Männer können alles außer Gesundheit Männer könnten genau so lange leben wie Frauen. Tun sie aber nicht. Warum eigentlich? Es zwackt im Knie, es zwirbelt im Rücken, und der Schädel brummt auch mehr als noch vor 10 Jahren ab 30 meldet sich der Körper häufiger krank als früher. Da geht es Männern nicht anders als Frauen. Nur: Männer tun im Schnitt wesentlich weniger für ihre Gesundheit als ihre weiblichen Altersgenossen und gehen seltener zum Arzt das haben Studien gezeigt. Die Wissenschaft sagt aber auch: Wer auf sich und seinen Körper achtet und wer regelmäßig zur Vorsorge geht, bleibt im Schnitt länger leistungsfähig und lebt länger. Männer haben Muskeln, Männer sind furchtbar stark, Männer können alles, sang Herbert Grönemeyer in seinem Hit Männer, der sich ironisch damit beschäftigt, wie sich Männer über ihre Leistungs- und Leidensfähigkeit definieren: Jeder Mann will groß, stark, durchtrainiert, attraktiv und natürlich gesund sein. Schwäche und Krankheit dagegen kennt er höchstens vom Hörensagen. Doch wie sieht die Wirklichkeit aus? Fast alle Männer arbeiten Vollzeit, einige bekleiden Führungspositionen, und im hektischen Alltag spielen Gedanken an die eigene Gesundheit kaum eine Rolle. Viele hetzen gestresst von einer Sitzung in die andere, ernähren sich von Fast Food oder zu fettigem Kantinenessen und legen nach Feierabend lieber bei einem Bierchen die Füße hoch als noch eine Runde um den Block zu joggen. Ein Besuch beim Arzt? Zeitverschwendung, denken viele Männer. Insgesamt achten die meisten Männer viel weniger auf ihren Körper als Frauen. Mehr rauchen, mehr trinken, mehr gesundheitliche Probleme Ein Klischee, meinen Sie? Nein, die Realität, sagen Wissenschaftler. Vor allem jüngere Männer muten ihrer Gesundheit oft viel zuviel zu, indem sie zu viel rauchen und trinken. Laut Daten des Robert-Koch-Instituts trinkt knapp ein Drittel der deutschen Männer zwischen 18 und 79 Jahren mehr Alkohol als ihr Körper medizinisch gesehen verträgt während nur 16 1
Prozent der Frauen dasselbe tun. 1 Und während 26 Prozent der über 18-jährigen Frauen rauchen, tun dies 34 Prozent der Männer. 2 Die Folge des ungesunden Lebens: Die ganze Palette der Zivilisationskrankheiten angefangen von Übergewicht, hohem Blutdruck und erhöhten Blutfettwerten bis hin zu ernst zu nehmenden Problemen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes. Darüber hinaus quälen sich viele Männer mit Rückenschmerzen: Laut dem aktuellen BKK Gesundheitsreport waren sie 2010 mit 21 Prozent die zweithäufigste Diagnose beim starken Geschlecht, während sie bei Frauen erst an dritter Stelle rangieren. 3 Viele dieser Beschwerden wären aber vermeidbar, wenn Mann mehr dagegen vorbeugen würde, wissen Ärzte. Denn regelmäßige Bewegung lockert Verspannungen und baut Stress ab. Damit Mann sich nicht alleine motivieren und um den Block quälen muss, bietet die BKK Präventionsprogramme - etwa mit Lauftrainings oder Rückenschulen - auch für Berufstätige. Laut Präventionsbericht des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDS) 2011 sind bei solchen Kursangeboten der gesetzlichen Krankenkassen allerdings nur etwa 23 Prozent Männer. 