Anforderungsmanagement und Qualität Prof. Dr.-Ing. Joachim Herrmann Berlin, 27.09.2012
2 Prof. Dr.-Ing. Joachim Herrmann 1971 bis 1998 VOLKSWAGEN-Konzern Führungsaufgaben in Produktion und Qualitätssicherung, zuletzt Vorstandsmitglied Qualitätssicherung bei VW de Mexico (Puebla) und SEAT (Barcelona) 1998 bis 2009 Professor für Qualitätswissenschaft an der TU Berlin Mitglied mehrerer Gremien der DGQ und der Gesellschaft für Qualitätswissenschaft (GQW) Gegenwärtig Gesellschafter der quo connect management consulting GmbH Gesellschafter des Institute for Health Care Systems Management Berlin eg (HCMB)
3 Kundenzufriedenheit Wahrnehmung des Kunden zu dem Grad, in dem die Anforderungen des Kunden erfüllt sind Anmerkung 1: Beschwerden des Kunden sind ein üblicher Indikator für Kundenunzufriedenheit, doch bedeutet ihr Fehlen nicht notwendigerweise hohe Kundenzufriedenheit. Anmerkung 2: Selbst wenn Kundenanforderungen mit dem Kunden vereinbart und erfüllt worden sind, bedeutet dies nicht notwendigerweise, dass die Kundenzufriedenheit damit sichergestellt ist. Quelle: ISO 9000:2005
4 Merkmale der Kundenzufriedenheit Subjektiv (Käufer sind mit dem gleichen Produkt unterschiedlich zufrieden) Relativ (Käufer vergleichen ihr Produkt mit wechselnden Angeboten auf dem Markt) und Integral (Kundenzufriedenheit wird u.a. auch vom Preis, Kundendienst und anderen Faktoren beeinflusst).
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: Marke Kundenzufriedenheit 2011 Zahl der ausgewerteten Fragebögen b = Im Rang gestiegen d = gefallen c = geblieben Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Marke Ihrem Auto Trend gegenüber 2010 Note 1 = sehr zufrieden bis Note 5 = gar nicht zufrieden Ihrer Werkstatt 1 Lexus 159 1,28 b 1,24 1,45 2 Subaru 713 1,29 d 1,32 1,35 3 Jaguar 182 1,38 b 1,30 1,54 4 Honda 1010 1,40 c 1,40 1,51 5 Porsche 168 1,42 b 1,31 1,58 6 Dacia 416 1,43 d 1,43 1,53 7 Volvo 1000 1,46 c 1,42 1,60 8 Saab 315 1,48 b 1,39 1,63 8 Mitsubishi 742 1,48 d 1,46 1,52 10 BMW 3096 1,53 b 1,46 1,72 11 Toyota 2738 1,56 d 1,58 1,60 12 Skoda 1899 1,57 b 1,50 1,73 12 Lancia 133 1,57 d 1,52 1,79 14 Alfa Romeo 352 1,58 b 1,53 1,75 15 Audi 3003 1,59 b 1,54 1,79 16 Daihatsu 201 1,60 d 1,49 1,65 16 Mazda 1316 1,60 d 1,60 1,64 18 Nissan 889 1,62 c 1,61 1,67 19 Mercedes 5469 1,65 b 1,64 1,71 20 Citroën 1144 1,70 b 1,69 1,78 21 Seat 574 1,72 b 1,71 1,79 21 Land Rover 301 1,72 d 1,39 1,97 21 Hyundai 674 1,72 b 1,69 1,86 24 Suzuki 420 1,73 d 1,70 1,66 25 Peugeot 1484 1,77 b 1,73 1,80 26 Ford 2947 1,79 b 1,74 1,80 27 VW 6406 1,82 b 1,74 1,92 28 Kia 520 1,83 d 1,77 1,86 28 Fiat 663 1,83 b 1,73 1,87 28 Renault 2066 1,83 b 1,82 1,73 28 Opel 4592 1,83 c 1,78 1,82 32 Mini 140 1,87 b 1,74 2,03 33 Smart 239 1,92 d 1,72 1,97 34 Chrysler 168 1,96 d 1,76 2,04 35 Chevrolet 190 2,14 d 1,97 2,15 Stand: Oktober 2011 6
7 Gesamtzufriedenheitsentwicklung Quelle: J.D. Power and Associates: 2007 Kundenzufriedenheits-Indexstudie Deutschland
8 Dienstleistung An der Schnittstelle zwischen Lieferant und Kunden sowie durch interne Tätigkeiten des Lieferanten erbrachtes Ergebnis zur Erfüllung der Erfordernisse des Kunden. Anmerkungen: 1. Der Lieferant oder der Kunde können an der Schnittstelle durch Personal oder durch Einrichtungen vertreten sein. 2. Für die Erbringung einer Dienstleistung können Kundentätigkeiten an der Schnittstelle zum Lieferanten wesentlich sein. Quelle: ISO 9000:2005
9 Besonderheit der Dienstleistung Da Dienstleistung an der Schnittstelle zwischen Lieferant und Kunde erbracht wird, empfängt der Kunde das Produkt Dienstleistung und ist gleichzeitig Zeuge der ablaufenden Prozesse (zumindest teilweise) und der Infrastruktur des Herstellers (zumindest teilweise) Die Kundenzufriedenheit entsteht nicht nur durch die Qualität des Produkts, sondern auch durch den Eindruck, den der Kunde von den Prozessen und der Infrastruktur des Lieferanten erhält.
