Stade. Stilllegung und Rückbau des Kernkraftwerks vom Kernkraftwerk zur Grünen Wiese



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Transkript:

Stade Stilllegung und Rückbau des Kernkraftwerks vom Kernkraftwerk zur Grünen Wiese

Inhaltsverzeichnis 3 Kurze Biographie des Kernkraftwerks Stade 4 Was bedeuten Stilllegung und Rückbau? 5 Warum wurde das Kernkraftwerk Stade stillgelegt? Wirtschaftliche Gründe 6 Hat man schon Erfahrung mit dem Rückbau von Kernkraftwerken? Rückbaukonzepte Wissen aus Erfahrung Stillgelegte und rückgebaute Anlagen in Deutschland Reaktorkonzepte Besonderheiten des Kernkraftwerks Stade 12 Wie geht der Rückbau vor sich? Vom Leistungsbetrieb zur Stilllegung: der Nachbetrieb Rückbauphasen I - IV Konventioneller Rückbau (Phase V) Zeitlicher Ablauf 20 Was bedeutet der Rückbau für das Kraftwerkspersonal? Geänderte Anforderungen an die Personalstruktur Personalabbau 22 Was passiert mit dem abgebauten Material? Entsorgungsziele Rückbaumassen Zerlegung und Zerkleinerung Dekontamination Freigabe Radioaktive Abfälle 28 Was passiert mit den frei werdenden Flächen? Die Grüne Wiese 30 Welche rechtlichen Randbedingungen gibt es für den Rückbau? Vorschriften und Gesetze Genehmigungsverfahren Umweltverträglichkeitsprüfung 32 Kurz vorgestellt: das Kernkraftwerk Stade

Kurze Biographie des Kernkraftwerks Stade

3 28. Juli 1967 Beantragung der Errichtung und des Betriebs des Kernkraftwerks Stade durch die Nordwestdeutsche Kraftwerke AG Oktober 1967 Auftragserteilung an die Siemens AG zur schlüsselfertigen Errichtung 17. November 1967 Baubeginn nach Erteilung der Genehmigung für Erdarbeiten März 1968 Gründung der Kernkraftwerk Stade GmbH Juni 1971 Durchführung der nichtnuklearen Inbetriebsetzung 7. Januar 1972 Genehmigung für die nukleare Inbetriebsetzung 8. Januar 1972 Einleitung der 1. Kritikalität 29. Januar 1972 Erste Stromeinspeisung ins öffentliche Netz 26. März 1972 Erster Test bei Volllast 19. Mai 1972 Übergabe an die Kernkraftwerk Stade GmbH und Beginn des kommerziellen Leistungsbetriebes Seit 1984 Fernwärmeauskopplung für einen benachbarten Salinenbetrieb Herbst 2000 Entscheidung der E.ON Kernkraft GmbH und der HEW AG zur Stilllegung und zum Direkten Rückbau der Anlage aus wirtschaftlichen Gründen ab Herbst 2003 Juli 2001 Antrag auf Stilllegung und Rückbau (Phase I) 14. November 2003 Abschaltung nach Gesamterzeugung von 152.460.660 MWh (brutto) 2004 bis 2008 Weitere Anträge zum Rückbau (Phasen II bis IV) 7. September 2005 Genehmigung des nuklearen Rückbaus (Phase I) Sommer 2007 Inbetriebnahme des Lagers für radioaktive Abfälle Ende 2014 Entlassung aus der atomrechtlichen Überwachung Bis Ende 2015 Konventioneller Abriss der Gebäude

Was bedeuten Stilllegung und Rückbau? Stilllegung im weiteren Sinne Stilllegung im engeren Sinne _ endgültige Abschaltung des Reaktors _ endgültige Abschaltung aller weiteren Anlagen Rückbau _ Zerlegung, Dekon tamination und Abtransport der Reststoffe Ein Kernkraftwerk stillzulegen bedeutet, dass das Kraftwerk endgültig abgeschaltet wird. Abgeschaltete Kern kraft werke werden rückgebaut : Nach und nach werden sie in ihre Bestandteile zerlegt, die dann, ab hängig vom Grad ihrer Konta mi - na tion, weiterbehandelt, verpackt und ab transportiert werden. Am Ende des Rück bau pro zesses ist der Stand - ort vollstän dig freigeräumt; die Flächen können ohne Einschränkung neu genutzt werden. Unter dem Begriff der Stilllegung wird häufig auch der ge sam te Vorgang zusam men gefasst, der im An schluss an die Be triebs zeit im Kern kraft werk ab läuft. Darun ter fällt dann außer der endgültigen Ab schal tung auch der gesamte Rück bau pro zess.