4 Regelmäßig zum Body-Check Die Sorge um den eigenen Körper steht deutlich hinter der um das eigene Auto zurück. So weiß jeder Fahrzeugbesitzer, dass regelmäßige Pflege und Wartung das Auto vor Rost und größeren Reparaturen schützt. Motiviert wird Mann dabei durch den gesetzlich vorgeschriebenen TÜV, der alle zwei Jahre vorhandene Probleme aufdeckt. Den freiwilligen TÜV für den eigenen Körper meidet Mann dagegen gerne, wie Daten der BKK zeigen: Nur etwa 13 Prozent 5 aller Männer in der entsprechenden Altersgruppe nehmen den Check-up 35 wahr. Zwar nimmt ab 40 Jahre das männliche Vorsorgebewusstsein und damit der Gang zur Vorsorgeuntersuchung mit jeder Dekade etwas zu erläutert Professor Dr. med. Frank Sommer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit e.v. 6 Er ist weltweit der erste Universitätsprofessor für Männergesundheit und lehrt an der Universität Hamburg-Eppendorf. Dennoch kann man sagen, dass auch der Anteil der über 40-Jährigen, die zur Vorsorge gehen, gerade mal bei 20 Prozent liegt. Unter diesen 20 Prozent, haben 1 http://www.rki.de/de/content/gesundheitsmonitoring/gesundheitsberichterstattung/gbedownloadst/ alkoholkonsum.pdf? blob=publicationfile, S. 12, 2. Spalte, 3. 5. Zeile von oben 2 http://www.gbebund.de/gbe10/abrechnung.prc_abr_test_logon?p_uid=gastg&p_aid=&p_knoten=fid&p_sprache=d& p_suchstring=14007, Punkt 2 bei den Kernaussagen 3 http://www.bkk.de/fileadmin/user_upload/pdf/arbeitgeber/gesundheitsreport/gesundheitsreport_2011.pdf, S. 22 4 Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen e.v., 2011, S. 63 5 BKK-Broschüre Fit durch Vorsorge und eine gesunde Lebensweise. Männergesundheit, S.3, 2. 6 Angaben des Lehrstuhls an dieser und anderer Stelle aus den vom Lehrstuhl zur Verfügung gestellten Unterlagen 2
seine Untersuchungen ergeben, fehlen vor allem die Männer mit niedrigem sozialen Status: Das Vorsorge-Bewusstsein bei Arbeitslosen und Männern aus sozial schwächeren Schichten ist besonders schlecht ausgeprägt, der prozentuale Anteil dieser Männer bei der Vorsorge entsprechend gering. Dabei wären gerade Vorsorgeuntersuchungen wie der Check-up 35 besonders nötig, da bei diesem buchstäblich auf Herz und Nieren getestet und dabei Blutdruck- und Blutfettwerte wie das Cholesterin gemessen werden. Erhöhte Blutdruck- und Blutfettwerte liegen bei Männern jeweils auf Platz eins und drei bei den ärztlichen Diagnosen. 7 Dabei sind Werte außerhalb der Norm an sich noch kein Grund zur Panik. Wenn der Arzt sie entdeckt und rechtzeitig gegensteuert, lassen sie sich oft wieder ins Lot bringen. Tut man das aber nicht, können sie langfristig zu Herzinfarkt oder einem Schlaganfall führen. Und damit wären wir bei der Fortsetzung des Grönemeyer-Songs angelangt: Männer kriegen nen Herzinfarkt. Tatsächlich erleiden Männer häufiger und im Schnitt zehn Jahre früher als Frauen einen Herzinfarkt. Im Jahr 2009 starben daran fast 34.000 Männer: das sind 84 Männer jeden Tag. 8 Warum aber gehen Männer seltener zum Arzt? Neben der festen Überzeugung, keine Zeit zu haben, und dem Gefühl, dass es unmännlich ist, beim Arzt zu jammern, haben viele Männer auch Furcht etwa vor schmerzhaften Untersuchungen oder vor einer negativen Diagnose. Dabei sind die meisten Vorsorgeuntersuchungen schmerzfrei und viele Krankheiten lassen sich heilen, wenn sie früh genug erkannt werden. Beispiel Krebs: Neben Darmkrebs zählt Prostatakrebs zu den häufigsten Krebsarten bei Männern. Ab 45 Jahren zahlt die Krankenkasse die Vorsorgeuntersuchung. Nicht einmal Praxisgebühren muss Mann dafür entrichten. Sobald Männer aber nur das Wort Prostata hören, schalten viele auf Durchzug. Die meisten fürchten sich vor der Tastuntersuchung durch den After, die aber in der Regel völlig schmerzfrei ist. Und wie Darmkrebs ist auch Prostatakrebs, wenn er früh erkannt wird, in den meisten Fällen heilbar. Keine Angst vor dem Urologen Der Besuch beim Urologen kann auch helfen, andere typisch männliche Gesundheitsprobleme zu lösen. Ein heißes Eisen für viele Männer ist die erektile Dysfunktion, auch als Impotenz bekannt. Immerhin rund 20 Prozent der 30-80-Jährigen 7 http://www.bkk.de/fileadmin/user_upload/pdf/arbeitgeber/gesundheitsreport/gesundheitsreport_2011.pdf, S. 22 8 BKK-Broschüre Fit durch Vorsorge und eine gesunde Lebensweise. Männergesundheit, S.4 3
