DUH-Hintergrund. Spitzenausgleich nur für Energiesparer?

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Transkript:

DUH-Hintergrund August 2012 Spitzenausgleich nur für Energiesparer? Wie die Bundesregierung versucht, ein Steuergeschenk für das Produzierende Gewerbe in mehr als zweistelliger Milliardenhöhe als harte Energiesparauflage zu verkaufen Die am 1. August vom Bundeskabinett beschlossenen Regelungen zur Fortführung des Spitzenausgleichs für Unternehmen des Produzierenden Gewerbes stehen in Widerspruch zum Energiekonzept der Bundesregierung und verschieben die Kostenverteilung von Energiewende und Klimaschutz ein weiteres Mal einseitig zu Gunsten der Industrie. Sie widersprechen europäischem Beihilferecht. Darüber hinaus begründen sie ernsthafte Zweifel im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem Demokratieprinzip. Die Fortführung des Spitzenausgleichs bis 2022 wird tatsächlich nicht an relevante Anstrengungen der Industrie zur Steigerung der Energieeffizienz geknüpft. Mit den beschlossenen Regelungen werden keine effektiven Anreize zu einer für die Energiewende notwendigen Reduzierung der Energieintensität gesetzt. Individuelle Nachweise über erzielte Energieeinsparungen werden von den Unternehmen für die Inanspruchnahme des Spitzenausgleichs nicht verlangt. Der erst ab 2015 zu erreichende Zielwert von 1,3 Prozent für die Reduzierung der Energieintensität in den begünstigten Wirtschaftszweigen insgesamt entspricht der ohnehin erwartbaren Effizienzsteigerung, die also nicht durch einen Spitzenausgleich angereizt werden muss. Überdies wird das Verfahren, mit dem das Erreichen dieses unambitionierten Zielwertes festgestellt werden soll, nicht vom Gesetzgeber, sondern durch eine von 1

der Industrie mit der Bundesregierung ebenfalls am 1. August geschlossene Effizienzvereinbarung geregelt. Schließlich sind die von der deutschen Wirtschaft gegenüber der Bundesregierung in dieser Effizienzvereinbarung eingegangenen Verpflichtungen zur Einführung und zum Betrieb von Energiemanagementsystemen bzw. zur Durchführung von Energieaudits tatsächlich keine freiwilligen besonderen Leistungen, sondern bereits europarechtlich verbindlich vorgeschrieben. Im Einzelnen: 1. Im Juni 2007 hatte die Europäische Kommission die Vereinbarkeit des seinerzeit von Deutschland beantragten Spitzenausgleichs für energieintensive Abnehmer mit dem europäischen Beihilferecht sowie der EU-Energiesteuer-Richtlinie bejaht, allerdings unter bestimmten Voraussetzungen und nur mit einer bis zum 31. Dezember 2012 befristeten Laufzeit. Der von Deutschland durch den Spitzenausgleich begünstigte Kreis energieintensiver Abnehmer entsprach zwar ausdrücklich nicht der Definition in Art. 17 Abs. 1 lit. a) der Energiesteuer-Richtlinie. 1 Diese Vorschrift beschreibt diejenigen energieintensiven Betriebe, für die die Richtlinie Steuerermäßigungen als zulässig erachtet. Die Kommission nahm aber an, dass der damals beantragte Spitzenausgleich in Einklang mit Art. 17 Abs. 1 lit. b) der Energiesteuer-Richtlinie stünde, da die Begünstigten einer Vereinbarung zum Erreichen von Umweltschutzzielen unterlägen (siehe Staatliche Beihilfe N 775/2006 Deutschland - K (2007) 2461 endg.). Konkret waren für die Kommission die Verknüpfung des Spitzenausgleichs mit der 2012 auslaufenden Klimaschutzvereinbarung und die wahrscheinliche Erfüllung dieser Vereinbarung bis 2012 maßgeblich. Die damalige Bundesregierung hatte im Jahre 2000 mit der deutschen Wirtschaft die Klimaschutzvereinbarung geschlossen, um die Treibhausgas-Emissionen deutscher Unternehmen bis zum Jahr 2012 gegenüber 1990 um 35 Prozent zu senken. Einem Bericht aus dem Jahre 1 Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom. 2

