Bewegungsanalyse und Bewegungskorrektur im Tischtennis

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Transkript:

Manfred Winterboer Bewegungskorrektur 1 Bewegungsanalyse und Bewegungskorrektur im Tischtennis Betrachtungsweise von Fehlern Während meiner Arbeit als Tischtennistrainer habe ich immer wieder feststellen müssen, daß Fehler, sowohl von Spielern als auch Trainern, als etwas Negatives erlebt bzw. empfunden werden. Es besteht eine starke Tendenz, Fehler möglichst zu vermeiden oder sogar auszumerzen. Diesem ehr negativ gefärbten Fehlerbegriff möchte ich eine Auffassung gegenüberstellen, die es als unmöglich ansieht zu lernen, ohne Fehler zu begehen. Vielmehr ist das Ziehen von Konsequenzen aus einem gemachten Fehler für den Lernfortschritt von entscheidender Bedeutung. In diesem Verständnis stellt der Fehler eine Rückmeldung dar, die für das individuelle Lernen oft eine größere Aussagekraft hat, als eine richtige Bewegungsausführung. Diese unterschiedlichen Betrachtungsweisen in der Fehlerdefinition lassen sich in den beiden nachfolgend aufgeführten Lehr- und Lernstrategien wiederfinden. Fertigkeitsorientierte Fehlerdefinition Eine fertigkeitsorientierte Methodik vermittelt einzelne Sporttechniken (Vorhand Top Spin, Rückhandkonter,...), indem sie eine möglichst sollwertnahe Bewegungsausführung beim Schüler anstrebt. Ein Fehler liegt vor, sobald die Ist-Technik (die tatsächlich ausgeführte Technik) von der Soll-Technik (die vollkommen bzw. optimal ausgeführte Technik) abweicht. Fehlerursachen werden in erster Linie im Bereich der Bewegungsausführung gesucht. Handlungsorientierte Fehlerdefinition Eine handlungsorientierte Methodik geht davon aus, daß sportartspezifische Techniken funktionalen Charakter haben, d.h. sie dienen der Erreichung eines Handlungszieles (den Punkt erzielen, den Gegner ausspielen, den Ball plazieren, dem Ball Rotation oder Geschwindigkeit verleihen...). Ein Fehler liegt vor, sobald das Resultat der Technikausführung dem Handlungsziel nicht entspricht. Fehlerursachen werden zur entscheidenden Voraussetzung für die Fehlerkorrektur und werden im gesamten Handlungsprozeß gesucht, z.b. im Bereich der -Bewegungsausführung -Wahrnehmung und Analyse -Zielsetung/Motivation In einer resultatsorientierten Sportart wie Tischtennis in der die spezifischen Techniken funktionalen Charakter haben, halte ich eine stärkere Orientierung an einer handlungsorientierten Lehr- und Lernstrategie für unablässig, ohne zu übersehen, daß in bestimmten Lernsituationen (z.b. Festigungsphase) durchaus ein fertigkeitsorientiertes Vorgehen zu favorisieren ist.

Manfred Winterboer Bewegungskorrektur 2 Diese Überlegungen spiegeln sich auch in der Fehlerdefinition von Manfred Muster wieder, der die funktionale Bedeutung der Bewegung als Lösung einer Spielaufgabehervorhebt: Ein Fehler ist der mißlungene Lösungsversuch einer Spielaufgabe, der zum Nachteil oder Punktverlust führt. Beim Nachteil spricht man auch von Mangel oder Abweichung. Ein Nachteil liegt z.b. dann vor, wenn ein Spieler aufgrund einer sehr langen Ausholbewegung (Abbildung 1) zu viel Zeit benötigt um in die erneute Ausholposition zurückzukehren. Er trifft dann den Folgeball i.d.r. zu spät oder läßt sich zu weit vom Tisch drängen um Zeit zu gewinnen. Phasen der Bewegungskorrektur Grundsätzlich kann zwischen drei Phasen der Fehlerkorrektur unterschieden werden: 1. Bewegungsanalyse 2. Planung der Bewegungskorrektur 3. Durchführung der Bewegungskorrektur 1. Die Bewegungsanalyse Um sinnvolle Korrekturmaßnahmen ergreifen zu können, ist es zunächst notwendig die Bewegungsfehler zu erkennen, sie zu analysieren und entsprechende Ursachen zu bestimmen. Dies setzt erhebliche Erfahrungen und Kenntisse über die spezifischen Bewegungsmerkmale im Tischtennis und deren Hauptzielsetzung voraus. Fehlerursachen können in folgenden Teilbereichen auftreten: 1.1. Fehlerursachen im sporttechnischen Bereich (Bewegungsausführung) 1.1.1. Die funktionellen Schlagphasen - Ausholphase/Schlagansatz - Schlag- und Treffphase - Ausschwungphase 1.1.2. Die Funktionskreise der Körperbewegung - Füße und Beine - Hüfte und Rumpf - Arm, Handgelenk und Schläger

