Birgit Ennemoser Mindestlohn Rückblick Update Ausblick 2. Auflage TeleLex, ein Gemeinschaftsunternehmen von DATEV eg und Verlag Dr. Otto Schmidt KG
TeleLex GmbH Virnsberger Str. 63 90329 Nürnberg 2015 Alle Rechte, insbesondere das Verlagsrecht, allein beim Herausgeber. Dieses Buch und alle in ihm enthaltenen Beiträge und bildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung der TeleLex GmbH unzulässig. Im Übrigen gelten die Geschäftsbedingungen der TeleLex GmbH. Printed in Germany Mandelkow GmbH, 91074 Herzogenaurach (Druck) Joh. Leupold GmbH & Co.KG, 91126 Schwabach (Umschlagdruck) Angaben ohne Gewähr Stand: November 2015 Artikelnummer: 15622/2015-11-01 E-Mail: service@telelex.de
Editorial Seit 01.01.2015 gibt es nun den gesetzlichen Mindestlohn. Dieser gilt für alle in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer, wobei allein diese Begrifflichkeit bereits von Beginn an zu kontroversen Diskussionen und Unsicherheiten beitrug. Wer ist alles von der Bezeichnung Arbeitnehmer umfasst? Praktikanten wurden in bestimmten Konstellationen ausgenommen, alle geringfügig Beschäftigten sowie Saisonarbeitskräfte aufgenommen. Viele Unklarheiten, wie die Behandlung von Ehrenamtlichen, sollten in weiteren Verordnungen genauere Definition finden, so dass wir heute nach fast einem Jahr Mindestlohn in Deutschland noch einmal die Grundlagen zusammen fassen, aber darüber hinaus die weiteren Verordnungen und einige Hinweise aus der Rechtsprechung mit darstellen möchten. Da es sich nach wie vor um ein relativ neues Gesetz handelt, wird man diesbezügliche Entscheidungen auch weiter hin genau verfolgen müssen, da viele Themenstellungen noch keine finale Klärung erfahren haben. Nürnberg, im November 2015 Birgit Ennemoser 1
Der Inhalt im Überblick 1 Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns 7 2 Grundlagen des Mindestlohns 9 3 Übergangsregelungen 10 3.1 Übergangsregelungen für Tarifverträge 10 3.1.1 Friseurhandwerk 10 3.1.2 Land- und Forstwirtschaft sowie Gartenbau 10 3.1.3 Textil- und Bekleidungsindustrie 11 3.1.4 Wäscherei im Objektkundengeschäft 12 3.1.5 Fleischwirtschaft 12 3.1.6 Pflegebranche 13 3.2 Übergangsregelungen für Saisonkräfte in der Landwirtschaft 14 3.3 Übergangsregelungen für Zeitungsausträger 14 4 Ausnahmeregelungen vom Mindestlohn 15 4.1 Jugendliche in einem Beschäftigungsverhältnis ohne Ausbildung 16 4.2 Teilnehmer an Maßnahmen der Arbeitsförderung 16 4.2.1 1-Euro-Jobber 16 4.2.2 Mitarbeiter von Behindertenwerkstätten 16 4.2.3 Beschäftigungsverhältnisse von Langzeitarbeitslosen 16 4.2.4 Heimarbeiter nach dem Heimarbeitsgesetz 18 3
4.2.5 Ehrenamtlich Tätige 18 4.2.6 Personen, die einen freiwilligen Dienst leisten 21 4.2.7 Selbständige 22 4.2.8 Auszubildende nach dem Berufsbildungsgesetz bzw. Teilnehmer berufsausbildungsvorbereitender Maßnahmen 24 4.2.9 Praktikanten 25 5 Grenzüberschreitende Tätigkeiten und Einsätze im Ausland 32 6 Zusammensetzung des Mindestlohns 33 6.1 Betrachtung einzelner Entgeltbestandteile 33 6.2 Verstetigtes Arbeitseinkommen 38 7 Fälligkeit des Mindestlohns 41 8 Arbeitszeitkonto 42 9 Dokumentationspflichten der Arbeitszeiten 45 9.1 Art der Dokumentation 45 9.2 Betroffene der Dokumentationspflichten 45 9.3 Aufbewahrung der Dokumentationen 47 9.4 Lockerung der Dokumentationspflichten 48 4
10 Teilzeitbeschäftigte 50 10.1 Geringfügig Beschäftigte auf 450 Euro-Basis (Minijobs) 50 10.2 Kurzfristig Beschäftigte 53 11 Verzicht auf Mindestlohn 57 12 Auswirkungen des Mindestlohns auf andere Gesetze und Regelungen 58 12.1 Lohnfortzahlungsgesetz 58 12.2 Bundesurlaubsgesetz 58 12.3 Exkurs ortsübliche Vergütung versus Mindestlohn 58 13 Die Mindestlohn-Kommission 60 14 Kontrolle der Einhaltung der Mindestlöhne Stichwort Phantomlohn 61 15 Zuwiderhandlung bzw. Nichteinhaltung des Mindestlohngesetzes 64 16 Haftung des Auftraggebers 65 17 Ausblick 68 5
