Spannende Entwicklung



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Transkript:

Spannende Entwicklung Ultrahochspannungs-Schaltanlagen in China Walter Holaus, Fredi Stucki Der Bedarf an elektrischer Energie in China ist sehr groß. Überall werden riesige Kraftwerke gebaut, und riesige Energiemengen müssen über Tausende von Kilometern zu den Verbrauchern in den Megastädten übertragen werden. Da bei derartigen Dimensionen erhebliche Leitungsverluste auftreten, hat sich der staatliche Netzbetreiber State Grid Corporation of China (SGCC) für eine Übertragung mit 1.100 kv Wechselspannung entschieden, um diese Verluste so gering wie möglich zu halten, und hat damit eine neue Ära in der elektrischen Energieübertragung eingeläutet. Gemeinsam mit ihren Partnern und Zulieferern hat ABB das Herzstück eines solchen Systems entwickelt: gasisolierte Schaltanlagen, die den hohen Anforderungen dieses neuen Spannungsniveaus standhalten. 20 ABB Technik 4/2008

Eine zuverlässige elektrische Energieversorgung ist eine der Stützen moderner Volkswirtschaften. Der sichere und zuverlässige Betrieb eines Versorgungsnetzes hängt in erster Linie von den Hochspannungs-Schaltanlagen ab, die das Herzstück eines Stromnetzes bilden. Die Hochspannungs-Leistungsschalter in diesen Schaltanlagen sind häufig die letzte Bastion zum Schutz großer Systeme bei Kurzschlüssen. einer der größten Kunden von ABB begann vor einigen Jahren mit der Konzeption eines Wechselstromnetzes mit einer Nennspannung von 1.100 kv [3] und initiierte damit umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten bei Forschungsinstituten und Systemherstellern [4]. Um die technische Infobox 1 Gasisolierte Schaltanlagen (GIS) Machbarkeit zu beweisen, bat SGCC drei chinesische und zwei japanische GIS-Hersteller sowie ABB, sich an der Entwicklung von UHV-GIS für das chinesische UHV-AC-Demonstrationsprojekt zu beteiligen. Das 2008 begonnene Projekt in Zentralchina umfasst Hochspannungsleitungen von Stromnetze und die dazugehörigen Unterstationen kennen wir als luftisolierte Systeme, in denen die hohe Spannung durch Luftstrecken von mehreren zehn Metern von der Erde und Personen ferngehalten wird. Eine weitere, wesentlich kompaktere Möglichkeit für den Bau von Hochspannungs-Schaltanlagen ist die Verwendung von Gas als Isolationsmedium in sogenannten gasisolierten Schaltanlagen (GIS) Infobox 1. Die GIS-Technologie ist seit 1966 auf dem Markt, als die erste unterirdische GIS-Unterstation für 170 kv im Zentrum von Zürich installiert wurde 1. Im Jahr 1976 lieferte ABB die ersten 500-kV-GIS nach Claireville, Kanada. Mit der Installation der ersten 800-kV- GIS in Südafrika im Jahr 1986 unterstrich ABB ihre technische Vorreiterrolle auch im Ultrahochspannungsbereich (Ultra-High Voltage, UHV) Infobox 2. Diese Unterstation mit der Bezeichnung Alpha ist mittlerweile seit über 20 Jahren ohne Ausfälle oder ungeplante Unterbrechungen in Betrieb. Die 500-kV-GIS in Itaipu, Brasilien, ist zurzeit noch die größte Anlage der Welt, wird aber bald durch die GIS von ABB am Drei-Schluchten-Damm in China abgelöst. Innovative GIS-Technologie für China In China wird der größte Teil der elektrischen Energie im Westen des Landes erzeugt, während die Hauptverbrauchsschwerpunkte Tausende von Kilometern entfernt in den Küstenregionen liegen. Angesichts des stark steigenden Energiebedarfs werden zur Verstärkung des vorhandenen Übertragungsnetzes sowohl UHV-Systeme für Wechselstrom (AC) als auch Gleichstrom (DC) benötigt [1, 2]. Der staatliche chinesische Netzbetreiber State Grid Corporation (SGCC) Gasisolierte Schaltanlagen sind in