Die Würfelnatter (Natrix tessellata) im Kuchelauer Hafen. Verbreitung - Gefährdung - Schutz

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Transkript:

Die Würfelnatter (Natrix tessellata) im Kuchelauer Hafen Verbreitung - Gefährdung - Schutz Im Auftrag des Magistrates der Stadt Wien - Magistratsabteilung 22 Bearbeiter: Johannes Hill Rudolf Klepsch Wien, Dezember 2011

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 3 2. Material und Methode 3 2.1 Untersuchungsgebiet 3 2.2 Erfassung der Lebensräume, Umfang der Erhebungen 3 3. Ergebnisse 4 3.1 Würfelnatter 4 3.1.1 Verbreitung und Reproduktionsnachweis im Untersuchungsgebiet 4 3.1.2 Lebensraumansprüche 4 3.1.3 Gefährdungsursachen 4 3.2 Begleitherpetofauna 5 4. Verbreitungssituation der Würfelnatter 5 5. Schutzmaßnahmen für die Würfelnatter 6 5.1 Allgemeine Maßnahmen 6 5.2 Gezielte Maßnahmen 6 6. Vorschläge für ein FFH-Monitoring 7 7. Verwendete Literatur 7 8. Anhang - Fotodokumentation 9 Titelbild: Würfelnatter, Greifenstein (Foto: J. HILL) HILL & KLEPSCH - Die Würfelnatter (Natrix tessellata) im Kuchelauer Hafen 2

1. Einleitung Die Würfelnatter (Natrix tessellata) besiedelt in Österreich naturnahe Flussökosysteme in klimatisch begünstigten Gebieten mit einem hohen Strukturangebot und Fischreichtum. Aufgrund ihrer Ansprüche ist sie ein guter Indikator für den ökologischen Zustand der Fließgewässer und ihres Umlandes. Die Bedeutung der Würfelnatter als Zeigerart: Gewässergüte (Beschränkung auf Fließgewässer hoher Güteklassen) Schutzwürdigkeit von Flusslandschaften (Beschränkung auf naturnahe Flusssysteme, welche sowohl von sich aus schützenswert als auch für andere gefährdete Arten bedeutsam sind) Bestandssituation der Fischfauna (Zeiger für natürliche Reproduktion von Fischarten, auch von wirtschaftlich relevanten) Durch fortschreitende Veränderung und Zerstörung ihrer Lebensräume (Intensivierung der Landwirtschaft, flussbauliche Maßnahmen, Siedlungs- und Industriebau) in den vergangenen 100 Jahren erlitt die Würfelnatter starke Bestandseinbußen (CABELA et al. 2001). Gefährdung und Schutzstatus der Würfelnatter (GOLLMANN 2007): Rote Liste Österreich: stark gefährdet ( endangered ) Wiener Artenschutzverordnung: prioritär bedeutende Art Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie: Anhang IV (beinhaltet streng zu schützende Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse) Berner Konvention: Anhang II (enthält die streng geschützten Tierarten, die weder gefangen, getötet, gehalten noch mutwillig gestört werden dürfen) 2. Material und Methode 2.1 Untersuchungsgebiet Das Untersuchungsgebiet erstreckt sich vom Jachthafen flussaufwärts längs der Uferböschungen des Kuchelauer Hafens bis zur niederösterreichischen Landesgrenze sowie entlang der Landzunge and der Donau abgewandten Seite. Zusätzlich wurden auch angrenzende Straßenböschungen, Parks und der Mündungsbereich des Waldgrabens kartiert. 2.2 Erfassung der Lebensräume, Umfang der Erhebungen B e g e h u n g s m o d u s Die Uferbereiche wurden nach Möglichkeit auf ihrer gesamten Länge abgegangen. Gezielt wurde an Dämmen, Blockwürfen und locker bewachsenen Uferbereichen nach N. tessellata gesucht. Auch von der Uferlinie weiter entfernte Bereiche wie Straßenböschungen, Wiesen, Parks und Totholzansammlungen wurden in die Untersuchung miteinbezogen. Kartierungen fanden stets bei sonniger bis leicht bewölkter Wetterlage und Lufttemperaturen zwischen 20 C und 28 C statt. Zumeist wurde ein Untersuchungsabschnitt zeitgleich von mehreren Personen abgesucht. Beobachtete Reptilienarten und Angaben zum Lebensraum bzw. dessen Gefährdung wurden notiert, außerdem erfolgte eine fotografische Dokumentation aller Standorte. Der Zeitraum der Untersuchung erstreckte sich in den Jahren 2010 und 2011 jeweils auf die Sommermonate. HILL & KLEPSCH - Die Würfelnatter (Natrix tessellata) im Kuchelauer Hafen 3

