Eiweiße genannt, sind die häufigsten Makromoleküle in lebenden Organismen und an allen lebenswichtigen Funktionen beteiligt:



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120 Proteine Proteine Harald Schlatter (.1.3), Thomas Langer (.) Wenn irgendeine Molekülklasse als Grundbausteine lebender Organismen betrachtet werden kann, so sind es sicher die Proteine. Sie sind von allen Molekülen die vielseitigsten. Richard E. Dickerson, Irving Geis, Chemistry, Matter and the Universe.1 Die Funktion von Proteinen Proteine sind als Strukturproteine am Aufbau der einzelnen Zellen und Gewebe und damit des gesamten Organismus beteiligt; als Enzyme katalysieren Proteine nahezu alle chemischen Stoffwechselreaktionen; Transport- und Motorproteine ermöglichen sämtliche Transport- und Bewegungsvorgänge sowohl innerhalb einer Zelle als auch auf der Ebene des Gesamtorganismus z. B. bei Muskelbewegungen oder dem Sauerstofftransport; als Antikörper sind sie ein wichtiger Bestandteil unseres Immunsystems; als Rezeptoren, aber auch selber als Signal- undbotenstoffe regulieren sie zahlreiche Prozesse. Proteine ( Proteuo, griech: den ersten Platz einnehmend, überlegen sein) auch Eiweiße genannt, sind die häufigsten Makromoleküle in lebenden Organismen und an allen lebenswichtigen Funktionen beteiligt: Strukturproteine sind verantwortlich für die Ausbildung von dreidimensionalen Strukturen und sorgen für mechanische Stabilität, z. B. Laminaproteine (S. 393) im Zellkern oder die Proteine des Cytoskeletts innerhalb des Cytoplasmas (Kap. 10). Das extrazelluläre Kollagen (S. 135, S. 75) hingegen ist verantwortlich für die Form des Bindegewebes und die in ihm eingebetteten Zellen. Auch Haare, Hörner und Nägel bestehen aus Proteinen. Enzyme sind sicherlich die vielfältigste Proteingruppe. Mehrere tausend verschiedene Enzyme katalysieren die unterschiedlichsten biochemische Reaktionen einer Zelle. Mittlerweile ist die Struktur vieler dieser Enzyme bekannt. Sehr viele Enzyme werden durch regulatorische Proteine beeinflusst. Auch die Expression von Genen wird über Regulatorproteine, z. B. der Lambda-Repressor, gesteuert. Proteine regulieren so die Entwicklung, Differenzierung und das Wachstum von Zellen bzw. ganzer Organismen. Proteine spielen eine Rolle bei Bewegungen, sowohl auf zellulärer als auch auf der Ebene des Gesamtorganismus. Das Motorprotein Myosin ist im Zusammenspiel mit anderen Proteinen sowohl an vielfältigen intrazellulären Bewegungen als auch an der Muskelkontraktion beteiligt. Das Transportprotein Hämoglobin versorgt den Körper mit Sauerstoff aus der Lunge, bzw. sorgt für den Munk, Biochemie - Zellbiologie (ISBN 97831318316), 2008 Georg Thieme Verlag KG

.2 Die Aminosäuren Bausteine der Proteine 121 Abtransport des Kohlendioxids. Membranintegrale Transportproteine vermitteln den Transport von Ionen oder Molekülen über die sonst unüberwindlichen zellulären Membranen. Damit sind sie z. B. verantwortlich für den Ionenhaushalt einer Zelle oder aber für die Übertragung und Weiterleitung von Impulsen entlang von Nervenzellen. Membranintegrale Proteine auf Zelloberflächen wirken auch als Rezeptoren für Signale oder Botenstoffe und initiieren entsprechende Reaktionen im Zellinneren. Einige Botenstoffe (z. B. Hormone) selbst wiederum sind kurze Proteine, z. B. das Insulin. Im Verlauf einer immunologischen Abwehrreaktion bildet unser Immunsystem spezielle Proteine, die Immunglobuline. Diese hochspezifischen Antikörper binden an organismusfremde, möglicherweise krankheitsauslösende Strukturen, sogenannte Antigene, die auch Proteine sein können. Viele Erbkrankheiten beruhen auf der Ausbildung fehlerhafter Proteine und mit den durch BSE gewonnenen Erkenntnissen ist bekannt, dass bestimmte Proteine Infektionskrankheiten auslösen, so wie die Prionen die spongiformen Encephalopathien. Viele Gifte sind Proteine oder Polypeptide, darunter auch die nach derzeitigem Kenntnisstand giftigste Substanz, das schon in geringen Mengen (wenige Nanogramm) tödlich wirkende Botulinustoxin aus dem Bakterium Chlostridium botulinum. Auch die Ribosomen, an denen die Proteinsynthese stattfindet, bestehen neben RNA zu einem Großteil aus einzelnen Polypeptiden und Proteinen. Proteine bewerkstelligen als Enzyme die DNA-Replikation, Transkription, bzw. in Form des Spindelapparates auch die Zellteilung. Damit ergibt sich die faszinierende Vorstellung, dass Proteine ihre eigene Produktion und Vermehrung steuern. Letztlich sind Proteinen als Proteasomen sogar mit ihrem eigenen Abbau betraut. Funktionen der Proteine: mechanische Stütz- und Strukturfunktion, Transport, Bewegung, enzymatische Katalyse, Regulation, Immunabwehr, Botenstoffe, Gifte..2 Die Aminosäuren Bausteine der Proteine Bausteine der Proteine sind Aminosäuren. Sie sind über Peptidbindungen zu Ketten verbunden. Die Länge der Ketten variiert von einigen wenigen Aminosäuren bis zu mehreren Tausend Aminosäuren in großen Proteinen. Die Standardaminosäuren werden bei der Proteinbiosynthese direkt in die Proteine eingebaut und teilweise anschließend modifiziert. Die unterschiedlichen Seitenketten der Aminosäuren nehmen Einfluss auf die räumliche Struktur und damit auf die Funktion des Proteins. Neben diesen proteinogenen Aminosäuren existieren über 250 nicht proteinogene Aminosäuren mit unterschiedlichsten Funktionen im Stoffwechsel. Munk, Biochemie - Zellbiologie (ISBN 97831318316), 2008 Georg Thieme Verlag KG