5 Warum wurde das Kernkraftwerk Stade stillgelegt? Aus technischer Sicht gab es keinen Grund für die Still legung des Kernkraftwerks Stade, die Entschei dung zur Stilllegung fiel ausschließlich aufgrund wirt schaftlicher Betrachtungen. Bereits im Juli 2001 wurde der Genehmigungsantrag für die erste Phase des Rückbaus, den Restbetrieb der Anlage und die Errichtung des Zwischenlagers für radioaktive Abfälle, die in den Phasen des nuklearen Rückbaus anfallen, gestellt. Einflussfaktoren auf die Stilllegung eines Kernkraftwerks politische rechtliche technische wirtschaftliche _ Vereinbarung zur Kernenergie _ Atomgesetz _ Strahlenschutzverordnung _ Lebensdauer wichtiger Komponenten _ Überkapazitäten _ Freier Strommarkt _ Wasserpfennig Wirtschaftliche Gründe Nach der Liberalisierung des Strommarktes nahm die E.ON Energie AG insgesamt 4.800 MW unwirtschaftliche Kapazitäten vom Netz, darunter auch das Kernkraftwerk Stade. Die Anlage lieferte mit 630 MW (net to) etwa halb soviel Leistung wie die meisten anderen deutschen Kern kraftwerke, erforderte jedoch nicht im gleichen Verhältnis weniger Aufwand. Auch der niedersächsische Wasserpfennig spielte bei der Stilllegungsentscheidung eine Rolle. Diese Ab - gabe auf das aus der Elbe entnommene Kühlwasser verursachte für das Kernkraft werk Stade Kosten in Höhe von etwa 8 Millionen Euro im Jahr. Nach der Vereinbarung zum künftigen Betrieb der Kernkraftwerke hätte das Kernkraftwerk Stade ohnehin be reits im Jahr 2004 seine Reststrommenge ausge schö p ft, so dass die Stilllegung im Jahr 2003 eine Ver kürzung der Laufzeit lediglich um circa ein Jahr darstellte.

Hat man schon Erfahrung mit dem Rückbau von Kernkraftwerken? Der wirtschaftlichen Nutzung der Kernenergie in Deutschland gingen umfassende Forschungen mit radioaktiven Stoffen sowie mit unterschiedlichen Reaktoren voraus. So ist der Umgang mit radioaktiv belasteten Bau werken, Ma schi nen, Armaturen und Aggregaten kein Neuland mehr. Stilllegungen wurden hierzulande bereits geneh migt und durchgeführt. Dabei konnten die verschiedensten Verfahren erprobt werden. Auch das Aus land sammelte umfassende Still legungs erfah run - gen hier von profitieren auch Stilllegungs aufgaben in Deutschland.

7 Stilllegung von Kernkraftwerken Betrieb Nachbetriebsphase Herbeiführung des sicheren Einschlusses Direkter Rückbau Rückbaukonzepte Bereits Mitte der 70er Jahre erarbeiteten die Betrei - ber von Kernkraftwerken konzeptionelle Studien zur Stilllegung von Anlagen. Dabei wurden zwei Grund - varianten entwickelt und analysiert: der Rückbau nach sicherem Einschluss und der Direkte Rückbau. Bei der ersten Methode wird das Kraftwerk zu - nächst für einige Jahre in einen sicheren Ein schluss - zustand versetzt, um die noch vorhandene Radio - aktivität teilweise abklingen zu lassen. Der Rückbau selbst erfolgt dann unter etwas günstigeren radiologischen Bedingungen als beim Direkten Rückbau. Der Direkte Rückbau dagegen beinhaltet, wie der Begriff schon sagt, den Rückbau des Kernkraftwerks direkt nach seiner Außerbe trieb nahme. Diese Metho - de bietet den Vorteil, die betriebliche Systemtechnik zur Vorbereitung der Rückbau maß nahmen, zum Bei - spiel bei der Dekontamination, nutzen zu können. Möglich sind auch Mischformen aus beiden Varian - ten, indem man zum Beispiel nur Teile der Anlage in einen sicheren Einschluss versetzt. Sicherer Einschluss (ca. 30 Jahre) Rückbau

8 Wissen aus Erfahrung In Deutschland sind bereits einige Kernkraftwerke endgültig stillgelegt worden, zwei davon wurden bereits vollständig bis zur Grünen Wiese rückgebaut. Die nebenstehende Ab bildung zeigt eine Übersicht. Bereits rückgebaute Anlagen sind blau gekennzeichnet. Wie unter anderem der Rückbau des Kern kraft werks Würgassen zeigt, ist auch die Metho de des Direkten Rückbaus problemlos beherr sch bar. Da sie den Vorteil des Erhalts von Arbeitsplätzen, damit des Know-how- Erhalts bietet und die Anlagen kenntnisse des Perso - nals zur Effektivität des Abbaus beitragen können, wurde sie auch für das Kernkraftwerk Stade gewählt. Im Unterschied zum Kernkraftwerk Würgassen handelt es sich beim Kernkraftwerk Stade um eine Anlage mit Druck was se r reaktor. Dieser Unterschied soll im Folgenden kurz beschrieben werden.