3. Ergebnisse 3.1 Würfelnatter 3.1.1 Verbreitung und Reproduktionsnachweis im Untersuchungsgebiet Beobachtungen von N. tessellata erfolgten an drei Standorten, welche sich längs der Uferböschung zwischen Jachthafen und Restaurant Fischerhütte erstrecken. Mitte September 2010 konnte ein Eiablageplatz unterhalb der Kleingartenanlage festgestellt werden (s. Kap. 8, Fotodokumentation). Hier wurden mehrere frisch geschlüpfte Jungtiere im Bereich der steinigen, locker bewachsenen Uferböschung vorgefunden. Zusätzlich gelangen Nachweise von 4 toten Schlangen (Straßenopfer) an der parallel des Uferbereiches verlaufenden Straße (Kuchelauer Hafenstraße). Die Totfunde waren juvenile und subadulte Individuen. 3.1.2 Lebensraum Die Würfelnatter besiedelt am Kuchelauer Hafen nach vorläufigen Beobachtungen die westseitigen Uferbereiche. Hier stellen das teilweise unverfugte Mauerwerk, Blockwürfe sowie locker bewachsene Böschungsabschnitte mit mehr oder weniger großen Buschgruppen den bevorzugten Landlebensraum dar. Die Jagd findet höchstwahrscheinlich in den ufernahen Flachwasserzonen sowie den unterhalb der Wasserlinie vorhandenen Blockwürfen statt. Hauptbeutetiere sind Neozoen wie z. B. Marmorgrundeln oder Nackthalsgrundeln. Zudem konnte in einigen Buchten hohe Jungfischdichten festgestellt werden. Die Nahrungsverfügbarkeit dürfte hier zufriedenstellend sein. Als Überwinterungsquartiere werden laut unserer Vermutung sowohl die Uferböschungen, als auch geeignete Bereiche in den angrenzenden Schrebergärten sowie das Gelände des Rudervereins genutzt. Insgesamt betrachtet entspricht der aquatische (Teil-)lebensraum im momentanen Zustand den Anforderungen dieser Art. Die terrestrischen Habitate weisen eine stark anthropogene Beeinflussung auf und sind in weiten Bereichen nur suboptimal geeignet (s. nächstes Kapitel). Ein sich derzeit im Besitz der Tegetthoff-Kaserne befindlicher, eingezäunter Wiesenbereich mit lichtem Baumbestand, bietet der Würfelnatter und auch der Smaragdeidechse geeignete Überwinterungs- und Eiablagebereiche. 3.1.3 Gefährdungsursachen Folgende Gefahrenquellen (Aufzählung ohne Wertung) für den Fortbestand der Schlange bzw. ihres Lebensraumes wurden festgestellt: N e o p h y t e n Die von Neophyten ausgehende Gefahr liegt hauptsächlich im flächigen Abdecken des Bodens und der damit einhergehenden Beschattung von Sonnplätzen und Verringerung des Strukturangebots (GRUSCHWITZ et al. 1985). An einigen Stellen konnten Bestände des Götterbaumes (Ailanthus sp.) und der Kanadischen Goldrute (Solidago canadensis) festgestellt werden. S t r a ß e n v e r k e h r Zerschneidung der Lebensräume und Straßentod an stark befahrenen Verkehrswegen stellen potentielle Gefahren dar. Hauptproblem ist hier die Kuchelauer Hafenstraße im Abschnitt HILL & KLEPSCH - Die Würfelnatter (Natrix tessellata) im Kuchelauer Hafen 4

