DER URLAUB STEHT VOR DER TÜR THERAPIE UND PROPHYLAXE Was kreucht und fleucht denn da? Christoph Hörweg Naturhistorisches Museum Wien
Was da kreucht und fleucht Bedeutung: [1] etwas kreucht und fleucht: etwas bewegt sich in der Art und Weise von Tieren an Land und in der Luft fort; meist im Sinne von: zur Fauna gehören Herkunft: wörtlich: kriecht und flieht (in der Bedeutung von fliegen) Diese endreimende Paarformel bewahrt die alten Beugungsformen der Verben "kriechen" und "fliegen". Als Zitat aus Schillers "Wilhelm Tell" (III, 1) ist sie zum geflügelten Wort geworden. Der 3. Aufzug von Schillers Drama»Wilhelm Tell«(1804) beginnt mit dem Gesang des Knaben Walter»Mit dem Pfeil, dem Bogen«. Die letzte Strophe dieses Liedes lautet:»ihm (= dem Schützen) gehört das Weite,/Was sein Pfeil erreicht;/das ist seine Beute,/Was da kreucht und fleugt.«beispiel: [1] Als Biologe kennt er sich mit fast allem aus, was um uns herum kreucht und fleucht. Giftiger Samstag 11.6.2016 Was kreucht & fleucht denn da - Christoph Hörweg
Tag der Artenvielfalt 2016 Samstag, 11.6.2016 Großes Fest der Artenvielfalt Ort: Lainzer Tor/Hermesstraße, zwischen Besucherzentrum und Kinderspielplatz
Was erwartet mich vor Ort? abhängig von: Zeitpunkt: Datum/Jahreszeit als auch Uhrzeit entscheidend (tagaktiv vs. nachtaktiv) Geographische Lage: Kontinent, Staat, Stadt vs. Land, etc. bedingt entsprechendes Klima/Wetter! Persönliche Vorlieben: klimatisiertes Luxushotel vs. Campingaufenthalt, etc. Persönliches Verhalten: Action vs. Wellness Giftiger Samstag 11.6.2016 Was kreucht & fleucht denn da - Christoph Hörweg
Was erwartet mich vor Ort? Relevant sind in der Regel Gifttiere Vektoren (Stechmücken, Zecken) Giftiger Samstag 11.6.2016 Was kreucht & fleucht denn da - Christoph Hörweg
Gifttiere im/am/aus dem Wasser Aktiv giftige Meerestiere: Schwämme, Nesseltiere (Korallen, Quallen), Kegelschnecken, Stachelhäuter (Seesterne, Seeigel), Fische (Rochen, Rotfeuerfische, Steinfisch, etc.), Seeschlangen Passiv giftige Meerestiere (= Vergiftungen nach dem Verzehr von Meerestieren): Muschelvergiftungen, Fischvergiftungen (Ciguatera, etc.) Giftiger Samstag 11.6.2016 Was kreucht & fleucht denn da - Christoph Hörweg
Gifttiere am Land Wirbellose: Skorpione, Spinnen, Zecken, Hundertfüßer, Insekten (Raupen, Bienen, Wespen, Ameisen) Wirbeltiere: Kröten, Frösche, Schlangen, Vögel, Säugetiere Giftiger Samstag 11.6.2016 Was kreucht & fleucht denn da - Christoph Hörweg
Gifttiere: Spinnen Giftiger Samstag 11.6.2016 Was kreucht & fleucht denn da - Christoph Hörweg
Vergleich Spinne - Insekt Giftiger Samstag 11.6.2016 Was kreucht & fleucht denn da - Christoph Hörweg
Klasse Spinnentiere mit 11 Ordnungen Ordnung Artenzahl Skorpione (Scorpiones) 1.922 Geißelskorpione (Uropygi) 110 Zwerggeißelskorpione (Schizomida) 274 Geißelspinnen (Amblypygi) 171 Tastenläufer (Palpigradi) 84 Webspinnen (Araneae) 45.990 Pseudoskorpione (Pseudoscorpiones) 3.444 Weberknechte (Opiliones) 6.491 Walzenspinnen (Solifugae) 1.110 Kapuzenspinnen (Ricinulei) 67 Milben (Acari) 45.231 SUMME 104.894 Stand: Juni 2016
Ist diese Spinne giftig? Diese Frage wird immer/meist auf den Menschen bezogen.. Aber zoologisch betrachtet: Die meisten Spinnenarten sind potentiell giftig; sie besitzen paarige Giftdrüsen im Vorderkörper, die an beweglichen Endklauen ihrer Mundgliedmaßen, den Chelizeren, münden. Als Räuber setzen sie diese Beißwerkzeuge beim Überwältigen und Verzehr der Beute ein, aber auch zur Verteidigung. Mit dem Biss, dem Eindringen der Chelizerenklauen, wird das Gift injiziert. Die primäre Funktion des Giftes besteht in der raschen Immobilisierung des Beutetieres. Bei 2 Familien (Liphistiidae u. Uloboridae) fehlen die Giftdrüsen.
Calommata sp., Atypidae, Weibchen drohend, mit Austritt der Gifttröpfchen an den Endklauen der Chelizeren. Thailand, Foto: B. Knoflach
Spinnengifte Spinnengifte stellen ein Gemisch von sehr unterschiedlicher Zusammensetzung und Toxizität dar: Polypeptide und Proteine, die neurotoxisch, zytolytisch oder enzymatisch wirken niedermolekularen Komponenten, u.a.: freie Aminosäuren biogene Amine (Histamin, Serotonin u.a.) Zitronensäure u.a. anorganische Salze
Spinnengifte Durch Zusammenwirken verschiedener Komponenten entstehen Synergismen. Den zytolytischen Polypeptiden wird eine duale Funktion zugeschrieben: dienen einerseits der körpereigenen Abwehr, um Bakterien und toxische Substanzen der Beute zu neutralisieren andererseits potenzieren sie die Wirksamkeit des Giftes Viele zytolytische Peptide haben eine amphipathische Struktur, die sie befähigt, Membranen verschiedenster Zelltypen anzugreifen.
Spinnengifte Die neurotoxisch wirksamen Bestandteile von Spinnengiften beeinflussen in erster Linie die Mobilität der Beute. Sie sind oft gruppenspezifisch und nach dem jeweiligen Taxon benannt, wie das Latrotoxin der Schwarzen Witwen, Gattung Latrodectus. Zudem enthält das Gift der Schwarzen Witwen mehrere Neurotoxine, die jeweils spezifisch auf Insekten, Krebstiere und Wirbeltiere wirken, mit den entsprechenden Bezeichnungen: α, β, γ, δ und ε-latroinsectotoxin α-latrocrustatoxin α-latrotoxin
Latrodectus tredecimguttatus
L. dahli L. geometricus L. hesperus? L. pallidus L. revivensis L. tredecimguttatus L. bishopi L. hesperus L. mactans L. variolus 4 L. antheratus L. apicalis L. corallinus L. curacaviensis L. diaguita L. geometricus L. mirabilis L. quartus L. variegatus 9 L. geometricus L. lilianae L. revivensis L. tredecimguttatus L. cinctus L. geometricus L. indistinctus L. karrooensis L. menavodi L. obscurior L. pallidus L. renivulvatus L. rhodesiensis 4 9 6 6 3 3 L. cinctus L. dahli L. geometricus L. hystrix L. pallidus L. renivulvatus L. hasselti 1 L. atritus L. katipo 2
Latrodectus tredecimguttatus
Latrodectus hasselti
Spinnengifte Die Sicariidae-Gattungen Loxosceles und Sicarius produzieren ein sonst im Tierreich nicht bekanntes Enzym, die Sphingomyelinase D, welches massive Nekrosen auslösen kann. Im Vergleich zu anderen Gifttieren ist die Chemie der Spinnengifte noch ungenügend untersucht. Es bestehen erhebliche Schwierigkeiten ausreichende Giftmengen zu gewinnen.
Loxosceles rufescens Loxoscelismus
Tegenaria agrestis Mullen (2002)
Ist diese Spinne giftig? Humantoxische Spinnen lassen sich nicht von harmlosen unterscheiden Kriterien zur medizinischen Relevanz einer Spinnenart: humantoxische Komponente im Gift ausreichende Giftmenge Chelizeren- und Körpergröße Häufigkeit Lebensweise: Synanthropie erhöht Begegnungswahrscheinlichkeit Verhalten: Aggressivität und Beißverhalten erhöhen die Zahl der Unfälle
Spinnenbiss Einflussgrößen variable Giftmenge Bissdauer Bissstelle Alter, Konstitution und Krankengeschichte des Opfers Sekundärinfektionen
Immer mehr gelb-rote Spinnen (news.at, 15.7.2012) Dornfingerspinnen Österreich Wegen Klimawandels kommt es zu vermehrtem Auftreten in der Südoststeiermark Der Biss des achtbeinigen Insekts ist vergleichbar mit einem Wespenstich. Um den Schmerz zu lindern, reicht in erster Linie ein Kühlen mit Wasser oder Eis
Cheiracanthium punctorium
Cheiracanthium punctorium Habitat: Ruderalfluren, Brachen, Ackerrandstreifen, Ackerflächen, Magerwiesen, Hochstaudenfluren etc. Die thermophile Art besiedelt feuchte und trockene Lebensräume! 75% der Fundorte sind offen und frei belichtet Wahrscheinlichkeit eines Kontaktes: Mäßig hoch (regional & zeitweise hoch) Prävention: Lange Hose und Handschuhe beim Arbeiten in Dornfinger- Habitaten, Fliegengitter, Abends/Nächtens die Lichter im/am Haus ausschalten (Verdunkeln)
Cheiracanthium punctorium Verbreitung Cheiracanthium punctorium Datenbank ÖKOTEAM/Komposch n= 80; Stand: 13. Sept. 2007
Bestätigte Bissfälle 24.7.06 im Landkreis Karlsruhe (D) Frau im Bett (Schlafzimmer) gebissen Ch. punctorium Biß in den kleinen Finger der rechten Hand; starker, stechender und gleichzeitig brennender Schmerz über viele Stunden andauernd Anschwellen des Fingers trotz sofortiger Kühlung, welche den Schmerz verschlimmerte! (auf das Doppelte) und auch der anderen Finger bzw. der ganzen Hand bis hinauf zum Ellenbogen; am Hals Lymphknoten angeschwollen Schmerzen erst besser/vorbei 3 Stunden nach Einnahme eines Antiallergikums Auch nach 10 Tagen noch Gelenkschmerzen im gesamten rechten Arm [http://inatura.at/wissen/gem_10480.shtm]
Giftbiss-Behandlung Sicherstellen der Spinne und korrekte Bestimmung durch Spezialisten Ruhe bewahren! Panik vermeiden (vielfach übersteigerte Angstreaktion) Wärmemethode (keinesfalls Kühlung!): ca. 50 C heißes Wasser, heißen Sand auf die Bissstelle, bis die Schmerzen abgeklungen sind (u.a. Braunwalder 2005) Giftiger Samstag 11.6.2016 Was kreucht & fleucht denn da - Christoph Hörweg
Gifttiere: Skorpione Giftiger Samstag 11.6.2016 Was kreucht & fleucht denn da - Christoph Hörweg
Skorpiongifte Skorpiongifte sind hoch komplexe Cocktails aus bis zu 70 Einzeltoxinen (Proteine) und einer Vielzahl weiterer Komponenten wie niedermolekularen basischen Peptiden, Aminosäuren, Salzen und diversen organischen Stoffen. Neurotoxine beeinträchtigen die Funktion von Muskulatur, Atmung und Herzkreislauf. Hauptangriffspunkte dieser Polypeptid-Toxine sind die Natrium-Kanäle erregbarer Membranen. Entweder wird durch eine Blockade des Schließens eine Dauererregung ausgelöst (α-toxine) oder aber sie verhindern oder verzögern das Öffnen der Kanäle (β- Toxine).
Skorpionstich Skorpione applizieren ihr Gift mittels ihres am Ende des Metasomas (Schwanzes) gelegenen Giftstachels; folglich ist dieser Vorgang als Stich und nicht wie in medizinischen und populären Publikationen vielfach zu lesen als Biss oder bite zu bezeichnen. Klassifizierung der Skorpionstiche z.b. nach ihrer Symptomatik (siehe Komposch 2000), danach richtet sich auch die Behandlung: I) Stiche mit geringer Lokalsymptomatik ohne systemische Giftwirkung II) Stiche mit starker Lokalsymptomatik ohne systemische Giftwirkung III) Stiche mit Schmerzen und kardiovaskulärer Symptomatik IV) Stiche mit kardialer und zentralnervöser Symptomatik Vorbeugung! (oft sind Fangversuche, