Mein Bauch, dein Kind: Geschäfte mit Leihmüttern



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Transkript:

Mein Bauch, dein Kind: Geschäfte mit Leihmüttern Text: Andrea Jeska Fotos: fraueva/photocase.com Ein Artikel aus der BRIGITTE 25/08 Artikel vom 20. November 2008 http://www.brigitte.de/gesellschaft/politik-gesellschaft/leihmutter-kuenstliche-befruchtung-573251/ Die eine ist Deutsche, hat Geld und keine Kinder. Die andere ist Russin, arm, aber sie kann Kinder kriegen. Die beiden Frauen kommen ins Geschäft... BRIGITTE hat Leihmütter in Russland getroffen. An diesem Morgen ist Natalia in den Bus gestiegen. Sie hat ihren Sohn bei ihrer ehemaligen Schwiegermutter untergebracht, ihren Freundinnen gesagt, sie besuche Verwandte. Acht Stunden bis Moskau und eine Woche, die sie fort sein wird. Und dann wieder eine Woche. Und dann einige Monate. Es ist eine Reise, während der sie ein Kind gebären wird. Und doch wird sie mit leeren Händen zurückkehren. Für eine solche Reise braucht man eine Mischung aus Naivität und trotzigem Selbstbewusstsein. Um zu sagen: "Es ist nichts dabei. Ist einfach verdientes Geld, und etwas Gutes tue ich auch." Man muss sie vor sich sehen, wenn sie das sagt. Ein Gesicht wie Milch und Honig. Ein Kind irgendwie. Wenn sie spricht, richtet sie den Blick mit Würde gerade auf ihr Gegenüber. Sie kennt die Vorurteile in den Köpfen der anderen. Die da wären: ausgebeutetes Opfer. Oder: geldgeil, herzlos. Eine wie sie, die den Müttermythos auf den Kopf stellt. Natalia ist 30 Jahre. Sie hat einen 13-jährigen Sohn, der wiederum einen Vater hat, der sich einen Dreck kümmert. Sie hat einen Schulabschluss, den sie sich in Kirow, in der Provinzkleinstadt, aus der sie kommt, an den Hut stecken kann. Weil es dort keine Arbeit gibt. Und den sie in Moskau gar nicht erst vorzeigen muss. Weil es dort viele gibt, die einen solchen Abschluss haben und auch vom Glück träumen. Manchmal jobbt sie im Altenheim, manchmal in einer Bar. Beides keine Jobs, mit denen sie ein gutes Leben finanzieren kann. Rechnet man das Kindergeld für ihren Sohn dazu, verdient sie im Monat 10 000 Rubel, das sind 280 Euro. Es ist Natalias zweites Mal.

Das erste Mal tat sie es für eine neue Wohnung. Sie hatte die Anzeige gesehen, in der stand, sie erhalte 15 000 Euro. Da war sie 28 und aus Kirow niemals herausgekommen. Jeder Tag war gleich. Das Geld reichte nie, die Wohnung war zu klein und zu kalt, das Kind, ihr Junge, immer erkältet. Das Übliche also, so oft erzählt, dass die Erzählungen fade klingen. Und fade wäre auch Natalias Leben geblieben. Hätte es nicht in Deutschland eine Frau gegeben, der etwas fehlte, was Natalia hatte: eine Gebärmutter. Und die etwas hatte, was Natalia fehlte: Geld. Und so wurde aus dem sommersprossigen Provinzmädel Natalia die geliehene Mutter eines weiblichen deutschen Embryos, der die Nummer ZI5078334L trug. Der nach seiner künstlichen Zeugung sechs Tage lang in einer Flüssigkeit schwamm, so lange, bis er auf 72 Zellen angewachsen war. Und dann auf eine Spritze gezogen und in Natalias Gebärmutter geschossen wurde. Leihmutterschaft und Eizellenspende sind in Deutschland laut Embryonenschutzgesetz aus dem Jahr 1991 verboten. Erlaubt ist die In-vitro-Fertilisation, die Zeugung im Reagenzglas. Ein Vorgang, der keine Hoffnung bietet für Frauen, die ohne Gebärmutter geboren wurden. Oder diese durch Krebs verloren. Oder deren Körper kein Kind