122 Proteine Proteine sind aus Aminosäuren aufgebaut, die über Peptidbindungen zu Ketten unterschiedlicher Länge verknüpft sind. Manche dieser Ketten bestehen nur aus wenigen Aminosäuren und werden entsprechend als Dipeptide, Tripeptide bzw. als Polypeptide (bis 100 Aminosäuren) bezeichnet. Das Protein Titin, auch Connectin genannt, dagegen besteht aus einer ca. 27 000 Aminosäuren langen Kette und weist eine Molmasse von ca. 30 Millionen Dalton auf. Lagern sich mehrere Ketten zusammen entstehen Proteinkomplexe. Sie können aus über 100 verschiedenen Proteinen bestehen und Molmassen von bis zu 120 000 kda (120 MDa), etwa bei dem Kernporenkomplex des Zellkerns, annehmen. Viele Proteine enthalten Bestandteile, die nicht aus Aminosäuren aufgebaut sind. Solche Bestandteile werden zusammenfassend als Co-Faktoren bezeichnet, dazu gehören die Coenzyme aber auch Metallionen (Kap. 6). Regulär gibt es 20 verschiedene Aminosäuren, die während der Proteinbiosynthese ( Genetik) direkt in die wachsende Peptidkette eingebaut werden. Man nennt sie Standardaminosäuren oder auch kanonische Aminosäuren. Für jede Standardaminosäure existiert mindestens ein entsprechendes Codon, das den -Buchstabencode der Gene in den 20-Buchstabencode der Proteine übersetzt. Folglich existiert für jede Standardaminosäure mindestens jeweils eine spezifische trna, die das Codon der mrna erkennt und dann die passende Aminosäure an der entsprechenden Stelle in die wachsende Polypeptidkette einbaut. Darüber hinaus sind zur Zeit noch drei weitere Aminosäuren bekannt, die ebenfalls über eine eigene trna bei der Proteinbiosynthese als Bausteine verwendet werden. Sie kommen aber nur sehr vereinzelt und in wenigen Proteinen vor oder aber besitzen spezielle Funktionen (s. u.). Teilweise werden die Aminosäuren nach Abschluss der Proteinbiosynthese noch modifiziert. Neben diesen Aminosäuren, die am Aufbau der Proteine beteiligt sind sie werden auch als proteinogene Aminosäuren bezeichnet wurden inzwischen über 250 nicht proteinogene Aminosäuren identifiziert. Sie sind meist Derivate der Standardaminosäuren und übernehmen eine Vielzahl unterschiedlicher biologischer Funktionen (s. u.)..2.1 Eigenschaften von Aminosäuren Allen Aminosäuren gemeinsam sind charakteristische Molekülgruppen und Eigenschaften (Abb..1a). Aminosäuren zeichnen sich wie der Name schon sagt durch eine Aminogruppe (-NH 2 ) und eine Säure-, eine Carboxylgruppe (-COOH), aus. Die beiden Gruppen sowie ein Wasserstoffatom und eine, je nach Aminosäure, unterschiedliche Seitenkette sind um ein zentrales Kohlenstoffatom C2 gruppiert, das aufgrund seiner unmittelbaren Nachbarschaft zur Carboxylgruppe auch als a-c-atom bezeichnet wird. Der Dissoziationsgrad einer Aminosäure ist abhängig vom ph-wert der Lösung. Bei neutralem ph-wert bindet das freie Elektronenpaar der Aminogruppe ein positiv geladenes Proton und wird positiv geladen. Das Proton der Carboxylgruppe dissoziiert, so dass eine negativ geladene COO -Gruppe zurück- Munk, Biochemie - Zellbiologie (ISBN 97831318316), 2008 Georg Thieme Verlag KG

