S p r achliche Gl e i ch b e h a nd l ung A n r e gungen u n d E mp f e hlunge n Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern Frauenkommission
1 Es fällt auf, immer wieder, immer mehr : Die sprachliche Gleichbehandlung von Mann und Frau hat sich im Bund, in den Kantonen und Gemeinden sowie in den Medien sowohl im mündlichen als auch im schriftlichen Bereich mehrheitlich durchgesetzt. Immer mehr Frauen und Männer kommunizieren bewusster und bringen damit wor twör tlich zum Ausdruck, dass ihnen die Gleichstellung ein Anliegen ist. Sprachliche Gleichbehandlung ist für viele Menschen ein Ausdruck einer modernen und selbstbewussten Institution. Über das sprachliche Erscheinungsbild wird wahrgenommen, was die Universität St.Gallen für ein Selbstverständnis hat. Die Lehrenden der HSG nehmen ihre Verantwor tung als Ver treter und Ver treterinnen einer bedeutenden Bildungsanstalt wahr, wenn sie diese Selbstverständlichkeit vorleben. Gründe für die sprachliche Gleichbehandlung Unsere Gesellschaft umfasst Frauen und Männer. Diese Realität soll in der Sprache zum Ausdruck kommen. Texte mit rein maskulinen Personenbezeichnungen lassen Frauen verschwinden. Die sogenannte «Legaldefinition», d.h. der Gebrauch der männlichen Form mit dem Hinweis, die Frauen seien mitgemeint, ist eine Scheinlösung. Dies zeigt sich schon durch ein einfaches Experiment: Werden nur weibliche Formen verwendet mit dem Hinweis, Männer seien mitgemeint, fühlen sich die meisten Männer nicht angesprochen. Zudem müssen sich Frauen beim Lesen von Texten in jedem einzelnen Fall fragen, ob sie nun tatsächlich mitgemeint sind oder nicht.
2 Frauen wollen wie Männer genannt, nicht nur mitgemeint werden. Schliesslich wird durch die sprachliche Gleichstellung die Präsenz von Frauen in Bereichen, die immer noch bis auf Ausnahmen den Männern vorbehalten sind (seien es bestimmte Berufe oder Funktionen, seien es Aktivitäten), vorstellbarer : die Rektorin der Universität St.Gallen. Um die sprachliche Gleichbehandlung an der Universität zu fördern, gelangt die Frauenkommission HSG mit ein paar praxisorientier ten Anregungen an alle Universitätsangehörigen. Diese Anregungen wollen weder Formulierungen verordnen noch können sie ein umfassendes Rezeptbuch für die sprachliche Gleichstellung sein. Sie wollen vielmehr Lust machen auf eine kreative Verwirklichung der sprachlichen Gleichstellung.
3 Praktische Hinweise und Empfehlungen 1. S p r ac h e Paarformen: Nennen Sie immer die männliche und die weibliche Form, wenn beide Geschlechter angesprochen sind: die Professorin und der Professor. Dabei bestimmt die Reihenfolge die Gewichtung: Das vorangestellte Geschlecht wird betont. Geschlechtergerechte Begriffe: Verwenden Sie geschlechtergerechte Plurale und Begriffe wie Studierende, Angestellte, Personen, Mitglieder. Möglich sind auch zusammengesetzte Begriffe auf -kraft, -hilfe, -person, -leute wie z.b. Lehrkraft, Sekretariatshilfe, Fachperson, Fachleute. Umformulierungen: Umgehen Sie Personenbezeichnungen mit Umformulierungen. Pronomen: Wer studiert / alle anstatt die Studentinnen und Studenten; direkte Anrede: Ihre Unterschrift anstatt Unterschrift des/der ; Passivformen: Es wird empfohlen anstatt die Studentinnen und Studenten sollen man: Man sollte nur verwendet werden, wenn nicht mit maskulinen Pronomen darauf Bezug genommen wird. Zur Vermeidung von man können Passivkonstruktionen benutzt werden: Das kann auch so gesehen werden anstatt man kann das auch so sehen. Kurzformen: Kurzformen eignen sich, wenn der Platz knapp ist, wie auf Formularen, Fragebögen, Listen, Protokollen, Mitteilungen, Stellenausschreibungen etc.: Studentin/Student, Student/in, StudentIn. Im gleichen Text sollte konsequent die gleiche Kurzform verwendet werden. Beim Vor tragen von Texten sollten keine Kurzformen verwendet werden, sondern beide Geschlechter angesprochen: Studentinnen und Studenten.
