Pflanzen vor der Haustür



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Transkript:

Pflanzen vor der Haustür Das Schöllkraut, eine Pflanze, die mit Ameisen wandert Abb. 1: Schöllkraut mit Blüten und Früchten (nach Ulbrich 1919) Im Mai, wenn die Schwalben wieder aus ihren Winterquartieren eintreffen, öffnen sich die gelben Blüten des Schöllkrautes (Chelidonium majus) und wenn im Herbst die Tiere wieder wegziehen, verwelkt die Pflanze. Diesen Zusammenhang beschrieb vor etwa 2000 Jahren der griechische Arzt und Naturforscher Dioskurides in seinem Lehrbuch der Pharmakologie. Wurde deshalb die Pflanze Chelidonium nach der Schwalbe (griechisch chelidon ) benannt oder weil im Altertum die Vorstellung verbreitet war, dass Schwalben die Augen ihrer Jungvögel mit dem Saft des Schöllkrautes öffnen? Welchen Grund die Griechen auch immer dafür hatten, das Wort ist in der heutigen

wissenschaftlichen Bezeichnung der Pflanze Chelidonium erhalten geblieben, und auch die deutschen Namen Schell- oder Schöllkraut werden darauf zurückgeführt. Das Schöllkraut ist eine bis zu 80 cm hohe Pflanze mit fiedrig-geteilten, etwas blaugrünen Blättern. Schon früh, wenn sich die vier hellgelben Blütenblätter entfalten, fallen die zwei Kelchblätter ab. Zahlreiche Staubblätter umgeben im Inneren der Blüte den Stempel. Das auffälligste Merkmal der Pflanze bekommt man jedoch erst zu sehen, wenn man ein Blättchen abzupft, dann tritt an der verletzten Stelle ein orange-gelber Milchsaft aus. Der Bau der Blüte und dieser Milchsaft weisen auf die nächsten Verwandten des Schöllkrautes hin. Es sind die rotblütigen Mohnarten, wie Saat-, Sand-, Klatsch- und Schlafmohn, die jedoch einen weißlichen Milchsaft haben. Die Pflanzenfamilie der Mohngewächse (Papaveraceae) umfasst etwa 250, zumeist krautige Arten, die überwiegend die gemäßigten Zonen der Erde besiedeln. Wegen des auffälligen Milchsaftes beschäftigten sich die Menschen schon seit alter Zeit mit dem Schöllkraut. Die Alchemisten des Mittelalters glaubten, dass im gelben Saft der Pflanze der Stein der Weisen läge. Sie nannten das Schöllkraut coeli donum (latein.), die Himmelsgabe, und benutzten es bei ihren Experimenten zur Herstellung von Gold. Eine große Bedeutung hatte das Schöllkraut in der Medizin. Am bekanntesten ist die Verwendung des Milchsaftes in der Volksheilkunde als Mittel zur Entfernung von Warzen, Sommersprossen oder Hühneraugen. Selbstversuche sind jedoch nicht ratsam, da empfindliche Personen starke Hautentzündungen bekommen können. Aus der Pflanze wurden auch Aufgüsse zur Behandlung von Gallen-, Magen-, Darmleiden und Geschwüren bereitet. Seit dem Altertum wird das Schöllkraut zur Heilung von Augenerkrankungen genutzt. Auch im alten Ägypten soll der Saft des Schöllkrautes dazu verwendet worden sein. Da jedoch die Pflanze in Ägypten nicht vorkommt, beziehen sich solche Angaben vermutlich auf Arten des Hornmohns (Gattung Glaucium ), die in Ägypten heimisch sind und die ebenfalls einen gelben Milchsaft besitzen. Aus dem Saft des verwandten Schlafmohns wird Opium gewonnen, welcher die Alkaloide Morphin und Codein enthält. Weniger bekannt ist, dass auch im Milchsaft des Schöllkrautes ein Gemisch verschiedener Alkaloide (u. a. Chelidonin) vorkommt, das ähnlich wie Opium auf den menschlichen Körper wirkt. Seine krampflösende, schmerzstillende und beruhigende Wirkung ist jedoch schwächer. In neuerer Zeit wurde nachgewiesen, dass das Alkaloid Chelidonin Zellteilungen stoppt und das Wachstum von Krebsgeschwüren hemmt. Vergiftungen traten auf, wenn Pflanzenteile gegessen wurden oder wenn die Medikamente falsch dosiert waren. Sie hatten selten einen tödlichen Verlauf. Das etwas wärmeliebende Schöllkraut ist überall dort zu finden, wo der Boden reich an Nährstoffen, besonders an Stickstoff, ist. Es ist ein häufiges Unkraut, das auf Schutt, an Mauern, Straßen- und Wegrändern, sowie in Gärten und Parks gedeiht. Da solche Standorte durch den Menschen geschaffen wurden, konnte sich die Pflanze im Verlauf der Jahrhunderte mit der Ausdehnung der Siedlungen und Verkehrswege ausbreiten. Das Schöllkraut ist ein typischer Kulturfolger. Außerdem wurde das Schöllkraut als

