Norbert Geis Mitglied des Deutschen Bundestages
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- Friedrich Siegel
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1 Norbert Geis Mitglied des Deutschen Bundestages Platz der Republik 1 Wilhelmstraße 60, Zi Berlin Tel: (030) Fax: (030) norbert.geis@bundestag.de 1 Rede zur 1. Lesung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern, - Drs. 17/ Rede gehalten in der 202. Sitzung des Deutschen Bundestages am Freitag, den 26. Oktober 2012 Es gilt das gesprochene Wort Die wichtigste Aufgabe der Eltern ist die Sorge für ihre Kinder. Nur durch diese sorgende Zuwendung entsteht Vertrauen und Geborgenheit. Dies ist die beste Voraussetzung für die Entwicklung des heranwachsenden Kindes. Zugleich wird durch Ehe und Familie die Generationenfolge und die Vermittlung des Humanvermögens gesichert. Deshalb sind Ehe und Familie die Grundlage von Staat und Gesellschaft. Das ist auch der Grund, weshalb Ehe und Familie in unserer Verfassung privilegiert sind. Für die elterliche Sorge sieht das Familienrecht keine eigene Regelung für die Entstehung des Sorgerechtes vor, wenn beide Eltern bei der Geburt der Kinder verheiratet sind. Dann steht beiden Eltern ab der Geburt des Kindes das Sorgerecht zu. Es genügt die Ehe. Sie ist das rechtliche Fundament für das gemeinsame Sorgerecht der Eltern. Die Ehe ist der natürliche Grundfall des elterlichen Sorgerechtes. Es ergeben sich aber dann Differenzen, wenn ein Kind nicht in eine intakte Ehe und Familie
2 hineingeboren wird, z.b. wenn Vater und Mutter nur eine vorübergehende Bekanntschaft hatten oder auch wenn sie zusammen leben, ohne aber eine rechtliche Bindung einzugehen. 2 Das geltende Gesetz sah ursprünglich für diesen Fall das alleinige Sorgerecht der Mutter vor. Es lag alleine in ihrem Ermessen, ob der Vater am Sorgerecht beteiligt wurde. Die Überlegung war, dass der nichteheliche Vater, mit dem die Mutter nichts zu tun haben wollte, keine Möglichkeit haben sollte, sich in das Leben der Mutter und des Kindes einzumischen. Das Verfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom diese Regelung für verfassungswidrig erklärt. Deshalb muss das Sorgerecht der nicht verheirateten Eltern neu geordnet werden. Auch die Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshof zwingt zu einer Neuregelung. Diese Neuregelung könnte so beschaffen sein, dass wie der eheliche Vater, auch der nichtehelichen Vater automatisch mit der Geburt des Kindes die elterliche Sorge erhält. Der Entwurf lehnt jedoch diesen Automatismus mit Recht ab. Er schreibt vielmehr vor, dass der nichteheliche Vater, wenn er das Sorgerecht haben will, einen entsprechenden Antrag zu stellen hat. Selbstverständlich können die nicht verheirateten Eltern durch eine Erklärung das gemeinsame Sorgerecht begründen. Das auf diese Weise zustande gekommene Sorgerecht bietet die beste Grundlage für eine anschließende einvernehmliche Wahrnehmung des gemeinsamen Sorgerechtes zum Wohl des Kindes.
3 Im Entwurf wird jedoch für diesen Fall ein wichtiger Aspekt übersehen. Bei der einvernehmlichen Übertragung des Sorgerechts ist nämlich eine Teilübertragung nicht möglich. Das Sorgerecht kann nur in vollem Umfang übertragen werden. Das halte ich für einen Fehler. Dies ist ein Widerspruch zu dem Fall, dass das Sorgerecht durch Antrag und gerichtliche Entscheidung übertragen wird. Für diesen Fall nämlich ist eine Teilübertragung vorgesehen. Dies sollte auch bei der einvernehmlichen Übertragung möglich sein. Ich bin sicher, dass es dann zu mehr einvernehmlichen Sorgerechtsregelungen kommen wird, wenn z.b. bei der Mutter das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht verbleibt. 3 Kommt es nicht zu einer einvernehmlichen Übertragung des Sorgerechts, ist der Vater darauf angewiesen, die Übertragung des Sorgerechts gegen den Willen der Mutter mit Antrag und gerichtlicher Entscheidung durchzusetzen. Maßstab für die gerichtliche Entscheidung kann aber nicht allein das Grundrecht des Vaters auf die Elternschaft sein. Maßstab der Entscheidung muss zu allererst das Wohl des Kindes sein. Es geht in erster Linie um die Sorge für das Kind und nicht um das Recht des Vaters oder der Mutter. Die vorgesehene Regelung sieht aber lediglich eine negative Kindeswohlprüfung vor. Der Vater erhält also auch gegen den ganz entschiedenen Willen der Mutter das Sorgerecht, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Dies reicht nach meiner Auffassung aber nicht aus. Wenn das Kindeswohl wirklich im Mittelpunkt von solchen Entscheidungen stehen soll, muss die Übertragung des Sorgerechtes auf den Vater dem Kindeswohl förderlich sein. Es wird eingewendet, das Gericht müsse dann eine Prognose treffen, ob die Übertragung des Sorgerechtes für das Kindeswohl wirklich förderlich ist. Selbstverständlich ist eine solche Prognose bei einem Säugling nur schwer möglich. Dies gilt aber auch für die Prüfung des negativen Kindeswohles.
