CHINAS DRACHEN- BABYS



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Transkript:

2.2013 DAS MAGAZIN VON SCA ÜBER TRENDS, MÄRKTE UND GESCHÄFTE CHINAS DRACHEN- BABYS für den Wettbewerb geboren WISSEN SIE, WO SICH DIE KEIME VERSTECKEN? Wie früh beginnt die Pubertät? Angepasste Strategien In die Zukunft schauen oder sterben

WISSEN SIE, WO SICH,, Wie bekämpfen Sie Keime in Ihrer Umgebung? Shape ist ein Magazin von SCA. Es richtet sich an Kunden, Aktionäre und Analysten, aber auch an Journalisten, Meinungsmacher und andere Personen, die sich für die Tätigkeit und Entwicklung von SCA interessieren. Shape erscheint viermal jährlich. Die nächste Ausgabe erscheint im Oktober 2013. Herausgeberin Joséphine Edwall-Björklund Chefredakteurin Marita Sander Redaktion Anna Gullers, Inger Finell, Ylva Carlsson Appelberg Gestaltung Markus Ljungblom, Kristin Päeva Appelberg Druck Sörmlands Grafiska AB, Katrineholm Anschrift SCA, Corporate Communications, Box 200, 101 23 Stockholm, Schweden Telefon +46 8 7885100 Fax +46 8 6788130 SCA Shape erscheint auf Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Niederländisch, Schwedisch und Spanisch. Das Magazin wird auf GraphoCote 90 Gramm von SCA gedruckt. Vervielfältigung nur mit ausdrücklicher Genehmigung von SCA Corporate Communications. Bei den hier vertretenen Meinungen handelt es sich um die der Autoren und Gesprächspartner. Diese entsprechen nicht unbedingt den Meinungen der Redaktion oder von SCA. Sie können SCA Shape abonnieren oder als PDF-Datei auf www.sca.com lesen. Adressänderungen können auf www.sca.com/subscribe oder per E-Mail an sophie.brauner@sca.com gemeldet werden. 2.2013 DAS MAGAZIN VON SCA ÜBER TRENDS, MÄRKTE UND GESCHÄFTE CHINAS DRACHEN- BABYS für den Wettbewerb geboren Titelfoto: Getty Images DIE KEIME VERSTECKEN? Wie früh beginnt die Pubertät? Angepasste Strategien In die Zukunft schauen oder sterben Anna McQueen Autorin, Frankreich, Interview mit Peter Holmgren, Seite 16-19 In Frankreich geben wir uns dauernd die Hand. Bekannte erwarten, dass wir sie auf beide Wangen küssen. Das ist gerade im Winter der perfekte Weg, sich einen Virus einzufangen. Ich wickle mich Nils-Petter Ekwall Zeichner, Schweden Ich bin ein fast schon zwanghafter Nutzer von Handgel. Ich wasche meine Hände häufi g, vor allem vor dem Essen. Ein Fläschchen mit Handgel habe ich immer dabei. Vor einer Ansteckung gern in einen Schal ein und tue so, als hätte ich la grippe. So leiste ich meinen Beitrag dazu, dass sich die Keime nicht weiter verbreiten können. habe ich eigentlich keine Angst, aber ich bin einfach lieber gesund als krank. Nils-Petter ist verantwortlich für die Illustration des Artikels über Keime, Seite 24-27. Köpfe hinter diesem Heft SCA IN DEN SOZIALEN NETZWERKEN Youtube.com/ SCAeveryday zeigt Werbespots und Videos von SCA Pressekonferenzen, Präsentationen und Interviews mit leitenden Angestellten und Mitarbeitern. Facebook.com/SCA spricht potenzielle Mitarbeiter an, bezieht Nutzer ein und dient ergänzend zu sca.com auch als Informationsplattform. Twitter.com/SCAeveryday informiert zusammenfassend über Ereignisse auf sca.com und in den sozialen Netzwerken von SCA. Der Twitter-Kanal soll eine Vielzahl von Nutzern, Journalisten und Bloggern mit wichtigen Informa tionen versorgen. Slideshare.com/ SCAeveryday richtet sich an Investoren und Analysten, die hier die Quartalsberichte und Berichte über die Hauptversammlungen herunterladen können. Scribd.com/ SCAeveryday stellt rund 50 Veröffentlichungen zur Verfügung, darunter den Nachhaltigkeitsbericht, den Bericht Hygiene Matters und das Shape- Magazin. Instagram/ SCAeveryday Fotos von und über SCA aus aller Welt. 2 SCA SHAPE 2 2013

