Humor 39
Also das Thema Humor überrascht mich jetzt wirklich. Henri Bergson, ein französischer Philosoph, sagte ja, Humor, oder genauer, der Witz kommt vom Stolpern. Also wenn alles seinen richtigen Gang geht, dann passiert gar nichts. Wenn aber einer stolpert, dann hat man bevor man Mitleid mit ihm hat erst mal was zu lachen. Es gibt ja sogar Fernsehserien, die ganz bösartig sind, wo kleine Kinder irgendwie mit dem Fahrrad fahren, hinfallen und weinen, und die Leute lachen darüber. Das heißt also, dieser Humor besteht darin, dass etwas, was man vorher nicht erwartet, passiert. Vielleicht finde ich Comedy-Sendungen deswegen selten witzig, weil die Erwartungshaltung da ist, dass das jetzt witzig sein soll. Ich glaube, man muss unterscheiden zwischen Komik und Humor. Humor ist eher eine Grundhaltung zum Leben, während Komik, speziell als Comedy, eben genau das darstellt, was wir vorhin gesagt haben: Das Unerwartete kommt zu Tage. Was auch noch dazugehört zu dieser ganzen Humorgeschichte, ist, dass man mit dem Lachen zusammen mit anderen darüber hinaus etwas zum Ausdruck bringt, was man vielleicht als Kumpanei bezeichnen könnte. Zum Beispiel die politischen Kabarettisten bringen ihr Publikum zum Lachen über jemanden, der nicht dabei ist, und ziehen es somit auf ihre Seite. Genau so isses, hört man dann aus dem Publikum. Dann ist natürlich auch das schlichte Nachäffen witzig. 41
Das geht ja bis zum Hofnarren zurück, der einerseits die Funktion hatte, den König lächerlich zu machen. Gleichzeitig erhöhte er ihn aber dadurch auch, weil der König ja so gnädig war, dieses zuzulassen. Insofern hatte die Rolle des Hofnarren, heute Comedian genannt, auch immer etwas Doppelbödiges und Paradoxes. Haben Sie einen Lieblingswitz? Mir fällt jetzt leider auf Anhieb keiner ein. Ist immer so, glaube ich. Ja, das ist immer so. Wenn drei, vier Männer zusammenstehen ich weiß nicht, wie es bei Frauen ist dann erzählt mit Sicherheit nach spätestens ein paar Minuten irgendeiner einen Witz. Da entsteht, wie gesagt, durch den Humor eine Einheit, eine Gruppenzugehörigkeit. Ich überlege gerade, wie das bei Frauen ist Ich glaube, es gibt Unterschiede. Bei Frauen wird natürlich auch gescherzt und gelacht. Aber so einen vorgefertigten Witz, kommt irgendwer in ne Bar oder so, so etwas erzählen wir uns nicht. Mir ist jetzt ein Witz eingefallen, der Kurt-Edelhagen-Witz. Der ist eigentlich blöd, aber auch irgendwie klassisch gut. Erzählen Sie. 42
Kennen Sie noch Kurt Edelhagen? Nein. Kurt Edelhagen war ein in den 60er Jahren weltbekannter Big Band-Leader. Der brauchte nun einen Trompeter. Er versammelte sein gesamtes Orchester um sich und Kurt Edelhagen sagte: Passt auf Leute, es sind drei Bewerber da und die spielen uns jetzt nacheinander was vor. Und am Ende entscheiden wir gemeinsam. Der Erste kommt rein, macht seinen Koffer auf, da liegt eine silberne Trompete drinnen. Silber, echtes Silber. Alle sind still, Kurt Edelhagen sagt: Bitte spielen sie. Der nimmt diese silberne Trompete raus und spielt göttlich. Es gibt nichts, was schöner klingt. Die Leute von Kurt Edelhagen sagen: Kurt, nimm den, nimm den, der ist gut. Moment, sagt Kurt Edelhagen, wir haben noch andere. Der Zweite kommt rein, ein sehr gut aussehender junger Trompeter, so etwas wallendes Haar, so André Rieu Typ. Der hat bestimmt eine goldene. Tatsächlich, er hat eine goldene! Woher wissen Sie das? Naja Er hat also eine goldene Trompete, er nimmt sie aus dem teuren kalbsledernen Futteral raus, setzt an und spielt so unglaublich gut selbst der Kurt Edelhagen ist still. Kurt, das ist unser Mann, sagen alle Band-Mitglieder 43