2005 zufolge waren bis dato 92 Prozent des Ziels der Vereinbarung erreicht. Dieser Bericht lag der Entscheidung der Kommission aus dem Jahr 2007 zugrunde. 2. Nach dem Energiekonzept der Bundesregierung vom 28. September 2010 (BT-Drs. 17/3049) soll der Spitzenausgleich über den 31. Dezember 2012 hinaus fortgeführt, aber ab 2013 nur noch gewährt werden, wenn die jeweiligen Betriebe einen Beitrag zu Energieeinsparungen leisten. Dafür soll ein Nachweis der Einsparung verpflichtend sein. Der ursprüngliche Entwurf des Bundesfinanzministers vom 18. November 2011 zur Novellierung der insoweit einschlägigen 55 Energiesteuergesetz (EnergieStG) und 10 Stromsteuergesetz (StromStG) sah dementsprechend vor, dass die Inanspruchnahme des Spitzenausgleichs künftig nur dann möglich sein sollte, wenn das jeweilige Unternehmen eine bestimmte Energieeinsparung pro Jahr nachweist, ein Energiemanagementsystem einführt und betreibt bzw. Energieaudits durchführt. Am 18. April 2012 legte der Bundeswirtschaftsminister einen Alternativentwurf zum Spitzenausgleich nach 2012 vor, wobei er im Wesentlichen die Änderungswünsche von BDI und BDEW übernahm (vgl. Die Zeit vom 2. August 2012 unter Bezugnahme auf eine entsprechende E-Mail aus dem Bundeswirtschaftsministerium an BDI und BDEW). Gestrichen wurde seitens des Wirtschaftsministeriums insbesondere die vom Finanzministerium vorgesehene individuelle Nachweispflicht der begünstigten Unternehmen im Hinblick auf Energieeinsparungen. Am 1. August beschloss das Bundskabinett einen an den Alternativentwurf des Wirtschaftsministeriums angelehnten Regierungsentwurf zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes. Ebenfalls am 1. August unterzeichneten Wirtschaftsminister Rösler, Umweltminister Altmaier, Finanzstaatssekretär Gatzer sowie der Hauptgeschäftsführer des BDI Kerber und der Präsident des BDEW Woste die Vereinbarung zwischen der Regierung der 3

Bundesrepublik Deutschland und der deutschen Wirtschaft zur Steigerung der Energieeffizienz. In einer Erklärung der Bundesregierung vom 1. August heißt es unter der Überschrift Spitzenausgleich nur für Energiesparer : Energieintensive Unternehmen des Produzierenden Gewerbes erhalten weiter eine Steuerbegünstigung, allerdings nur, wenn sie ihre Energieeffizienz erhöhen. Das beschloss das Bundeskabinett unter Leitung von Vizekanzler Philipp Rösler. Die bisherige Regelung für den Spitzenausgleich läuft Ende 2012 aus. Das Bundeskabinett hat nun mit dem Gesetzentwurf eine Nachfolgeregelung ab 2013 für die nächsten zehn Jahre beschlossen. In Übereinstimmung mit dem aktuellen Energiekonzept der Bundesregierung legt der Gesetzentwurf als Gegenleistung für die Gewährung des Spitzenausgleichs klare Energie-Einsparziele fest. Er verlangt den Unternehmen damit spürbare Anstrengungen zur Erhöhung der Energieeffizienz ab. Die Unternehmen, die den Spitzenausgleich ab 2013 in Anspruch nehmen wollen, müssen Energiemanagement- oder Umweltmanagementsysteme verbindlich einführen und betreiben. Die Bundesregierung gibt damit allerdings nicht annähernd das wieder, was tatsächlich beschlossen wurde. Eher im Gegenteil. Denn die tatsächlich beschlossenen Regelungen stehen nicht nur in Widerspruch zum Energiekonzept der Bundesregierung und sehen als Gegenleistung für die Gewährung des Spitzenausgleichs gerade keine klaren Energie-Einsparziele vor. Sie widersprechen auch europäischem Beihilferecht. Und sie begründen ernsthafte Zweifel im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem Demokratieprinzip. 3. Nach 55 Abs. 4 EnergieStG-Entwurf und 10 Abs. 4 StromStG-Entwurf wird der Spitzenausgleich gewährt, wenn das jeweilige Unternehmen den Betrieb eines Energiemanagementsystems bzw. ein KMU (klein- und mittelständisches 4

