Stuttgart 21 - wir können alles - außer Bahnhof



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Transkript:

Stuttgart 21 - wir können alles - außer Bahnhof von Nora Löhr Am 12. April 2012 hielt Ralf Berger im Allerweltshaus einen Vortrag mit dem Titel Stuttgart 21 wir können alles außer Bahnhof. Die Veranstaltung wurde von Rahel Brückner moderiert und gehört zur Vortragsreihe Recht auf Stadt. Ralf Berger ist Geograph und engagiert sich seit vielen Jahren im Allerweltshaus. Zwar hat er den bisherigen Konflikt um Stuttgart 21 nicht vor Ort erlebt, aber durch den Kontakt zu Menschen vor Ort ist er sich sicher, dass das Thema trotz der Volksabstimmung erneut eskalieren wird. Mit der Vortragsreihe Recht auf Stadt wird auf die Auseinandersetzungen in vielen europäischen Städten aufmerksam gemacht, deren Ursachen zumeist in der Neuformierung der Städte als Standort des Finanzsektors durch die Globalisierung, die Kommerzialisierung der Innenstädte und neue Formen der Segregation liegen, sodass eine neue Inwertsetzung von Raum in der Stadt stattfindet. Um den Konflikt um Stuttgart 21 genauer beleuchten zu können, wurde zunächst auf die Rolle von Bahnhöfen in der Gesellschaft eingegangen. So wurden im 19. Jahrhundert zum Teil sogenannte Sackbahnhöfe gebaut, die weit mehr Platz als Durchgangsbahnhöfe brauchen. Einen solchen Bahnhof hat auch Stuttgart. Mit der Industrialisierung wurden die Bahnhöfe zum Mittelpunkt der Städte und in den letzten Jahrzehnten zunehmend kommerzialisiert. Der geplante Umbau des Stuttgarter Bahnhofs hängt nun mit der europäischen Verkehrsplanung zusammen, die 150 Milliarden Euro in Verkehrswege investieren will, um

schnellere Verbindungen zu schaffen. Davon ist nun auch die Strecke Paris Stuttgart Bratislava betroffen. Durch einen neuen Stuttgarter Bahnhof soll demnach eine möglichst hohe Geschwindigkeit und Frequenz der Züge gewährleistet werden, sodass z.b. 20 Minuten auf dem Weg von Stuttgart nach Ulm eingespart werden können. Nach offiziellen Angaben sollen insgesamt 4,9 Milliarden in das Projekt gesteckt werden, andere Quellen gehen aber von ungefähr 9 Milliarden aus. Dabei ist geplant, acht neue Gleise unterirdisch zu verlegen, welche die 17 Gleise, die heute oberirdisch verlaufen, ersetzen. Durch den sehr schnellen Zugtakt ist das Ganze jedoch kritisch zu sehen und es ist mit vielen Verspätungen der Züge in der Zukunft zu rechnen, da keine zeitlichen Puffer mehr einkalkuliert sind. Zudem müssen auf dem Stuttgarter Schlossgarten ca. 350 Bäume gefällt werden, um Platz für den neuen Bahnhof zu schaffen und es wird viel Grundwasser abgepumpt, wodurch sich die Vegetation in der Stadt drastisch verändern wird. Hinzu kommt, dass ein großes Risiko der Baustelle durch die Beschaffenheit des Untergrunds (Gipskeuper) besteht, der bei Kontakt mit Wasser aufquellt, wodurch nicht gut gebaut werden kann. Die Stadtökologie wird durch die Bebauung der riesigen Flächen, auf denen bisher die Gleiskörper des Sackbahnhofs waren, drastisch verändert. Doch nicht nur im ökologischen Sinne ist der Bau eines neuen Bahnhofs ein starker Eingriff in das Leben der Region, sondern der alte Bahnhof stellt auch eine architektonische Besonderheit dar und mit der Abholzung der Bäume des Schlossgartens wird ein Symbol der Stadt angegriffen. Auch haben viele Stuttgarter Angst vor Wohnqualitätseinbußen, wodurch sich u.a. der oftmals bürgerliche Charakter der Bewegung gegen Stuttgart 21 erklärt. Im Anschluss an die Darstellung der Besonderheiten des Stuttgarter Bahnhofs wurde ein Interview mit dem Journalisten und Politiker Winfried Wolf gezeigt. Dieser hob insbesondere hervor, dass es bei dem Projekt Stuttgart 21 überhaupt nicht um die Interessen normaler Leute gehe. Denn die Zuständigen des Projektes haben vor allem an riesige Verkehrssysteme gedacht und allein drei der letzten Bahnchefs kamen aus dem