4 Wichtigste Regel: Texte, denen erst im Nachhinein durch solche sprachliche Massnahmen eine geschlechtergerechte Form gegeben wird, wirken schwerfällig und wohl auch gekünstelt. Bereits bei der Konzeption eines Textes muss klar sein, dass er sowohl Männer als auch Frauen ansprechen muss. Nur so ist ein Text klar, leicht lesbar und geschlechtergerecht. 2. I n h a lt / D i da k t i k Beide Geschlechter : Berücksichtigen Sie beide Geschlechter in Ihren Ausführungen: Beispiele, Fälle, Zitate usw. in Vorlesungen und Seminarien sollen sich sowohl auf Männer als auch auf Frauen beziehen. Vermeiden Sie dabei Beispiele, die nur die Stereotypen wiedergeben. Zitieren Sie Exper tinnen und Exper ten. Themen geschlechtsspezifisch reflektieren: Präsentieren Sie den Studierenden bewusst Themen, die Frauen im Fokus haben. Fordern Sie die Studierenden auf, Geschlechtsaspekte im Verlaufe ihres Studiums bewusst zu erarbeiten und zu diskutieren. Beispiele VWL: Mikroökonomische Analyse des Arbeitsangebots für Frauen; Transformationsprozesse in Osteuropa und die unterschiedlichen Auswirkungen auf Frauen und Männer. Beispiele BWL: Weibliche und männliche Formen der Risikobewältigung. Entscheidungsprozesse in einem gemischtgeschlechtlichen Team. Beispiel RWA: Direkte und indirekte Diskriminierungen in Bezug auf das Geschlecht. Illustrationen: Vermeiden Sie bei Illustrationen veraltete Rollenbilder, Klischees und Abwer tungen.
5 Arbeitsgruppen: Streben Sie bei Projektgruppen und deren Leitung eine geschlechtliche Ausgewogenheit an. Da der Anteil der Studentinnen noch deutlich unter 50% liegt, sollten in Projektgruppen Frauen explizit ermunter t werden, sich zu äussern und Führungsaufgaben zu übernehmen. Minimalziel muss sein, dass der jeweiligen prozentualen Anwesenheit von Studentinnen der entsprechende Anteil an Führungspositionen zugeteilt wird. Thematisieren Sie das geschlechtsspezifische Verhalten im Team im Verlauf von Gruppenarbeiten. Hilfe: Stellen Sie Hilfsmittel, Fachliteratur und Ihr Vorbild zur Verfügung, um Studierenden das Erlernen von geschlechtergerechter Sprache zu erleichtern. Fehlende Gleichstellung: Weisen Sie während Ihrer Veranstaltung auf fehlende Gleichstellung in Ihrem Fachgebiet bzw. in Ihrer Umgebung hin. Korrigieren Sie Studierende, die sich sowohl auf sprachlicher als auch auf inhaltlicher Ebene in krasser Weise nicht geschlechtergerecht äussern und verhalten.
Literaturauswahl Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren, Schweizerische Bundeskanzlei, Bern, neu überarbeitet 2009 http://www.bk.admin.ch/dokumentation/sprachen/04915/05313/index.html?lang=de 12 Spielregeln zur sprachlichen Gleichbehandlung, ETH Zürich www.equal.ethz.ch/publications/rules Leitfaden zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frau und Mann. Universität Zürich www.fwb.uzh.ch/ser vices/gender/leitfaden.pdf Universität St.Gallen, Foto Daniel Ammann Text: Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern, Universität St.Gallen Gestaltung: Markus Traber