9 Stillgelegte und rückgebaute Anlagen in Deutschland Kernkraftwerk Stade (Druckwasserreaktor) Kernkraftwerk Greifswald (Druckwasserreaktor) Kernkraftwerk Rheinsberg (Druckwasserreaktor) Kernkraftwerk Lingen (Siedewasserreaktor) AVR-Versuchskraftwerk Jülich (Hochtemperaturreaktor) Kernkraftwerk Würgassen (Siedewasserreaktor) THTR-300 Hamm-Uentrop (Hochtemperaturreaktor) Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich (Druckwasserreaktor) Heißdampfreaktor (HDR) Großwelzheim Kernkraftwerk Kahl (Siedewasserreaktor) Kernkraftwerk Obrigheim (Druckwasserreaktor) Mehrzweckforschungsreaktor (MZFR) Karlsruhe (Druckwasserreaktor) Kompakte Natriumgekühlte Kernreaktoranlage I/II (KNK) Karlsruhe Kernkraftwerk Gundremmingen A (Siedewasserreaktor) Kernkraftwerk Niederaichbach (Schwerwasserreaktor) rückgebaute Anlage stillgelegte Anlage

10 Reaktorkonzepte In Kernkraftwerken mit Druckwasser reaktor beheizt der Reaktor einen eigenen geschlossenen Kühl kreis - lauf, den so genannten Primärkreislauf. In einem Wärme tauscher wird die Energie des Primär krei ses auf einen zweiten Kreislauf übertragen, den Sekun - därkreislauf. Der dabei im Sekundärkreis entstehende Dampf wird auf die Turbinen geleitet. Auf diese Weise sind die Turbinen vom Primärkreis ge trennt, was den Umgang mit ihnen erheblich vereinfacht. Diese Trennung von radiologisch möglicherweise belastetem und unbelastetem Teil findet sich sinnvollerweise auch in der Gebäudeaufteilung wieder: Lediglich das Reaktorgebäude und das Reaktor - hilfs an lagengebäude gehören zum so genannten Kontrollbereich. Das Maschinenhaus mit den Turbi - nen und dem Generator befindet sich außerhalb des Kontroll bereichs. In der unten stehenden Abbildung wird der Unter - schied zu einem Kernkraftwerk mit Siedewasser - reaktor (wie etwa dem Kernkraftwerk Würgassen) noch einmal deutlich. Bei diesem umschließt der Kontrollbereich (grau hinterlegt) den gesamten Block einschließlich des Maschi nenhauses. Bei einem Kernkraftwerk mit Druckwasserreaktor wie Stade erkennt man gut die Trennung von Reaktor ge bäu de und Maschinenhaus. Kontrollbereiche Druckwasserreaktor-Anlage 1 2 Siedewasserreaktor-Anlage 1 2 Kontrollbereich 1 Maschinenhaus 2 Reaktorgebäude

11 Besonderheiten des Kernkraftwerks Stade Das Kernkraftwerk Stade war das erste rein kommerzielle Kernkraftwerk der Bundesrepublik mit Druck - wasserreaktor. Seine Leistung war etwa um die Hälfte niedriger als die Leistung späterer Anlagen. Dennoch war es zum Zeitpunkt seiner Inbetriebnahme das leistungsstärkste Kernkraftwerk mit Druckwasserreaktor in der Bundesrepublik. Seit 1984 gab es noch eine weitere Besonderheit: Das Kernkraftwerk Stade versorgte als einziges Kern - kraftwerk in Deutschland einen nahe gelegenen Sali - nenbetrieb mit Prozesswärme. Diese Versorgung fand über den Tertiärkreislauf, die so genannte Dampf aus - koppelung, statt. Durch die Dampfaus kopplung er - höhte sich der Gesamtwirkungs grad der Anlage. Druckwasserreaktor 4 4 5 6 3 3 10 11 1 1 7 2 9 10 9 8 12 13 14 1 Reaktordruckbehälter 2 Umwälzpumpe 3 Dampferzeuger 4 Wasserabscheider und Zwischenüberhitzer 5 Turbinensatz 6 Generator 7 Transformator 8 Kondensator 9 Wärmetauscher 10 Vorwärmanlage 11 Speisewasserpumpe 12 Kühlwasserpumpe 13 Kühlwasserreinigung 14 Kraftschlussbecken

Wie geht der Rückbau vor sich? Für den Rückbau einer großen Anlage ist ebenso wie für den Bau eine genaue Planung erforderlich, damit nach und nach alle Anlagenteile entfernt werden können. Von besonderer Bedeu tung ist bei Kern kraftwerken dabei die Unterscheidung zwischen nuklearen und nichtnuklearen Anlagenteilen.

