Bericht über den Auslandsaufenthalt an der Queensland University of Technology (QUT) in Brisbane, Australien Sehr geehrte Leserinnen und Leser, (oder sollte ich besser mit G day mate starten?) gerne möchte ich Ihnen von meinen Erfahrungen während meines Auslandssemesters an der Queensland University of Technology (QUT) in Brisbane, Australien, berichten. Eines habe ich an der QUT mit Sicherheit gelernt: how to write a report. Objektiv, zusammenfassend, auf Recherche und Fakten begründet. Nein, dies wird mit Sicherheit kein objektiver Bericht, denn jedes Wort hier ruht auf meinen persönlichen Erlebnissen und subjektiven Einschätzungen. In Australien ging ich einen langen Weg des (Kennen-)Lernens, einen Weg mit erstaunlichen Ausblicken und niemals ging ich alleine. Das Auslandssemester war unbeschreiblich. Unbeschreiblich gut! Mit dem Ziel der Verbesserung meiner Englischkenntnisse und dem Erwerb interkultureller Kompetenz bin ich nach Australien gegangen. Zurück nach Deutschland gekommen bin ich als Englisch-Profi, Fan fremder Kulturen, Reisefanatiker, Organisationstalent und vor allem als offene und sehr selbstständige junge Studentin. Meine Augen sind dieselben, aber mein Blick auf Dinge ist völlig neu. Bitte denken Sie nicht, dass ich übertreibe. (Okay, mit dem Englisch-Profi eventuell. Aber schon nach wenigen Wochen in Australien hatte ich meinen ersten Alptraum mit dem Ausruf Snake in my bed!. Zwar ein Alptraum, aber ein deutlicher Traum in Englisch! Und nach wenigen Monaten fehlten mir die deutschen Worte, meine Erlebnisse in Australien zu beschreiben. Gedacht habe ich in Englisch zu dem Zeitpunkt schon lange.) Nun zum Ablauf der Organisation und Durchführung meines Auslandsaufenthaltes: Phase 1: Idee, Information, Plan (1 ½ Jahre vor Beginn) Ein Semester im Ausland zu studieren reizte mich seit Beginn meines Studiums. Zum Ende meines ersten Semesters (Februar 2010) hatte ich mich sicher in den Universitätsalltag eingefunden und war bereit für etwas Neues. Bei dem Akademischen Auslandsamt der Universität Kassel stieß ich auf ein breites Spektrum an Informationen, Austauschprogrammen und Stipendien für ein Studium in verschiedensten Ländern. Weitere Austauschplätze wurden auf den Internetseiten meines Fachbereichs angeboten. Aber was wollte ich mit meinem Auslandsaufenthalt erreichen? Klar, wertvolle Eindrücke sammeln, aber wichtig war mir auch die Verbesserung meiner Englischkenntnisse. Australien reizte mich als Land mit seiner Natur und seinen Menschen und die Landessprache ist Englisch. Australien 2011 1
Detailliertere Informationen über Australien und dessen Universitäten fand ich im Internet, auf Homepages der Universitäten und über Bekannte, die zuvor dort waren. Meine Bewerbung an das Hessen-Queensland-Programm um einen Austauschstudienplatz an der QUT für das dortige Semester 1, 2011 (in Deutschland SS2011) reichte ich im Mai 2010 ein. Phase 2: Vorbereitung, Vorbereitung, Vorbereitung (1 Jahr vor Beginn) Mit der Zusage des Studienplatzes fing die eigentliche Vorbereitung erst an. Fragen der Finanzierung, Flug, Visum, Kurswahl, Anerkennung der belegten Kurse an der Heimatuniversität, Unterkunft, kulturelle Vorbereitung und einiges mehr musste geklärt werden. Finanzierung: Zur Finanzierung der höheren Lebensunterhaltungskosten in Brisbane, bewarb ich mich beim DAAD für das Förderprogramm Semesteraufenthalte im Ausland (Bewerbungsfrist: 30.09.2010). Auslands-Bafög ist eine gute Alternative für denjenigen, dem es zusteht. Trotz aller Vorbereitung erschrak ich später bei dem Anblick der doppelt so hohen australischen Preise für Nahrung und Wohnung im Vergleich zu Kassel. Flug: Viele Fluggesellschaften bieten günstigere Flüge für Studenten an, die Suche im Internet lohnt sich mit Sicherheit. Meinen Flug buchte ich im Dezember 2010 für einen guten Preis von 1050 inklusive Rückflug. Einen Blick sollte man auch auf die Kosten des Umbuchens