Unternehmen) die Durchführung eines Energieaudits nachweist und die Bundesregierung festgestellt hat, dass die begünstigten Wirtschaftszweige den in einer Anlage zum Gesetz vorgesehenen Zielwert für eine Reduzierung der Energieintensität erreicht haben. Eine individuelle Nachweispflicht der begünstigten Unternehmen im Hinblick auf Energieeinsparungen, wie noch im Energiekonzept der Bundesregierung von September 2010 und im ursprünglichen Entwurf des Bundesfinanzministeriums von November 2011 vorgesehen, soll es nicht geben. Darüber hinaus ist vor allem Absatz fünf des 55 EnergieStG-Entwurf bzw. 10 StromStG-Entwurf bedeutsam. Denn danach wird die Steuerentlastung abweichend von Absatz vier für 2013 und 2014 in Wirklichkeit bereits dann gewährt, wenn das jeweilige Unternehmen den bloßen Beginn einer Einführung eines Energiemanagementsystems bzw. eines Energieaudits (bei KMU) nachweist. Der Betrieb eines Energiemanagementsystems bzw. die Durchführung eines Energieaudits werden nicht verlangt. Bezeichnenderweise verzichtet die Gesetzesbegründung dabei auf jegliche Erläuterung des Beginns, so dass die Regelung in der Praxis eine weite Auslegung erfahren wird. Energieeinsparungen müssen von den Unternehmen, um 2013 und 2014 in den Genuss des Spitzenausgleichs zu kommen, nicht nur nicht nachgewiesen, sondern gar nicht erst erzielt werden weder individuell noch kollektiv für die begünstigten Wirtschaftszweige. Für 2015 soll der Spitzenausgleich gewährt werden, wenn das Unternehmen bis Ende 2015 die Einführung (nicht den Betrieb) eines Energiemanagementsystems bzw. eines Energieaudits nachweist und die Bundesregierung festgestellt hat, dass die begünstigten Wirtschaftszweige den in einer Anlage zum Gesetz vorgesehenen Zielwert für eine Reduzierung der Energieintensität auch ganz ohne Aktion im Rahmen der Vereinbarung erreicht haben. Der für 2015 für die Gewährung des Spitzenausgleichs von der Bundesregierung festzustellende Zielwert für eine Reduzierung der Energieintensität beträgt 1,3 Prozent (vgl. die Anlage zu 55 EnergieStG-Entwurf bzw. 10 StromStG-Entwurf). 1,3 Prozent sind indes exakt der Wert, um den sich die Energieintensität der deutschen Industrie nach der Trendprognose der EU ohnehin jährlich reduzieren wird. 5

Hinzu kommt ein statistischer Sondereffekt im Zuge der schrittweisen Abschaltung der letzten neun Atomkraftwerke in Deutschland bis 2022. Wegen des statistischen Effekts des nach der international vereinbarten so genannten Wirkungsgradmethode auf 33 % festgelegten Wirkungsgrades von Atomkraftwerken (Erneuerbare Energien: 100 %; moderne Erdgaskraftwerke etwa 60 %) wird die Industrie scheinbar schon durch die Abschaltung jedes Atomkraftwerks, dessen Stromerzeugung durch Elektrizität aus Erneuerbaren Energien, Effizienten Gas- oder neuen Kohlekraftwerken ersetzt wird, scheinbar effizienter. Dieser Sondereffekt leistet bis 2022 einen, freilich nur scheinbaren Sonder-Effizienz-Zuschlag, der die Zielerreichung für das Produzierende Verfahren noch weiter erleichtert. Mit anderen Worten: Erst ab 2016 ist die Anwendung eines Energiemanagementsystems bzw. eines Energieaudits überhaupt Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Spitzenausgleichs. In den kommenden zwei Jahren wird der Spitzenausgleich gewährt, ohne dass ein Unternehmen ein Energiemanagementsystem betreibt oder ein Energieaudit durchführt; ohne, dass es tatsächlich seine Energieeffizienz steigert und sogar ohne, dass die begünstigten Wirtschaftszweige insgesamt eine Effizienzsteigerung zu verzeichnen haben. Für 2015 wird der Spitzenausgleich gewährt, ohne dass ein Unternehmen ein Energiemanagementsystem betreibt (bzw. ein KMU ein Energieaudit durchführt) und ohne, dass es tatsächlich seine Energieeffizienz steigert. Durch den für 2015 festgelegten Zielwert von lediglich 1,3 Prozent für die begünstigen Wirtschaftszweige insgesamt gibt es auch insofern keinen Anreiz, die Energieeffizienz über das hinaus zu steigern, was einem business as usual der deutschen Wirtschaft entspricht. Für das Bezugsjahr 2016 soll der Zielwert übrigens um 0,05 Prozentpunkte auf dann 1,35 Prozent steigen. Im Jahr 2017 sollen die Ergebnisse evaluiert werden, für 2019 bis 2022 sind keine Zielwerte festgelegt. 4. a) Der Spitzenausgleich für energieintensive Abnehmer verschafft einer bestimmten Gruppe von Unternehmen einen Vorteil, da ihnen eine Steuerlast ermäßigt wird, die 6

