientInnen hat auch eine ethische Dimension: Immer wieder finden wir uns in problematischen Situationen, in denen es keine richtige oder falsche Lösung gibt, sondern nur eine auf Reflexion basierende bessere. Oft helfen Gespräche im KollegInnenkreis, um den Blickwinkel zu erweitern, neue Sichtweisen zu entdecken und Lösungsansätze zu finden. Das nun vorliegende Ethische Leitbild gibt uns als Berufsgruppe ein Handwerkszeug, an ethische Probleme strukturiert heranzugehen. Seite 1 von 6

Vorgeschichte Den Anstoß zur Erarbeitung des Dokuments bekam ich während meiner Tätigkeit als COTEC-Delegierte (COTEC: Council of Occupational Therapists for the European Countries) für Ergo Austria, den Bundesverband der ErgotherapeutInnen Österreichs. Einer der langjährigen Schwerpunkte der COTEC-Arbeitsgruppe Professionalisierung war die Ausarbeitung von Richtlinien für die Erstellung von nationalen Ethikkodizes. Diese Arbeit ist im Vorstand von Ergo Austria auf großes Interesse gestoßen. So kam es im Oktober 2008 zum Entschluss, eine Arbeitsgruppe zu bilden, die sich mit dem Thema Berufsethik auseinandersetzen sollte. Damals war noch offen, welche Art von Dokument daraus entstehen würde. Klar war allerdings die Zielsetzung, die Qualität und Professionalisierung unseres Berufsstands zu fördern. Einerseits war es uns wichtig, der Bevölkerung den Beruf und seine ethischen Grundsätze darzulegen. Andererseits wollten wir unseren KollegInnen ein theoretisches Grundwissen zur Ethik anbieten und ein nützliches Hilfsmittel zur Bearbeitung ethischer Problemstellungen im Berufsalltag zur Verfügung stellen. Der erste Rohentwurf wurde im September 2009 erstellt. Um eine breite Akzeptanz unter den Mitgliedern zu erreichen, haben wir wiederholt und in verschiedenen Foren des Berufsverbands über den Fortschritt unserer Arbeit berichtet und um Feedback gebeten. Frau Birgit M. Stubner hat den Entwurf kommentiert. Dr. Klaus Tschirner stand uns als Lektor zur Verfügung. Nach vielen Überarbeitungen wurde das Ethische Leitbild der ErgotherapeutInnen Österreichs durch die Generalversammlung von Ergo Austria am 24. März 2012 als verbindliches Dokument für alle Mitglieder anerkannt. Inhalt In der Einleitung verdeutlicht das Ethische Leitbild der ErgotherapeutInnen Österreichs die Entstehungsgeschichte des Dokuments, seine Ziele und die angestrebte Wirkung. Nach einer Definition des Begriffs Ethik und einer Beschreibung des Berufs Ergotherapie geht das Dokument dann auf die Kernbegriffe des Berufs Betätigung, Mensch, KlientInnenzentriertheit, Umwelt und Gesundheit ein. Diese Kernbegriffe spiegeln Grundannahmen der Ergotherapie wider. Sie prägen wesentlich die Tätigkeit und die Einstellung von ErgotherapeutInnen. Seite 2 von 6