.2 Die Aminosäuren Bausteine der Proteine 123 Abb..1 Aminosäuregrundgerüst. a Die Seitenkette (R) besteht im einfachsten Falle aus einem H-Atom (Glycin), sonst aus einer unterschiedlich langen, verzweigten oder unverzweigten Kohlenstoffkette oder einem aromatischen Rest. b Eine Aminosäure bei unterschiedlichen ph-werten. Bei neutralem ph liegt ein Zwitterion vor. bleibt (Abb..1b). Eine Aminosäure mit einer positiven und einer negativen Ladung in einem Molekül wird als Zwitterion bezeichnet, d. h. die Aminosäure trägt insgesamt keine Ladung. Bei niedrigem ph-wert sind die Carboxylgruppen ungeladen und die Aminogruppen geladen. Bei hohem ph-wert verhält es sich genau umgekehrt. Der durchschnittliche pk-wert der Aminogruppen liegt im Bereich von 10, der der Carboxylgruppe im Bereich von 2 (S. ). In den Proteinen sind die Carboxyl- und Aminogruppen durch die Peptidbindungen nicht mehr ionisierbar. Nur die endständigen Carboxyl- bzw. Aminogruppen eines Polypeptids sind polarisierbar. Fünf der zwanzig Aminosäuren haben zudem polarisierbare Seitenketten. Der ph-wert, bei dem die Konzentration der sauren und basischen Reste in einer Aminosäure bzw. in einem Protein gleich groß sind, wird als isoelektrischer Punkt bezeichnet (S. ). Im elektrischen Feld tritt keine Ionenwanderung ein, da die Aminosäure bzw. das Protein keine Nettoladung trägt. Diese Eigenschaft der Proteine wird zur Proteintrennung bei der isoelektrischen Fokussierung (s. u.) ausgenutzt. An dem zentralen C2-Kohlenstoffatom sind vier verschiedene Liganden gebunden. Dadurch existieren zwei Stereoisomere jeder Aminosäure, die D- und die L-Aminosäuren (S. 117, Abb. 3.18). Eine Ausnahme bildet die Aminosäure Glycin; ihr Rest besteht aus einem zweiten H-Atom und damit ist ihr a-kohlenstoff nicht chiral. Bei der Proteinbiosynthese werden nur L-Aminosäuren verwendet, da die beteiligten zellulären Elemente wie Ribosomen, trnas und die Aminoacyl-tRNA-Synthetase, die die jeweiligen trnas mit der dazugehörigen Aminosäure belädt, selektiv L-Aminosäuren binden..2.2 Die 20 Standardaminosäuren Bei der Proteinbiosynthese werden üblicherweise 20 verschiedene Standardaminosäuren eingebaut. Ihre jeweiligen Eigenschaften, die die räumliche Struktur Munk, Biochemie - Zellbiologie (ISBN 97831318316), 2008 Georg Thieme Verlag KG

12 Proteine Abb..2 Struktur der 20 Standard-Aminosäuren. Die Aminosäuren sind nach der n Polarität ihrer Seitenketten geordnet. Angegeben ist die freie Enthalpie (DG [kj/mol]) bei der Überführung einer Aminosäure von Ethanol (relativ unpolar) in Wasser (polar) und die molare Masse (Da). Je negativer DG, desto polarer ist die Seitenkette. Für jede Aminosäure gibt es einen Dreibuchstaben-Code und einen Einbuchstaben-Code. und Funktion des fertigen Proteins bestimmen, hängen von den speziellen Eigenschaften der unterschiedlichen Seitenketten ab (Abb..2). Bei der kleinsten Aminosäure Glycin besteht die Seitenkette nur aus einem H-Atom. Die nächstgrößere Aminosäure ist Alanin mit einer Methylgruppe -CH 3 als Seitenkette, gefolgt von Serin mit -CH 2 OH. Die Aminosäureseitenketten unterscheiden sich aber nicht nur durch ihre Größe. Für die Struktur und Funktion von Proteinen besonders entscheidend ist ihre Polarität und Ladung. Die unpolaren, aliphatischen Aminosäuren wie Alanin, Valin, Leucin und Isoleucin stabilisieren die Proteinstruktur über die Ausbildung hydrophober Wechselwirkungen. In wässriger Umgebung sind sie bestrebt, sich dem Kontakt mit Wasser zu entziehen, sie schaffen im Inneren eines Proteins wasserfreie Bereiche, die manche Reaktionen erst ermöglichen. In membranintegralen Proteinen oder mit Membranen assoziierten Proteinen findet man eine entgegengesetzte Orientierung. Hier orientieren sich unpolare Aminosäuren in Richtung der hydrophoben Fettsäureketten der Phospholipide und verankern so das Protein in der lipophilen Umgebung. Die hydrophoben Wechselwirkungen der aromatischen Seitenketten Phenylalanin, Tyrosin, Tryptophan sind besonders stark, wenn die aromatischen Gruppen übereinandergestapelt vorliegen. Methionin und Cystein enthalten Schwefel. Dem Cystein mit seiner terminalen Sulfhydrylgruppe (-SH) kommt eine besondere Bedeutung bei der Stabilisierung von Proteinstrukturen zu. Die freie SH-Gruppe kann mit einer zweiten Cystein-SH-Gruppe eine sehr stabile, kovalente Disulfidbrücke ausbilden. Diese kommen allerdings vorwiegend in extrazellulären Proteinen vor, da innerhalb der Zelle reduzierende Bedingungen vorherrschen, die eine Disulfidbrücke sofort zu zwei Sulfhydrylgruppen reduzieren würde. Die Aminosäuren Serin oder Threonin tragen eine Hydroxylgruppe und sind damit polar. Threonin besitzt ebenso wie Isoleucin neben dem a-kohlenstoffatom noch ein weiteres asymmetrisches C-Atom. Die polaren funktionellen Gruppen von Serin, Threonin, Cystein, Asparagin und Glutamin, die aber unter physiologischen Bedingungen praktisch nicht ionisierbar sind, bilden intramolekulare Wasserstoffbrücken aus. Sie sind für die Stabilisierung von Proteinen sehr wichtig. Die nichtionischen Seitenreste von Glutamin und Asparagin sind als Carbonsäureamid-Gruppen relativ stark polarisiert. Eine Besonderheit stellt die Aminosäure Prolin dar: Die Seitenkette vollzieht einen Ringschluss mit dem Stickstoffatom der Aminogruppe. Somit besitzt Prolin eine sekundäre Aminogruppe und ist demnach keine Amino-, sondern eine Imi- Munk, Biochemie - Zellbiologie (ISBN 97831318316), 2008 Georg Thieme Verlag KG

