20 Jahre AWO Suchtberatung in Potsdam Referat zum Thema: Ambulante Rehabilitation Abhängigkeitserkrankungen aus Sicht des Rentenversicherungstträgers - Historie und aktueller Stand Frank Ammer Deutsche Rentenversicherung Bund
2 Sehr geehrte Frau Basekow, sehr geehrter Herr Kern, sehr geehrte Frau Weigelt-Boock, sehr geehrter Herr Jakobs, sehr geehrte Damen und Herren, ich danke Ihnen, dass ich heute als Vertreter der Deutschen Rentenversicherung Bund zu Ihnen sprechen darf. Das 20-jährige Jubiläum der Suchtberatung nehme ich zum Anlass, Ihnen im Namen der Deutschen Rentenversicherung Bund mit allen guten Wünschen des Vorstandes und des Direktoriums unseres Hauses zu gratulieren. Mit der ambulanten Beratungs- und Behandlungsstelle für Suchtkranke und Suchtgefährdete der Arbeiterwohlfahrt in Potsdam verbindet uns nunmehr eine 7-jährige erfolgreiche Zusammenarbeit. In einer Ehe ist das ein kritischer Zeitpunkt. Das verflixte 7. Jahr. Nicht aber bei uns! Wir können aus dieser Zeit auch heute noch bestätigen, dass Sie Ihrem Leitbild entsprechend fachlich kompetent, innovativ und verlässlich arbeiten. Verwirklicht wird dies durch Ihre engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Umzug Ihrer Einrichtung in die Nähe des Filmparks Babelsberg, der im letzten Jahr erfolgte, trägt wegen der räumlichen Erweiterung sicher zur weiteren Verbesserung Ihres Angebotes bei.
3 Wenn ich meinen Blick zunächst nur auf Ihre Einrichtung gerichtet habe, möchte ich nun einige kurze Anmerkungen zur ambulanten Rehabilitation Abhängigkeitskranker aus der Sicht eines Rehabilitationsträgers machen. Dazu lassen Sie uns kurz zurück schauen. Im Jahre 1968 hat sich durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Trunksucht ein entscheidender Wandel hinsichtlich der Einschätzung als Reha-Fall ergeben. Abweichend von der früheren Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes hatte das Bundessozialgericht entschieden, dass Trunksucht auch ohne weitere Begleit- oder Folgeerkrankungen eine Krankheit ist, soweit sie ohne ärztliche Behandlung nicht mit Aussicht auf Erfolg geheilt oder gebessert werden kann. Die hierdurch eingeleitete Wende in der Suchtbekämpfung führte dazu, dass die Rehabilitationsträger und Krankenkassen seither die Suchtmittelabhängigkeit, also Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängigkeit, als Krankheit im Sinne des Sozialversicherungsrechts ansehen, für die Leistungen zu erbringen sind. Die Deutsche Rentenversicherung hatte fortan darauf hinzuwirken, ein qualitativ hochwertiges Rehabilitationssystem zu schaffen. 1991 wurde die Empfehlungsvereinbarung Ambulante Rehabilitation Sucht geschlossen. Die bundesweit bereits vorhandenen Psychosozialen Beratungsstellen qualifizierten ihre vorhandenen Mitarbeiter(innen), schlossen mit weiteren Berufsgruppen, wie Ärzten und Diplom-Psychologen Verträge ab und bewarben sich um die Anerkennung als ambulante Einrichtungen für die Rehabilitation Abhängigkeitskranker. Einen zunächst vorläufigen Abschluss hat
4 die Entwicklung in der Suchtkrankenarbeit in der Vereinbarung Abhängigkeitserkrankungen vom 04.05.2001 gefunden. In dieser Vereinbarung sind die Leistungen der Renten- und Krankenversicherung für die ambulante, ambulante Leistungen in ganztägiger Form und stationäre Rehabilitation zusammengefasst worden. In den letzten Jahren wurden in verschiedenen Gremien der Deutschen Rentenversicherung weitere wichtige Grundlagen für die Umsetzung der medizinischen Rehabilitation erarbeitet. Hier sind zu nennen: Die Rahmenkonzeption für die ambulante Rehabilitation, der Gemeinsame Leitfaden der Deutschen Rentenversicherung und der Gesetzlichen Krankenversicherung zur Erstellung und Prüfung von Konzepten und die Arbeitshilfe für die Gliederungsstrukur von Rehabilitationskonzepten im Indikationsbereich Abhängigkeitserkrankungen. Alle erstellt in der Zeit von 2008 bis 2011. Die medizinische Rehabilitation für Abhängigkeitskranke ist seit nunmehr 20 Jahren geregelt. Sie findet unter der Verantwortung und Leitung eines Arztes, i. d. R. eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie mit Zusatzbezeichnung Psychotherapie statt und ist ganzheitlich, d. h., bio-psycho-sozial orientiert.