13 Die meisten nicht von Strahlung betroffenen Anla gen teile könnten sofort nach der Stilllegung des Kraftwerks abgebaut werden, soweit die Systeme für den weiteren Ablauf des Rückbaus nicht mehr erforderlich sind. Vom Leistungsbetrieb zur Stilllegung: der Nachbetrieb Der Übergang des Kraftwerks vom Leistungsbetrieb in die Phase des Anlagenabbaus war mit einigen Än - derungen in den Betriebsabläufen verbunden. Damit das reibungslos geschehen konnte, war eine Über - gangs phase von circa anderthalb Jahren vor gesehen, die so genannte Nachbetriebsphase. Die in dieser Zeit durch geführten Arbeiten dienten der Vorbereitung des Ab baus der nuklearen Anlagenteile: _ Abtransport der Brennelemente _ Systemdekontamination _ Dekontamination von Groß komponenten _ Freischaltung und Stilllegung von Systemen, die nicht mehr erforderlich waren Nach Abschluss dieser Phase und nach erfolgter Genehmigung für die Stilllegung begann für das Kraft werk der Rückbau der nuklearen Anlagen teile. Dieser erstreckt sich über vier Pha sen, die nach geltendem Recht jeweils einzeln genehmigungsbedürftig sind.

14 Rückbauphase I 1 1 3 4 2 1 Materialschleuse und Umluftanlage 2 Flutwasserbehälter 3 Regelstabführung und Regelstabeinsatz 4 Druckspeicher In der ersten Rückbauphase werden im Kon troll - bereich neben dem Auf bau der Logistik schon möglichst viele nicht mehr benötigte Systeme abgebaut. Auf diese Weise steht für die späteren Arbeiten mehr Platz zur Verfü gung. Andere Arbeiten dienen bereits der Vor bereitung für den späteren Abbau der großen Komponenten. Die Abbildung zeigt einen Teil der Systeme, die in dieser Phase abgebaut werden: _ Durch den Abbau der Flutwasser behälter für die Be speisung des Primärkreislaufs beim An- und Abfahren wird Platz für die Behandlung und Puffer - lage rung der Reststoffe aus dem Rückbau geschaffen. _ Nach Ausbau der Regelstabführun gen und der Regelstab einsätze steht auch im Reak t o r raum mehr Platz zur Verfügung. Dabei handelt es sich ebenfalls um kleinere, leicht zu demontierende Komponen ten. _ Die Druckspeicher werden ebenfalls abgebaut. _ Weitere kontaminierte Systeme, die für den Restbetrieb nicht mehr genutzt werden, können abgebaut werden. Zusätzlich zu den bereits genannten Systemen werden bereits nichtnukleare Anlagenteile wie Frisch dampf- und Speisewassersystem, Notstrom - diesel, Turbinen- und Generator kom ponenten abgebaut.

15 Rückbauphase II 1 2 1 Dampferzeuger 2 Primärkühlmittelleitungen einschließlich der Pumpen In der zweiten Rückbauphase wird zunächst der Ab - bau von Großkomponenten vorbereitet. Dann erfolgt der Abbau. Bei den betroffenen Anlagen teilen handelt es sich um _ die Primärkühlmittelleitungen einschließlich der Pumpen _ die Dampferzeuger Diese Anlagenteile sind in der Abbildung beispielhaft hervorgehoben. Weiterhin werden noch andere konta minierte Kompo nenten abgebaut, die in dieser Darstellung nicht zu erkennen sind.

16 Rückbauphase III 1 2 3 1 Betonriegel 2 Reaktordruckbehälter 3 Betonabschirmung Die dritte Rückbauphase beinhaltet den Abbau der am stärksten belasteten Komponenten. Diese sind durch die aus dem Reaktor entweichenden Neutro nen aktiviert worden, das heißt die Aktivität ist fest in das Material eingebunden und kann nicht durch Dekont a - mination entfernt werden. In der Abbildung sind diese Komponenten hervorgehoben: _ der Reaktordruckbehälter _ die Betonabschirmung um den Reaktordruck - behälter (der so genannte Biologische Schild) Dazu kommen weitere feste und bewegliche Ein bau - ten des Reaktordruckbehälters sowie die Betonriegel zur Abschirmung des Reaktorraumes und die Gestelle im ehemaligen Brennelementlagerbecken.

17 Rückbauphase IV 1 3 2 4 5 1 Krananlage 2 Wechselbühne 3 Schalldämpfer 4 Lüftung 5 Abwasseraufbereitung In der letzten Phase des nuklearen Rückbaus werden alle noch verbliebenen Systeme im Kontrollbereich abgebaut. Zuletzt abgebaut werden die Abwasser auf - bereitung und die Abluftanlage. Verbliebene Gebäudestrukturen werden gereinigt und de kontaminiert, bis sie die Anforderungen an die Freigabe erfüllen. So ergibt sich eine stufenweise Ver - kleinerung und schließlich Aufhebung des Kon troll - bereiches. Diesen Vorgang nennt man Rückzug.

18 Elbe Geplante Rückzugsreihenfolge Schritt 1 Sicherheitsbehälter Schritt 2 Reaktorgebäude Schritt 3 Hilfsanlagengebäude Schritt 4 Kontrollbereichseingang, Kamin Als letzter Schritt wird bis zum Nachweis der Er füllung der Frei gabe - bedingungen das Gelände aufgeräumt und gereinigt. Da nach erfolgt dann die Ent las sung aus der atomrechtlichen Überwachung. Konventioneller Rückbau Zum vollständigen Rückbau des Kernkraftwerks ist jetzt nur noch der Abbruch der Gebäude erforderlich. Da dazu keine atomrechtliche Geneh mi gung mehr benötigt wird, kann der Abbruch konven tionell erfolgen. Die aus dem Abbruch der Gebäude stammenden Beton- und Stahlmassen werden im Rahmen der Möglichkeiten einer Wiederverwertung zugeführt. Mit der Wiederherstellung der Grünen Wiese wird der vollständige Rückbau des Kernkraftwerks Stade abgeschlossen sein.

19 Zeitlicher Ablauf Der eigentliche Leistungsbetrieb des Kernkraftwerks Stade endete am 14. November des Jahres 2003. Nach Abschluss der vorbereitenden Tätigkeiten begann für das Kraftwerk die so genannte Nach be - triebs phase. In dieser Phase wurden die letzten Brennelemente ab transportiert. Nach erfolgter Genehmigung werden in den bereits beschriebenen vier Phasen die Einrichtungen des Kontroll be reiches abgebaut. Diese Zeit des An - lagenrückbaus wird fast zehn Jahre in Anspruch nehmen und vermutlich erst Ende 2014 abgeschlossen werden. Nach der Entlassung aus der atomrechtlichen Überwachung werden nur noch die Gebäude stehen. Diese sollen im Jahr 2015 abgerissen werden. Die genannten Phasen sind unabhängig voneinander und können daher teilweise parallel ablaufen. Für die erste Phase wurde der Genehmigungs - antrag bereits im Juli 2001 gestellt. Rückbaufahrplan 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Betrieb Nachbetrieb Restbetrieb (direkter Rückbau) Rückbau von nichtnuklearen Anlagen Abriss Nuklearer Rückbau Phase I Phase II Phase III Phase IV Lager für radioaktive Abfälle Bau Betrieb (bis max. 2045)

Was bedeutet der Rückbau für das Kraftwerkspersonal?

21 Personalabbau Geänderte Anforderungen an die Personalstruktur Rückbaubetrieb und Leistungsbetrieb unterscheiden sich erheblich in den erforderlichen Betriebs abläufen. Dies wirkt sich auf die Betriebsorganisation aus und damit auf die Personalstruktur und -stärke. Nachdem es während des Leistungsbetriebes der Anlage vor allem darum ging, einen sicheren und zu verlässigen Betrieb zu gewährleisten, werden während des Rückbaus bereits viele dafür er for derliche An lagenteile außer Betrieb genommen sein. Mit de ren Abbau wird es für einige Mitar bei ter auch ihr bisheriges Aufgabenfeld nicht mehr geben. Auf der anderen Seite wird es auch neue Auf - gabenfelder geben. So ist zum Beispiel Fach kennt nis im Umgang mit den Gerä ten für den Abbau erforderlich, ebenso ist eine personelle Verstär kung des Strahlenschutzpersonals vonnöten. Insge samt wird sich jedoch mit der Zeit eine Verringerung der Personalstärke ergeben. Es wird versucht, der zu erwartenden Personal ent - wicklung mit zwei Maßnahmen gerecht zu werden. Die erste dieser Maßnahmen sind spezielle Ruhestan d s regelungen. Allerdings erfordert der Rückbau noch gut ausgebildetes Fachperso nal. Nicht jeder, der eigentlich alt genug wäre, wird in den Ruhe stand wechseln können. Die zweite Maßnahme ist die Weiterbeschäf ti gung an anderen Standorten der E.ON Kernkraft GmbH. Dies bedeutet für den betroffenen Mitarbeiter einen Ortswechsel und die Einarbeitung in neue Tätig kei ten. Diese Möglich keit wird vor allem von jüngeren Mit - arbeitern angenommen werden.

Was passiert mit dem abgebauten Material? Der weitaus größte Teil des abgebauten Materials ist radiologisch nicht belastet und daher nichts anderes als gewöhnlicher Betonschutt oder Stahlschrott. Dies gilt auch für das im Kontrollbereich abgebaute Material. Dieses kann jedoch direkten Kontakt mit radiologischer Belastung gehabt haben, so dass hier ein genaues Untersuchungsverfahren für sämtliche Komponenten durchgeführt wird. Danach ist dann für jede Komponente einzeln zu entscheiden, welches Entsorgungsziel für sie in Frage kommt. Die weder kontaminierten noch aktivierten Teile können sofort in anderen Bereichen weiter verwendet oder verwertet werden. Zum Beispiel können die aus dem Abbruch der Gebäude stammenden Betonreste als Bauschutt wieder verwendet werden. Die meisten metallischen Anlagenteile fließen als Schrott wieder in den Rohstoffkreislauf zurück. Die unten stehende Abbildung stellt die wichtigsten Entsorgungs wege für die Reststoffe aus dem Kontrollbereich dar. Reststoffe aus dem Kontroll - bereich Verschiedene Messungen und Behandlungen Freigabe als Rest - stoff oder konven - ti oneller Abfall Kontrollierte Verwertung Radioaktiver Abfall