.2 Die Aminosäuren Bausteine der Proteine 125 Munk, Biochemie - Zellbiologie (ISBN 97831318316), 2008 Georg Thieme Verlag KG

126 Proteine nosäure. Trotzdem wird Prolin vereinfachend stets zu den 19 anderen Aminosäuren mit hinzugerechnet. Der gebildete Fünferring fixiert die Bindungsebene zwischen dem a-kohlenstoffatom und der Aminogruppe. Prolin hat damit Auswirkung auf den Strukturverlauf eines Proteins: Das Rückgrat des Proteins wird leicht abgeknickt, außerdem ist die Polypeptidkette hier nicht frei drehbar. Die beiden sauren Aminosäuren Glutaminsäure und Asparaginsäure sind aufgrund ihrer terminalen Carboxylgruppe sehr polar. Unter physiologischen Bedingungen bei etwa ph 7, liegen sie immer dissoziiert vor und werden entsprechend als Glutamat und Aspartat bezeichnet. Noch polarer sind die basischen Aminosäuren Lysin mit endständiger Aminogruppe und vor allem Arginin mit positiv geladener Guanidinogruppe, die bei ph 7, protoniert vorliegen. Der Imidazolring des Histidins ist meist protoniert, kann aber auch deprotoniert vorliegen. Im Gegensatz zu den unpolaren Aminosäuren orientieren sich die polaren Aminosäuren in wässriger Umgebung meist nach außen, im Proteininneren z. B. bei Enzymen sind sie häufig am Katalysemechanismus beteiligt (S. 205). In Membranproteinen sind sie nach innen gerichtet und kleiden beispielsweise Poren aus, über die hydrophile Moleküle die lipophile Membran durchqueren. Acht Aminosäuren kann der menschliche Körper selbst nicht synthetisieren, diese Aminosäuren werden als essentiell bezeichnet, d. h. ihre Aufnahme oder die der Vorstufen über die Nahrung ist lebensnotwendig: Valin, Leucin, Isoleucin, Phenylalanin, Tryptophan, Lysin, Methionin und Threonin..2.3 Weitere proteinogene Aminosäuren Neben den bisher genannten 20 Aminosäuren gelten folgende drei Aminosäuren ebenfalls als Standardaminosäuren: Selenocystein, Pyrrolysin und Formylmethionin (Abb..3a). Im Selenocystein ist das Schwefelatom des Cysteins durch das Spurenelement Selen ersetzt. Selen liegt negativ geladen vor, das Proton ist dissoziiert. Die Selenocystein-tRNA trägt das Anticodon ACU und bindet an UGA-Codons der mrna, die üblicherweise als Stopcodons fungieren. Bestimmte mrna-haarnadelstrukturen (stem-loops) in der Nähe von UGA- Codons legen fest, dass Ribosomen ein Selenocystein einbauen, anstatt die Translation durch ein Stopcodon zu beenden ( Genetik). Selenocystein kommt sowohl in pro- als auch in eukaryotischen Proteinen vor, z. B. in der Glycinreductase bei Clostridien ( Mikrobiologie). Auch das Pyrrolysin, das sich von Lysin ableitet, wird von einem Codon kodiert, das üblicherweise als Stopsignal für die Translation fungiert: dem UAG. Pyrrolysin kommt z. B. in einigen prokaryotischen Enzymen des Methanstoffwechsels vor. Der Austausch des H-Atoms an der Aminogruppe des Methionins gegen einen Formylrest unter Bildung von Formylmethionin geschieht bei Bacteria erst, nachdem Methionin an die t-rna gebunden ist. Der Formylrest blockiert die Munk, Biochemie - Zellbiologie (ISBN 97831318316), 2008 Georg Thieme Verlag KG