1 Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns Der Mindestlohn soll mehrere Aufgaben erfüllen, so unter anderem Arbeitnehmer vor einem unangemessen niedrigen Lohnniveau schützen. Weiterhin soll der Mindestlohn dazu beitragen, einen unfairen Wettbewerb zu vermeiden; in dem für die Erstellung von Produkten und Dienstleistungen durch den Mindestlohn ein fester Basispreis betreffend der Lohnkosten fixiert wurde, sind Untergrenzen innerhalb des Wettbewerbs entstanden, die einheitlich für alle Unternehmen gelten. Ob dieses Ziel dauerhaft erfüllbar ist, wird sich zeigen. Die mit dem Mindestlohn verbundenen Befürchtungen der massiven Preisanstiege lassen sich bis dato noch nicht nachweisen: Untersuchungen der Bundesbank und anderer Behörden lassen erkennen, dass die Verbraucherpreise seit Einführung des Mindestlohns lediglich um 0,5 % anstiegen. Der Nominallohn zwischen zweitem Quartal 2014 und zweitem Quartal 2015 hat sich in Deutschland um 3,2 %, der Reallohn um 2,7 % erhöht. Bereits im ersten Quartal 2015 wurde vermutet, dass die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zum 01.01.2015 einen großen Einfluss auf diese Entwicklung nahm. Besonders bei den geringfügig Beschäftigten stiegen die Löhne um 5,0 %, bei ungelernten Arbeitnehmern um 4,8 %. Ebenfalls stark betroffen waren die Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern, deren Nominallöhne überproportional um 4,6 % anstiegen. Die damit einhergehende erhöhte Kaufkraft verbessert das Konsumklima deutlich. Dies beweist unter anderem die deutliche Steigerung der realen Umsätze der Einzelhändler. Sie erhöhten sich in 2015 so stark wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr. Die Bundesbank stellte in ihrem Monatsbericht August/September 2015 fest, dass die Lohnzuwächse auf Grund des Mindestlohns sogar die Durchschnittslöhne in Deutschland ansteigen ließen. In diesen Berichten ist auch nachzulesen, dass eine große Anzahl an gering- 7
1 Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns fügigen Beschäftigungsverhältnissen in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse umgewandelt wurde. Diese eine Befürchtung wurde damit also wirklich Realität. Mittlerweile gibt es in 22 von 28 EU-Mitgliedstaaten einen Mindestlohn. Ausgenommen von solchen Regelungen sind derzeit noch Dänemark, Finnland, Italien, Österreich, Schweden und Zypern, die aber jeweils durch tarifliche Bindungen höhere Fixierungen erfahren haben als die 8,50 Euro/Stunde in Deutschland, sodass hier kein akuter Handlungsbedarf besteht. 8
2 Grundlagen des Mindestlohns Der gesetzliche Mindestlohn gilt seit 01.01.2015 mit einer Höhe von 8,50 Euro brutto als Stundensatz. 01.01.2017 soll er angepasst und dann alle zwei Jahre durch die sogenannte Mindestlohn-Kommission überprüft werden. Die anfänglich diskutierten Ausnahmen für Kleinbetriebe fanden sich in der gesetzlichen Umsetzung nicht wieder. Dafür gibt es einige andere Besonderheiten sowie Übergangsregelungen, bestimmte Personenkreise betreffend. 9
3 Übergangsregelungen 3.1 Übergangsregelungen für Tarifverträge In den Jahren 2015 und 2016 kann in einzelnen Branchen über allgemeinverbindliche Tarifverträge vom gesetzlichen Mindestlohn abgewichen werden. Nachfolgend werden die Branchen aufgelistet, die bis dato noch unter der Grenze von 8,50 Euro lagen. 3.1.1 Friseurhandwerk Hier galten vom 01.01.2015 bis 31.07.2015 folgende Mindestlöhne: im Westen im Osten inkl. Berlin 8,00 Euro 7,50 Euro 01.08.2015 gelten die 8,50 Euro als Stundensatz deutschlandweit. 3.1.2 Land- und Forstwirtschaft sowie Gartenbau Die Tarifparteien der beiden Einheiten haben sich geeinigt, dass der gesetzliche Mindestlohn erst ab 01.01.2017 Anwendung findet und sich bis dahin wie folgt gestaltet: 01.01.2015 01.01.2016 West 7,40 Euro 8,00 Euro Ost 7,20 Euro 7,90 Euro (neue Bundesländer einschließlich Berlin 01.01.2017 01.11.2017 8,60 Euro 9,10 Euro Die Verordnung dazu gilt von 01.01.2015 bis 31.12.2017. 10
3 Übergangsregelungen Ï Praxistipp Es gilt das Mindestentgelt des jeweiligen Arbeitsortes, sofern das Entgelt des Einstellungsortes nicht höher ist. 3.1.3 Textil- und Bekleidungsindustrie Hier wird der Mindestlohn auch in den neuen Bundesländern ab 01.11.2016 erreicht, wie nachfolgende Darstellung zeigt: 01.01.2015 01.01.2016 01.11.2016 01.01.2017 West 8,50 Euro 8,50 Euro 8,50 Euro Mindestens gesetzlicher Mindestlohn Ost (neue Bundesländer einschließlich Berlin 7,50 Euro 8,25 Euro 8,75 Euro Mindestens gesetzlicher Mindestlohn, mindestens 8,75 Euro Die Verordnung dazu gilt von 01.01.2015 bis 31.12.2017. Vorsicht: weichend vom MiloG wird der Anspruch auf den Mindestlohn spätestens bereits am 15. des Folgemonats fällig. Zudem enthält die Verordnung keine Regelungen über ein Arbeitszeitkonto, so dass die Zulässigkeit der Führung eines solchen im Moment noch umstritten ist. 11