INHALT 06. Keine unliebsamen Überraschungen, bitte! Für eine erfolgreiche Zukunft müssen Unternehmen Pläne für verschiedene Szenarien in der Schublade haben. 16. Bedrohte Wälder Peter Holmgren, Leiter des Zentrums für Internationale Forstwirtschaftsforschung, spricht über das Verhältnis von Umweltschutz und Wirtschaftsförderung. 20. Frühe Pubertät Mädchen werden schnell erwachsen. In Skandinavien bekommen sie ihre Periode durchschnittlich mit 13 Jahren. 24. Wo sich Keime verstecken Wissen Sie, wo die meisten Bakterien lauern und wie Sie ihnen aus dem Weg gehen können? 36. Die halbe Crew an Bord Fünf der elf Teilnehmerinnen des SCA Teams für das Volvo Ocean Race stehen schon fest. 32 KLEINE DRACHEN 2012 wurden in China ungewöhnlich viele Babys geboren. Das ist kein Zufall. AUCH IN DIESER AUSGABE... 12 STUNDEN mit Omar Flores Seite 28 SHAPE UP Seite 30 31 SCA JAHRESHAUPTVERSAMMLUNG Seite 38 NACHRICHTEN VON SCA Seite 40 43 NILS-PETTER EKWALL WUSSTEN SIE SCHON... dass feuchte Hände bis zu 1.000 Mal mehr Keime beherbergen als trockene Hände? Seite 24.

UPDATEDNachrichten von SCA FOTO: ISTOCKPHOTO Abwärme heizt Gebäude DIE ABWÄRME des SCA Werkes in Ortmann, Österreich, wird von 80 privaten und öffentlichen Gebäuden zur Heizung verwendet. Zu den Einrichtungen, die ihren Heizbedarf ausschließlich durch die Abwärme decken, gehören ein Kindergarten, eine Behörde, Schulen und ein Zentrum des Roten Kreuzes. Über Wärmetauscher erwärmt das heiße Abwasser der Fabrik eine Fernwärmeanlage auf bis zu 105 Grad und ermöglicht dadurch eine Kohlendioxidreduzierung von 1.500 Tonnen pro Jahr. Das ist ein ausgezeichnetes Beispiel für den sparsamen Umgang mit Ressourcen und ein wertvoller Beitrag zur Energieeinsparung, erklärt Stephan Pernkopf, Landesrat der niederösterreichischen Landesregierung, in dessen Zuständigkeit das Thema Energie fällt. Fabriken, die in erneuerbare Energie investieren, schaffen Werte in der Region und verdienen unsere Unterstützung. Die Anzahl der mit Fernwärme beheizten Haushalte nimmt weiter zu. Noch in diesem Jahr soll eine Nachbargemeinde an das System angeschlossen werden. 4 SCA SHAPE 2 2013

Beliebte Akteure bei Anlegern CEO JAN JOHANSSON und Johan Karlsson, VP Investor Relations, beide von SCA, haben bei einer Umfrage unter Anlegern und Analysten Spitzenbewertungen erhalten. Der offene und professionelle Dialog mit Investoren und Analysten wird bei uns sehr ernst genommen, erklärt Joséphine Edwall- Björklund, SVP Corporate Communications. Jan Johansson, CEO Die Umfrage wurde von dem Beratungsunternehmen International Investor durchgeführt, das sich auf internationale Finanzthemen spezialisiert hat. Die befragten 860 Portfoliomanager und 1.580 Sell-Side-Analysten konnten bis zu vier Kandidaten in den Kategorien Bester CEO, Bester CFO, Bester IR Professional und Bestes IR-Unternehmen benennen. UMWELTSCHUTZ IN PHILADELPHIA Die für Nord- und Südamerika zuständige SCA Zentrale in Philadelphia wird ihren gesamten Strom aus erneuerbaren Energien beziehen. Das Unternehmen beteiligt sich am Keystone Solar Project, einem 5-MW- Solarenergieprojekt, das pro Jahr 8.000 MWh Strom erzeugen soll. EXPANSION IN GROSSBRITANNIEN Im Juli 2013 wird SCA Timber Supply UK zum alleinigen Lieferanten für Holz und Holzprodukte für über 200 Wickes-Geschäfte in Großbritannien werden. Dadurch verdoppelt das Unternehmen seinen Umsatz bei Baumärkten und Baufachhändlern. Laakirchen verkauft SCA HAT DIE FABRIK in Laakirchen, Österreich, planmäßig verkauft. Die Fabrik stellt Zeitschriftenpapier her und wurde von der Heinzel Holding für 100 Millionen Euro erworben. Im Rahmen eines auf zwei Jahre ausgelegten Gewinnbeteiligungsmodells ist eine weitere Zahlung in gleicher Höhe möglich. VERKAUF GENEHMIGT Die EU-Kommission hat SCA den Verkauf ehemaliger Geschäftseinheiten von Georgia-Pacific genehmigt. Als SCA im Juli 2012 das europäische Tissue geschäft von Georgia-Pacific übernahm, hatte die Kommission SCA entsprechende Auflagen für den Verkauf gemacht. HOCH BEWERTET SCA GEHÖRT NUN SEIT 13 Jahren zu den führenden Unternehmen im Nachhaltigkeitsindex FTSE4Good. Im aktuellen Ranking konnte sich SCA in der Kategorie Haushaltsgüter im Spitzenbereich positionieren. Der Aktienindex FTSE4Good, der sich aus nachhaltigkeitsorientierten Unternehmen zusammensetzt, ist eine Orientierungshilfe für Anleger. 600 Millionen 2 Milliarden Die Anzahl der Menschen über 60 Jahre wird von 600 Millionen (2000) auf voraussichtlich zwei Milliarden (2050) steigen. Quelle: UNO SCA SHAPE 2 2013 5