Heil- und Zierpflanze in Gärten angebaut, aus denen Pflanzen entweichen und sich einbürgern konnten. Vielleicht ist es erst durch den Menschen in Norddeutschland eingeführt worden, auf jedem Fall war es früher erheblich seltener als heute. Der älteste Nachweis für Vorkommen in Schleswig-Holstein stammt aus dem Jahr 1780. Abb. 2 Das gefüllte Schöllkraut ist eine alte Gartenpflanze. Wer kennt ein Vorkommen oder hat sie in seinem Garten? Es gibt alte Kulturformen, z. B. eine mit gefüllten Blüten (Flore Pleno), eine andere hat schlitzblättrige Blütenblätter und Laubblätter (Laciniatum Flore). Letztere wurde schon vom Botaniker Clusius 1601 in Heidelberg beschrieben. Als Zierpflanzen haben sie heute wohl keine Bedeutung mehr. Um 1900 wurden in Hamburg und Schleswig- Holstein noch Exemplare dieser Kulturformen außerhalb der Gärten beobachtet. Es wäre interessant zu erfahren, ob es heute noch solche Pflanzen im Hamburger Raum gibt. (Teilen Sie bitte Funde von solchen Formen an die unten stehende Adresse mit.) Das heutige große Verbreitungsgebiet des Schöllkrautes erstreckt sich von Ostasien bis zum westlichen Europa und von Norwegen im Norden bis zum Mittelmeergebiet im Süden. In das östliche Nordamerika wurde es eingeführt. Gegen Ende des Sommers sind die länglichen, schotenförmigen Früchte (Abb.3) reif, die sich mit zwei Klappen öffnen und so die Samen freilassen. An den nur etwa 1,5 mm großen schwarzen Samen sitzen gelblichweiße Anhängsel (Abb. 1 Nr. 2), die Ölkörper (Elaiosomen), die fettartige oder zuckerhaltige Stoffe enthalten. Dieses Ameisenbrot lockt Ameisen an. Man kann seine Funktion überprüfen, indem man von einigen Samen die Ölkörper entfernt und diese zusammen mit intakten Samen auf eine Ameisenstraße

legt. In wenigen Minuten werden überwiegend die Samen von den Tieren fortgetragen, an denen sich noch das Ameisenbrot befindet. Abb. 3 Im Frühsommer platzen die Schoten des Schöllkrautes auf und die mit Ameisenbrot versehenen Samen fallen zu Boden Der Vorteil für das Schöllkraut liegt auf der Hand. Die Tiere transportieren die Samen von der Mutterpflanze weg und helfen so bei der Ausbreitung der Pflanze. Zahlreiche Samen gehen während des Transportes verloren. Andere werden als Vorrat in den Ameisenbau transportiert und nachdem der weiche Ölkörper verzehrt wurde, schleppen die Ameisen die nicht genießbaren Samen wieder aus ihrem Bau heraus. Daher wachsen viele Exemplare des Schöllkrautes entlang der Ameisenstraßen oder in der Umgebung von Ameisenbauten. Schätzungen ergaben, dass im Verlauf eines Jahres von einem mittelgroßen Staat der Roten Waldameise mehr als 35.000 Samen unterschiedlicher Pflanzenarten zusammengetragen werden. Dabei können die Strecken, die die kleinen Tiere zurücklegen, ziemlich groß sein. Es wurden Ameisen beobachtet, die Samen des Schöllkrautes aus einer Entfernung von mehr als 80 m zu

ihrem Bau schleppten. Im Regelfall werden aber vermutlich nur wenige Meter zurückgelegt. Pflanzen mit diesem speziellem Verbreitungsweg werden Ameisenwanderer genannt. Viele einheimische Vertreter dieser Pflanzengruppe sind unter den frühblühenden Waldpflanzen zu finden. Sie bieten den schon früh im Jahr, an sonnigen Februar- und Märztagen, aktiven Ameisen Nahrung. Dazu gehören das Busch-Windröschen (Anemone nemorosa), der Hohle Lerchensporn (Corydalis cava), das Nickende Perlgras (Melica nutans) und die Haar-Hainsimse (Luzula pilosa). Dieter Wiedemann Botanischer Verein zu Hamburg Diese Artikelserie wird von Mitgliedern des Botanischen Vereins zu Hamburg e.v. geschrieben. Im Mittelpunkt stehen Wildpflanzen, die in der Stadt vorkommen: Am Wegrand, an der Sraße, oder als unerwünschte oder geduldete Gäste im Garten. Wir wollen auf die Biologie und Geschichte dieser oft unscheinbaren Pflanzen aufmerksam machen. Wenn Sie Anregungen oder Fragen dazu haben, würden wir uns über Ihre Reaktion freuen. Postanschrift: Botanischer Verein zu Hamburg Horst Bertram Op de Elg 19a 22393 Hamburg Email: Ing.Brandt@t-online.de Homepage: www.botanischerverein.de