Hochspannungs-Übertragungs- und -Verteilnetzen weit verbreitet. ABB ist der führende Anbieter von GIS für die elektrische Energieübertragung und bietet GIS-Produkte mit Nennspannungen von 72 kv bis 800 kv bei Nennströmen von bis zu 4.000 A und einem Kurzschluss-Schaltvermögen von bis zu 63.000 A. GIS werden in Innenraum- und Freiluftanwendungen eingesetzt. Zu den von GIS bereitgestellten Funktionen gehören das Schalten, Trennen, Erden und Messen. Als System mit vielen Komponenten wird jede Infobox 2 Ultrahochspannung (UHV) Elektrische Netze werden auf verschiedenen Spannungsniveaus betrieben, um eine effizientere Übertragung sicherzustellen, die elektrischen Verluste und den Materialbedarf zu minimieren und ein Maximum an Betriebssicherheit zu gewährleisten. In den IEC-Normen sind Spannungsniveaus von bis zu 800 kv standardisiert. Systeme mit einer Nennspannung von über 550 kv werden als Ultrahochspannungssysteme bezeichnet. Sie werden 1 Die Geschichte der GIS bei ABB ABB Power Technology Products, BU PPHV -1 Erste 170-kV-GIS Sempersteig (CH) Erste Forschungen Erste 500-kV-GIS Claireville (CA) Erste 500-kV-GIS in China, Jinmen Größte 500-kV-GIS Itaipu (BR) verwendet, wenn es darum geht, mehrere tausend Megawatt an elektrischer Energie über Hunderte von Kilometern zu transportieren. Da die Übertragungsverluste bei höheren Spannungen vergleichsweise niedriger ausfallen, werden bei der Erhöhung der Spannung 550 auf 1.100 kv die Verluste um den Faktor vier reduziert. Deshalb eignen sich UHV-Systeme besonders gut für die Übertragung großer Leistungen über weite Entfernungen. Erste 800-kV-GIS Alpha (ZA) 1956 1966 1976 1986 1996 GIS für die betreffende Anwendung optimiert. Die Komponenten sind koaxial aufgebaut und besitzen einen Außen- und einen Innenleiter. Sie sind mit dem Gas Schwefelhexafluorid (SF 6 ) bei mehreren hundert kpa Überdruck gefüllt. Die Verbindung erfolgt über verschraubte Flansche, was die GIS von außen wie Rohrleitungen aussehen lässt. Die Unterstationen werden als hybrid bezeichnet, wenn Teile davon (z. B. Sammelschienen oder Verbindungen zu Freileitungen) luftisoliert sind. Erste 1.100-kV-GIS 500-kV-GIS Jingmen (CN) Drei-Schluchten (CN) > 170 kv < 170 kv 2006 2010 ABB Technik 4/2008 21

Verdoppelung des Spannungsniveaus Das Isolationsvermögen von GIS hängt von einer Vielzahl von Parametern wie dem Gasdruck, der Elektrodengeometrie, der Form der angelegten Spannung und der Polarität bzw. der Reinheit des SF 6 -Gases ab. Obwohl viele dieser Parameter bereits in Abhängigkeit von der elektrischen Feldstärke untersucht wurden, können die Phänomene bei unterschiedlichen Feldkonfigurationen deutlich anders ausfallen. Für die Entwicklung von GIS für ein neues Spannungsniveau ist es daher von entscheidender Bedeutung, die verschiedenen spannungsabhängigen physikalischen Phänomene hinsichtlich der elektrischen Isolierung zu verstehen. Dabei müssen bestimmte Skalierungsregeln auf jedes einzelne Bauteil und schließlich auf das ganze System angewendet werden. Von besonderem Interesse sind die Effekte, deren Bedeutung bei hohen Spannungen zunimmt, wie die sehr steilen Spannungsspitzen (Very Fast Transients, VFT), die bei der Betätiknapp 600 km Länge sowie drei Untersta tionen in Jingmen, Nanjang und Jing Don Nan. Das Projekt ELK-5 Für den Entwurf und die Installation dieser 1.100-kV- GIS riefen ABB und Xian Shiky, der größte chinesische Hersteller von GIS, ein gemeinsames Entwicklungsprojekt mit dem Namen ELK-5 ins Leben (ELK ist die Bezeichnung der GIS- Systeme von ABB, und die Zahl 5 steht für das neue Leistungsniveau). Die Hauptaufgabe von ABB bei