Die Unternehmen sehen sich sehr viel Unsicherheit gegenüber. Auf dieser Grundlage dürfen sie aber nicht zögerlich sein, sondern müssen Entscheidungen treffen. Um in der Zukunft erfolgreich zu sein, müssen sie Pläne für verschiedenste Szenarien in der Schublade haben. Text NANCY PICK Fotos MITCHELL FUNK Kristallkugel für 6 SCA SHAPE 2 2013

AUF DER SUCHE NACH DER ZUKUNFT Unternehmen DAS GESCHÄFTSLEBEN BIETET VIELE Was-wäre-wenn -Szenarien. Was passiert, wenn der Euro zusammenbricht? Was passiert, wenn die Arbeiter in China höhere Löhne fordern? Was passiert, wenn ein Konkurrent ein spannenderes Produkt auf den Markt bringt? Unsicherheit, schnelle Veränderungen und ein heftiger Konkurrenzkampf zwingen große Unternehmen, erhebliche Mittel aufzuwenden, um sich mit solchen Fragen zu beschäftigen. Ihre Gewinne und damit auch ihre langfristige Existenz hängen davon ab. Paul Saffo, ein führender Zukunftsforscher aus den USA, arbeitet für DISCERN Investment Analytics in San Francisco. Für ihn geht es bei Prognosen im Prinzip um eine einzige Frage: Wie kann man sich in einer zunehmend komplexen und unvorhersehbaren Welt vor Überraschungen schützen? In den vergangenen 20 Jahren haben sich Langzeitprognosen zu einem wichtigen Werkzeug entwickelt. Die Zukunftsforschung ist keine exotische Spielerei von schrulligen Beratern aus Kalifornien mehr, sondern ein fester Bestandteil im Geschäftsleben, sagt Saffo. Während Unternehmen früher ihre Geschäftsprognosen bei externen Beratern eingekauft haben, geht der Trend heute dahin, eigene Mitarbeiter mit dieser Aufgabe zu betrauen; ein Trend, SCA SHAPE 2 2013 7

der immer präzisere Ergebnisse liefert. Die Prognosen sind zum Opfer des eigenen Erfolgs geworden, sagt Saffo. Wir brauchen heute keine Experten für die Datenerhebung mehr, denn wir können uns die Daten selbst im Internet zusammensuchen. Neue Analysetools machen es Nichtspezialisten so leicht wie nie zuvor, Prognosen ins eigene Handeln zu integrieren. Viele Unternehmen, die früher externe Zukunftsforscher beauftragt haben, lassen Prognosen heute im eigenen Haus erstellen, meist in ihren Abteilungen für Öffentlichkeitsarbeit, Strategieentwicklung oder Business Intelligence, erklärt Saffo. Die Prognosen sollen weitreichende Risiken und Chancen identifizieren, auf die sich die Unternehmen entsprechend einstellen wollen. Die Daten sind der Schlüssel. Unternehmen wissen heute mehr über das Verhalten von Kunden und Verbrauchern als je zuvor. Darüber hinaus können firmeninterne Abteilungen für Business Intelligence mittlerweile die Daten so gut auswerten, dass dadurch die Gewinne gesteigert und entsprechend gute Prognosen erstellt werden können. Saffo kennt viele Unternehmen, die von geschickten Prognosen profitieren. Namen darf er jedoch nicht nennen: Das ist Voraussetzung für den Erfolg der Prognosen. Unternehmen wollen Viele Unternehmen, die früher externe Zukunftsforscher beauftragt haben, lassen die Prognose heute im eigenen Haus erstellen. Paul Saffo ihre Erkenntnisse nicht mit anderen teilen. Eine gewisse Ausnahme stellt Royal Dutch Shell dar. Der Ölriese gehörte zu den ersten Unternehmen, die in den 1970er Jahren mit Prognosen arbeiteten, und hat einige erfolgreiche Beispiele veröffentlicht. Die Predictive Analytics sind heute ein heißes Thema. Bekannt wurden sie durch den Film Moneyball, der auf Tatsachen beruht. Darin stellte das Management eines US-Baseballteams, das nur ein geringes Budget hatte, allein anhand von Spielerstatistiken ein Team zusammen, das scheinbar wild zusammengewürfelt war und war damit überaus erfolgreich. Bei diesen Analysen wird mit Algorithmen nach Mustern gesucht, aus denen sich Trends ableiten lassen. Studien haben die Aussagekraft das Verfahrens belegt: Vor drei Jahren hat die Wirtschaftszeitschrift MIT Sloan Management Review 3.000 Führungskräfte auf der ganzen Welt nach ihrer Einstellung zu Prognosen befragt. Bei den leistungsstärksten Unternehmen war der Einsatz von anspruchsvollen Analysewerkzeugen dreimal wahrscheinlicher als bei den weniger starken