hält, egal, wie oft sie die Prozedur der Follikelentnahme und der künstlichen Befruchtung über sich ergehen lassen. Wer dennoch ein Kind haben will, muss ins Ausland gehen: nach Asien, Kanada, in die USA oder die Niederlande, nach Belgien, England oder Griechenland. Viele deutsche Frauen entscheiden sich für Russland oder die Ukraine. Weil die Gesetze dort unkompliziert sind und weil es dort günstig ist. "Rent-a-womb" (miete einen Leib) heißt das Geschäft längst im zynischen Volksmund. Am billigsten ist dieser Leib in Indien zu haben, dort tragen minderjährige Waisenmädchen anderer Leute Kinder schon für ein paar hundert Dollar aus. Kaum freiwillig. Längst haben auch russische Ärzte erkannt, dass sich mit dem Fruchtbarkeitstourismus verdienen lässt. Rund dreißig IVF-Kliniken gibt es allein in Moskau, in jeder davon werden täglich zwei Leihmutterbefruchtungen durchgeführt. Manche der Patientinnen, die hier als "Kundinnen" betitelt werden, müssen zwei- bis dreimal ihre Eizellen abgeben, bevor es zu einer Schwangerschaft kommt. Für 45 000 Euro bekommt man in Russland ein gesamtes "Leihmutterpaket", inklusive Betreuung, Vermittlung, medizinischer Behandlung, abschließender Dokumente, Hotelunterbringung. Nur die Flugkosten sind noch extra zu bezahlen. Das Doppelte bis Dreifache muss für die gleichen Dienste in den USA gezahlt werden. "Mater semper certa est", sagten die Römer zur Problematik ungeklärter biologischer Abstammung: Die Mutter ist immer sicher. Will heißen, Väter kann ein Kind viele haben, aber Mutter ist diejenige, aus deren Leib das Kind kam. Das galt lange. Wegen der rapiden Zunahme künstlicher

Befruchtungsmöglichkeiten wurde in Deutschland 1998 der Paragraf 1591 des Bürgerlichen Gesetzbuches geändert. Dort heißt es nun: Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat. Dabei geht es nicht nur um biologische Zugehörigkeit. In Deutschland geht es auch um Moral, die bestimmt, dass ab der Zellkernverschmelzung die volle Menschenwürde vorliegt. Und es geht um die Annahme, dass, wer ein Kind austrage, auch auf ewig emotional mit ihm verbunden sein müsse. Natalia sagt, sie habe das Kind niemals als ihres empfunden. "Für mich war es wie etwas Kostbares, das mir jemand zur sicheren Verwahrung gab." Mag sein, dass Natalia anders sprechen würde, wenn nicht der Agent der Vermittlungsagentur mit im Raum säße und die Psychologin, mit der sie noch ein Gespräch führen muss, bevor sie den neuen Leihmuttervertrag unterzeichnet. Mag aber auch sein, dass die junge Frau in jedem Fall so sprechen würde, denn was soll sie auch anderes sagen. Auch sich selbst gegenüber. "Ich denke nicht so viel über meine Gefühle nach." Diesmal will Natalia mehr Geld als beim ersten Mal. Hat sie nicht Erfahrung? Diesmal sind es Prominente, russische VIPs, die mit Natalias Hilfe Eltern werden und darüber hinaus wenig von Natalia wissen wollen. Außer, dass sie tauglich ist. Stabil, emotional abgeklärt. Keine, die am Ende das Kind behalten will, auch das ist schon vorgekommen. "Nicht in Russland", sagt Natalia, "nur bei den Amerikanerinnen." Natalia sagt, sie sei gern schwanger, sie möge dieses Gefühl. Jedenfalls unter den Umständen einer Leihmutterschaft. "Eine Luxusschwangerschaft ist das." Sie müsse nicht arbeiten, dürfe gar nicht arbeiten, sie erhalte gutes Essen, gute Betreuung, habe keine Geldsorgen mehr, dafür aber eine Psychologin für jede Schwangerschaftsverstimmung. "Man