andere Unternehmen tragen müssen. Der selektive Charakter der Maßnahme ist nicht durch die Natur oder den inneren Aufbau des nationalen deutschen Steuersystems gerechtfertigt. Im Hinblick auf die Wirtschaftstätigkeit der Begünstigten und die Höhe der betreffenden Mittel für das kommende Jahr 2013 erwartet die Bundesregierung 2,3 Milliarden Euro kann der erlangte Vorteil den Wettbewerb verfälschen und den innergemeinschaftlichen Handel beeinträchtigen. Der Spitzenausgleich für energieintensive Abnehmer stellt folglich eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV (früher Art. 87 Abs. 1 EG-Vertrag) dar. Er ist nur dann zulässig, wenn er mit den Vorgaben der Art. 107 ff. AEUV vereinbar ist, das heißt insbesondere eine adäquate Gegenleistung erbracht wird. Das ist hier erkennbar nicht der Fall. Eine erneute Berufung auf Art. 17 Abs. 1 lit. b) der Energiesteuer-Richtlinie kommt nicht in Betracht. 2 Die beabsichtigte weitere Gewährung des Spitzenausgleichs ab 2013 ist europarechtswidrig. In der zwischen der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft am 1. August geschlossenen Vereinbarung sagt das Produzierende Gewerbe der deutschen Wirtschaft die Einführung von Energiemanagementsystemen für große Unternehmen und Audits für KMU in den insgesamt rund 23.000 Unternehmen zu, die den Spitzenausgleich beantragen, um u.a. im Rahmen einer Kosten-Nutzen- Abwägung Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz zu ermitteln. Das Produzierende Gewerbe verpflichtet sich darüber hinaus, seine Energieeffizienz ab dem Jahr 2013 zu erhöhen. Weiter heißt es in der Vereinbarung: 2 Die zur Einrichtung der Audits, insbesondere der Energiemanagementsysteme notwendigen finanziellen und organisatorischen Anstrengungen sowie die zusätzliche Verpflichtung zu Energieeffizienzsteigerungen des Produzierenden Gewerbes in Deutschland sollen ab dem 1. Januar 2013 die EU-energiesteuerrechtliche Gegenleistung für die von der Bundesregierung weiter beabsichtigte Entlastung durch den Spitzenausgleich darstellen. Die Vereinbarung flankiert die auf zehn Jahre Die Europäische Kommission hat zudem explizit festgestellt, dass die derzeitige Energiesteuerrichtlinie nicht nachhaltig ist und die falschen Anreize gibt, vgl. die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss Intelligentere Energiebesteuerung in der EU: Vorschlag für eine Änderung der Energiesteuerrichtlinie (KOM(2011) 168/3). 7