10 Kunden nennen Vielzahl an Beschwerden mit der Werkstatt (Beispiele) Hohe Reparaturkosten Unfreundliches Personal Mehrfachreparaturen desselben Fehlers Langes Warten auf Reparaturtermin Rechnung nicht ausreichend erklärt Lange Wartezeiten bei Abgabe und Abholung des Autos Kein Ersatzfahrzeug gestellt Fehlende Kompetenz des Werkstattpersonals Langes Warten auf Ersatzteile Warteraum unfreundlich Problemverständnis des KD-Beraters mangelhaft Auto nach Rückgabe verschmutzt Fehlende Mobilität Beanstandung nicht richtig aufgenommen Behebung des Fehlers nicht nachgewiesen Unnötige Reparaturen Parkplatzprobleme Dauer der Reparatur Unpersönliches Verhalten des Personals Keine Probefahrten
Stratifizieren und Prioritäten bilden Beim weiteren Vorgehen sind grundsätzlich drei Schritte hilfreich: 1. Bereinigung der Beschwerden - Mehrfachnennungen entfernen - Statistische Unabhängigkeit der Beschwerden prüfen 2. Stratifizieren: Die Problematik in Schichten zerlegen 3. Prioritäten bilden: Probleme der Schwere nach sortieren und bearbeiten 11
12 Mehrfachnennungen entfernen (Beispiel 1) Hohe Reparaturkosten Unfreundliches Personal Mehrfachreparaturen desselben Fehlers Langes Warten auf Reparaturtermin Rechnung nicht ausreichend erklärt Lange Wartezeiten bei Abgabe und Abholung des Autos Kein Ersatzfahrzeug gestellt Fehlende Kompetenz des Werkstattpersonals Langes Warten auf Ersatzteile Warteraum unfreundlich Problemverständnis des KD-Beraters mangelhaft Auto nach Rückgabe verschmutzt Fehlende Mobilität Beanstandung nicht richtig aufgenommen Behebung des Fehlers nicht nachgewiesen Unnötige Reparaturen Parkplatzprobleme Dauer der Reparatur Unpersönliches Verhalten des Personals Keine Probefahrten Ersatzfahrzeug ist eine mögliche Maßnahme zur Mobilität
13 Mehrfachnennungen entfernen (Beispiel 2) Hohe Reparaturkosten Unfreundliches Personal Mehrfachreparaturen desselben Fehlers Langes Warten auf Reparaturtermin Rechnung nicht ausreichend erklärt Lange Wartezeiten bei Abgabe und Abholung des Autos Kein Ersatzfahrzeug gestellt Fehlende Kompetenz des Werkstattpersonals Langes Warten auf Ersatzteile Warteraum unfreundlich Problemverständnis des KD-Beraters mangelhaft Auto nach Rückgabe verschmutzt Fehlende Mobilität Beanstandung nicht richtig aufgenommen Behebung des Fehlers nicht nachgewiesen Unnötige Reparaturen Parkplatzprobleme Dauer der Reparatur Unpersönliches Verhalten des Personals Keine Probefahrten Unfreundlich kann als Oberbegriff aufgefasst und weiter behandelt werden
Statistische Unabhängigkeit prüfen (Beispiel 1) Hohe Reparaturkosten Unfreundliches Personal Mehrfachreparaturen desselben Fehlers Langes Warten auf Reparaturtermin Rechnung nicht ausreichend erklärt Lange Wartezeiten bei Abgabe und Abholung Fehlende Kompetenz des Werkstattpersonals Langes Warten auf Ersatzteile Warteraum unfreundlich Problemverständnis des KD-Beraters mangelhaft Auto nach Rückgabe verschmutzt Fehlende Mobilität Beanstandung nicht richtig aufgenommen Behebung des Fehlers nicht nachgewiesen Unnötige Reparaturen Parkplatzprobleme Dauer der Reparatur Keine Probefahrten Wenn die Rechnung ausführlich erläutert wird, werden die anderen Beschwerden evtl. nicht mehr vorgebracht 14
Statistische Unabhängigkeit prüfen (Beispiel 2) Unfreundliches Personal Mehrfachreparaturen desselben Fehlers Langes Warten auf Reparaturtermin Rechnung nicht ausreichend erklärt Lange Wartezeiten bei Abgabe und Abholung des Autos Langes Warten auf Ersatzteile Warteraum unfreundlich Problemverständnis des KD-Beraters mangelhaft Auto nach Rückgabe verschmutzt Fehlende Mobilität Beanstandung nicht richtig aufgenommen Behebung des Fehlers nicht nachgewiesen Parkplatzprobleme Keine Probefahrten Durch Probefahrt kann Behebung des Fehlers nachgewiesen werden 15