AUF DER SUCHE NACH DER ZUKUNFT Unternehmen. Experten glauben, dass Unternehmen mit den Analysen besser vorhersagen können, wer ihre Kunden sind, was sie wollen und was erforderlich ist, damit sie Kunden bleiben. In einigen Unternehmen werden auch die Abteilungen für Öffentlichkeitsarbeit zunehmend wichtiger für die Ausrichtung des unternehmerischen Handelns. Unternehmen mit Niederlassungen auf der ganzen Welt setzen diese Abteilungen ein, um wichtige Informationen unternehmensweit zu erfassen und zu kommunizieren. So schaffen sie die Grundlagen für eine einheitliche Konzernstrategie. GETTY IMAGES WAS-WÄRE-WENN -Szenarien sind ein wichtiges Instrument für Unternehmen, die sich gegen Wechselkursschwankungen, steigende Ölpreise, Tsunamis und Kriege wappnen müssen. Der Finanzsoftwarehersteller Quantrix führte vor zwei Jahren eine Umfrage zur Budgetierung und Prognostizierung durch. Die Firma fand heraus, dass viele große Unternehmen jedes Jahr über ein Dutzend Was-wäre-wenn -Szenarien durchspielen und dabei einen erheblichen Zeit- und Ressourcenaufwand betreiben. Eine Vorhersage dürfte in jedem Fall richtig sein: Großunternehmen werden auch weiterhin Prognosen erstellen. Bei den leistungsstärksten Unternehmen ist der Einsatz von anspruchsvollen Analysewerkzeugen dreimal wahrscheinlicher als bei weniger starken Unternehmen. Beliebter als der Hummer: der Toyota Prius UNTERNEHMEN AM PULS DER ZEIT Verbraucherforschung ist für Unternehmen unverzichtbar geworden. Einige der einflussreichsten Firmen zeigen, wie es geht. Der Telekommunikationskonzern Ericsson gibt sehr viel Geld für Prognosen aus. Obwohl das Unternehmen hauptsächlich im Firmenkundengeschäft tätig ist, betreibt es seit 1995 ein eigenes Verbraucherlabor, um neue Trends frühzeitig zu erkennen. Verbraucherforschung ist für das wirtschaftliche Überleben unverzichtbar, erklärt Sofi a Mankert, Beraterin beim Strategieanalysespezialisten United Minds. Ein schönes Beispiel sind die Automarken Hummer und Toyota Prius. In den USA ist aus dem einstigen Statussymbol Hummer wegen dessen hohen Benzinverbrauchs ein Umweltsünder geworden und in der gleichen Zeit hat Toyota ein sparsames Hybridauto entwickelt. Die Japaner haben erkannt, dass sich die öffentliche Meinung wandelt, und rechtzeitig ein Erfolgsmodell auf den Markt gebracht. Und Hummer? Ist pleite. Die aufkommende Umweltbewegung verändert das Verbraucherverhalten seit rund zehn Jahren. Wir achten heute stärker auf den Schutz unserer natürlichen Ressourcen und die Klimafolgen unseres Verhaltens. Die Herstellungsbedingungen von Produkten rücken ins Bewusstsein der Verbraucher; SCA SHAPE 2 2013 9

AUF DER SUCHE NACH DER ZUKUNFT eine Entwicklung, die von Firmen aufgegriffen wird. CSR ist zum wichtigen Verkaufskriterium geworden. Nike hat dies früh erkannt und ist mit YouTube-Videos auf den Recyclingtrend aufgesprungen. Es reicht nicht, die negativen Folgen einzudämmen, erklärt Mankert. Nike hat das erkannt und ist einen Schritt weiter gegangen. Neben CSR setzt die Firma heute auf CSV Creating Shared Value oder gemeinsame Wertschöpfung und rückt seine Produkte in einen größeren Kontext. Nike zeigt, dass Laufschuhe die Bewegung fördern, Sport gegen Fettleibigkeit und Diabetes hilft und die Produkte von Nike einen Beitrag zu gemeinsamen Zielen leisten. Mankert glaubt, dass viele Unternehmen diesen Schritt vom Shareholder- zum Stakeholder-Value machen müssen, wenn sie erfolgreich sein wollen. Das diversifi - zierte Vertriebsnetz von Unilever in Indien sei ein Beispiel für eine Lösung, von der alle Beteiligten profi tieren. Nicht nur der Unilever Konzern, der seinen Umsatz steigern konnte, zählt zu den Gewinnern, auch Millionen kleiner Firmen und Geschäftsleute, die ihre Erträge so erwirtschaften. SUSANNA LINDGREN Fakten oder Bauchgefühl? Wie können sich Unternehmen vor unliebsamen Überraschungen schützen? Der US-Zukunftsforscher Paul Saffo gibt Hinweise. foto JEFF SINGER Nike nutzt den Gesundheitstrend intelligent aus 10 SCA SHAPE 2 2013