diesem Gemeinschaftsprojekt lag in der Gesamtkonzeption der hybriden GIS und in der Herstellung und Lieferung der Kernkomponenten, während sich Shiky mit der Herstellung aller anderen Komponenten, den Typprüfungen (unter der Aufsicht von SGCC- und KEMA-Fachleuten) sowie mit der Montage und Installation der Schaltanlagen in Jingmen befasste. Der von SG- CC vorgegebene Zeitplan war äußerst eng gesteckt: Die erste Anlage in Jingmen sollte bis Ende 2008 in Betrieb gehen nur zwei Jahre nach dem Beginn des Projekts im November 2006. Einschließlich Entwicklung, Prüfung, Typprüfung, Herstellung und Installation bedeutet dies einen neuen Weltrekord für die Aufrüstung einer GIS für ein neues, anspruchsvolles Spannungsniveau. Um diese Herausforderung bewältigen zu können, wurde bei ABB ein Projektteam aus bis zu 20 Spezialisten zusammengestellt, dem bevorzugter Zugang zu anderen Experten und Prüfeinrichtungen eingeräumt wurde. 2 Abmessungen der ABB-Leistungsschalter von 300 bis 1.100 kv 1.100 kv mit Gesamtgewicht: 7 Tonnen 550 kv mit 550 kv 300 kv Gestänge CO switch 3 Der GIS-Leistungsschalter von ABB mit der Antriebseinheit bei der Montage im Werk 10 m 4 Schaltkammern 2 Schaltkammern + 2 Schaltkammern 1 Schaltkammer 3,8 m gung eines Trennschalters auftreten. Eine besondere Herausforderung besteht darin, den optimalen Gasdruck für das extrem hohe Spannungsniveau zu finden. Hierbei gilt es, den richtigen Mittelweg zwischen Parametern mit positiven und negativen Einflüssen auf das Isolationsvermögen zu wählen. Untersuchungen von ABB haben ergeben, dass ein niedriger SF 6 -Gasdruck für UHV- GIS-Komponenten am besten geeignet ist. Ein robustes Design und eine hohe Verfügbarkeit spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Daher wurden bei der Konzeption der UHV-GIS die folgenden Designregeln angewandt: einphasige Kapselung der Schaltkammern separates Gehäuse für die Einschaltwiderstände ausreichende Sicherheitsmargen für alle elektrischen Parameter Die riesigen Dimensionen der 1.100-kV-Schaltanlagen machen umfangreiche mechanische Berechnungen erforderlich. Außerdem ist die Skalierung der mechanischen Parameter wie Antriebsenergie, Kontaktgeschwindigkeit oder Berstdruck alles andere als linear. Tatsächlich sind bei einem solchen Entwicklungsprojekt mindestens ebenso viele Maschinenbauingenieure wie Elektrotechniker gefordert. Das gesamte mechanische und elektrische Design erfolgte mithilfe von echten 3D-Berechnungstools, während für die Herstellung möglichst auf bewährte Fertigungsverfahren zurückgegriffen wurde. Kernkomponente Leistungsschalter Der Leistungsschalter ist ein Schaltgerät, das in der Lage ist, den Strom unter allen Bedingungen im Normalbetrieb oder bei einer Störung sicher ein- und auszuschalten. Der Schaltvorgang erfolgt innerhalb von 50 Millisekunden nach dem Auslösen. Der 1.100-kV-Leistungsschalter stellt eine Erweiterung des bestehenden Leistungsschalter-Portfolios von ABB 22 ABB Technik 4/2008

dar. Er besteht aus zwei Gehäusen eines für die Schaltkammern und eines für den. Die Schaltkammern und der Ein/Aus- Schalter für den werden über einen einzigen federhydraulischen Antrieb betätigt, der von ABB eigens für diese Anwendung entwickelt wurde [5, 6, 7]. 