Bereinigte Liste der Beschwerden Unfreundliches Personal Mehrfachreparaturen desselben Fehlers Langes Warten auf Reparaturtermin Rechnung nicht ausreichend erklärt Lange Wartezeiten bei Abgabe und Abholung Langes Warten auf Ersatzteile Warteraum unfreundlich Problemverständnis des KD-Beraters mangelhaft Auto nach Rückgabe verschmutzt Fehlende Mobilität Beanstandung nicht richtig aufgenommen Parkplatzprobleme Keine Probefahrten 16
17 Stratifizieren der Beschwerden Beispielsweise kann das Stratifizieren erfolgen 1. Nach der Zuständigkeit für die Abstellung (Hersteller oder Werkstatt), 2. Nach den Einrichtungen des Händlers, 3. Nach den Prozessen (Abläufen) des Händlers. insofern sie vom Kunden wahrgenommen werden können!
Nach Zuständigkeiten und Einrichtungen stratifizierte Beschwerdeliste 18 Zuständigkeit des Herstellers Zuständigkeit des Händlers / Prozesse Mehrfachreparaturen desselben Fehlers Langes Warten auf Ersatzteile Zuständigkeit des Händlers / Einrichtungen Warteraum unfreundlich Parkplatzprobleme Unfreundliches Personal Langes Warten auf Reparaturtermin Rechnung nicht ausreichend erklärt Lange Wartezeiten bei Abgabe und Abholung Problemverständnis des KD-Beraters mangelhaft Auto nach Rückgabe verschmutzt Fehlende Mobilität Beanstandung nicht richtig aufgenommen Keine Probefahrten Weitere Zuordnung zu den Unterprozessen des Händlers
19 Kernprozesse eines Kfz-Händlers aus Kundensicht Kfz-Händler Verkauf Neufahrzeuge Kfz-Hersteller Verkauf Gebrauchtfahrzeuge Kundendienst ( Service ) Verkauf Teile, Zubehör, Accessoires Kunde Financial Services
20 Teilprozesse des Kundendienstes Kundendienst ( Service ) Vom Kunden wahrgenommene Teilprozesse Terminvereinbarung Fahrzeugannahme Diagnose Reparatur Endabnahme Fahrzeugübergabe
21 Beschwerden zur Terminvereinbarung Terminvereinbarung Langes Warten auf einen Reparaturtermin Unfreundliches Personal Fehlende Mobilität
22 Beschwerden zur Fahrzeugannahme Fahrzeugannahme Lange Wartezeiten bei Fahrzeugabgabe Problemverständnis mangelhaft Beanstandung des Kunden nicht richtig aufgenommen Keine Probefahrt
Mögliche Probleme in der Werkstatt (für Kunden nicht sichtbar!) 23 Reparatur Endabnahme Arbeiten mit nicht aktuellen Service-Dokumenten Wiederholreparaturen nicht erkannt Fehlende Kompetenz des Werkstattpersonals Langes Warten auf Ersatzteile Fahrzeug wird nicht immer vom selben Team betreut Endkontrolle wird nur sporadisch durchgeführt
24 Beschwerden zur Fahrzeugübergabe Fahrzeugübergabe Rechnung nicht ausreichend erklärt Keine Probefahrt Fahrzeug nach Rückgabe verschmutzt Unfreundliches Personal
Das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit Kunde zufrieden Begeisterungsanforderungen - oft nicht artikuliert - customer tailored - begeisternd Zeit Zufriedenheit Leistungsanforderungen - artikuliert - spezifisch - messbar - technisch nicht erfüllt Erfüllungsgrad erfüllt Basisanforderungen - implizit - selbstverständlich - nicht artikuliert - offensichtlich Kunde unzufrieden 25
26 Beschwerdeliste mit Prioritäten nach Kano Basisanforderung Rechnung nicht ausreichend erklärt Mehrfachreparaturen desselben Fehlers Fehlende Mobilität Beanstandung nicht richtig aufgenommen Auto nach Rückgabe verschmutzt Leistungsanforderung Unfreundliches Personal Langes Warten auf Reparaturtermin Lange Wartezeiten bei Abgabe und Abholung Problemverständnis des KD-Beraters mangelhaft Parkplatzprobleme Langes Warten auf Ersatzteile Begeisterungsanforderung Warteraum unfreundlich Keine Probefahrten
27 Von der Beschwerde zum Produktmerkmal Die Anforderungen ergeben sich aus der Negation der Beschwerden. Damit erscheinen sie zunächst als ein nicht eindeutig formulierter Kundenwunsch (CTC). Sie müssen anschließend operational definiert werden, um zu einem eindeutigen Produktmerkmal zu werden (CTQ).