4 4 Bei der Frage, ob das negative Kindeswohl ausreicht, ist auch zu bedenken, dass der Antrag oft erst gegen den erbitterten Widerstand der Mutter durchgesetzt wird. Bei einer solchen emotionalen Ablehnung des Vaters des Kindes durch die Mutter ist immer auch das Wohl des Kindes betroffen. Es genügt dann schwerlich die Feststellung, dass die Übertragung der elterlichen Sorge dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Es muss vielmehr gelten, dass gerade in einem solchen Fall die elterliche Sorge auf den Vater nur dann übertragen werden sollte, wenn sie für das Wohl des Kindes förderlich ist. Ganz erhebliche Bedenken gibt es gegen das im Entwurf vorgesehene vereinfachte Verfahren. Dieses vereinfachte Verfahren kommt dann zum Zug, wenn die Mutter nach sechs Wochen nach Zustellung des Antrages des Vaters keine Stellungnahme abgibt. In diesem Fall hat das Gericht dem Antragsteller das Sorgerecht ohne weitere Prüfung zu übertragen. Es genügen lediglich die Angaben zum Namen der Eltern und zum Namen und Geburtsdatum des Kindes. Liegen diese Angaben zusammen mit dem Antrag vor, hat das Gericht, wenn die Mutter nach sechs Wochen immer noch nicht geantwortet hat, keine andere Wahl, als dem Vater das Sorgerecht zu übertragen. Das Gericht wird so jedoch zum Automaten degradiert. Es muss im Blindflug entscheiden. Gerade im Interesse des Kindeswohles sollte sich das Gericht aber ein Bild von der Gesamtsituation machen können. Deshalb muss das Gericht die Möglichkeit haben, den Antragsteller und auch die Mutter vorzuladen, um mit diesen die Frage der gemeinsamen Sorge zu erörtern. Nur so können Missverständnisse oder auch rechtliche Fehlvorstellungen der Eltern ausgeräumt werden.
5 Notwendig ist auch, dass das Gericht im Falle des beschleunigten Verfahrens die Möglichkeit haben muss, das Jugendamt einzuschalten. All dies ist nach der jetzigen Regelung nicht möglich. Gerade aber in Interessen des Wohles des Kindes sind solche Prüfungen notwendig, bevor das Sorgerecht übertragen wird. 5 Im Übrigen setzt sich der Entwurf über den rechtlichen Grundsatz hinweg, dass unter Privaten Schweigen immer noch als Ablehnung gilt. Im Gegensatz dazu aber wird das Schweigen der Mutter im Antragsverfahren als Zustimmung gewertet. Ich bin daher der Auffassung, dass die 6-Wochen-Frist, die der Mutter für ihre Erklärung eingeräumt wird, zu kurz ist. Es muss der Mutter die doppelte Zeit eingeräumt werden, damit sie sich im Klaren darüber werden kann, ob es für sie und das Kind richtig ist, das beantragte Sorgerecht des Vaters zu akzeptieren oder aber ob sie den Kampf gegen ein solches Begehren aufnehmen muss. Der vorgelegte Gesetzentwurf wirft also immer noch Fragen auf, die es zu klären gilt. Ich bin aber sicher, dass die Regelung des Sorgerechts der nicht miteinander verheirateten Eltern vom Bundestag mehrheitlich verabschiedet wird. Im Interesse der Sache wäre eine gemeinsame Regelung über die Parteigrenzen hinweg sehr zu wünschen.
Norbert Geis Mitglied des Deutschen Bundestages
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