Fragen und Antworten zu Kommunalabgabenrecht Haus & Grund Magdeburg e.v. bearbeitet von Dr. H. Neumann Ich habe einen Beitragsbescheid für mein Gartengrundstück erhalten. Danach werde ich für ein zweigeschossiges Haus veranlagt, obwohl auf dem Grundstück nur eine Schuppen und eine Garage stehen. Ist denn das rechtmäßig? Ja, nach dem geltenden Beitragsrecht wäre der Bescheid zulässig. Wenn vor Ihrem Grundstück eine betriebsfertige Abwasserleitung liegt, kann ein Abwasserbeitrag erhoben werden, auch wenn kein Grundstücksanschluss hergestellt wurde. Die Gerichte argumentieren, dass Sie ja die Möglichkeit hätten, jederzeit das Grundstück baulich zu nutzen und demzufolge den Vorteil, den Ihnen die Abwasserleitung bietet, in Anspruch zu nehmen. Dabei spielt es auch leider keine Rolle, ob angesichts des lokalen Wohnungs- und Gewerbemarktes eine Bebauung überhaupt Sinn macht. Dass Sie mit einem fiktiven zweigeschossigen Haus belastet werden, hängt damit zusammen, dass bei unbebauten Grundstücken auf die nähere Bebauung in der Umgebung abgestellt wird. Wäre dagegen auf dem Grundstück ein eingeschossiges Wohnhaus errichtet, würden Sie nur mit einer eingeschossigen Bebauung heran gezogen. Unabhängig davon sollten Sie prüfen, ob Festsetzungsverjährung eingetreten ist, bzw. sich ebenfalls überlegen, ob die Höchstverjährungsfrist des Kommunalabgabengesetzes in Ihrem Fall greifen kann. Wir haben einen Bescheid für einen Herstellungsbeitrag II erhalten. Bisher war nie die Rede davon, weil wir ja schon seit DDR- Zeiten an die zentrale Abwasserleitung angeschlossen waren. Ein Beitragsbescheid kann erlassen werden, wenn die Anlage (dazu zählt u. a. das Klärwerk und die Gesamtheit der Leitungen) erneuert, verbessert oder erstmalig hergestellt wurde. In den neuen Bundesländern war es lange unklar, ob für Grundstücke, die bereits zum Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes 1991 angeschlossen waren, überhaupt ein Beitrag zu erheben ist. Zunächst ging man von einem Verbesserungsbeitrag aus. Da die DDR- Kläranlagen zumeist nicht über eine biologische Endstufe verfügten, sahen die Gerichte die Kosten für die zusätzliche biologische Endreinigung als verbesserungsbeitragsfähige Aufwendungen an. Später wurde allerdings die Auffassung vertreten, dass im juristischen Sinne 1991 gar keine Kläranlagen existiert haben. Denn die Definition der öffentlichen Anlage nach dem Kommunalabgabengesetz des Landes Sachsen- Anhalt setzt Kommunen voraus, die es in der DDR nicht gab.
Durch diesen Kunstgriff, der sich ab 2002 in der Rechtsprechung durchsetzte, werden nun auch alle Grundstücke, die schon 1991 angeschlossen waren, noch einmal mit einem sogenannten besonderen Herstellungsbeitrag oder Herstellungsbeitrag II belastet. Ich habe von einer Festsetzungsverjährung von vier Jahren gehört. Wieso sind nicht alle diese Beitragsforderungen verjährt? Die Festsetzungsfrist von vier Jahren ist vom Gesetzgeber und auch von der Rechtsprechung seit Mitte 1990 systematisch ausgehebelt worden. Wenn Sie mehr über die Geschichte dieser Entwicklung erfahren wollen, empfehle ich Ihnen den Vortrag auf der Seite www.hugma.de. Richtig ist nach wie vor, dass die Festsetzungsverjährungsfrist vier Jahre beträgt. Sie beginnt allerdings erst zu laufen, wenn die sachliche Beitragspflicht entstanden ist. Sie kann erst entstehen, wenn die Anlage vor Ihrem Grundstück betriebsfertig hergestellt ist und wenn eine wirksame Satzung vorliegt. Bei der wirksamen Satzung liegt der eigentliche Knackpunkt. Das Verhältnis zu einer wirksamen Satzung zu einer normalen Abgabensatzung ist ungefähr wie das Verhältnis von relativer zur absoluten Wahrheit. Man kann sie zwar ständig anstreben, aber nie erreichen. Viele Abwasserverbände haben schon mehr als zehn Satzungsversuche in der Zeit seit 1991 hinter sich. Da die Gerichte auch entschieden haben, dass Satzungen nicht rückwirkend in Kraft gesetzt werden müssen (dann wäre nämlich Verjährung eingetreten) gab es vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 5.3.2013 (1 BvR 2457/08) praktisch keine Verjährung mehr. Ich habe von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes gehört, die die Rechtsprechung in Sachsen- Anhalt zur Verjährung kritisiert hat. Das ist richtig. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer wegweisenden Entscheidung am 5.3.2013 (1 BvR 2457/08) entschieden, dass es in der Abwägung zwischen Interessen des Staates und des Bürgers eine Höchstfrist für die Verjährung geben muss. Er hat damit auf die derzeitige Praxis reagiert, die normale Festsetzungsverjährungsfrist von vier Jahren praktisch auszuhebeln. Diese Festsetzungsverjährungshöchstfrist soll an die Entstehung des Vorteils bei dem Grundstückseigentümer gekoppelt sein und ist unabhängig von der sogenannten Entstehung der sachlichen Beitragspflicht und damit auch von der Frage, ob eine wirksame Satzung vorliegt. Welche Höchstfristen möglich sind und ob Übergangsregelungen, wie z. B. in Sachsen- Anhalt von der Landesregierung eingeführt wurden, verfassungsgemäß sind, ist noch nicht entschieden und wird in der juristischen Fachwelt diskutiert.