2 zeigt einen Vergleich der Leistungsschalter von ABB für verschiedene Spannungen. Die Bemessungswerte 1.100 kv und 4.000 A entsprechen einer Nennleistung von 7.600 MW für die drei Phasen. Das ist mehr als der durchschnittliche Stromverbrauch der Schweiz 1) mit anderen Worten, der Leistungsschalter könnte die gesamte elektrische Leistung der Schweiz ein- und ausschalten. Bedingt durch die optimierte Zahl von Schaltkammern in Aluminiumgehäusen beträgt das Gesamtgewicht dieses modernen UHV-Leistungsschalters nur 7,5 Tonnen 3. Da es sich hierbei um das weltweit erste Gerät dieser Art für 1.100 kv handelt, musste es gemäß internationalen und chinesischen Normen geprüft werden, was die Hersteller und besonders die Prüflabore vor große Herausforderungen stellte. Die Typprüfungen für den Leistungsschalter wurden in den Xihari-Prüflabors in Xian und bei ABB in der Schweiz durchgeführt 4. Die Durchführung der Leistungsprüfungen bei 1.100 kv in Xihari war mit besonderen Anstrengungen verbunden: Für die Fertigung und Prüfung mussten die UHV-Geräte von einem Kontinent zum anderen transportiert werden. Um den engen Zeitplan einzuhalten, mussten komplette Leistungsschalter und andere Betriebsmittel per Luftfracht transportiert werden. Erheblicher Platzbedarf in den Labors: Für die kombinierten Spannungsprüfungen waren zwei Durchführungen in einem Abstand von über 13 m erforderlich, die jeweils über 10 m von den Laborwänden entfernt sein mussten. Die Schaltprüfungen unter Last wurden größtenteils nur an einer Hälfte des Leistungsschalters durchgeführt, da keine ausreichend hohe Spannung zur Verfügung stand, um den gesamten Schalter zu belasten. Für diese sogenannte Halbpol- Prüfung sind ein spezielles Gehäuse und Berechnungen zur Potenzialsteuerung erforderlich. Dank der sorgfältigen Konzeption und Fertigung konnte der Leistungsschalter bereits in der ersten Prüfreihe erfolgreich getestet werden. Trennschalter Die Hauptaufgabe eines Trennschalters besteht darin, Teile der GIS zu isolieren, um Instandhaltungsarbeiten an den getrennten und geerdeten Teilen zu ermöglichen. Infobox Bemessungsdaten des 1.100-kV- GIS-Demonstrationsprojekts Nennspannung Blitzstoßspannung Nennstrom der Schaltgeräte Nennstrom der Sammelschiene Kurzschlussstrom 5 UHV-Trennschalter im Querschnitt a a Antrieb b Beweglicher Kontakt c Fester Kontakt d Isolator e Isolator e 6 Anordnung für Schaltprüfungen des Trennschalters im STRI-Labor better quality picture without text b c 1.100 kv 2.400 kv 4.000 A 8.000 A 50 ka d 4 Entwicklungsteam vor dem Testpol für den 1.100-kV-Leistungsschalter im Labor in Baden (Schweiz) nach der T100s-Prüfung a b c d e f g a Durchführung b Durchführung c AC-Hochspannungs-Prüftransformator d DC-Hochspannungs-Prüftransformator e Leistungsschalter f UHV-GIS-Sammelschiene g Zu prüfender Trennschalter ABB Technik 4/2008 23

Anders als beim Leistungsschalter kann der Schaltvorgang hier mehrere Sekunden andauern. Der 1.100-kV- Trennschalter von ABB ist rechtwinklig angeordnet, und der sichtbare Spalt des Innen leiters beträgt weniger als 300 mm. Bei einer Hochspannungsprüfung kann dieser Spalt einer Spannung von über 3.400 kv standhalten. Darin zeigt sich einer der deutlichsten Vorteile von GIS mit SF 6 : die Isolation sehr hoher Spannungen über kurze Strecken. Bei einer Freiluftaufstellung wäre bei 3.400 kv ein Mindestabstand zwischen den Leitern von 13 m erforderlich, um Spannungsüberschläge zu verhindern. Die Typprüfungen für den Trennschalter wurden beim Swedish Transmission Research Institute (STRI) in Ludvika, Schweden, durchgeführt, das als einziges Labor über die entsprechende Ausstattung verfügt 5. Die vergleichsweise langsame Betätigung eines Trennschalters führt beim Schließen und Öffnen zu einer Funkenbildung im Kontaktspalt. Dadurch entstehen die schnellen Spannungsspitzen (VFT), die sich durch die GIS fortpflanzen. Dieses Phänomen stellt höchste Anforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) der geprüften Komponenten. Erste