Manfred Winterboer Bewegungskorrektur 3 1.1.3. Weitere Teilbereiche einer Bewegung - Koordination der Bewegung - Freier Arm/Gegenbewegung - Einsatz des Ellenbogens - Schlägerhaltung/Schlägerneigung 1.2. Sonstige Ursachen von Bewegungsfehlern Vielfach liegen die Ursachen für Bewegungfehler nicht in der Bewegungsausführung selbst sondern in anderen, für den Trainer oft sehr schwer zu erkennenden Bereichen. So können Fehler z.b. auf eine unzureichende Bewegungsvorstellung zurückzuführen sein oder darin begründet liegen, daß die Rotation des ankommenden Balles falsch eingeschätzt und ein dementsprechend unangemessener Schlag ausgeführt wird. Folglich sollte man folgende Ursachenbereich in die Fehleranalyse mit einbeziehen: 1.2.1. Spielfähigkeit und Bewegungssteuerung - Bewegungsvorstellung (Innen- bzw. Außensicht einer Bewegung) - Timing - Ballgefühl - Dynamik - Spielübersicht - Wahrnehmung und Analyse - Antizipation - Automatisierung der Bewegung 1.2.2. Kenntnisse - Rotation - Material - Taktik - Biomechanik 1.2.3. Psyche - Angst-/Streßfaktoren - Falsche Selbsteinschätzung - Motivation Dem Trainer zeigt sich bei der Bewegungsanalyse eines Spielers häufig ein verwirrendes Bild verschiedener Einzelfehler (z.b.: Vorhand Topspin: Mangelnde Gewichtverlagung, der Ball wird zu sehr neben dem Körper getroffen, der Schläger bleibt nicht auf einer Schlagebene, der Schlag endet auf Brusthöhe). In der Regel handelt es sich jedoch bei einem großen Teil der Fehler nur um sog. Folgefehler, die auf 1-2 Hauptfehler bzw. Fehlerursachen zurückzuführen sind (Beispiel: Fehler beim Vorhand Topspin: Der Schläger bleibt nicht auf einer Schlagebene; Fehlerursache: Die Ellenbogenposition wird bei der Schlagausführung zu stark verändert).

Manfred Winterboer Bewegungskorrektur 4 Als Hilfe kann hier das Funktionsphasenmodell von Göhner dienen, das deutlich die Wertigkeit und Zielsetzungen der einzelnen Phasen einer Bewegung veranschaulicht. Ein Tischtennisschlag besteht nach seinem Modell aus einer Vielzahl von Einzelbewegungen die aufeinander aufbauen (Bewegungskette) und ihre Funktion an einem bestimmten Bewegungsziel ausrichten. Dabei unterscheidet er: - welche Teilbewegung für das optimale Gelingen zentrale Bedeutung hat (Hauptfunktionsphase), - welche Aktionen für dieses Hauptelement vorbereitende Bedeutung haben, d.h. unabdingbare Voraussetzung sind (Hilfsfunktionsphase 1. Ordnung), - welche Bewegungsmerkmale mehr unterstützende bzw. überleitende Funktion haben (Hilfsfunktionphase 2. Ordnung). Im Tischtennis entspricht die Hauptfunktionsphase dem Schläger-Ball-Treffpunkt. In dieser Phase sollte mit Unterstützung der Hilfsfunktionsphasen das Hauptbewegungsziel gelöst werden, z.b: Rückhand Topspin: Rotation und Tempo (Abbildung 2). Ausholphase Schlag-/Treffphase Aussschwungphase (Hilfsfunktionsphase) (Hauptfunktionsphase) (Hilfsfunktionsphase) Wie bereits angesprochen muß man in einer azyklischen Sportart wie Tischtennis berücksichtigen, daß funktionale Beziehungen zwischen den einzelnen Schlagphasen bestehen. Fehler in der Ausholphase verändern die Qualität der Schlagphase und diese widerum kann die Phase Schläger-Ball-Treffpunkt negativ beeinflussen. Dies bedeutet, daß fehlerhafte Ausführungen in der Hauptfunktionsphase selten in der Hauptfunktionsphase selber ihre Ursachen haben, sondern vielmehr die Folge falscher Auftaktbewegungen (z.b. Ausgangsstellung, Hüftdrehung, Gewichtsverlagerung, Ellenbogeneinsatz) sind, d.h. in den Hilfsfunktionsphasen (Aushol- und Schlagphase) zu suchen sind (vgl. Fehlerursache-Folgefehler-Konzeption von Bremer). Die Konsequenz für den Trainer besteht darin, die Reihenfolge der Korrektur entsprechend dem Bewegungsablauf vorzunehmen, d.h. zunächst falsche Ausgangsstellungen und Auftaktbewegungen zu korrigieren und nicht in der Ausschwungbewegung mit der Korrektur zu beginnen.