.2 Die Aminosäuren Bausteine der Proteine 127 Abb..3 Weitere proteinogene und modifizierte Aminosäuren. a Selenocystein, Pyrrolysin und Formylmethionin. b Hydroxyprolin, Allysin, O-Phosphotyrosin sind posttranslational modifizierte Aminosäuren in Proteinen. Aminogruppe, so dass die Verlängerung der Peptidkette nur in Richtung des Carboxylrests und nicht umgekehrt erfolgen kann. Die spezifische Formylmethionin-tRNA bindet stets nur das erste Startcodon AUG bei der Transkription, d. h. die erste Aminosäure in einem neu translatierten Protein ist bei Bacteria ein Formylmethionin ( Genetik). Die Standardaminosäuren werden zum Teil am fertigen Protein modifiziert (Abb..3b). Zu den posttranslationalen Modifikationen gehören Glykosylierungen, Acylierungen, Phosphorylierungen oder Sulfatierungen (S. 0). Phosphoserin, Phosphotyrosin und Phosphothreonin entstehen z. B. durch Übertragung von Phosphatgruppen auf die Hydroxylgruppen der Aminosäuren Serin, Tyrosin und Threonin. Donor dieser Phosphatgruppen ist meist das endständige g-phosphat des ATPs. Diese Modifikation ist reversibel und dient häufig der Regulation. Eine besondere Aminosäure ist das Hydroxyprolin: Es entsteht posttranslational durch Hydroxylierung von Prolin und kommt ausschließlich in den Kollagenen vor. Allysine sind desaminierte Lysine; sie kommen ebenfalls nur in Kollagenen sowie dem Elastin vor. Sie sind nur ein Zwischenprodukt, bevor zwei Allysine eine Aldolkondensation eingehen und damit eine kovalente Bindung zwischen zwei Allysin-Seitenketten ausbilden. Mittlerweile sind eine Reihe kurzer Peptide beschrieben worden, die mittels nicht ribosomaler Peptidsynthetasen gebildet werden. Das bekannteste ist Gluthathion oder einige Antibiotika wie Valinomycin. Die Peptide enthalten Standardaminosäuren oder aber wie in den Zellwänden von Bakterien z. B. auch D-Enantiomere anstelle der normalen L-Aminosäuren. Munk, Biochemie - Zellbiologie (ISBN 97831318316), 2008 Georg Thieme Verlag KG

128 Proteine.2. Nicht proteinogene Aminosäuren und Aminosäurederivate Aminosäuren nehmen aber nicht nur als integrale Bestandteile größerer Polymerstrukturen wie Proteinen, Peptiden oder Zellwänden wichtige Funktionen wahr. Einige Aminosäure und deren Derivate fungieren selber z. B. als chemische Botenstoffe zwischen Zellen (Abb..). Glutaminsäure und Glycin gehören zu den Neurotransmittern; g-aminobuttersäure (GABA), aus Glutaminsäure durch Decarboxylierung gebildet, ist ebenfalls ein Neurotransmitter, ebenso wie Dopamin, das durch Hydroxylierung von Tyrosin zu L-Dopa (für 3,-Dihydroxyphenylalanin) und anschließende Decarboxylierung zu 3,-Dihydroxyphenylethylamin (Dopamin) entsteht ( Zoologie). Aus Tyrosin wird auch das Schilddrüsenhormon Thyroxin gebildet. Das Decarboxylierungsprodukt des Histidins, das Histamin, spielt als Gewebshormon oder Mediator ( Zoologie) eine Rolle bei allergischen Reaktionen. Aminosäurederivate haben noch andere Funktionen: S-Adenosylmethionin z. B. ist ein stark aktivierter Methylgruppendonor. Es entsteht aus Methionin und ATP, wobei alle Phosphatgruppen des ATPs gespalten werden. Melanin, das schwarze Pigment von Haaren und Haut, besteht aus polymerisierten Tyrosinderivaten. Auch das Lignin, ein Polymer, das dem Holz der Pflanzen seine Stabilität verleiht, leitet sich vom Tyrosin ab. Schließlich existieren noch einige Aminosäuren, die bei der Proteinbiosynthese nicht von den Standardaminosäuren unterschieden werden können. Ein Beispiel einer solchen toxischen Aminosäure, die zu Fehlfaltung und Dysfunktion des betroffenen Proteins führt, ist die Azetidin-2-Carbonsäure des Maiglöckchens, die Prolin imitiert. Während sich die Pflanze selbst durch eine hochspezifische Prolyl-tRNA-Synthetase vor dem Einbau in eigene Proteine schützt, kann die menschliche Prolyl-tRNA-Synthetase Azetidin- 2-Carbonsäure nicht vom eigentlichen Prolin unterscheiden. Abb.. Nicht proteinogene Aminosäuren. Die Neurotransmitter GABA und Dopamin sind Derivate der Aminosäuren Glutamat bzw. Phenylalanin. Das Schilddrüsenhormon Thyroxin entsteht aus zwei Tyrosinen. Munk, Biochemie - Zellbiologie (ISBN 97831318316), 2008 Georg Thieme Verlag KG