UHV-GIS-Unterstation in Jingmen Nach der Entwicklung und erfolgreichen Typprüfung in den Jahren 2007 und 2008 begannen ABB und Shiky mit der Montage und Auslieferung der ersten Geräte für die Unterstation in Jingmen, die nahezu alle GIS-Komponenten wie Leistungsschalter mit Einschaltwiderständen, Trennschalter, Erdungsschalter, Stromwandler, Sammelschienen, Durchführungen und Isolatoren enthält 6. Umfassende Studien zur Bestimmung der optimalen Anordnung der GIS- Komponenten ergaben, dass für die hybride GIS-Unterstation in Jingmen ein flaches Layout mit guter Zugänglichkeit am besten geeignet ist [8]. Zu den besonderen Merkmalen dieses Layouts gehören: 7 Layout der hybriden GIS-Unterstation für 1.100 kv in Jingmen Alle GIS-Betriebsmittel befinden sich in Bodennähe. Die flache Anordnung bietet eine höhere Erdbebensicherheit. Alle Antriebe befinden sich in einer Höhe von 1,5 m über dem Boden, was einen sicheren und bequemen Zugang bei Installations- und Wartungsarbeiten ermöglicht. Es sind keinerlei Plattformen oder Leitern erforderlich. Das Layout kann problemlos in Sammelschienenrichtung erweitert werden. Die Schaltfeldstruktur erfordert ein Minimum an Stahlkonstruktuktionen. Der geringe Arbeitsaufwand vor Ort ermöglicht eine schnelle Installation. Die Unterstation wurde 2008 in der Nähe der Stadt Jingmen in Zentral- china installiert und soll einen Teil der am Drei- Schluchten-Staudamm erzeugten Energie in den Norden des Landes übertragen. Herausforderung erfolgreich bewältigt Das Entwicklungsprojekt ELK-5 stellte in vielerlei Hinsicht eine große Herausforderung dar: die Entwicklung und Ausführung eines neuartigen Designs in einer beispiellos kurzen Zeit, verbunden mit einer Kontinente übergreifenden Kooperation zwischen Herstellern und Partnern in Europa und China, die trotz großer kultureller Unterschiede eng zusammenarbeiteten. Die Typprüfungen der ELK-5-Komponenten wurden gleichzeitig in chinesischen, schwedischen und schweizerischen Labors durchgeführt. Das Projekt markiert nicht nur den Beginn einer neuen Ära in der Ultrahochspannungsübertragung, sondern ist auch eine eindrucksvolle Demonstration des gemeinsamen technischen Potenzials der weltweit führenden Unternehmen auf diesem Gebiet. Walter Holaus Fredi Stucki ABB Schweiz AG Zürich, Schweiz walter.holaus@ch.abb.com fredi.stucki@ch.abb.com Literaturhinweise [1] International Conference of UHV Power Transmission Technology, Peking, 2006 [2] IEC/CIGRE UHV Symposium, Peking, 2007 [3] UHV-Demonstrationsprojekt für 1.100 kv AC http://www.sgcc.com.cn/ztzl/zgtgy/tgyzs/41249.shtml [4] Sun, Y., Zhang, D., Meng, W.: The Research and Development of 1,100 kv GIS, International Conference of UHV Power Transmission Technology, Peking, 2006 [5] Holaus, W., Sologuren, D., Keller, M., Krüsi, U., Riechert, U.: Testing of GIS Components at 1000 kv rated voltage, CIGRE Session 2008, SG A3-302, Paris, 2008 [6] Riechert, U., Krüsi, U., Holaus, W., Sologuren, D.: (2008). Testing of GIS components at 1000 kv rated voltage, CIGRE Session 2008, SG A3-202, Paris. [7] Riechert, U., Krüsi, U., Holaus, W., Sologuren, D. Gasisolierte Schaltanlagen für 1.100 kv Herausforderungen an Entwicklung und Prüfung, Stuttgarter Hochspannungssymposium, Stuttgart, 2008 [8] Holaus, W., Xia, W., Sologuren, D., Keller, M., Krüsi, U., Riechert, U., Xu, S., Wang, C.: Development of 1,100 kv GIS equipment: Up-rating of existing design vs. specific UHV design, IEC/CIGRE UHV Symposium, Peking, 2007 Fußnote 1) 5. Jahresbericht EnergieSchweiz 2005/2006. http://www.bfe.admin.ch/energie/00556/index.html?lang=en&dossier_id=01060 24 ABB Technik 4/2008