fühlt sich als Leihmutter sehr wichtig. Man tut etwas Gutes für andere." Natalia wird das Kind niemals sehen. Nur auf den Ultraschallbildern. Die Geburt wird hinter einem Vorhang stattfinden, der Natalias Kopf von jenem Teil ihres Körpers trennt, der das Kind trug und es gebärt. Eine durchaus sinnbildliche Trennung für die gesamte Schwangerschaft. Man wird sie gut versorgen, bis sie wieder aufstehen und nach Hause fahren kann. Gleich nach der Geburt wird sie unterschreiben, das Kind abtreten zu wollen. In der Geburtsurkunde des Babys werden die Namen der Auftraggeber stehen. Um den Milchfluss zu stoppen, wird man Natalia ein Medikament mitgeben. Nach der Geburt steht ihr noch ein Beratungsgespräch mit der Psychologin zu, sollte sie danach Bedarf haben. Nach den Eltern des Kindes zu forschen ist ihr streng verboten. So stand es im Vertrag, so hat sie es unterschrieben. Vertragsbrüchigkeit würde für sie bedeuten: Rückzahlung aller bislang

erhaltenen Zuwendungen. 7000 Euro bei Unterschrift unter den Leihmuttervertrag, monatliche Zuwendungen für Miete, Schwangerschaftskleidung und vernünftige Ernährung in Höhe von rund 700 Euro. Und natürlich Wegfall der letzten Rate, die nach Übergabe des Kindes fällig ist, noch einmal rund 8000 Euro. "Allein diese Bedingungen", sagt Natalia, "sind klar genug, niemals auch nur zu erwägen, ob man das Kind behalten will." Dreimal wird Natalia nach Moskau reisen. Das erste Mal für das Interview mit der Vermittlungsagentur, für die Gespräche mit der Psychologin. Die Tests auf Aids, Hepatitis und Syphilis hat sie schon in Kirow erledigt und dort auch die ersten Gespräche mit dem Agenten geführt. Sie wird ihre Lebensumstände beschrieben und ihren Lebenswandel offengelegt haben. Dann wird sie wieder nach Hause fahren und Tabletten einnehmen, bis ihr Zyklus dem Zyklus der Eizellengeberin angepasst ist. Manchmal dauert das zwei Monate, und die Tabletten vertragen viele Frauen nicht. "Aber das ist ein kleiner Preis", sagt Natalia. Natalias Agentur ist nur eine von einem guten Dutzend ähnlicher Agenturen, die den Gesamtprozess der Leihmutterschaft im Pauschalpaket anbieten. Je nach Geschmack ist die Werbung dieser Agenturen schäbig, diskret oder gutmenschelnd, so wie das ganze Gewerbe eigentlich gern sein möchte. Da gibt es jene, die auf ihre Website schreiben, sie würden keine Eizellen verwenden, die von anderen Zyklen übrig geblieben sind, da ist von frischen Embryonen die Rede oder, besonders in den USA, von einem Embryonenauswahlverfahren, welches garantiert, dass aus den gegebenen genetischen Vorlagen der bestmögliche Nachwuchs entsteht. Natalias Agentur sieht sich mehr auf der Gutmenschenschiene. "Recht auf Leben" heißt das Leihmutterprogramm dort.geworben wird in Tageszeitungen in der Provinz. Moskowiterinnen sind keine unter den 100 Leihmüttern, die diese Agentur in ihrem Angebot hat. Die Moskowiterinnen, so sagt Natalia, spenden lieber Eizellen, das bringt, je nach Schönheit und Intelligenz, bis zu 1000 Euro und ist an einem Nachmittag erledigt. Der russischen Presse zufolge hat sich der Eizellenverkauf zu einem regelrechten Boom entwickelt. Evgeni Korovashkin betreut die deutschen "Klienten". Für die ist er "Eugen". Sein Deutsch ist geschliffen und korrekt, seine äußere Erscheinung auch. Das Vokabular des jungen Mannes besteht aus Wörtern wie Eisprung, Eizellenpunktur und hormonelle Stimulation, aus Abkürzungen wie IVF und ICSI. Es scheint, als sei kaum ein Detail der weiblichen Biologie und Intimsphäre dem Anwalt unbekannt. "Ich habe mich da hineingearbeitet", berichtet er. Und auch von seinem anfänglichen Glauben, alle Leihmütter seien arme Frauen, die aus einer Zwangssituation heraus handelten. "Aber das stimmt nicht. Die Frauen, die sich bei uns bewerben, sind stolz darauf, anderen zu helfen." Oft hätten sie Kandidatinnen, deren Schwestern oder Freundinnen sich später bei ihm bewürben. Die deutsche