Operationale Definition der Anforderungen Eine operationale Definition ist ein eindeutiges, objektives und messbares (zählbares oder bestimmbares) Annahmekriterium. 28
Kundenanforderungen in der Six-Sigma-Begriffswelt Critical to Customer (CTC) " Kundenforderung, die Kunde mit hoher Priorität versehen hat. " Problem: Kunden äußern ihre Forderungen meist umgangssprachlich und unscharf. Folge: Keine direkten Rückschlüsse auf bestimmte Produktmerkmale möglich. Critical to Quality (CTQ) " Produktmerkmale, die wesentlichen / kritischen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit haben. " CTQs müssen in einem planvollen Vorgehen aus den Kundenforderungen, die zunächst in der Sprache der Kunden vorliegen, herausgearbeitet werden. 29
30 Erklärung der Rechnung als Beispiel Beschwerde: Rechnung nicht ausreichend erklärt Anforderung (CTC): Rechnung ausreichend erklären Operational definierte Anforderung (CTQ): Arbeitsanweisung zur Erklärung der Rechnung
Beispiel für eine operational definierte Anforderung Die Rechnung wird dem Kunden vom KD-Berater oder vom Werkstattmeister am Fahrzeug wie folgt erläutert: Wiederholen der Kundenbeanstandungen (Symptomatik) Fehlerbestimmung in der Werkstatt (Diagnose) mitteilen Reparatur anhand des Fahrzeugs (auf einer Hebebühne) erläutern Aufzählung der Reparaturarbeiten Aufzählung der ausgetauschten Teile Ausgetauschte Teile zeigen und dem Kunden auf Wunsch mitgeben Weitere Positionen auf der Rechnung erläutern Probefahrt mit dem Kunden zum Nachweis der Fehlerabstellung durchführen 31
Management Aufeinander abgestimmte Tätigkeiten zum Leiten und Lenken einer Organisation. (Engl: Direct ) (Engl: Control ) Bedeutet: Anweisen, Ziele setzen Bedeutet: Überwachen Quelle: ISO 9000:2000 32
33 QM-Prozessmodell nach DIN EN ISO 9001:2008 Qualitätsmanagement-System Kontinuierliche Verbesserung K u n d e F o r d e r u n g e n Management der Mittel Verantwortung der Leitung Produkt- Messung, Analyse und Verbesserung Input und/oder Output Produkt/ Dienstleistung Dienstleistung realisierung Z u f r i e d e n h e i t K u n d e
34 Management als Regelkreis Ziele Regler Aktor Sensor Regelstrecke Produkt
35 QM in den Regelkreisen des KD Hersteller Händler
36 Checkliste für einen vollständigen Regelkreis, Beispiel Erläuterung der Rechnung Elemente im Managementkreis Prozess Prozesseigner Ziele (Händler) Verantwortlich für Messung Auswertung und Bericht Mitteleinsatz für Korrektur (Prozesseigner) Durchführung (Mitarbeiter) Beispiel Erläuterung der Rechnung KD-Berater Operational definierte Vorgaben an den KD-Berater zur Erläuterung der Rechnung KD-Leiter (Stichprobe) Phantomkunde, Auditor etc. KD-Leiter KD-Berater
37 Arbeitshypothesen Es gibt genug Informationen über die Ursachen der Unzufriedenheit der Kunden und über deren Beanstandungen. Es gibt zuwenig systematische Aktivität zur Identifikation und Abstellung der Ursachen. Das Qualitätsmanagement im Sinne einer Kaskade von Regelkreisen ist dazu bestens geeignet. Die Organisationseinheit Qualitätssicherung ist dafür verantwortlich, dass diese Regelkreise angelegt und funktionsfähig sind. Für die Abstellung der Fehler ist der Prozesseigner verantwortlich.
Danke fürs Zuhören! 38