Hause Daimler und brachten somit die Beweggründe der Automobilindustrie in die Deutsche Bahn hinein. Auch gibt es einen Zusammenhang zwischen der 1993 beschlossenen Privatisierung der Bahn und der erstmaligen Vorstellung des Projekts Stuttgart 21 im April 1994. Denn nach der Katholischen Kirche ist die Bahn der größte Grundstückseigentümer Deutschlands, sodass der Bau des Bahnhofs auch ein großes Immobiliengeschäft darstellt. Nach dem Interview ist Ralf Berger noch auf fünf Punkte der Bewegung gegen Stuttgart 21 eingegangen, die ihm besonders aufgefallen sind. Die enorme Dynamik der Bewegung entstand dadurch, dass sehr unterschiedliche Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichen Interessen, Widersprüche zu diesem Projekt haben. Abgesehen von den ökologischen Problemen, sind viele Stuttgarter Pendler und somit direkt von der Umgestaltung des Bahnhofs und der dadurch möglicherweise entstehenden Nachteile direkt betroffen. Aber auch die Kultur hat einen großen Stellenwert in der Bewegung, die sich oftmals durch ausgesprochen große Kreativität auszeichnet. Des weiteren fällt auf, dass viele der Demonstranten ein enormes Fachwissen haben, auch weil viele Überläufer unter ihnen sind, die sich vom Projekt abgewandt haben. Auch stechen die Parkschützer hervor, unter denen viele junge und radikalere Menschen sind, die z.b auch nicht an der Schlichtung teilgenommen haben und neue Formen der Organisation entwickelt haben. Der letzte Punkt ist der Umgang der Demonstranten mit der erheblichen Repression, der sie ausgesetzt sind und der sie mit einem sehr solidarischen Verhalten begegnen. Nun wurde ein 30minütiger Film mit dem Titel Stuttgart steht auf gezeigt, der den Widerstand der Gegner von Stuttgart 21 dokumentiert. Er beginnt mit Aufzeichnungen aus dem Stuttgarter Schlossgarten am 30.9.2010, dem schwarzen Donnerstag, an dem insgesamt 400 Demonstranten durch Wasserwerfer, Tränengas und Pfefferspray der Polizei verletzt wurden.

Als 12 Stunden später einige Bäume gefällt und die Anwesenden interviewt werden, zeigt sich die hohe Emotionalität, mit der viele Stuttgarter mit dem Schlossgarten verbunden sind. Auch werden sogenannte Blockadetrainings gezeigt, in denen Kleingruppen üben, wie man sich im Notfall an die Bäume ketten kann, um eine weitere Abholzung zu vermeiden. Am Nordausgang des Bahnhofs findet derweil seit Sommer 2010 eine Wahnwache statt und der mit Plakaten beklebte, davorstehende Bauzaun ist mittlerweile ein Wahrzeichen der Meinungsfreiheit geworden. Auch finden regelmäßig Montagsdemonstrationen statt, die immer größer wurden und mittlerweile gibt es auch über 30.000 registrierte Parkschützer. Auffällig ist darüber hinaus, dass in dem Film immer wieder Menschen verschiedenster Berufe und Gesinnung zu Wort kommen, viele davon konservativ und ehemalige CDU-Wähler, die nun aber alle durch ihren Protest gegen das Milliardenprojekt vereint sind. Auch wird über die groß gewordene Medienpräsenz der Auseinandersetzung aufmerksam gemacht und betont, wie wichtig eigene Medien der Demonstranten, wie z.b. das extra dafür gegründete Flügel TV sind, um mehr Transparenz zu ermöglichen. Alles in allem hat der Film gezeigt, dass der Konflikt inzwischen eine überregionale Bedeutung als eine neue Demokratiebewegung bekommen hat. Allerdings wurde der Film gedreht bevor die Landtagswahl in Baden-Württemberg stattgefunden hatte, in die viele Demonstranten ihre Hoffnung gesetzt hatten. Doch trotz des großen Wahlerfolgs der Grünen, die sich gegen das Projekt ausgesprochen hatten, haben diese es nicht gestoppt. Bei der Volksabstimmung am 27.11.2011, bei der es darum ging, ob der Landeszuschuss von 900 Millionen für den Bahnhof gewährt werden soll oder nicht, haben sich 58,9 % der Abstimmenden bei einer Wahlbeteiligung von 48,3 % gegen den Ausstieg des Landes aus der Projektfinanzierung ausgesprochen. Für eine Annahme des Stuttgart 21-Kündigungsgesetzes der grünen Landesregierung wäre aber fast eine 2/3 Mehrheit der Abstimmenden notwendig gewesen.