PAUL SAFFO wohnt direkt neben einer Schlucht bei San Francisco, nur drei Meilen von der San-Andreas-Verwerfung entfernt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich dort in den nächsten 20 Jahren ein größeres Erdbeben ereignet, liegt bei fast 65 Prozent. Für die seismische Aufrüstung meines Hauses habe ich weit mehr Geld ausgegeben, als vernünftig ist, lächelt Saffo. Angesichts seines Berufs sollte er das Risiko eigentlich ernster nehmen. Saffo hat die ungewöhnliche Funktionsbezeichnung Managing Director of Foresight, arbeitet für DISCERN Investment Analytics in San Francisco und unterrichtet an der Stanford University. Die Wissenschaft der Vorhersage erlebt gerade ihren großen Durchbruch. Wir haben immer schnellere Computer, immer bessere Algorithmen und vor allem einen riesigen, stetig wachsenden Pool an digitalen Daten, sagt Saffo. Gute Zeiten für Futurologen, sofern sie etwas von Mathematik verstehen. Früher mussten sich Zukunftsforscher nicht mit Differenzial- und Integralrechnung auskennen, erklärt Saffo. Das hat sich grundlegend geändert. Wer heute nicht programmieren kann, dürfte nur eine sehr kurze Karriere als Zukunftsforscher haben. Als Beispiel nennt er einen Fall, der in den USA Furore gemacht hat: Der Statistiker Nate Silver konnte die Sieger der US-Präsidentenwahl 2012 in allen 50 Bundesstaaten korrekt voraussagen. Die Kommentatoren aus den Medien standen wie begossene Pudel da, sagt Saffo. Silver hat gezeigt, dass die statistische Analytik heute bessere Ergebnisse liefert als die klassische politische Analyse. Saffo bewegt sich meist im Grenzbereich zwischen qualitativen und quantitativen Verfahren. Für eine gute Prognose musst du abwägen können: Hat der Computer Recht oder soll ich lieber meinem Bauchgefühl vertrauen? Die Computerprogramme werden immer besser und mit ihnen auch die Prognosen. Solche Hilfsmittel liefern Erkenntnisse, die sonst leicht übersehen würden. Bevor du eine Prognose erstellst, musst du herausfinden, welche Vorurteile du hast. Dazu reichen oft ein paar einfache Fragen aus: Ist das Glas halb voll oder halb leer? Bist du Optimist oder Pessimist? Die meisten Prognosen laufen von Anfang an in eine falsche Richtung, weil wir durch unsere Vorurteile blind für mögliche Ergebnisse sind. Wenn du aber deine eigene Meinung hinterfragst, wandelst du deine Voreingenommenheit in Intuition um. Und die Erdbeben in Kalifornien? Saffo macht sich keine großen Sorgen: Kommt es wirklich zu einem großen Erdbeben, bin ich wahrscheinlich nicht ganz darauf vorbereitet. Aber ich werde auch nicht überrascht sein. Für die seismische Aufrüstung meines Hauses habe ich weit mehr Geld ausgegeben, als vernünftig ist. SCA SHAPE 2 2013 11

BLICK IN DIE ZUKUNFT Vom Risiko zur Chance In Bereichen wie Umwelt, Gesundheit und Forstwirtschaft müssen Unternehmen wie SCA die regulativen Entwicklungen genau im Auge behalten. DIE WELT IST KOMPLEX und es ist nicht einfach, an der Spitze zu bleiben. Niemand weiß das besser als Benjamin Gannon, der seit 2011 bei SCA als VP Public Affairs tätig ist. Neu ist, dass wir nach externen Effekten suchen, die sich auf das Unternehmen auswirken könnten, weil sie möglicherweise zu Gesetzesänderungen oder Änderungen im Kundenverhalten führen, erklärt Gannon. Ein Beispiel ist das weltweit starke Anwachsen der älteren Menschen eine Entwicklung, die auch für SCA von großer Bedeutung ist. Die Pflege der Älteren stellt für Volkswirtschaften eine enorme Herausforderung dar. Wird diese vorrangig in den eigenen vier Wänden erfolgen? Wie wird die Inkontinenzversorgung finanziert werden? In vielen Ländern diskutiert SCA solche Fragen mit Behörden und Entscheidern. Angesichts des Tempos, in dem sich Gesetze ändern können, reiche es nicht mehr, die Informationen aus den gewohnten Kanälen zu beziehen, erläutert Gannon: Wenn ein Thema dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt wird, ist es zu spät. In jedem politisch wichtigen Bereich gibt es Quellen, die im Auge behalten werden sollten: - Chemikalien- und Umweltschutzvorschriften. Die ersten Initiativen tauchen in Blogs und wissenschaftlichen Debatten auf. - Sozial- und Gesundheitspolitik. Trendsetter sind meist Fachleute in Schweden, Deutschland und Großbritannien. - Forstpolitik. NGOs wie Greenpeace und der WWF beeinflussen die globale Agenda. Gannon befürwortet einen systematischen Ansatz, der beim Monitoring anfängt, aber auch vor Forschung, Analyse und Engagement nicht haltmacht. Dadurch machen wir den Schritt vom Risikomanagement zum Chancenmanagement, meint er. Polnische Kühe machen Siesta neben dem ersten europäischen SCA Werk, das ausschließlich mit erneuerbarer Energie arbeitet. Heute nachdenken über die Energie von morgen Als Verbraucher und Erzeuger von Strom reagiert SCA empfindlich auf Schwankungen der Energiepreise. Der Energiekurs in Europa ist alles andere als eindeutig. Die Zukunft kann viele Überraschungen bringen. 12 SCA SHAPE 2 2013