des Rückflugdatums werfen sowie dem Freigepäck. Visum: Nach Erhalt des CoE (Confirmation-of-Enrolment) als Bestätigung der Einschreibung an der australischen Hochschule beantragte ich das Studentenvisum online (Dezember 2010). Kosten betrugen 550AUD und das Visum wurde sofort elektronisch gewährt. Kurswahl und Anerkennung Meine Kurse wählte ich passend in das Curriculum meiner Heimatuniversität. Um die spätere Anrechnung abzusichern, ließ ich mir von den zuständigen Professoren die Äquivalenz der Kurse schriftlich bestätigen. Jeder Kurs an australischen Universitäten hat standardisiert 12Credit-Points, wovon ein Vollzeitstudent vier Kurse pro Semester belegt. Leider bekomme ich maximal 6CP pro Kurs an meiner Heimatuniversität angerechnet, da dies die maximale Höhe an CP in meinem Curriculum ist. Australien 2011 2
Kulturelle Vorbereitung und Unterkunft Als Tutor für die Betreuung der internationalen Studenten der Internationalen Winter Universität Kassel im Januar 2011 hatte ich die großartige Chance, im Voraus australische Studenten kennenzulernen. Deren Freundlichkeit und Offenheit nahm mir nicht nur jedes mulmige Gefühl für meine baldige Ausreise, vielmehr entstanden schon dort erste Freundschaften, die mir während meines Austauschs und später viel bedeuten werden. Einer dieser australischen Austauschstudenten bot mir spontan das Schlafsofa seiner Freundin in Brisbane an, bis ich eine feste Wohnung nach meiner Ankunft finden würde. Phase 3: Ankommen und Start (Februar 2011, 3 Wochen) Dass ich wirklich auf meinem Weg nach Australien war, wurde mir erst bewusst, als ich meinen Koffer vom Laufband in Brisbane holte. Ein Airport-Transfer Service der QUT brachte mich kosten- und sorgenfrei vom Flughafen direkt zu meiner übergangsweisen Unterkunft, dem damaligen spontanen Angebot des australischen Austauschstudenten in Kassel (siehe Phase 2). Gesagt, getan stand ich um 3am (03:00Uhr) als verängstigte Fremde vor diesem australischen Haus mit seinen Bewohnern, die ich und die mich nur aus Erzählungen kannten. Ich erlebte das herzlichste Willkommen, das ich mir vorstellen konnte. Nicht nur, dass ich eine wohnliche Unterkunft für die ersten Wochen in Brisbane hatte, ohne jegliches Zögern wurde ich in einen wundervollen Freundes- und Familienkreis aufgenommen. Wohnungssuche: (1 Woche) Auch wenn ich nicht von dem geliebten Schlafsofa in meiner temporären Unterkunft ausziehen wollte, kümmerte ich mich doch schon ab dem ersten Tag um ein eigenes Zimmer. Im Internet, auf Aushängen und mit Hilfe des Accommodation-Services der QUT fand ich zahlreiche Angebote. Mit Erschrecken stellte ich fest, dass die wöchentliche Miete um 150 200 AUD rangierte je nach Lage und Komfort. Zentral und nahe am Campus wohnen war meine Priorität, allerdings unbezahlbar für ein nettes Zimmer in einem Share-House. Im gleichen Dilemma steckend traf ich eine freundliche Studentin aus Norwegen. Nachdem wir uns eine Stunde lang von enttäuschenden Wohnungsbesichtigungen kannten, entschlossen wir uns, ein Doppelzimmer zu teilen. Dieser Entschluss brachte mir nicht nur eine bezahlbare Miete, sondern auch kostenlosen Norwegisch-Unterricht inklusive leckerem Essen, aber vor allem eine sehr gute Freundin. Wer offen ist für neues (niemals in Deutschland zuvor, hätte ich mir vorstellen können ein Zimmer auf längere Zeit zu teilen!), dem kann ich dies nur empfehlen. Australien 2011 3