Das für viele überraschende Ergebnis der Abstimmung kann damit erklärt werden, dass vor allem die Landbevölkerung, die sich hauptsächlich aus CDU-Wählern zusammensetzt, stark mobilisiert wurde, wohingegen die städtische Beteiligung sehr gering war. Nach Meinung vieler Beteiligter gibt das Wahlergebnis daher ein verzerrtes Bild der Realität wieder, genauso wie auch schon die vorangegangene Schlichtung und der durchgeführte Stresstest in den Augen vieler eine einzige Farce waren. Daraufhin wurden drei weitere Interviews gezeigt. In dem ersten kam Egon Hopfenzitz zu Wort, der als ehemaliger Bahnhofsvorsteher und früherer CDU-Wähler vor allem die Kommunikationsfehler in Hinsicht auf das Projekt bemängelte, da der normale Bürger praktisch keine Chance hatte, sich im Voraus in das komplizierte und äußerst umfangreiche sogenannte Planfeststellungsverfahren einzulesen. Danach gab Thomas Adler, Betriebsrat der Daimler-Werke, seine Stellungnahme ab. Er betonte vor allem, dass die derzeitige Verkehrspolitik so nicht weitergehen könne, da sie Milliarden in Projekte steckt, die weder den betroffenen Menschen noch klimapolitisch eine Verbesserung bringen. Dabei betonte er nochmals die Erfolgsgeschichte der Bewegung, die sich vor allem durch die Ausdauer der Menschenmassen und ihr hohes Faktenwissen auszeichnet. Als letztes wurde Matthias von Herrmann, der Pressesprecher der Parkschützer, interviewt. Gleichzeitig ist er Aktionstrainer des zivilen Ungehorsams, d.h. Gesetzte werden bewusst, aber gewaltfrei übertreten. Damit soll vor allem auf das Demokratiedefizit seitens der Politik aufmerksam gemacht werden. Um dies zu bekämpfen, spielen besonders Medien wie Flügel TV eine große Rolle. Im Anschluss an die Interviews kam es zu einer Diskussion, in der zunächst gefragt wurde, was eigentlich die positiven Aspekte sowie die wirklichen Interessen des Projekts Stuttgart 21 seien. Daraufhin sagte Ralf Berger, dass es insbesondere um lukrative Firmenaufträge und politische Interessen gehe, die Verkehrskonzepte der EU durchzusetzen. Auch werden durch die teilweise Verlegung des Bahnhofs unter die Erde Gelände frei, sodass auch Immobiliengeschäfte eine Rolle spielen.

Auf die Frage hin, wie es nun nach der Volksabstimmung mit Stuttgart 21 weitergehe, wurde geantwortet, dass es bestimmt weitere Aufwallungen des Konflikts geben werde, vor allem wenn weitere Bäume gefällt werden oder Probleme beim Bau entstehen. Denn die Strukturen der Demonstranten sind nicht weggebrochen, auch wenn die Auseinandersetzung nun weniger Medienpräsenz hat. Warum die Argumente gegen Stuttgart 21 bei der Volksabstimmung nicht die erhoffte Wirkung gezeigt haben, lässt sich u.a. dadurch erklären, dass die vielen Wähler aus dem Hinterland sich von dem Projekt nicht großartig betroffen fühlen. Auch wird den Gegnern oft eine gewisse Polemik unterstellt und es ist schwer, eine stets seriöse Berichterstattung zu finden. Auch hat die Besorgnis um hohe Kosten (die mehr als umstritten sind) bei einem Abbruch des Projekts und dem Nichteinhalten der bereits abgeschlossenen Verträge sicher eine Rolle gespielt. Alles in allem war der Vortrag von Ralf Berger sehr informativ, auch wenn der Film leider nicht die neusten Entwicklungen abdecken konnte. Auch kamen in dem Film keine Befürworter des Projekts zu Wort, sodass nur die gegnerische Seite beleuchtet werden konnte. Allerdings war dies auch nicht Ziel des Films, denn er schaffte vielmehr einen direkten Eindruck von dem Geschehen rund um die Proteste und ist ein Zeichen des Widerstands. Fotos der Veranstaltung: Wibke Gehringer Weitere Fotos: sueddeutsche.de und stern.de