Wenn ein Thema dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt wird, ist es zu spät. F ÜR DIE HERSTELLUNG VON PAPIER wird sehr viel Energie verbraucht, doch die weitere Entwicklung der Energiepolitik ist alles andere als klar. Ferdinand Graf von Keyserlingk verfolgt intensiv die Trends in diesem Bereich. Wenn sich Änderungen bei den Energiebestimmungen abzeichnen, informiere ich das Unternehmen, damit wir unsere Energiestrategie schnell und umfassend anpassen können, erklärt von Keyserlingk, der bei SCA in Mannheim als Manager for Regulartory Affairs and Energy Projects tätig ist. Dass ein Unternehmen einen Mitarbeiter beschäftigt, der sich ausschließlich mit diesen Fragen beschäftigt, dürfte ziemlich einzigartig sein. Alle strategischen Energieziele in Europa würden Gesetzesänderungen nach sich ziehen, erklärt er anhand von Beispielen: Entwicklung erneuerbarer Energien, Schaffung eines gemeinsamen europäischen Energiemarkts und der Klimaschutz. Regierungen können ihre Energiepolitik praktisch über Nacht ändern. Ein Beispiel ist die Energiewende in Deutschland vor zwei Jahren. Keyserlingk weiß, dass die Betriebskosten von SCA zu einem großen Teil direkt von den Energiepreisen abhängen. SCA ist einerseits Papierhersteller, erzeugt aber andererseits Energie aus Erdgas, Windkraft und Biokraftstoffen. Wir haben also vielfältige Energieinteressen. Darum müssen wir uns europaweit austauschen und einen einheitlichen Energieplan entwickeln, der alle Geschäftsfelder berücksichtigt. SCA SHAPE 2 2013 13

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Waldtausch für Naturschutzgebiet in Schweden Wir haben einen Durchbruch bei unseren Verhandlungen mit großen Waldbesitzern erzielt. Maria Ågren, Leiterin der schwedischen Umweltschutzbehörde Wertvolle Waldflächen wechseln den Besitzer: 23.000 Hektar SCA Wald im Wert von 1 Mio. SEK werden Naturschutzgebiete. SCA UND DIE Schwedische Umweltschutzbehörde haben einen Landtausch vereinbart, mit dem der schwedische Staat seine Nachhaltigkeitsziele für die Forstwirtschaft erfüllen möchte. Insgesamt übernimmt die Behörde 23.000 Hektar von SCA was mehr als 50.000 Fußballfeldern entspricht. Im Austausch erhält SCA 32.000 Hektar Wirtschaftswald von der Behörde. Der Tausch ist eine zeit- und kostengünstige Möglichkeit zum Aufbau von Naturschutzgebieten. Die Waldflächen der beiden Vertragsparteien haben einen Wert von jeweils 120 Millionen Euro. Produktivflächen sind für große und kleine Waldbesitzer oft erheblich lukrativer als Geld, erklärt Lars Rubensson, der als Landvermesser für SCA arbeitet. SCA nimmt freiwillig ein Zehntel der eigenen Waldfläche aus der wirtschaftlichen Nutzung heraus. Wir geben Flächen von sehr hohem natürlichen und finanziellen Wert ab und halten es daher für angemessen, Ersatzflächen von der Regierung zu erhalten. Maria Ågren, die Leiterin der Schwedischen Umweltschutzbehörde, sieht in dem Tauschgeschäft einen Meilenstein für die Schaffung von Naturschutzgebieten: Wir haben damit einen Durchbruch bei unseren Verhandlungen mit großen Waldbesitzern erzielt. Das Land, das wir abgeben, haben wir per Parlamentsbeschluss von Sveaskog, dem größten schwedischen Waldbesitzer, mit der Auflage erhalten, es für genau solche Transaktionen zu verwenden. Das Tauschland liegt in den vier nördlichsten Provinzen Schwedens. Eine Ausnahme bildet ein Wald im Nordosten der Provinz Gävleborg, 300 Kilometer nördlich von Stockholm. FOTO: DIE SCHWEDISCHE UMWELTSCHUTZZBEHÖRDE SCA SHAPE 2 2013 15