leiden darunter 9, aber viele Männer scheuen sich, deshalb zum Arzt zu gehen. In den meisten Fällen kann der Arzt die Patienten beruhigen, denn häufig ist die Störung nur vorübergehend und ausgelöst durch akuten Stress. Es ist aber wichtig, organische Ursachen wie einen unerkannten Diabetes, Bluthochdruck oder eine Prostatavergrößerung auszuschließen. Außerdem kann der Arzt viele Tipps geben, was man tun kann, damit der kleine Freund wieder mitspielt. Männer können bei all diesen Problemen viel selbst tun: Ein gesunder Lebensstil hilft, die meisten Krankheiten zu vermeiden. Wer dreimal pro Woche eine halbe Stunde walkt, Rad fährt, schwimmt oder joggt, stärkt Herz und Kreislauf, verhindert Bluthochdruck und senkt nachgewiesenermaßen das Risiko für ernsthafte Erkrankungen wie Krebs. Wer dazu auf den schnellen und fettreichen Imbiss zwischendurch verzichtet, täglich etwa 1,5 bis 2 Liter trinkt, viel Obst und Gemüse, Getreide- und Vollkornprodukte und frischen Meeresfisch isst, leidet im Schnitt seltener unter Darmkrebs, Herzinfarkt und Schlaganfällen. Auch Stressabbau trägt dazu bei, den Körper fit zu halten. Die letzte Zeile des Refrains von Herbert Grönemeyer lautet bekanntermaßen Männer sind einsame Streiter, müssen durch jede Wand, müssen immer weiter. Das muss so nicht sein. Wer Aufgaben auch mal abgeben kann, sich Auszeiten für Hobbys und die Familie nimmt und lernt zu entspannen, lebt nachgewiesenermaßen gesünder und länger. Noch ist die Lebenserwartung der Männer nämlich etwa fünf Jahre kürzer als die der Frauen. 10 Aber das muss nicht so bleiben. Wie der Wissenschaftler Marc Luy von der Universität Rostock in der so genannten Klosterstudie 11 herausgefunden hat, leben Menschen etwa gleich lang, wenn sie einen ähnlichen Lebensstil führen. Männer können von ihren weiblichen Partnern lernen, mehr auf ihren Körper zu achten und gesünder zu leben. Und sie könnten wie die Frauen häufiger zum Arzt gehen. Die Zeit, die man dafür investiert, lohnt sich ganz praktisch. Denn nur wer seinen Körper regelmäßig checken lässt und pflegt, bleibt so gesund und stark wie Grönemeyer es besingt und Mann es sich erträumt. Zahlen, Daten und Fakten 12 Männer leben etwa 5 Jahre kürzer als Frauen 9 BKK-Broschüre Fit durch Vorsorge und eine gesunde Lebensweise. Männergesundheit, S.6 10 Statistisches Bundesamt (destatis), Wiesbaden 2011 11 http://www.klosterstudie.de/klosterstudie_geschlechterdifferenzen.pdf 12 Lehrstuhl für Männergesundheit an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf 4
Nur etwa 24 Prozent der Männer gehen zur gesetzlichen Krebsvorsorge (dazu Frauen im Vergleich 48 Prozent) 13 Männer haben eine höhere Risikobereitschaft für eine ungesunde Lebensweise (Rauchen, Alkohol, ungesunde Ernährung, wenig Bewegung) Die Zahl der Diabetes-Patienten ist bei Männern doppelt so hoch wie bei Frauen Jeder fünfte Deutsche leidet an Erektionsstörungen Männer zwischen 40 und 50 Jahren bekommen fünfmal häufiger einen Herzinfarkt als Frauen Die Selbstmordrate der Männer übersteigt die der Frauen um das Dreifache, die Rate der diagnostizierten Depressionen liegt aber nur halb so hoch. Weitere Informationen gibt es unter www.bkk-maennergesundheit.de. Das Portal ist eine von zahlreichen Maßnahmen einer Männergesundheitsinitiative der Betriebskrankenkassen. Das Portal ist speziell auf die Bedürfnisse des starken Geschlechtes zugeschnitten und bietet neben Infos zu den wichtigsten Vorsorgeuntersuchungen auch nützliche Tipps und interaktive Online-Checks. 13 Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Berlin 2011 5