5 Mit flexiblen Rehabilitationsdauern ausgerichtet am Rehabilitationsbedarf wurden von jeher die Leistungen individualisiert angeboten. Die ambulante Rehabilitation Abhängigkeitskranker beträgt bis zu 12 Monate und kann in Einzelfällen auf 18 Monate verlängert werden. In zwei Wochen sollen 3 Therapieeinheiten, bestehend aus den therapeutischen Gruppen- und Einzelgesprächen, angeboten werden. Da die Rehabilitanden im Rahmen der ambulanten Rehabilitation grundsätzlich einer geregelten Arbeit nachgehen, wird diese therapeutische Dichte unter Zugrundelegung der Indikationskriterien als ausreichend angesehen. Schon in den ersten Jahren nach dem In-Kraft-Treten der Empfehlungsvereinbarung Ambulante Rehabilitation Sucht konnten 1994 die Gemeinsamen Leitlinien für die Entscheidung zwischen ambulanter und stationärer Entwöhnung entwickelt werden. Die ambulante Rehabilitation Abhängigkeitskranker gewann für die Deutsche Rentenversicherung stetig an Bedeutung. Sie ist aus heutiger Sicht ein fester und nicht mehr wegzudenkender Bestandteil im Rahmen der bestehenden Rehabilitationsangebote und gewinnt zunehmend an Bedeutung. Entsprechende Zahlen belegen dies.
6 Nach dem In-Kraft-Treten der Empfehlungsvereinbarung Ambulante Rehabilitation Suchtkranker 1991 waren es zunächst wenige Beratungsstellen, die die Voraussetzungen nach der Empfehlungsvereinbarung in konzeptioneller und personeller Hinsicht erfüllten. Zu Beginn konnte daher nur wenigen Versicherten eine ambulante Rehabilitation bewilligt werden. Im Jahr 2011 wurden von der Deutschen Rentenversicherung Bund 2.656 Versicherten eine ambulante Rehabiltation bewilligt. Hierfür stehen uns aktuell bundesweit 550 ambulante Einrichtungen und Nebenstellen im Rahmen von Therapieverbünden zur Verfügung. Im Kalenderjahr 2011 hat die Deutsche Rentenversicherung Bund insgesamt knapp 493.000 Rehabilitationsmaßnahmen bewilligt. 25.130 Bewilligungen entfielen allein auf Leistungen zur Rehabilitation Abhängigkeitskranker, davon 10.329 Bewilligungen auf den ambulanten, ganztägig ambulanten und den Nachsorgebereich. Vergleicht man einmal die ambulanten Leistungen untereinander, so entfallen auf die ambulante Rehabilitation ein Viertel, auf die ganztägig ambulante Rehabilitation ca. 10 % und auf die Suchtnachsorge ca. zwei Drittel. Die Entwicklung der Bewilligungen der Deutschen Rentenversicherung Bund für ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker ist seit 2005 durch einen ständigen Anstieg gekennzeichnet.
7 Für die Zukunft ist zentrales Ziel der Weiterentwicklung der Rehabilitation im Bereich Abhängigkeitskranker, die Effektivität und Effizienz weiterhin zu erhöhen. Dies kann programmatisch mit dem Grundsatz Zum richtigen Zeitpunkt die richtige Leistung im richtigen Umfang beschrieben werden. Auch im ambulanten Bereich halten zunehmend Maßnahmen der Qualitätssicherung Einzug. Die vielen Konzeptverhandlungen, die Erstellung von Richtlinien im Rahmen der Umsetzung der medizinischen Rehabilitation Suchtkranker sowie die Veröffentlichung von Beurteilungskriterien für Weiterbildungen von Gruppen- und Einzeltherapeuten, die im Rahmen der medizinischen Rehabilitation Suchtkranker tätig werden wollen, trugen bisher zu einem erheblichen Maß schon dazu bei. Der gesamte Bereich der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitserkrankungen wird ständig durch neue Modelle der Einrichtungen, die ihre Projekte bei der Deutschen Rentenversicherung zur Prüfung einreichen, weiter ausgebaut. Dies unter anderem auch, um stetig das System der Rehabilitation auf professioneller und wissenschaftlicher Ebene weiter zu entwickeln. Der kleine Exkurs in die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft zeigt, dass die Durchführung der Rehabilitation Abhängigkeitskranker immer differenzierter und bedarfsgerechter wurde. Wegen der begrenzten finanziellen Ressourcen ist bei einer weiteren Differenzierung viel Kreativität gefragt. Wir sind gerade deshalb besonders auf kompetente und verläßliche Partner angewiesen.
8 Zum Schluss bedanken wir uns bei allen an der Rehabilitation Suchtkranker beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die wertvolle Arbeit und hoffen auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.