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nach einem Moment der Ergriffenheit. Halt, halt, nicht so schnell: Wir haben doch noch einen Dritten. Dann kommt also der Dritte, macht seinen schäbigen Koffer auf, Blechtrompete, er nimmt sie, setzt an und bläst grauenhaft, zum Davonlaufen. Und was soll ich Ihnen sagen: Den Dritten haben sie nicht genommen. (Langes Schweigen) Das war der Witz? Das war der Witz. Muss man länger darüber nachdenken, gibt s eine versteckte Pointe? Nein. Da wird etwas ganz klassisch witztheoretisch aufgebaut, und man erwartet: Obacht, jetzt kommt es noch besser, aber dann sackt es ab. Ins Bodenlose. Das ist also ein sehr, ja, wie soll man sagen, elaborierter Witz, aber der einzige, der mir gerade eingefallen ist. Humor hat meiner Ansicht nach auch viel mit Abstand zu tun. Ja, das stimmt. Humor kann auch eine Einstellung zum Leben sein, weil er Abstand schafft, geradezu ein Selbstverteidigungsmittel. Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Wenn man sagen kann, na ja, es ist eben so wie es ist, tragen wir es mit Gelassenheit. Diese Haltung zur Welt ist eine ganz wichtige. 45
Diese Haltung ist es auch, die Frauen meinen, wenn sie sagen, sie mögen humorvolle Männer. Da kommen wir wieder zum Grundthema, das sich wahrscheinlich bei mir überall durchzieht. Wo kommen wir her? Was hat die Evolution aus uns gemacht? Und da ist der Unterschied zwischen den Männern und Frauen ja evolutionsmäßig schon sehr früh angelegt. Männer und Frauen ticken nicht gleich. Ich bin natürlich für Gleichberechtigung, für die Frauenquote, alles klar. Aber wir sind nun mal unterschiedlich. Evolutionswissenschaftler haben untersucht, wen wählen die Frauen aus, und es sind immer die Frauen, die wählen. Und was ist übereinstimmend das Ergebnis? Frauen wählen eher humorvolle Männer, also solche, die sie zum Lachen bringen, eher jedenfalls als zum Beispiel Miesepeter. Klar. Deshalb hatten auch in der geschichtlichen Entwicklung die Komiker bei Frauen durchaus großen Erfolg, weil sie die Frauen zum Lachen bringen konnten. Ob die schöne Lieder gesungen oder Faxen gemacht haben, sie sind mit einer anderen Leichtigkeit aufgetreten als zum Beispiel die ernsten Helden. Natürlich war der Held auch immer eine attraktive Person, aber er konnte sich seine Position nur dadurch erhalten, indem er über den Dingen stand. Außerdem sterben Helden früh und lassen die Frauen alleinerziehend zurück. Aber so ein Hofnarr oder bei Mozart die Figur des Papageno in der Zauberflöte, haben auch immer etwas 46
anderes, als das, was gefordert wird. Sie liefern immer auch eine Art Mehrwert. Was finden Sie witzig? Witzig ist eigentlich alles. Es kommt nur auf den Standpunkt an. Zwischen Tragik und Komik liegt nur, wie gesagt, ein kleines Stolpern. Deshalb finde ich fast alles witzig und deshalb kann ich mir ja auch keine Witze merken. Es gibt zu viel Witzigkeit in dieser Welt. 47