23 Entsorgungsziele Es gibt unterschiedliche Entsorgungspfade für die im Kontrollbereich anfallenden Reststoffe, zum Beispiel: _ uneingeschränkte Freigabe zur Weiterverwendung oder -verwertung _ Freigabe von Metallschrott zur Rezyklierung unter Beachtung bestimmter Bedingungen _ Freigabe zur Entsorgung als konventioneller Abfall (Deponierung) _ kontrollierte Verwertung im kerntechnischen Bereich _ Entsorgung als radioaktiver Abfall Die Einteilung der abgebauten Komponenten in die aufgeführten Freigabe-Kategorien erfolgt gemäß den in der Strah lenschutzverordnung festgelegten Grenzwerten und Anforderungen. Nach einer ersten Charakterisierung wird zu - nächst das Entsorgungsziel festgelegt. Danach folgt die Zerlegung bzw. Zerkleinerung sowie gegebenenfalls die Dekontamination, um die Anforderungen für das Entsorgungsziel zu erfüllen.

24 Rückbaumassen Aus den Erfahrungen mit anderen, bereits rückgebauten Anlagen und mit genauer Kennt nis der Kraft - werks anlage lassen sich be reits Abschätzungen treffen, die recht nahe an den tatsächlichen Werten liegen werden. Eine solche Abschätzung ist von der E.ON Kernkraft GmbH für das Kernkraftwerk Stade durchgeführt worden und ergab die in der unteren Tabelle aufgeführten Werte. Rückbaumassen 198.000 t Nichtnuklearer Bereich Ausschnitt Nuklearer Bereich 132.000 t Nuklearer Bereich 97,3 % Freigabe 0,4 % Kontrollierte Verwertung 2,3 % Radioaktiver Abfall Bereich in t Freigabe (eingeschränkt und un ein geschränkt) Kontrollierte Verwertung und Wiederverwendung Radioaktiver Abfall Summe Nuklearer Bereich 128.436 (97,3%) 528 (0,4 %) 3.036 (2,3%) 132.000 (100 %) Nichtnuklearer Bereich 198.000 - - 198.000 Summe 326.436 528 3.036 330.000

25 Dekontamination Bei radioaktiver Belastung von Komponenten handelt es sich in den meisten Fällen nur um eine Ober flä chenkontamination. Um eine Dekontamination zu erleichtern, wurden bereits beim Bau des Kernkraftwerks die Oberflächen vieler Bauteile mit einem porenfüllen - den Spezialanstrich versehen. Diese Bauteile kann man zu meist schon durch gründliches Abwaschen oder Ab reiben vollständig dekontaminieren. Durch Risse und Poren ins Material tiefer eingedrungene Kontamina tion wird mechanisch oder chemisch entfernt. Folgen de Techniken kommen dabei zum Einsatz: _ Stahlkiesstrahlen _ Hochdruckwasserstrahlen _ Spülen mit chemischen Lösungen Zerlegung und Zerkleinerung Beim Rückbau müssen teilweise sehr große Anlagen - teile zerlegt werden. Für die Arbeiten kommen die im konventionellen Bereich bewährten Geräte wie große Sägen, Hydraulikscheren, Schneidbrenner und Blech - schredder zum Einsatz. Zur Vermeidung von Aerosol - freisetzungen werden dabei bevorzugt langsam laufende mechanische Geräte eingesetzt. Die Geräte werden in verschiedenen Raum berei - chen in funktioneller Kombination aufgestellt, d.h. die Bereiche für Zerlegung, Dekontamination und Abfall - behandlung werden auch in dieser Reihenfolge angeordnet. Wichtigstes Kriterium bei der Auswahl der ein zusetzenden Techniken ist es, die radiologische Be lastung für das Personal zu minimieren. Dazu sollen bei den Arbeiten Staub und Schmutz vermieden werden; gegebenenfalls finden Arbeiten in lüftungstechnisch getrennten Bereichen oder Containern statt. Die Luft am Arbeitsplatz wird abgesaugt und über Filteranlagen abgeleitet. So wird sichergestellt, dass keine Radioaktivität im Kraftwerk verschleppt wird; gleichzeitig ist der erforderliche Schutz für die Um gebung gewährleistet. Nach Möglichkeit werden die Komponenten in handhabbare Teilstücke zerlegt, die dann in Gitter - boxen zur weiteren Behandlung transportiert werden können. Grundsätzlich wird zunächst alles gereinigt. Anschließend wird mit hochempfindlichen Mess ge - räten Aktivität oder Kontamination des Materials e r- mittelt. Je nach Messergebnis wird das Material di - rekt der für die Freigabe notwendigen Entschei dungs - messung zugeführt oder vorher dekontaminiert. Das Trockenstrahlverfahren mit Stahlkies ist ein hochwirksames Dekontaminationsverfahren für zerlegte Komponenten mit leicht zugänglichen Oberflächen. Stecknadelkopfgroße Stahlkörner werden mit nahezu Schallgeschwindigkeit auf das zu reinigende Material gestrahlt, so dass die Oberfläche regelrecht abgeschmirgelt wird. Durch Spülen mit chemischen Lösungen sollen komplette Teilsysteme vor der Demontage dekontaminiert werden. Bei beiden Verfahren können kontaminierte Par - tikel leicht vom Stahlkies bzw. der chemischen Lösung isoliert werden. Dadurch entsteht ein Minimum an radioaktiven Sekundärabfällen. Durch die Dekon ta mi - nation sinkt außerdem die Strahlenbelastung des Kraftwerkspersonals bei den nachfolgenden Arbeits - schritten. Die Dekontamination wird auf das jeweilige Entsorgungsziel abgestimmt.