Orientierung Das Exchange-Office der QUT bot ein Orientierungsprogramm für alle internationalen Austauschstudenten an. Auch wenn es mit Kosten verbunden war, würde ich sofort wieder an dem Kennenlern-Wochenende auf Stradbroke Island teilnehmen. 100 Austauschstudenten wurden zusammen gesteckt in ein Hotel am Strand, die Tage voller Aktivitäten (Surfen, Kajak, Wandern) gepackt und die Nächte wurden am Strand gefeiert. Es waren definitiv zu viele neue Menschen von überall aus der Welt, um sich einzelne Namen merken zu können. Doch wir wurden zu einer großen Gruppe, später organisiert über Facebook, aus der sich stets neue Gruppierungen zusammenfanden für gemeinsame Unternehmungen während des Semesters oder auch für spätere Reisepläne. Phase 4: Leben und Studieren in Brisbane Meine Tage in Brisbane waren vollgepackt mit neuen Hobbies (ich probierte mich durch alle möglich Sportarten von Rock-Climbing zu Segeln), zahlreichen Ausflügen mit anderen internationalen Studenten um das spannende Land zu erkunden, Unternehmungen mit neuen australischen Freunden und Kontakthalten mit der Heimat, sodass es schwer war, die Motivation für den Universitätsalltag zu halten. Allerdings war das Studium recht zeitintensiv während des ganzen Semesters, da fast jede Woche geliebte Assignments (in Form von Laboratory Report, Business Brief, Research Study) oder Zwischentests anstanden. Im Allgemeinen ist Studieren an der QUT wesentlich verschulter im Vergleich zur Universität Kassel. Weniger Selbstorganisation der Studenten ist gefragt, vielmehr versteht sich der Dozent als Lehrer und gibt den Studenten die Lernweise durch zahlreiche Tests und Assignments vor. Alle Assignments basieren auf Research und notwendige Zitierungsstile werden strengstens kontrolliert. Die Abschlussklausuren zählten lediglich 30 50%. Den Vorlesungen in Englisch zu folgen, bereitete mir wenige Schwierigkeiten. Das Language Learning Office der QUT bietet Beratungszeiten für die Korrektur der englischen Sprache in Assignments von internationalen Studierenden an. Alles in allem, ich hatte eine großartige Studienzeit und habe viel gelernt, aber bin doch sehr froh, in Deutschland wieder selbstständig in meinem Rhythmus studieren zu können. Australien 2011 4
Phase 5: Nach dem Semester Nach den Abschlussklausuren war das Lernen nicht zu Ende, nun begann die Zeit des Lernens vom Leben oder besser Lernen vom Reisen. In kleinen Gruppen mit anderen Austauschstudenten zusammen erkundete ich Australien per Campervan, Zug, Flugzeug, Boot, Quad und Pferd und lernte viel fürs Leben. Um es in Universitätssprache zu fassen: Projektmanagement, Konfliktmanagement, Interkulturelle Kompetenz und viele weitere Softskills. Ja, dafür sollte es Credit-Points geben! Gerade sitze ich in der Australien Desert und schreibe diesen Bericht, an einem Ort an dem es keine Straßen, Einkaufsläden, Briefkästen oder Handyempfang gibt. Ich arbeite als Pferdetrainer für zwei Monate im Northern Territory Outback bevor ich mein Studium in Deutschland im Oktober 2011 fortsetze. Völlig neue Erfahrungen sammle ich hier und lerne interessante australische Charaktere kennen. Sogar den australischen Slang verstehe ich mittlerweile gut. Auf meine Rückkehr nach Deutschland bin ich gespannt. Wird mir das Wiedereinleben leicht fallen? Bilanz: 100% positiv! Fachlich habe ich dazugelernt, viel erfahren habe ich über das australische Universitätssystem und das deutsche lieben gelernt. Mit meinen Englischkenntnissen fühle ich mich wohl und sicher in Konversationen jeglicher Art. Ich habe eine Reihe anderer Kulturen und viele verschiedene Menschen kennen und wertschätzen gelernt. Ich habe viel organisiert, geplant und durchgeführt. Ich habe mich in so unterschiedliche neue Situationen eingelebt und bin mit jeder offener, toleranter und entspannter geworden. Ein lebensfreudiger Mensch war ich schon immer, aber ich habe gelernt, bewusster zu leben und jede Minute zu genießen. Hiermit möchte ich dem Hessen-Queensland-Programm und dessen Koordinatoren danken, dass sie mir dieses Auslandssemester ermöglicht haben. Dem DAAD danke ich für die Unterstützung mit dem Förderprogramm Semesteraufenthalte im Ausland. Egal in welchem Alter, welche Mentalität, welche Intention: Aus meiner Erfahrung kann ich Jedem empfehlen, eine Zeit ins Ausland zu gehen. Werden Sie es lieben oder hassen, in jedem Falle kann es Sie nur bereichern. Alice Springs, 30.07.20011 Australien 2011 5