Haltung zur Leihmutterschaft hält Korovaskin zwar für falsch, für sich selber wünscht er sich dennoch, niemals die Dienste seiner Agentur in Anspruch nehmen zu müssen. "Es bleibt ein Eingriff in die Gesetze der Natur. Noch wissen wir nichts über die Spätfolgen von IVF und Leihmutterschaft." Korovahkins Chef hat keine Zweifel, oder er hat diese lange hinter sich gelassen. Reproduktionsrecht sei Menschenrecht, sagt er und zeigt auf seine Bibel, die seinen Schreibtisch schmückt. Gott wolle, dass die Menschen sich fortpflanzen. Ein Kind haben zu dürfen sei die "ethischste" Sache der Welt. Und das mit der Moral, das sei so: Alles, was helfe, sei moralisch, alles, was hindere, unmoralisch, und also sei die deutsche Gesetzgebung unmoralisch. "Bei Ihnen bestimmen Bio-Ethiker darüber, wer kein Kind haben darf. Finden Sie das korrekt?" Wenn Natalia zum zweiten Mal nach Moskau kommt, wird die genetische Mutter schon ihren Teil geleistet haben. Sie wird ihre Eizellen und der genetische Spender seine Samen gegeben haben. Vor der Einpflanzung werden die Embryonen auf ihre Tauglichkeit untersucht. Haben die Eltern mehr Geld bezahlt, wird auch nach Geschlecht ausgesondert. An eben diesen Möglichkeiten reibt sich die deutsche Diskussion. Man befürchtet eine Nachwuchsauslese nach Darwin'schem Prinzip: Nur die Besten dürfen in den Mutterbauch. In der Konsequenz würde das eines Tages heißen, dass finanziell bessergestellte Eltern ein Kind mit einer guten genetischen Disposition und Wunschgeschlecht haben können und die Armen eben das Kind austragen müssen, welches die Natur ihnen schenkte. Im Büro der Agentur stellt Angela Wenediktowa die Akte "Natalia" wieder in das Regal. Die 36-jährige Diplompsychologin betreut bei der Agentur nicht nur Leihmütter, sondern bisweilen auch die nach Moskau gereisten biologischen Mütter. Wie schon beim ersten Mal hat Natalia alle Fragen zur Zufriedenheit der Psychologin beantwortet. Eine ideale Leihmutter: "Sie ist sehr stark und geradlinig." Angela Wenediktowa arbeitet mit einem Test, den auch Polizei und Militär für ihre Anwärter verwenden. Dieser zielt vor allem darauf, depressive oder aggressive Tendenzen aufzuspüren und die Anpassungsfähigkeit einer Person an wechselnde Situationen zu überprüfen. "Wichtig ist, zu ergründen, ob die Frau ihre Rolle als Leihmutter genau versteht. Wenn einer Kandidatin nicht bewusst ist, dass ihre Aufgabe ein Ende findet, können wir sie nicht gebrauchen. Wenn eine Frau glaubt, auch über das Ende der Schwangerschaft hinaus eine Rolle zu spielen, schicken wir sie nach Hause." In einer der Trabantensiedlungen von Moskau, wo die zwölfstöckigen Häuser wie geklont aussehen, wohnen die Leihmütter, wenn sie nach Moskau kommen. Meist ist das, sobald die Schwangerschaft sichtbar wird. Zu sagen, man gehe für ein paar Monate in die Hauptstadt zum Arbeiten, ist für eine Frau aus der Provinz nichts Ungewöhnliches.