Jachthafen bis Restaurant Fischerhütte. Mehr als die Hälfte aller bisherigen Nachweise von N. tessellata waren Totfunde. Auch Ringelnattern fallen hier regelmäßig dem Verkehr zum Opfer. F r e i l a u f e n d e H u n d e u n d K a t z e n Obwohl im gesamten Stadtgebiet von Wien außerhalb von Hundefreilaufzonen Leinenpflicht besteht, wurden etliche Hunde ohne Leine beobachtet. Hunde und Katzen gelten als Prädatoren von Reptilien und können Bestände stark dezimieren. D i r e k t e V e r f o l g u n g d u r c h M e n s c h e n Das gezielte Töten von Schlangen in Mitteleuropa stellt heutzutage kein gravierendes Problem mehr dar. Aus dem Bereich des Kuchelauer Hafen liegen glaubwürdige Meldungen über eine Verfolgung von Würfelnattern durch Angler vor, welche die Schlange als Fischereischädling betrachten. 3.2 Begleitherpetofauna Folgende Amphibien- und Reptilienarten wurden im Zuge der Erhebungen festgestellt: Seefrosch (Pelophylax ridibundus) Zauneidechse (Lacerta agilis) Smaragdeidechse (Lacerta viridis) Ringelnatter (Natrix natrix) Des Weiteren sind folgende Reptilienarten hier zu erwarten bzw. wurden von anderen Personen gefunden: Blindschleiche (Anguis fragilis) Schlingnatter (Coronella austriaca) Äskulapnatter (Zamenis longissimus) (KAMMEL 2001) Mit Ausnahme der in Wien nicht als autochthon vorkommenden Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) und der Mauereidechse (Podarcis muralis) existieren im Bearbeitungsgebiet sämtliche Reptilienarten bzw. sind zu erwarten. Ein syntopes Vorkommen von Zaun- und Smaragdeidechse konnte für das Wiener Stadtgebiet hier erstmals dokumentiert werden. 4. Verbreitungssituation der Würfelnatter Die Würfelnatter zählt zu den seltensten Reptilienarten Wiens. Gegenwärtig kommt die Art außer im gegenständlichen Untersuchungsgebiet noch reliktartig am Alberner Hafen, Prater (Krebsenwasser) sowie wahrscheinlich am Wienfluss und einigen kleineren Zubringerbächen vor (KAMMEL 2001, DUDA et al. 2007a). Die Vorkommen in der Lobau (Donau-Oder-Kanal, Schwarzes Loch ) gelten als erloschen (DUDA et al. 2007b). Die in Niederösterreich nächstgelegenen Bestände existieren am Weidlingbach in Klosterneuburg und in Greifenstein (eig. Beob.). Das Vorkommen im Kuchelauer Hafen ist nach momentaner Kenntnislage als isoliert anzusehen, Richtung Wien besteht keine Ausbreitungsmöglichkeit. Unklar ist, ob N. tessellata gegenwärtig in der Klosterneuburger Au vorkommt. HILL & KLEPSCH - Die Würfelnatter (Natrix tessellata) im Kuchelauer Hafen 5

5. Schutzmaßnahmen für die Würfelnatter 5.1 Allgemeine Maßnahmen Folgende Maßnahmen sollen dazu dienen, Vorkommen N. tessellata zu sichern bzw. zu fördern. Davon profitieren auch alle anderen Reptilienarten. E i n d ä m m u n g v o n N e o p h y t e n u n d S c h a f f u n g v o n S o n n p l ä t z e n Um das Zuwachsen von Sonnplätzen zu verhindern und um neue zu schaffen, sollen an den einzelnen Standorten alternierend durch Mahd bzw. Gehölzschnitt freie Bereiche angelegt werden. Diese Maßnahmen sollen nach Möglichkeit außerhalb der Aktivitätsperiode durchgeführt werden. Das Schnittgut (außer von Neophyten) und Holz soll vor Ort belassen und auf Haufen geschlichtet werden. E r r i c h t u n g v o n I n f o r m a t i o n s t a f e l n Um das unnötige uns sinnlose Töten von Schlangen zu vermeiden sollten in den Ufebereichen Informationstafel aufgestellt werden, die Anrainer, Spaziergänger und Fischer über die lokale Reptilienfauna informieren. S a n i e r u n g e n d e r U f e r b ö s c h u n g e n Die Blockwürfe stellen wichtige Winterquartiere, Versteck- und Sonnplätze für die Würfelnatter dar. Bei Sanierungsmaßnahmen ist unbedingt darauf zu achten, dass diese während der Aktivitätsperiode (April-September) durchgeführt werden, um hibernierende Tiere nicht zu schädigen. Außerdem sollten unverfugte Blockwürfe erhalten bzw. neu geschaffen werden. Zum Teil bieten auch die alten, mit Rissen und Spalten versehenen betonierten Uferbefestigungen geeignete Winterquartiere und Eiablageplätze. Diese Bereiche dürfen keinesfalls verfugt werden. 5.2 Gezielte Maßnahmen O s t t e i l ( L a n d z u n g e ) Eine Ausweitung der Schilfzone stellt eine positive Maßnahme für die Würfelnatter dar. Vor dem größtenteils verfugten Damm soll eine Aufschüttung mit Steinblöcken, die mit Sand vermischt sind, erfolgen. Dadurch sollen frostfreie Winterquartiere und Versteckmöglichkeiten geschaffen werden. Gute Besonnungsmöglichkeiten sind sehr bedeutend. W e s t t e i l An den der Gemeinde Wien gehörenden Grundstücksflächen (z.b. Liegewiese) sollen anggezogene Steinhaufen (Steinriegel) errichtet werden (s.o.), die einzelnen Steine sollten hierbei einen Durchmesser von ca. 40 50 cm aufweisen. Der Untergrund dieser Haufen sollte mindestens einen halben Meter abgetragen werden. Eine Durchmischung mit Totholzelementen (z.b. Wurzelstöcke) ist wünschenswert. Straßenseitig sollten eine Hinterfüllung mit sandigem Substrat erfolgen. Eine gute Besonnung der Strukturen ist sehr wichtig. Vor den Strukturen sollten bedornte Sträucher wie Rosa oder Crataegus gepflanzt werden, um einerseits Deckung zu bieten und andererseits Hunde fernzuhalten. Falls im Uferbereich eine Sandbank angelegt werden sollte, müssen vorgelagerte, spaltenreiche Blockwürfe erhalten oder neu angelegt werden. K a s e r n e n g e l ä n d e Der südliche, derzeit eingezähnte Teil der zum Verkauf stehenden Flächen sollte auf jeden Fall als Reptilienlebensraum erhalten bleiben. Auch hier sollten die oben ge- HILL & KLEPSCH - Die Würfelnatter (Natrix tessellata) im Kuchelauer Hafen 6