26 Freigabe An die uneingeschränkte Freigabe als konventioneller Reststoff sind hinsichtlich der erlaubten Strahlungs - aktivität besonders hohe Anforderungen geknüpft. Das Material durchläuft eine Abfolge von Messungen: _ Nach der bereits erfolgten Voruntersuchung auf vorhandene Radioaktivität, der Zerlegung bzw. Zer - kleinerung und der Dekontamination wird das Mate - rial zunächst einer Orientierungsmessung zugeführt. Dabei handelt es sich um eine Direktmessung auf Oberflächenkontamination, mit der vor allem die Aktivitätsverteilung bestimmt werden soll. _ Mit der Entscheidungsmessung wird geprüft, ob das Material tatsächlich die Voraussetzungen für die Freigabe erfüllt. Dabei kommen verschiedene Mess - verfahren zum Einsatz, die unter anderem auch unter - schiedliche Anforderungen an die Aktivitätsverteilung stellen. An dieser Stelle liegt die Schnittstelle zur Orientierungsmessung. _ Unter bestimmten Bedingungen werden vom Be - treiber noch so genannte Kontrollmessungen durch - geführt. Dabei kann es sich sowohl um Direktmessun - gen als auch um Probenahmen mit anschließender Laborauswertung handeln. Nach Abschluss der Messungen wird der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde die vollständige Freigabe - dokumentation vorgelegt. Nach Zustimmung der Be - hörde und Freigabe durch den Strahlenschutz be auf - tragten erfolgt schließlich der Abtransport. Schritte zur Freigabe Demontage, Zerlegung, Zerkleinerung Dekontamination Vor- bzw. Orientierungsmessung Entscheidungsmessung Kontrollmessung Freigabe

27 Radioaktive Abfälle Angrenzend an das bisherige Kraftwerksgelände wurde ein Lager für radioaktive Ab fälle errichtet. Dieses Lager nimmt ausschließlich radioaktive Abfälle aus dem Rückbau und Betrieb des Kernkraft - werks Stade auf. Dabei handelt es sich um Abfälle mittlerer und niedriger Aktivität; die Brennelemente wurden bereits vor Beginn des Rückbaus abtransportiert. Das Lager ist für eine Lebensdauer von 40 Jah ren ausgelegt und dient als Zwischenlager, bis ein End - lager des Bundes zur Verfügung steht. Die Lagerung der Abfälle erfolgt jedoch bereits in endlagergerechter Form. 2 Elbe 1 3 7 1 Reaktorgebäude 2 Hilfsanlagengebäude mit Anbauten 3 UNS-Gebäude 4 Schaltanlagengebäude 5 Maschinenhaus 6 Betriebsgebäude 7 Büro- und Sozialgebäude 8 Werkstatt und Lager 9 Notstromdieselaggregate 10 Transformatoren 11 Lager für radioaktive Abfälle 4 6 11 5 8 10 9

Was passiert mit den frei werdenden Flächen?

29 Die Grüne Wiese Bereits zwei deutsche Kernkraftwerke wurden bis zur so genannten Grünen Wiese rückgebaut. Das be deutet, dass die ehemalige Kraftwerksfläche nach dem Rückbau begrünt wurde und nun brach liegt, also quasi der Natur wieder zu rückgegeben wurde. Für das Kernkraftwerk Stade ist ebenfalls der Rückbau bis zur Grünen Wiese vorgesehen. Inwieweit eine andere industrielle Nutzung stattfinden soll, steht noch nicht fest.