(2013-2022) angelegte gesetzliche Fortführung des Spitzenausgleichs. Die Bundesregierung wird eine Berücksichtigung der von der deutschen Wirtschaft erbrachten Leistungen anstreben. b) Tatsächlich ist die Einführung von Energiemanagementsystemen bzw. Energieaudits bereits zwingendes europäisches Recht. Am 14. Juni 2012 wurde die EU-Energieeffizienz-Richtlinie verabschiedet. Diese Richtlinie sieht in ihrem Art. 7 Abs. 2 und Abs. 3a vor: 2. Member States shall ensure that enterprises are subject to an energy audit carried out in an independent and cost-effective manner by qualified and/or accredited experts or implemented and supervised by independent authorities under national legislation by [three years after entry into force of this Directive] at the latest 3a. Enterprises implementing an energy or environmental management system - certified by an independent body according to the relevant European or International Standards - shall be exempted from the requirements of paragraph 2, provided that Member States ensure that the management system concerned includes an energy audit on the basis of the minimum criteria based on the principles set out in Annex Va. (vgl. Interinstitutional File vom 27. Juni 2012-2011/0172 (COD)) Unter einem energy audit versteht die Richtlinie a systematic procedure to obtain adequate knowledge of the existing energy consumption profile of a building or group of buildings, an industrial or commercial operation or installation or a private or public service, identify and quantify cost-effective energy savings opportunities ; energy management system meint a set of interrelated or interacting elements of a plan which sets an energy efficiency objective and a strategy to achieve that objective. Art. 7 der EU-Energieeffizienz-Richtlinie dürfte dementsprechend der Grund dafür sein, dass die in einem früheren, vor der Verabschiedung der Richtlinie erstellten Entwurf der Effizienzvereinbarung enthaltene Formulierung, wonach die deutsche Wirtschaft über die Anforderungen der Energieeffizienzrichtlinie hinaus die 8

Einführung von Energiemanagementsystemen und Audits zusage, im letztlich beschlossenen Vereinbarungstext gestrichen wurde. 3 Dies im Übrigen auch deshalb, weil die deutsche Wirtschaft und die Bundesregierung unter einem Energiemanagementsystem die systematische Identifizierung von Energieeinsparpotenzialen, die für weitere wirtschaftliche Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz genutzt werden können, verstehen (vgl. Ziffer I.2. der Effizienzvereinbarung), mithin das, was die EU-Energieeffizienz-Richtlinie im Rahmen eines Energieaudits klären will. Und: Die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von identifizierten Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz obliegt ausdrücklich allein dem jeweiligen Unternehmen, wobei die individuellen Wirtschaftlichkeitsmaßstäbe auch weiterhin anwendbar sind (Ziffer I.2. der Effizienzvereinbarung ). Vor dem Hintergrund des Vorstehenden ist es umso bemerkenswerter, dass Wirtschaftsminister Rösler in seiner Pressemitteilung vom 1. August feststellt: Mit der verpflichtenden Einführung von Energiemanagementsystemen geht die Bundesregierung über die bisherigen Anforderungen weit hinaus. Dies ist nicht der Fall. c) Die zugesagte Erhöhung der Energieeffizienz wird unter Ziffer II. 2. der Effizienzvereinbarung konkretisiert. Danach verpflichtet sich das Produzierende Gewerbe ab 2013 seine Energieeffizienz nach der gesetzlichen Vorgabe zu steigern. Die gesetzlichen Vorgaben finden sich in 55 EnergieStG-Entwurf und 10 StromStG-Entwurf. Das heißt, tatsächlich ist in den Jahren 2013 und 2014 für die Inanspruchnahme des Spitzenausgleichs überhaupt keine Steigerung der Energieeffizienz erforderlich für die Inanspruchnahme des Spitzenausgleichs, nicht einmal in den begünstigten Wirtschaftszweigen insgesamt. Und ab 2015 dann 3 Die Vereinbarung trug in dem früheren Entwurf übrigens zunächst auch den Titel Vereinbarung zur weiteren Steigerung der Energieeffizienz und Fortführung des bestehenden Spitzenausgleichs und offenbarte damit den eigentlichen Zweck der Vereinbarung. Im weiteren Verlauf setzte sich dann aber anscheinend die Erkenntnis durch, dass eine solche Transparenz für das Anliegen der weiteren Gewährung des Spitzenausgleichs kontraproduktiv wäre, so dass nunmehr allein von einer Vereinbarung zur Steigerung der Energieeffizienz die Rede ist. 9