nannten Strukturen zuzüglich größerer Totholzhaufen angelegt werden, günstig wäre es, wenn diese bis zur Uferlinie reichen würden. E r r i c h t u n g v o n I n f o r m a t i o n s t a f e l n Um das unnötige und sinnlose Töten von Schlangen zu unterbinden, sollen Informationstafeln über das Vorhandensein der bedrohten Reptilienarten informieren. 6. Vorschläge für ein FFH-Monitoring Für ein zukünftiges Monitoring der in Anhang IV der FFH-Richtlinie angeführten Würfelnatter wird gemäß den Empfehlungen von GOLLMANN et al. (2007), folgendes vorgeschlagen: M e t h o d i k : Erhebung der Aktivitätsabundanz an 500 m langen Transekten entlang von Fließgewässern. I n t e r v a l l : Alle 3 Jahre. F r e q u e n z u n d Z e i t r a u m : 5 Begehungen pro Erfassungsjahr und Transekt von April bis September. P o p u l a t i o n s s t r u k t u r : Unterscheidung zwischen Männchen, Weibchen, Subadulten und Juvenilen. 7. Verwendete Literatur CABELA, A., GRILLITSCH, H. & F. TIEDEMANN (2001): Atlas zur Verbreitung und Ökologie der Amphibien und Reptilien in Österreich: Auswertung der Herpetofaunistischen Datenbank der Herpetologischen Sammlung des Naturhistorischen Museums in Wien. Umweltbundesamt Wien, 880 S. DUDA, M.; GRILLITSCH, H.; HILL, J.; KLEPSCH, R. (2007a): Die Würfelnatter Natrix tessellata (LAURENTI, 1768) im Südlichen Wiener Becken und am Alpenostrand (Niederösterreich). - Herpetozoa, Wien, 20(1/2): 35-56. DUDA, M., HILL, J & R. KLEPSCH (2007b): Kartierung und Lebensraumanalyse der Reptilienfauna des Nationalpark Donau-Auen an ausgewählten Standorten unter besonderer Berücksichtigung der Würfelnatter (Natrix tessellata). Im Auftrag der Nationalpark Donau- Auen GmbH und der via donau - Österreichische Wasserstrassen-Gesellschaft mbh, unveröffentl. Projektbericht: 30 S. GOLLMANN, G. (2007): Rote Liste der in Österreich gefährdeten Lurche (Amphibia) und Kriechtiere (Reptilia). In: BUNDESMINISTERIUM FÜR LAND- UND FORSTWIRTSCHAFT (Hrsg.): Rote Listen gefährdeter Tiere Österreichs, Teil 2: Kriechtiere, Lurche, Fische, Nachtfalter, Weichtiere. Böhlau Verlag, Wien-Köln-Weimar: 515 S. GOLLMANN, G.; KAMMEL, W.; MALETZKY, A. (2007): Monitoring von Lurchen und Kriechtieren gemäß der FFH-Richtlinie: Vorschläge für Mindeststandards bei der Erhebung von Populationsdaten. ÖGH-Aktuell, Wien, (19): 3-16. GRUSCHWITZ, M. (1978): Untersuchungen zu Vorkommen und Lebensweise der Würfelnatter (Natrix t. tessellata) im Bereich der Flüsse Mosel und Lahn (Rheinland-Pfalz) (Reptilia: Serpentes: Colubridae). - Salamandra 14: 80-89. HILL & KLEPSCH - Die Würfelnatter (Natrix tessellata) im Kuchelauer Hafen 7