Die Landesregierung hat sich zu einer zehnjährigen Verjährungsfrist in einer Änderung des Kommunalabgabengesetzes bekannt. Gleichzeitig hat sie aber für eine Übergangszeit bis Ende 2015 für die Altfälle die Möglichkeit gegeben, noch alle Beiträge zu erheben. Wie werten Sie das? In der juristischen Literatur gibt es sehr viele Artikel, die sich mit der Frage der Länge der Verjährungsfrist beschäftigen. Meist wird es allerdings nur aus der Sicht der Abwasserverbände und Kommunen, und nie aus der Sicht des Bürgers, diskutiert. Haus & Grund hat eine Festsetzungsverjährungsfrist von vier Jahren gefordert. Wir halten allerdings auch die Zehnjahresregelung für noch akzeptabel. Immerhin muss man bedenken, was innerhalb von zehn Jahren passieren kann. Dort können Grundstücke verkauft und vererbt werden, es gibt Gutachten über Verkehrswerte und es gibt, wie in Sachsen- Anhalt, Veränderungen der Gemeindegrenzen und der Zugehörigkeit zu Abwasserverbänden. Rechtsicherheit für den Bürger bedeutet maximal eine Frist von zehn Jahren. Daher halten wir auch die Übergangsfrist, die eingeführt wurde, für verfassungswidrig. Dafür besteht keine gesetzliche Grundlage. Seit 2008 bestand auch Rechtsicherheit bei der Erhebung des sogenannten Herstellungsbeitrages II. Es gibt also keinerlei Rechtfertigung für die Übergangsfrist. Unser Landesverband hatte die Übergangsfrist kritisiert und will auch verfassungsrechtlich dagegen vorgehen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Verwaltungsrechtsprechung unseres Landes die Gesetzesnovellierung des Kommunalabgabengesetzes verfassungsrechtlich abgesegnet hat. Mit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes 4 L 24/14 vom 04.06.2015 wurde eine Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtes Halle negiert. Bei dem Verfahren handelt es sich um die Beitragserhebung für eine Teileinrichtung Straßenbeleuchtung einer Straße, die schon 1998 hergestellt wurde. Die Gemeinde hatte erst 2011 durch einen sog. Kostenspaltungsbeschluss die sachliche Beitragspflicht ausgelöst und 2012 die Beitragsforderungen verschickt. Die Vorinstanz des Verwaltungsgerichtes Halle hatte die Beitragserhebung für rechtswidrig erklärt. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 05.03.2013 habe auf die Vorteilsentstehung abgestellt und, da es die Kommune selbst in der Hand hatte, die Kostenspaltung herbeizuführen, sei eine Beitragserhebung 14 Jahre nach Beendigung der Baumaßnahme unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes für die Beitragspflichtigen nicht mehr möglich. Das OVG Sachsen-Anhalt hat sich anders entschieden. Durch die Übergangsregelung im Kommunalabgabengesetz, bis Ende 2015 Beiträge erheben zu können, würde sich eine Verjährungsfrist von max. 24,5 Jahren ergeben, was aus Sicht des OVG hinnehmbar sei. Aus der Sicht des Landesverbandes Haus & Grund Sachsen-Anhalt ist das Urteil leider keine Überraschung, weil unser Oberverwaltungsgericht auch in der Vergangenheit maßgeblich an der Konstruktion der rechtswidrigen Rechtsprechung
verantwortlich war, die letztendlich das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ausgelöst hatte. Besonders skandalös ist das Urteil allerdings im vorliegenden Fall, weil gerade zukünftig mit der Kostenspaltung strenger umgegangen werden muss. Denn eine Straßenbeleuchtung die fertig hergestellt ist, sollte auch abgerechnet werden. Die Beitragserhebung durch die Verschiebung des Kostenspaltungsbeschlusses fast 14 Jahre hinzuzögern, schafft nicht nur Unsicherheit bei den Beitragspflichtigen, sondern schädigt auch die Kommune. Trotzdem muss man nach der Entscheidung des OVG LSA folgendes feststellen: Da die Verjährungsregelungen im Kommunalabgabegesetz durch das höchste Verwaltungsgericht unseres Landes abgesegnet worden ist, ergibt sich zurzeit keinerlei Möglichkeit mit einem Widerspruch oder einer Klage bis zum OVG LSA erfolgreich zu bestehen. Der WAZ Wolmirstedt hat uns einen Bescheid für die Erstanschließung geschickt, obwohl wir schon