Manfred Winterboer Bewegungskorrektur 5 2. Planung der Bewegungskorrektur Bevor der Trainer eine konkrete Korrekturmaßnahme einleitet, sollte er zunächst folgende Fragen bedenken: 2.1. Soll eine Korrektur durchgeführt werden? Der Trainer muß zunächst abschätzen, wie groß die Bedeutung des Fehlers für das Hauptziel der Bewegung ist. So kann es vorkommen, daß ein Spieler z.b. aufgrund einer sehr guten Dynamik und eines guten Timings sehr viel Rotation und Tempo mit seinem Vorhand Topspin erzielt, obwohl seine Bewegung in Bereichen der Hilfsfunktionsphasen erhebliche Abweichungen von der sog. Lehrbuchtechnik aufweist. Wie aber soll sich der Trainer in einer solchen Situation entscheiden? Betrachtet er die Abweichung als persönliche Handschrift bzw. individuellen Stil oder hält er den Fehler für so gravierend, daß der Spieler in seiner Entwicklung eingeschränkt wird? Wolfgang Friedrich hat zur besseren Veranschaulichung dieses Problembereiches das Modell des Technikkanals (Abbildung 3) entwickelt. Die Unterschiede in den Schlagtechniken, die Wolfgang Friedrich bei Weltklassspielern festgestellt hat, liegen nicht im Bereich der Hauptfunktionsphase, sondern bei den Hilfsfunktionsphasen, d.h. während in der Aushol-, Schlag- und Ausschwungphase die Möglichkeiten zur Abweichung vorhanden sind, muß im Schläger-Ball-Treffpunkt alles stimmen. AHP SP BT ASP Technikkanal Aufgrund meiner Erfahrungen halte ich es in der Nachwuchsschulung für wichtig, einen recht engen Technikkanal vorzugeben, der sich später erweitern läßt bzw. vom Spieler selbst erweitert wird. Umgekehrt ist es wesentlich schwerer später eine Verengung des Technikkanals zu erreichen. 2.2. Besteht eine Einheit zwischen technischem und taktischem Handeln? Wie bereits angesprochen hat im Tischtennis die Technik einen funktionalen Charakter, sie ist das Mittel zur Erreichung bestimmter taktischer Handlungsziele, z.b. den Gegner durch kurze Rückschläge nicht ins Spiel kommen zu lassen. Insofern kann die Effektivität einer Technik nicht nur durch Vergleich mit der Lehrbuchtechnik bestimmt werden, sondern es bedarf immer der Einbettung der Technik in eine taktische Situation. Folglich muß einer Fehleranalyse immer auch mit einer Analyse der Wettkampfleistung einhergehen. Eine praxisorientierte Hilfe bietet hierfür der Beitrag Fehleranalyse im Wettkampf (TTL 2/96) von Manfred Muster, der die Durchführung einer Wettkampfanalyse detailiert beschreibt.