.3 Die Struktur von Proteinen 129 Protein: Makromolekül, aus Aminosäuren aufgebaut, die über Peptidbindungen miteinander verknüpft sind. Aminosäuren: Bausteine der Proteine und Polypeptide, enthalten eine Säuregruppe (-COOH), eine basische Aminogruppe (-NH 2 ), ein Wasserstoffatom und eine variable Seitenkette, gebunden an ein zentrales C-Atom. unpolare Seitenketten: Glycin, Alanin, Valin, Leucin und Isoleucin. geladene polare Seitenketten: Glutaminsäure, Asparaginsäure, Histidin, Lysin, Arginin. ungeladene polare Seitenketten: Cystein, Methionin, Threonin, Serin, Prolin, Glutamin, Asparagin. aromatische Seitenketten: Phenylalanin, Tryptophan, Tyrosin..3 Die Struktur von Proteinen Die Primärstruktur eines Proteins beschreibt die Abfolge der einzelnen Aminosäuren in der Polypeptidkette. Die teilweise starre Peptidbindung erlaubt nur die Ausbildung bestimmter übergeordneter Sekundärstrukturen, dazu gehören die a-helix und das b-faltblatt, die in den meisten Proteinen zu finden sind. Verschiedene Bindungstypen zwischen den Seitenketten stabilisieren diese Strukturen innerhalb eines Moleküls aber auch zwischen zwei benachbarten Polypeptidketten. Es entstehen übergeordnete räumliche Strukturen, die Tertiär- bzw. Quartärstruktur, die die speziellen Funktionen von Proteinen ermöglichen, z. B. die eines DNA-bindenden Proteins oder eines Enzyms. Proteine liegen nicht als lineare Polypeptidketten vor, sondern bilden komplexe dreidimensionale Strukturen, die durch verschiedene Organisationsebenen beschrieben werden: Die Reihenfolge der Aminosäuren, d. h. die Aminosäuresequenz der Polypeptidkette wird als Primärstruktur bezeichnet. Aus dieser linearen, zweidimensionalen Primärstruktur entstehen zunächst einzelne typische dreidimensionale Strukturelemente, die Sekundärstrukturen, die sich dann zur vollständigen räumlichen Gestalt eines Proteins, der Tertiärstruktur, arrangieren. Darüber hinaus können sich Einzelproteine zu einem funktionellen Protein und übergeordneten Proteinkomplex zusammenlagern, der dann als Quartärstruktur bezeichnet wird (Abb..5). Die Peptidbindung wird an den Ribosomen geknüpft. Unter Wasserabspaltung verbindet sich die negativ geladene Carboxylgruppe mit der positiv geladenen Aminogruppe der zweiten Aminosäure (Abb..6). Durch Bindung weiterer Aminosäuren entsteht das kovalente Rückgrat der Proteine aus der sich wiederholenden Folge N-C-C. Aus dem Peptidrückgrat ragen die verschiedenen Seitenketten der Aminosäuren heraus, deren Eigenschaften für die weitere Faltung des Proteins entscheidend sind. Dabei lässt das Peptidrückgrat nur sehr eingeschränkte Konformationen zu. Munk, Biochemie - Zellbiologie (ISBN 97831318316), 2008 Georg Thieme Verlag KG

130 Proteine Abb..5 Proteinstrukturen. Die Aminosäuresequenz entspricht der Primärstruktur eines Proteins. Die a-helix stellt eine mögliche Sekundärstruktur der gebildeten Polypeptide dar. Am Beispiel des Hämoglobins wird gezeigt, dass die a-helix Teil der Tertiärstruktur der b-polypeptidkette ist (nicht zu verwechseln mit dem b-faltblatt). Die höchste Strukturebene stellt die Quartärstruktur dar, die die räumliche Anordnung der Untereinheiten im Hämoglobin wiedergibt. Abb..6 Peptidbindung. a Bildung der Peptidbindung. b Das Tetrapeptid besteht aus vier Aminosäuren. In einem Polypeptid bzw. Protein ergibt sich ein Ende mit einer freien Aminogruppe (Aminoterminus, N-Terminus) und ein Ende mit einer freien Carboxylgruppe (Carboxyterminus, C-Terminus). Munk, Biochemie - Zellbiologie (ISBN 97831318316), 2008 Georg Thieme Verlag KG