beim Kauf dem Verkäufer extra für die Erschließung eine Menge Geld gezahlt haben. Ist das rechtmäßig? Dieser Fall ist uns bekannt. Sie haben damals für die sogenannte innere Erschließung Ihres Gebietes bezahlt, die kostenlos an das Abwasserkontor Biederitz übertragen wurde. Das Abwasserkontor Biederitz hatte damals auch auf Widerspruch der Betroffenen hin auf eine Beitragserhebung verzichtet. Die jetzige Erhebung nach fast zwei Jahrzehnten durch den Wolmirstedter Abwasserverband halten wir daher für rechtswidrig. Der Verband legt insbesondere ein bürgerfeindliches Verhalten an den Tag, weil er eine Musterverfahrensvereinbarung zu einer Musterklage mit Haus & Grund abgelehnt hat und damit alle Bürger einzeln in die Klage vor das Verwaltungsgericht Magdeburg treibt. Obwohl der Verband sich selbst vor dem Verwaltungsgericht vertreten kann, hat er eine Rechtsanwaltskanzlei beauftragt, um damit die Kosten in die Höhe zu treiben und Druck auf die Bürger auszuüben. Einzelheiten über das Verfahren erfahren Sie unter www.hugma.de/aktuelles. Wir haben einen Widerspruchsbescheid erhalten. Was sollten wir jetzt tun? Sie haben jetzt nur noch die Möglichkeit Klage vor dem Verwaltungsgericht einzureichen. Das muss mit einer Frist von einem Monat, ab Zustellung des Widerspruchsbescheides, erfolgen. Vor dem Verwaltungsgericht können Sie sich selbst vertreten, aber auch einen Rechtsanwalt beauftragen.
Günstig ist es immer, wenn sich mehrere Betroffene zu einer Gemeinschaft zusammen schließen und eventuell gemeinsam einen Rechtsanwalt beauftragen oder innerhalb einer Bürgerinitiative oder mit Haus & Grund versuchen, Ihr Recht zu erstreiten. Ich habe gehört, dass man Musterklagen vor dem Verwaltungsgericht führen kann. Ist das richtig? Leider kennt das deutsche Recht keine Möglichkeit, wie z. B. in den angelsächsischen Ländern, eine kostensparende Sammelklage vor dem Gericht durchzuführen. Wenn also alle Beteiligten schon einen Widerspruchsbescheid erhalten haben, muss jeder einzeln Klage einreichen. Haus & Grund schlägt allerdings den Verbänden vor, die Rechtstreitigkeiten auf faire Art auszuführen: Hier wird eine Musterverfahrensvereinbarung mit dem Verband abgeschlossen. Die beteiligten Mitglieder zahlen ihren Beitrag, legen aber gleichzeitig Widerspruch ein. Nach Absprache mit dem Abwasserverband werden ein oder zwei Widerspruchsbescheide erlassen, auf die dann mit Klage vor dem Verwaltungsgericht reagiert wird. So kann man kostengünstig die Rechtslage feststellen und auch für alle anderen Verfahren Rechtsicherheit erreichen. Das ist ein sehr bürgerfreundliches Vorgehen. Wir werden allen Verbänden diese Möglichkeit eröffnen. So haben wir bereits der Stadt Schönebeck und dem Wasserverband Gardelegen eine Musterverfahrensvereinbarung angeboten. Der Wolmirstedter Abwasserverband hat allerdings sofort abgelehnt und treibt alle Bürger einzeln zur Klage vor das Verwaltungsgericht. Im Augenblick sind allerdings Musterklagen wenig sinnvoll, weil das OVG LSA zur Verjährung entschieden hat. Interessant wird es, wenn das Bundesverfassungsgericht die Regelung des Landesgesetzgebers für Verfassungswidrig hält. Dann müsste in einem Rechtsstaat eigentlich eine Beitragsrückerstattung erfolgen. Mal sehen, was unsere Politiker dann sagen. Wie sehen Sie die Chancen, beim Herstellungsbeitrag II eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg zu gewinnen? Nach der oben bereits genannten Entscheidung des OVG LSA hat Ihre Klage wenig Chancen. Selbst wenn Sie kleinere Fehler im Bescheid, der Kalkulation oder der Satzung finden, hat der Verband die Möglichkeit der Heilung während des Verfahrens. Und, wenn Sie gegen den Bescheid insgesamt geklagt haben und der Bescheid sich hinterher (nach der Heilung durch den Abwasserverband) nur geringfügig ändert, kann es Ihnen noch passieren, dass der Verwaltungsrichter Ihnen die Kosten des Verfahrens auferlegt. Solche Fälle haben wir schon erleben müssen. Eine Kommentierung möchte ich mir an dieser Stelle ersparen.