GRUSCHWITZ, M. (1985): Status und Schutzproblematik der Würfelnatter (Natrix tessellata LAURENTI 1768) in der Bundesrepublik Deutschland. - Natur und Landschaft 60: 353-356. GRUSCHWITZ, M. & LENZ, S. & MEBERT, K. & LANKA, V. (1999): Natrix tessellata (LAUREN- TI, 1768) - Würfelnatter; pp. 581-644. In: BÖHME, W. (Ed.): Handbuch der Reptilien und Amphibien Europas. Vol. 3/IIA: Schlangen II: Serpentes II: Colubridae 2 (Boiginae, Natricinae). Wiebelsheim (Aula-Verlag G. m. b. H.). HILL, J & R. KLEPSCH (2009): Kartierung der Würfelnatter (Natrix tessellata), Bestands- und Lebensraumanalyse, Gefährdungsursachen, Grundlagenerhebungen für Schutz- und Pflegemaßnahmen sowie für ein FFH-Monitoring. Im Auftrag der Burgenländischen Landesregierung, Abteilung 5 - Anlagenrecht, Umweltschutz und Verkehr, unveröffentl. Projektbericht: 27 S. HILL, J. & R. KLEPSCH (2010): Die Reptilienfauna des Nationalparks Thayatal (Niederösterreich) unter besonderer Berücksichtigung der Würfelnatter (Natrix tessellata) und der Östlichen Smaragdeidechse (Lacerta viridis). Wiss. Mitt. Niederösterr. Landesmuseum, 21. Band, St. Pölten: 385-404. HILL, J. & C. RIEGLER (2008): Amphibien- und Reptilienschutz am Kamp/Niederösterreich. Ein Projekt im Rahmen der Artenschutzkampagne Überleben in Zusammenarbeit von Naturschutzbund NÖ und Österreichische Gesellschaft für Herpetologie: 48 pp. KAMMEL, W. (2001): Artenschutzprojekt Würfelnatter: Vorkommen, Gefährdungsursachen, Entwicklungspotentiale und Schutz der Würfelnatter (Natrix t. tessellata LAUR., 1768) in Wien außerhalb der Lobau. Projektbericht im Auftrag Magistrat der Stadt Wien MA 22- Umweltschutz. LENZ, S. & M. GRUSCHWITZ (1993): Zur Autökologie der Würfelnatter, Natrix t. tessellata (LAURENTI 1768) (Reptilia, Serpentes, Colubridae) in Deutschland. - Mertensiella 3: 235-252. ZIMMERMANN, P. (1994): Zur Verbreitung und Biologie der Würfelnatter (Natrix tessellata tessellata, LAURENTI 1768) in der Steiermark. - Graz (Diplomarbeit Karl-Franzens- Universität Graz): 94 S. ZIMMERMANN, P.; KAMMEL, W. (1994): Bestandserhebung der Herpetofauna des unteren Murtals unter besonderer Berücksichtigung von Natrix tessellata tessellata (LAURENTI, 1768) (Österreich: Steiermark; Squamata: Serpentes: Colubridae). - Herpetozoa, Wien, 7(1/2): 35-58. HILL & KLEPSCH - Die Würfelnatter (Natrix tessellata) im Kuchelauer Hafen 8

8. Anhang - Fotodokumentation Abb. 1: Lebensraum der Würfelnatter am Kuchelauer Hafen (Foto: J. HILL) Abb. 2: Eiablageplatz im Bereich der Kleingartenanlage (Foto: J. HILL) HILL & KLEPSCH - Die Würfelnatter (Natrix tessellata) im Kuchelauer Hafen 9