.3 Die Struktur von Proteinen 131 Abb..7 Mesomere Grenzstrukturen der Peptidbindung. a Bis auf wenige Ausnahmen liegt das Wasserstoffatom der substituierten Aminogruppe in der trans-position zum Sauerstoff der Carbonylgruppe. Im Gegensatz dazu sind die Bindungen zwischen dem a-kohlenstoffatom und dem Carbonylkohlenstoffatom sowie die Bindung zwischen dem a-kohlenstoffatom und dem Stickstoffatom Einfachbindungen und damit nicht fixiert. b Rotationen im Peptidrückgrat sind so nur an der N-C a und der C-C a -Bindung möglich. c Die Drehungen um diese Bindungen werden durch die Winkel 2 (phi: N-C a -Bindung) und c (psi: C a -C-Bindung) erfasst. Als Säureamidbindung ist die C-N-Peptidbindung mesomerie- bzw. resonanzstabilisiert, und hat zu ca. 0 % Doppelbindungscharakter (Abb..7). Mit Hilfe röntgenkristallographischer Untersuchungen gelang den Wissenschaftlern Linus Pauling und Robert Corey bereits Ende der 30er Jahre der Nachweis, dass die Peptidebene starr ist. Im Peptidrückgrat sind nur Rotationen an der Bindung zwischen a-kohlenstoffatom und Carbonylatom sowie a-kohlenstoffatom und Stickstoffatom möglich. Die Drehungen um diese Bindungen werden durch die Winkel 2 und c beschrieben. Diese sehr eingeschränkte Flexibilität der Polypeptidkette ist bereits entscheidend verantwortlich für die Ausprägung höherer, sekundärer Strukturmerkmale eines Proteins. Letztlich sind nur einige sehr wenige, definierte Winkelkombinationen von 2 und c zulässig, ohne dass sich einzelne Substituenten des Polypeptids sterisch behindern. Dies wird in dem sogenannten Ramachandran-Plot deutlich, in dem die zulässigen Winkelgrade von 2 und c gegeneinander aufgetragen sind. Die dort als zulässig ausgewiesenen Flächen repräsentieren die in Proteinen vorkommenden übergeordneten Sekundärstrukturen, wie die verschiedenen Formen der a-helix und des b-faltblattes..3.1 Die verschiedenen Sekundärstrukturen von Proteinen In allen Proteinen kommen nur wenige verschiedene sekundäre Strukturen vor: Die a-helix, das b-faltblatt beide 1951 von Pauling und Corey postuliert und die b-schleife (b-turn). Außerdem existiert noch die linksgängige Kollagenhelix, Munk, Biochemie - Zellbiologie (ISBN 97831318316), 2008 Georg Thieme Verlag KG

132 Proteine die aber bislang ausschließlich in den Kollagen (s. u.) des Bindegewebes nachgewiesen werden konnte. Bei der rechtsgängigen a-helix windet sich das Proteinrückgrat eng schraubenförmig wie eine rechtsgängige Wendeltreppe, wobei das Polypeptidrückgrat innen liegt und die Seitenreste der Aminosäure nach außen zeigen (Abb..8). 3,6 Aminosäuren sind für eine Helixwindung erforderlich. Die Ausbildung einer a-helix wird von verschiedenen Aminosäuren begünstigt, von anderen Aminosäuren eher behindert. Alanin gilt als a-helix-fördernd, kommt aber auch sehr häufig in einer speziellen Form des b-faltblattes im Seidenfibroin vor (s. u.). Tab..1 gibt die Häufigkeit an, in der die verschiedenen Aminosäuren in einer a-helix sowie in dem noch zu besprechenden b-faltblatt und in der b-schleife vorkommen. Abb..8 Die a-helix. In der Sekundärstruktur der a-helix zeigen die Aminosäurereste nach außen. Der Kern der a-helix (ohne abstehende Reste) hat einen Durchmesser von ca. 0,5 nm. Nach einem Anstieg der Helix um jeweils 0,15 nm folgt nach 100h Drehung die nächste Aminosäure; ca. 3,6 Aminosäuren sind für eine volle Helixumdrehung erforderlich, was einer Ganghöhe von ca. 0,5 nm entspricht. Die a-helix wird durch Wasserstoffbrücken zwischen der NH-Gruppe und der CO-Gruppe der drittnächsten Aminosäure stabilisiert. In Proteinabbildungen werden a-helices häufig als Helix oder Zylinder dargestellt. Munk, Biochemie - Zellbiologie (ISBN 97831318316), 2008 Georg Thieme Verlag KG

.3 Die Struktur von Proteinen 133 Tab..1 Relative Häufigkeit des Vorkommens von Aminosäuren in den drei Sekundärstrukturen von Proteinen. Aminosäure a-helix b-faltblatt b-schleife Met 1,7 0,97 0,39 Glu 1, 0,75 1,00 Leu 1,30 1,02 0,59 Ala 1,29 0,90 0,78 Gln 1,27 0,80 0,97 Lys 1,23 0,77 0,96 His 1,22 1,08 0,69 Cys 1,11 0,7 0,80 Val 0,91 1,9 0,7 Ile 0,97 1,5 0,51 Phe 1,07 1,32 0,58 Tyr 0,72 1,25 1,05 Thr 0,82 1,21 1,03 Trp 0,99 1,1 0,75 Pro 0,52 0,6 1,91 Gly 0,56 0,92 1,6 Asp 1,0 0,72 1,1 Ser 0,82 0,95 1,33 Asn 0,90 0,76 1,28 Arg 0,96 0,99 0,88 Stabilisiert wird die a-helix durch Wasserstoffbrücken zwischen der NH- Gruppe und der CO-Gruppe der drittnächsten Aminosäure. Der Kerndurchmesser einer a-helix (also ohne die nach außen zeigenden Reste) beträgt ca. 0,5 nm. Normalerweise ist die Länge der a-helices auf ca. 0 nm begrenzt. Entsprechend bilden a-helices in Proteinen häufig nur kurze, zylinderförmige Abschnitte. Danach werden sie von einer anderen Struktur abgelöst. Helix-terminierend wirken einige typische Aminosäuren, wie der Peptidbieger Prolin (S. 16). Sehr viel längere a-helices bilden Proteine wie das Myosin und Tropomyosin des Muskels oder das Keratin der Haare (Abb..9a). Hier verdrillen sich zwei bis vier parallel verlaufende rechtsgängige a-helices zu einer superspiralisierten (coiled-coil) linksgängigen Superhelix. Die Anordnung aber auch die Länge dieser Superhelix kommt außer im Keratin so gut wie nicht vor. Weit häufiger sind a-helices in Proteinen als isolierte Zylinder limitierter Länge zu finden. Munk, Biochemie - Zellbiologie (ISBN 97831318316), 2008 Georg Thieme Verlag KG