Auch Natalia wird hier wohnen, wenn sie zum dritten Mal nach Moskau reist, um dort auf die Geburt zu warten. Und ein Warten ist es, ein tägliches, ein langes. Fern von den Freunden, der Familie, den schulpflichtigen Kindern, dem Ehemann. Fern von den Alltäglichkeiten, dem geregelten Leben. Ein Warten, das sich nur aushalten lässt, wenn es Freundschaften unter den Frauen gibt. So wie jene, die Julia, von Beruf Nagelpflegerin, mit Evgenia, Svetlana und Valeria geschlossen hat. Alle vier Frauen tragen ein fremdes Kind im Bauch. Alle vier haben lange Nägel mit Glitzersternchen darauf. Die Wohnungen sind karg möbliert, als lohne es sich nicht, für Gemütlichkeit zu sorgen, als sei dieses Zuhause ebenso sporadisch, endlich und geliehen wie das Baby im Bauch. In Julias Küche steht ein Tisch ohne Decke, im Wohnzimmer eine Couch ohne Tisch davor und ein Fernseher. Im Schlafzimmer zwei Betten. Nichts Persönliches, keine Bilder, keine Fotos. Vielleicht macht man sich unglücklich, wenn man es vermengt: das geliehene Leben und das eigene. Julia ist in der 25. Woche schwanger, sie hat ihren dreijährigen Sohn mit nach Moskau gebracht, den Ehemann und die 14-jährige Tochter aber zu Hause gelassen. Als sie vor ein paar Monaten ihrem Mann erzählte, sie habe vor, eine Leihmutter zu werden, hat er nicht verstanden, was sie wollte. "Wenn du noch ein Baby willst, dann kriegen wir eines", hat er gesagt. Und war geschockt, als Julia ihm erklärte, es ginge nicht darum, ein Baby zu bekommen, es ginge um Geld. Zwei Wochen hat es dann gedauert, bis er die Zustimmung gab, ohne die Julia keine Leihmutter hätte werden können. Manchmal, sagt sie, und streicht dabei mit den langen Glitzersternchen- Fingernägeln über ihren Bauch, stelle sie sich das Gesicht des Kindes vor oder das seiner Mutter. Es sei erwünscht, dass Mutter und Leihmutter sich ähneln, hat man ihr gesagt, und so glaubt Julia, die Mutter des Babys sei zierlich und dunkelhaarig wie sie. Mit langen Glitzersternchen- Fingernägeln. Manchmal kommen Evgeni Korovashkin oder einer der Agenten vorbei und schauen in den Kühlschrank, ob dort Salat, Rohkost und Milchprodukte stehen. Aber eine schlechte Ernährung wäre ohnehin nicht zu verheimlichen, wöchentlich müssen die Frauen Blutproben abgeben. Meist sitzt Julia mit den anderen in der Küche. Sie erzählen sich von ihrem Leben in der Provinz und schmieden Pläne, was sein wird, wenn sie zurückkehren. "Ich werde immer an das Kind denken", sagt Julia. "Aber nicht wie eine Mutter. Sondern wie eine Amme."