10 FRAGEN Der Beschützer der Wälder

Weltweit sind die Waldbestände bedroht. Abholzung, Klimawandel und der steigende Bedarf an Biokraftstoff machen den Wäldern zu schaffen. Peter Holmgren ist nach Indonesien gezogen, um als Leiter des Center for International Forestry Research an der Lösung dieser Probleme zu arbeiten. Text ANNA MCQUEEN Fotos CHRIS STOWERS/PANOS Woher kommt Ihr Engagement für den Wald? Ich bin in Göteborg aufgewachsen und habe als Pfadfinder mit meinen Freunden zu jeder Jahreszeit in der freien Natur gecampt. Das hat mir so gut gefallen, dass ich Forstwirtschaft an der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften in Umeå studiert habe und 1987 dort meinen Master machte. Während des Studiums begann ich mich für internationale Projekte zu interessieren. Ich habe Kurse für internationale Entwicklung besucht und Feldstudien in Afrika gemacht. Später habe ich an Forstprojekten auf den Philippinen, in Kenia und in Pakistan mitgearbeitet. Warum wird die Abholzung momentan so heiß diskutiert? Der Wald ist sehr wichtig für uns. Bäume reinigen unsere Luft, filtern unser Wasser, geben uns Holz, Energie, Nahrung und Peter Holmgren Alter: 50 Geboren in: Göteborg (Schweden) Beruf: Leiter des Center for International Forestry Research (CIFOR) Karriere: Entwickelte Waldbewirtschaftungssysteme für die schwedische Holzverarbeitungsindustrie. Arbeitete 14 Jahre in der UN-Ernährungsund Landwirtschaftsorganisation (FAO) in Rom. Ist seit 2012 für das CIFOR tätig. Wohnort: Jakarta (Indonesien) Familie: Verheiratet mit Ann-Sofie, drei Kinder (12, 16 und 18) Hobbys: Fotografieren, Kochen Lieblingsbeschäftigung, die mit dem Wald zu tun hat: Lesen ich bevorzuge immer noch das gedruckte Buch! Verborgenes Talent: Ich kann einen Lkw mit Anhänger auch auf engstem Raum manövrieren.

10 FRAGEN Medizin. Der Wald bindet einen beträchtlichen Teil des Kohlendioxids, den wir in die Atmosphäre abgeben, und verlangsamt damit den Klimawandel. Allerdings befürchten Wissenschaftler, dass der Wald auch selbst zum Opfer der Erderwärmung wird. In den Wäldern leben auch die meisten an Land lebenden Arten. Die Abholzung, also die Umwandlung von Waldflächen für eine andere Nutzung, bereitet daher vielen Menschen Sorgen. Wo werden gerade Wälder abgeholzt? Sehr umstritten sind die Kahlschläge in Brasilien und Südostasien. Dort haben sich die Nutzflächen für die Land- und Viehwirtschaft stark zu Lasten der Wälder ausgebreitet. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit 13 Millionen Hektar pro Jahr abgeholzt werden ein Hektar alle 2,5 Sekunden. Das geschah früher auch in Europa und Nordamerika, doch durch die wirtschaftliche Entwicklung, die Urbanisierung und effizientere Anbauverfahren hat sich die Landwirtschaft nicht weiter ausgebreitet und der Wald konnte schrittweise zurückkehren. Unternimmt die Forstwirtschaft etwas gegen diese Entwicklung? Die Abholzung geht weiter und überall werden nach wie vor Wälder für den industriellen Holzeinschlag genutzt. Gleichzeitig entstehen immer mehr reine CENTER FOR INTERNATIONAL FORESTRY RESEARCH DAS CIFOR ist ein gemeinnütziges globales Institut, dessen Forschungsarbeiten zu einer informierten und gerechten Beteiligung an Entscheidungen über die Forstbewirtschaftung in weniger entwickelten Ländern beitragen sollen. Das Institut beschäftigt sich mit der Frage, welche forstwirtschaftlichen Möglichkeiten es gibt, um den Klimawandel zu verlangsamen und Menschen zu unterstützen, deren Lebensgrundlage eine kleinteilige Waldbewirtschaftung ist. SCA WÄLDER SCA ist der größte private Waldbesitzer in Europa. Das Unternehmen bewirtschaftet 2,6 Millionen Hektar Waldfläche. Sämtliche SCA Wälder haben ein FSC- und PEFC-Zertifikat für nachhaltige Forstwirtschaft. Knapp sieben Prozent der Waldfläche werden von SCA für die ökologische Landschaftsplanung reserviert. Für den Artenschutz werden darüber hinaus bei Abholzungen mindestens fünf Prozent der Bäume stehen gelassen. Jedes Jahr züchtet SCA über 100 Millionen Setzlinge. Produktionswälder. Weltweit nehmen diese Produktionswälder fast 300 Millionen Hek tar also sieben bis acht Prozent des weltweiten Waldbestands ein und können einen Großteil des industriellen Holzbedarfs decken. Einige Beobachter glauben, dass diese Art von Wäldern eine Bedrohung für die Artenvielfalt sind und die einheimische Bevölkerung nicht von diesen Wäldern profitiert. Unter sozialen, ökonomischen und ökologischen Aspekten können gut bewirtschaftete Produktionswälder allerdings sehr sinnvoll sein, vorausgesetzt es werden wirklich alle Aspekte berücksichtigt. Könnte der Klimawandel durch einen Abholzungsstopp verlangsamt werden? 12 bis 15 Prozent der Treibhausgasemissionen, die in die Atmosphäre gelangen, sind auf den Verlust von Waldflächen zurückzuführen. Verglichen mit den anderen Einflussmöglichkeiten, die wir auf das Klima haben, scheint es daher sinnvoll und intelligent zu sein, die Abholzungen und die Waldschädigung zu stoppen. Die entsprechenden Bemühungen stehen ganz oben auf der internationalen Agenda, doch wir haben auch erkannt, dass sich die Forstwirtschaft nicht ausschließlich nach Klimaaspekten gestalten lässt und dass wir die Abholzung nur stoppen können, wenn wir dabei die Landwirtschaft und die ländliche Entwicklung einbeziehen. Wie sollten wir unsere Wälder Ihrer Meinung nach bewirtschaften? Wir brauchen ein gesundes Verhältnis aus Produkten und Dienstleistungen. Bei der Bewirtschaftung von Wäldern geht es nicht nur um Holz, sondern auch um Nahrung, Energie und Medizin. Es geht um Ökosystemleistungen wie Wasser, Artenvielfalt 18 SCA SHAPE 2 2013