13 Proteine Abb..9 Keratin und Kollagen. a Rechtsgängige a-helix, superspiralisiert am Beispiel des Keratins. In einer Superhelix können die einzelnen a-helices über 100 nm lang sein. b Linksgängige Kollagenhelix. Die linksgängige Kollagenhelix ist steiler und schmaler als die rechtsgängige a-helix. Drei linksgängige Kollagenhelices bilden eine superspiralisierte, rechtsgängige Tripelhelix. Jede dritte Aminosäure ist ein Glycin (blau). a-helices sind eine vielseitig verwendbare Sekundärstruktur. Einige Proteine wie der Sauerstoff- und Kohlendioxid-Transporter Hämoglobin oder das sauerstoffbindende Muskelprotein Myoglobin bestehen nahezu ausschließlich aus a-helices. Häufig sind es a-helices, die in membranintegralen Proteinen die Lipiddoppelschicht der Zellmembran durchdringen, um damit das Protein zu verankern (S. 370). Zum Aufbau solcher membranintegraler a-helices werden vorwiegend Aminosäuren mit hydrophoben Seitenketten, wie Ile, Leu, Val, Ala und Phe, verwendet, die nach außen orientiert in die Lipidphase der Membran hinein ragen. Transmembranproteine durchspannen die Lipiddoppelschicht vollständig. In ihnen besteht die membranintegrale a-helix, entsprechend als Transmembranhelix bezeichnet, aus ca. 20 30 Aminosäuren und reicht in ihrer Länge aus, um den unpolaren Teil einer Membran ganz zu durchspannen. Manche Proteine durchspannen die Membran nur einmal, sie werden entsprechend als Single-pass-Proteine bezeichnet. Multi-pass-Proteine durchspannen die Membran mehrmals und haben mehrere solcher Transmembranhelices. So besteht der nicotinische Acetylcholinrezeptor, der nach Bindung von Acetylcholin Natriumionen passieren lässt, aus fünf einzelnen Polypeptiden, von dem jedes vier Transmembranhelices generiert: zusammen 20 Transmembranhelices. Bei dem spannungsabhängigen Natriumkanal, der entlang von Axonen in Nervenzellen für die Reizweiterleitung verantwortlich ist, bildet eine einzige Polypeptidkette 2 Transmembranhelices! Viele Membranrezeptoren sind Siebentransmembranhelix-Proteine (7TM-Motiv). Sie binden auf der Außenseite einer Zelle Hormone oder Neurotransmitter und sind auf der Munk, Biochemie - Zellbiologie (ISBN 97831318316), 2008 Georg Thieme Verlag KG

.3 Die Struktur von Proteinen 135 cytoplasmatischen Seite mit einem G-Protein gekoppelt, das das extrazelluläre Hormonsignal in der Zelle weiterleitet (S. 86). Das gleiche 7TM-Motiv liegt auch dem Opsin zugrunde, dem Proteinbestandteil, der in unseren Augen Lichtreize in Nervenimpulse umwandelt. Ein weiteres Beispiel für ein Siebentransmembranhelix-Protein ist das Bakteriorhodopsin mit sieben dicht gepackten a-helices, bestehend aus jeweils 25 Aminosäuren. Mit einer Breite von,5 nm stehen die a-helices fast senkrecht zur Membranebene (Abb..10a). Die Räume zwischen den Proteinmolekülen werden von Lipidmolekülen ausgefüllt. Die faserigen Kollagene sind außerordentlich zugstabile Komponenten der extrazellulären Matrix. Sie sind mit einem Gewichtsanteil von 25 % die häufigste Abb..10 Membranproteine. a Bakteriorhodopsin durchspannt die Membran mit sieben Transmembranhelices. Bakteriorhodopsin ist eine lichtgetriebene Protonenpumpe halophiler (salzliebender) Bakterien. (pdb 1C3W) b Struktur des a-hämolysins von Staphylococcus aureus. Hier ist das sogenannte b-barrel, das das Protein in der Membran verankert (S. 137) (pdb: 7AHL) Munk, Biochemie - Zellbiologie (ISBN 97831318316), 2008 Georg Thieme Verlag KG