Manfred Winterboer Bewegungskorrektur 6 Folgendes Beispiel soll die Verzahnung von technischem und taktischem Handeln verdeutlichen: Die Armbewegung beim Vorhand Topspin gegen Unterschnitt kommt zu sehr von hinten statt von hinten unten, der Ball wird zu zentral Drei-Uhr und nicht tangential Ein-Uhr getroffen. Die Folge ist eine hohe Fehlerquote gegen unterschnittene Bälle, was widerum häufig zu einer sehr passiven Spielweise gerade im Bereich der Spieleröffnung führt. Dies eröffnet dem Gegenspieler die Möglichkeit, die Initiative zu übernehmen und damit das Spiel zu bestimmen. Vielfach sind aber auch Verhaltensfehler zu beobachten, z.b. zu passive Haltung bei langen gegnerischen Aufschlägen oder mangelhafte Gegnerbeobachtung. Nur wenn ein Trainer diese Zusammenhänge erkennt, ist er in der Lage, angemessene Korrektur- bzw. Trainingsmaßnahmen einzuleiten. 2.3. Bestimmung der Korrekturmaßnahmen Vielfach ist zu beobachten, dass die Bewegungskorrekturen vom Trainer verbal an den Spieler herangetragen werden. Doch gerade diese verbale Methode birgt erhebliche Nachteile, da der Lernende einige wesentliche Vorausetzungen mitbringen muss, z.b. - Abstraktionsfähigkeit, - Fähigkeit zur Selbstbeobachtung, - Umsetzung von Sprache in Bewegung. In der Trainingspraxis habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, dass selbst überaus talentierte Spieler größte Schwierigkeiten haben, verbale Anweisungen in motorische Handlung umzusetzen. Dagegen versprechen Korrekturmethoden in denen verschiedene Sinne angesprochen werden wesentlich mehr Erfolg. Der Trainer sollte stets so individuell wie möglich korrigieren, d.h. er ist immer wieder aufgefordert neu zu reflektieren, ob für seinen Spieler eine ehr visuelle, akustische oder taktile Methode sinnvoll erscheint oder in wieweit ergänzende Lernhilfen oder Bewegungsaufgaben den Lernprozess unterstützen können. 3. Durchführung der Bewegungskorrektur 3.1. Verbale Lernhilfen Mittels verbaler Korrektur versucht der Trainer wesentliche Bewegungsfehler anschaulich, altersgemäß und in prägnanter Form hervorzuheben. Die Bewegungsbeschreibungen können auch schriftlich mit Hilfe von Lernblättern bzw. -karten erfolgen (sog. programmierter Unterricht). Wie bereits angesprochen sollten verbale Anweisungen nach Möglichkeit mit visuellen, taktilen oder akustischen Methoden kombiniert werden. 3.2. Visuelle Lernhilfen Um eine klare Bewegungsvorstellung zu schaffen, bieten sich visuelle Lernhi lfen wie Video, Videoprints, Demonstration oder Phasenbilder an. Der Trainer kann auch selbst eine Technik vormachen oder sie durch einen Mitspieler demonstrieren lassen.

Manfred Winterboer Bewegungskorrektur 7 3.3. Akustische Lernhilfen Durch akustische Signale wie Pfiff, Klatschen oder Zurufen kann der Trainer z.b. den Auftakt einer Bewegung oder den Balltreffpunkt schulen. Der Einsatz von ausgewählter Musik kann den Rhythmus von Bewegungen unterstützt. 3.4. Taktile Lernhilfen Durch direktes Eingreifen des Trainers, z.b. Armführung soll dem Spieler die Umsetzung einer Bewegungsvorstellung in eine Bewegung erleichtert werden (Nachteil: Bei zu häufiger Anwendung wird die Eigenwahrnehmung stark eingeengt). 3.5. Korrektur mit Hilfsmitteln 3.5.1. Raum-, Geräte- und Regelvariationen Für eine erfolgreiche Technikschulung ist der Einsatz von Hilfsmitteln von besonderer Bedeutung. Wird der Lernende durch Raum-, Geräte- oder Regeländerungen dazu gezwungen eine bestimmte Schlagausführung durchzuführen, spricht man auch von Zwingenden Situationen, z.b. Wandtisch (Korrektur der Entfernung vom Tisch), beidseitiger Tieftisch (bei zu aufrechter Stellung), Spieler darf nicht 2x hintereinander mit der Rückhand agieren (Beinarbeit). Wird besonderer Wert auf eine Rückmeldung im Hinblick auf das Erreichen des Bewegungsbzw. Handlungsziels gelegt, bieten folgende Hilfsmittel eine große Anschaulichkeit (Abbildung 4), z.b: - Aufschlag- bzw. Returnbrett (Erkennen der vorhandene Rotation des Balles), - Tischabdeckung (Anspiel besonderer Plazierungszonen). Balleimertraining mit dem Returnbrett Aufschlagtraining - Der Ball soll möglichst flach zwischen Netz und Stange hindurch gespielt werden. Weitere Hilfsmittel: Boden- und Tischmarkierungen, Berührungshilfen oder Netzveränderungen.