lediglich in einem gänzlich umambitionierten Umfang von 1,3 Prozent für die begünstigten Wirtschaftszweige insgesamt (siehe oben). Nach alledem kann von einer EU-energiesteuerrechtlichen Gegenleistung für die von der Bundesregierung weiter beabsichtigte Entlastung durch den Spitzenausgleich keine Rede sein. 5. Die beschlossenen Regelungen werfen schließlich ernsthafte Zweifel im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem Demokratieprinzip auf. Das gilt zum einen für die erwiesene unmittelbare Einflussnahme von BDI und BDEW auf die Ausgestaltung der konkreten gesetzlichen Vorgaben. Es gilt zum anderen in Anbetracht der Tatsache, dass die Festlegung des Verfahrens, mit dem das Erreichen der (unambitionierten) Effizienzzielwerte festgestellt werden soll, dem Gesetzgeber entzogen und durch die von der Industrie mit der Bundesregierung geschlossene Effizienzvereinbarung erfolgt. Und nicht nur das: die Durchführung des Energieeffizienz-Monitorings zur Feststellung des Erreichens der Zielwerte soll einem unabhängigen wirtschaftswissenschaftlichen Institut obliegen, dessen Finanzierung die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft jeweils zu 50 Prozent tragen (Ziffer II. Nr. 8 der Effizienzvereinbarung ). Insgesamt werden dem deutschen Gesetzgeber durch den Regelungsumfang der Effizienzvereinbarung über zehn Jahre, in denen der Deutsche Bundestag voraussichtlich dreimal neu gewählt wird, erhebliche Einschränkungen seines Handlungsspielraums und Gestaltungsauftrags in einem für das Gelingen der Energiewende essentiellen Bereich auferlegt. Bleibt darauf hinzuweisen, dass das Ziel der 2007 für die Europäische Kommission maßgeblichen Klimaschutzvereinbarung nur erreicht werden kann, weil zu Beginn der 1990er Jahre große Industrien der DDR zusammengebrochen sind und es zweitens seit 2008 eine Wirtschaftskrise gab, die zu einer Absenkung des Produktionsniveaus geführt hat. 10

Hintergrund Spitzenausgleich: Im Jahr 1999 wurde die Ökosteuer eingeführt. Einen Teil der resultierenden Einnahmen überweist der Bund der gesetzlichen Rentenversicherung. Dadurch sparen die Arbeitgeber Versicherungsbeiträge. Die für bestimmte Produktionsprozesse benötigte Energie ist allerdings von vornherein vollständig oder teilweise von der Ökosteuer befreit. Weil die entsprechenden Betriebe keine Ökosteuer oder nur einen reduzierten Satz zahlen, aber trotzdem Rentenbeiträge einsparen, profitieren sie per Saldo von der Ökosteuer ohne einen zusätzlichen Umweltnutzen zu erbringen. Es gibt aber auch Unternehmen, die mehr Ökosteuer zahlen, als sie an Rentenversicherungsbeiträgen einsparen. Hier greift der so genannte Spitzenausgleich. Er ist eine Steuerbegünstigung für energieintensive Nutzer im produzierenden Gewerbe und gekoppelt an die Entwicklung des Arbeitsgeberanteils an den Rentenversicherungsbeiträgen. Er soll sicherstellen, dass die Energiesteuerbelastung für die Industrie nicht wesentlich über der Ermäßigung liegt, die durch die Verringerung des Arbeitgeberanteils an den Rentenversicherungsbeiträgen erzielt wird. Konkret werden denjenigen Betrieben, die den Spitzenausgleich in Anspruch nehmen 90 Prozent der Differenz zwischen gezahlter Ökosteuer und eingesparten Rentenversicherungsbeiträgen erstattet. 2012 entspricht das in der Summe voraussichtlich einem Volumen von 2,3 Milliarden Euro. Für Rückfragen: Dr. Cornelia Ziehm, Leiterin Klimaschutz und Energiewende der Deutschen Umwelthilfe e.v., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, E-Mail: ziehm@duh.de; Tel.: 030 2400867-0 11