Welche rechtlichen Randbedingungen gibt es für den Rückbau? Vorschriften und Gesetze In Deutschland ist das Atomgesetz maßgebend für Errichtung, Betrieb und Still legung von Kernkraft - werken. Hinzu kommen zahlreiche Rechtsverordnun - gen sowie Verwaltungsvorschriften, die bei der Still - legung ebenfalls beachtet werden müssen. Dazu zählen beispielsweise die Strahlen schutzverordnung, das Kreis laufwirt schafts- und Abfallgesetz, die Gefahr stoff verord nung und das Bundesimmissions - schutz gesetz.

31 Ablauf Genehmigungsverfahren Antrag beteiligte Behörden Genehmigungsbehörde (oberste Landesbehörde) Öffentlichkeit Gutachter atomrechtliche Aufsicht Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) Bescheid zusätzliche Stellungnahmen beteiligte Bundesbehörden Reaktorsicherheitskommission Strahlenschutzkommission Genehmigungsverfahren Die endgültige Stilllegung und der sichere Einschluss bedürfen einer atomrechtlichen Genehmigung der zu - ständigen Landesbehörde. Im Falle des Kernkraft werks Stade hat das Niedersächsische Umweltministerium am 7. September 2005 die Genehmigung für die Rückbauphase I erteilt. In der oberen Abbildung sind die Wechsel - wirkun gen der maßgeblichen Institutionen während des Genehmi gungs verfahrens dargestellt. Umweltverträglichkeitsprüfung Für das Rückbauvorhaben einschließlich der Errich - tung des Zwischenlagers für radioaktive Abfälle aus dem Betrieb und Rückbau des Kernkraftwerks Stade war als Teil des Genehmigungsverfahrens eine Um - welt verträglichkeitsprüfung durchzuführen. Dabei ging es darum, die Folgen des Vorhabens für die Umwelt zu erfassen und zu bewerten: Keine nachhaltigen Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Pflanzen in der Umgebung, so das Ergebnis der Prüfung.

32 Kurz vorgestellt: das Kernkraftwerk Stade Kernkraftwerk Stade Technische Daten Reaktortyp Druckwasserreaktor Nettoleistung 630 MW Beginn des kommerziellen Leistungsbetriebes 19.05.1972 Kerntechnische Anlage Reaktordruckbehälter Auslegungsdruck (Überdruck) Innendurchmesser Gesamthöhe Wandstärke des zylindrischen Teils mit Plattierung Gesamtgewicht Reaktorkern Anzahl der Brennelemente 157 Gesamtes Urangewicht 56 t Anzahl der Steuerstäbe 49 175 bar 4.080 mm 10.400 mm 192 + 7 mm 270 t Dampferzeuger Anzahl 4 Dampferzeugung je Einheit 898,1 t/h Dampfdruck am Austritt 52 bar Dampftemperatur am Austritt 265 C Reaktorkühlsystem Anzahl der Kühlmittelpumpen 4 Mittlere Kühlmitteltemperatur 298 C Sicherheitsbehälter Kugeldurchmesser Auslegungsdruck (Überdruck) Wanddicke 48 m 3,8 bar 25/35 mm Maschinentechnische Anlage Turbine und Kondensator Hochdruck-(HD-)Teil 1 Niederdruck-(ND-)Teil 2 Drehzahl 1.500 min -1 Erwärmung des Kühlwassers im Kondensator 9 K Generator Leistung 780 MVA Klemmenspannung 21 kv Leistungsfaktor cos phi 0,85 Blocktrafo Anzahl 2 Leistung je Einheit 380 MVA Frequenz 50 Hz Kraft-Wärme-Kopplung Tertiärdampfmenge 60 t/h, entspr. 7,7 MW Dampfdruck 10 bar Dampftemperatur 190 C Dampfkondensatleitung zur Saline 1,5 km Das Kernkraftwerk Stade, das un - mittelbar an der Elbe liegt, ging 1972 in Betrieb. Seit 1984 erzeugte es nicht nur Strom, sondern zusätzlich noch Fernwärme für einen benachbarten Salinenbetrieb. Die E.ON Kernkraft GmbH ist zu zwei Dritteln, die Vattenfall Europe Nuclear Energy GmbH zu einem Drittel an dem Kernkraftwerk beteiligt.

Impressum Herausgeber E.ON Kernkraft GmbH Unternehmenskommunikation Tresckowstraße 5 30457 Hannover Redaktion E.ON Kernkraft GmbH Zentrale Hannover Unternehmenskommunikation Kernkraftwerk Stade Standortkommunikation Bildquellen Peter Hamel Zefa, Hamburg (Seite 29) Archivberlin, Berlin (Seite 30) E.ON Kernkraft Archiv Gestaltung Maurer Werbeagentur Hannover Produktion gutenberg beuys GmbH Hannover 3. Auflage 03/2008 Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion.

E.ON Kernkraft GmbH Postfach 4849 30048 Hannover Tresckowstraße 5 30457 Hannover T 0511-439-0 3 F 0511-439-2375 www.eon-kernkraft.com Kernkraftwerk Stade Bassenflether Chaussee 21723 Stade T 04141-77 23 91 F 04141-77 23 99 EKK 03/2008