Manfred Winterboer Bewegungskorrektur 8 3.5.2. Zuspielhilfen Zuspielhilfen - sei es ein Zuspieler, der Roboter oder der Balleimertrainer - bieten ein exaktes Zuspiel mit vielen Ballkontakten. Durch die hohe Intensität können Techniken schnell korrigiert und gefestigt werden (Nachteil: Neue Fehler können auch schnell eingeschliffen werden). 3.6. Schattentraining Beim Schattentraining werden die Bewegungsabläufe ohne Ball geschult und eine Bewegungsvorstellung aufgebaut. Da Aspekte der Wahrnehmung und Analyse entfallen, kann sich der Übende voll auf seine Bewegung konzentrieren und Rhythmus und Tempo selbst bestimmen (Nachteile: Bewegungen werden häufig anders als mit Ball ausgeführt; Spieler empfinden dieses Training häufig als lächerlich ). 3.7. Korrektur mit dem schwachen Arm Die Bewegungsausführung mit dem schwachen Arm beinhaltet folgende Grundüberlegungen: Da das zu korrigierende Fehlerbild i.d.r. auf der schwachen Seite nicht auftritt kann hier eine neue Bewegung erworben werden. Nach und nach wird im Wechsel vom starken auf den schwachen Arm versucht diese auf den starken Arm zu übertragen (Nachteil: Sehr zeitaufwendige Methode). Tips für die Trainingspraxis Vor dem Hintergrund, dass Korrekturen von Bewegungsfehlern nur dann erfolgreich verlaufen, wenn der Trainer über ein entsprechendes pädagogisches und psychologisches Gespür verfügt, sollen am Ende dieses Beitrags noch einige wichtige Korrekturgrundsätze genannt werden: - Korrekturen sollten für den Spieler immer einsichtig sein. Die Einsicht wird dadurch erhöht, dass Ursachen- und Wirkungszusammenhänge aufgezeigt werden. - Einen Spieler in keinem Fall bloßstellen oder gar beleidigen. - Korrekturen sollten möglichst viele Sinne ansprechen (optische, akustische und taktile). - Keine Überkorrektur: Korrigiere möglichst nur einen Fehler und gebe dem Sportler genügend Zeit zum Üben. Es hat sich gezeigt, dass ständiges Korrigieren zu schlechteren Lernergebnissen führt. - Dem Spieler sollte eine Bewegungsvorstellung vermittelt werden. - Korrekturen werden häufig ehr akzeptiert, wenn zuvor eine positive Verstärkung erfolgt. - Formuliere vor einer Trainingssequenz einen Korrektur- bzw. Trainingsschwerpunkt und beziehe die Korrektur auch nur auf diesen Aspekt.

Manfred Winterboer Bewegungskorrektur 9 Literatur: Dieter Bremer, Nico Sperle: Fehler, Mängel, Abweichungen im Sport (1984) DTTB: Tischtennis Lehrplan Band 1 (1998) Wolfgang Friedrich, Bewegungsanalyse im Tischtennis, TTL 4/93 Bernd-Ulrich Groß: Tischtennis Praxis (1987) Arturo Hotz, Manfred Muster: Tischtennis Lehren und Lernen (1993 Paul Klingen, Tischtennis in Schule, Verein, Freizeit (1984) Manfred Muster: Fehlerkorrektur im Tischtennis, Video, erschienen im BTTV Manfred Muster: Fehleranalyse im Wettkampf, TTL 2/96 Manfred Winterboer: Erfolgreicher korrigieren: 6 Hinweise für das TT-Spiel, TTL 4/95 Manfred Winterboer: Trainingsmöglichkeiten mit dem Return-Brett, VDTT Trainerbrief 4/97 Autor: Manfred Winterboer, In der Barlage 36a, 49078 Osnabrück A-Lizenz-Trainer, Inhaber des Tischtennis College Osnabrück Telefon: 05 41-43 12 30 Fax: 05 41-43 12 56 E-mail: manfred.winterboer@t-online.de Internet: www.tischtennis-college.de