Der erste Hauptteil beschreibt die Standards ergotherapeutischer Praxis. Die darin formulierten Aussagen betrachten wir als ein ethisches Leitbild, als ein realistisches Idealbild 1 unserer Berufsausübung. Die Standards fokussieren folgende Schwerpunkte ergotherapeutischer Tätigkeit und Verantwortlichkeit: fachliche Qualifikation, therapeutischer Prozess, Beziehung zu KlientInnen, berufliche Partnerschaft, Autonomie und Verantwortung, Management, Gesellschaft, Forschung und Ausbildung und ethische Urteilsbildung. Der zweite Hauptteil bietet Grundlagenwissen zur ethischen Urteilsbildung und einen Leitfaden für das Bearbeiten ethischer Problemstellungen in der Praxis. Dieser Leitfaden soll schrittweise an die Lösung eines ethischen Problems heranführen (siehe Abbildung unterhalb): Zuerst wird das ethische Problem identifiziert. Anschließend werden Lösungsoptionen oder -szenarien erkundet. Die ausgewählte Vorgehensweise wird in der Folge im Detail überlegt, spezifiziert und durchgeführt. Abschließend erfolgt eine Reflexion und Evaluierung der gesetzten Handlung. Abbildung: Leitfaden zur schrittweisen Lösung eines ethischen Problems 2 1 Stubner (persönliche Mitteilung Kommentierung zum Ethikprojekt der Ergo Austira Projektgruppe, 24.09.2010). 2 nach Boyt Schell, B. A. & Schell, J. W. (2008). Clinical and Professional Reasoning in Occupational Therapy. Philadelphia: Lippincott Williams & Wilkins. Seite 3 von 6

Dieser Leitfaden wird zur Veranschaulichung an einem Musterbeispiel durchgeführt. Den Abschluss bildet eine Sammlung von Fallbeispielen, die zur Reflexion und Übung einladen. Ausblick Das Ethikleitbild ist seit der Anerkennung durch die Generalversammlung für alle Mitglieder eine Grundlage ihrer Berufsausübung. Es soll auch die Basis für die Arbeit des ethischen Beirats sein, den der Vorstand des Bundesverbands der ErgotherapeutInnen im nächsten Schritt einsetzen möchte. Geplant ist, dass sich in Zukunft sowohl ErgotherapeutInnen als auch KlientInnen und Angehörige mit ethisch relevanten Fragen an diesen Beirat wenden können. Mag. Irene Benke Ergotherapeutin & Projektleiterin Seite 4 von 6

Über die Autorin: Mag. Irene Benke 23.07.1966 in Mistelbach geboren, verheiratet, 3 Söhne Ausbildung und Berufstätigkeit 1984 Matura am BG und BRG Laa/Thaya 1984-1991 Studium Katholische Theologie (Lehramt) und Latein 1992-1993 Unterrichtspraktikum am BG Mödling, Franz Keim Gasse 1993-1996 Ausbildung an der Akademie für den ergotherapeutischen Dienst am AKH Wien 1996-1997 Ergotherapeutin im Orthopädischen Krankenhaus Speising 1997-2003 Ergotherapeutin im Neurologischen Krankenhaus Maria-Theresien-Schlössel 2001 Elternkarenz 2003 Elternkarenz seit 2004 Ergotherapeutin im Tageszentrum für Senioren in Wien Floridsdorf und in freier Praxis 2005-2006 Elternkarenz Ehrenamtliche Tätigkeit und Tätigkeit im Berufsverband 1988/89 Stellvertretende Vorsitzende der Katholischen Hochschuljugend Österreichs 1991-1992 Freiwilliges Soziales Jahr in Augsburg (Hauskrankenpflege) im Rahmen von Jesuit European Volunteers 2005-2009 Delegierte des Berufsverbands der ErgotherapeutInnen Österreichs bei COTEC (Council of Occupational Therapists for the European Countries), Leitung des Arbeitskreises Professionalisier Seite 5 von 6

Impressum Im Letter LAUT GEDACHT stellen namhafte und erfahrene Experten Überlegungen zur Umsetzung der Patientenrechte an. Der Letter erscheint unregelmäßig seit Juli 2001 und findet sich auf www.patientenanwalt.com zum kostenlosen Download. Herausgeber: NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft, A 3109 St. Pölten, Rennbahnstrasse 29 Tel: 02742/9005-15575, Fax: 02742/9005-15660, E-Mail: post.ppa@noel.gv.at Daten und Fakten sind gewissenhaft recherchiert oder entstammen Quellen, die allgemein als zuverlässig gelten. Ein Obligo kann daraus nicht abgeleitet werden. Herausgeber und Autoren lehnen jede Haftung ab. auszugsweise Weiterverwendungen nur mit Zustimmung des Herausgebers. Zitate mit voller Quellenangabe sind zulässig. Seite 6 von 6