und um eine agrarfreundliche Klimaregulierung, die die örtlichen Lebensgrundlagen verbessert. Die forstwirtschaftlichen Akteure sollten ihre Perspektiven erweitern und mehrere Ziele gleichzeitig verfolgen. Was halten Sie von Biokraftstoff? Die Herstellung von Biokraftstoff hat erheblich zugenommen. Die ethische Diskussion, ob die Landwirtschaft zur Erzeugung von Energie in Konkurrenz zur Herstellung von Lebensmitteln gerät, ist meiner Ansicht nach etwas übertrieben, doch wenn Regierungen in reicheren Ländern die Biokraftstoffe aus Entwicklungsländen subventionieren, kann es zu Wettbewerbsverzerrungen mit unbeabsichtigten Auswirkungen für die Armen kommen. Wenn sich mit Biokraftstoffen Geld verdienen lässt, werden sich auch die dafür benötigten Anbauflächen vergrößern. Ein interessanter Aspekt ist die mögliche Herstellung von Biokraftstoffen aus Bäumen statt aus Nutzpflanzen. Wo stehen wir heute? Das Tempo des Kahlschlags verlangsamt sich etwas, doch Artenvielfalt und Erderwärmung bleiben drängende Probleme. Die Rolle der Landwirtschaft bei der wirtschaftlichen Entwicklung und die Nachfrage nach Agrarprodukten bestimmen den weiteren Verlauf wesentlich stärker als die Forstindustrie. Die Investitionen in die Forstwirtschaft scheinen zu steigen und der Handel Bei der Forstwirtschaft geht es nicht um Bäume, sondern um Menschen. Bäume sind nur insofern wichtig, wie sie für den Bedarf des Menschen notwendig sind. mit Forstprodukten hat ein großes Volumen. Er macht rund zwei Prozent des Welthandels mit Gebrauchsgütern aus und ist damit eine Schlüsselkomponente für umweltbewusstes Wirtschaften in der Zukunft. Was sind die größten Gefahren? Die Weltbevölkerung wächst, aber wenn sich die aktuellen Konsummuster nicht ändern, wird die Nachfrage nach neuen Anbauflächen ziemlich schnell rückläufig sein, denn infolge der Modernisierung der Landwirtschaft kann der steigende Bedarf durch eine höhere Produktivität gedeckt werden. Wenn sich die westliche Ernährungsweise viel Fleisch, viele Lebensmittelabfälle allerdings weiter ausbreitet, steigt auch der Bedarf an Anbauflächen. Durch den Klimawandel nehmen die Unsicherheiten noch zu. Das Ernährungsverhalten und der Klimawandel könnten letztlich problematischer sein als das Bevölkerungswachstum. Wie sieht die Zukunft für unsere Wälder aus? Eine Prognose ist schwierig, doch im Augenblick ist die Abholzung rückläufig und ich sehe keinen Grund, warum sich das nicht fortsetzen sollte, wenn wir eine umsichtige Nahrungsmittel- und Kraftstoffpolitik betreiben und die Landbevölkerung an der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung beteiligt wird. Um den bekannten Förster Jack Westoby zu zitieren: Bei der Forstwirtschaft geht es nicht um Bäume, sondern um Menschen. Bäume sind nur insofern wichtig, wie sie für den Bedarf des Menschen notwendig sind. SCA SHAPE 2 2013 19

Schneller erwachsen 14 Jahre alt, als sie ihre erste Periode bekam Mädchen bekommen ihre Periode heute früher als ihre Mütter und viel früher als ihre Großmütter. In den vergangenen 150 Jahren hat sich der Zeitpunkt der ersten Menstruation um vier Jahre nach vorn verschoben. Die Ernährung ist ein wichtiger Faktor für diese Entwicklung, aber nicht der einzige. Text SUSANNA LINDGREN 13 Jahre alt, als sie ihre erste Periode bekam VERBOT VON CHEMIKALIEN IM MÄRZ 2013 hat das Europäische Parlament den Vorschlag unterstützt, hormonaktive Chemikalien als besonders besorgniserregende Stoffe einzustufen, da der Verdacht auf Wechselwirkungen mit dem Hormonhaushalt besteht. Hormonaktive Stoffe stehen im Verdacht, bei Jungen die Spermienqualität zu mindern, die frühzeitige Ausbildung der weiblichen Brust auszulösen sowie Krebs und andere Krankheiten zu begünstigen. 20 SCA SHAPE 2 2013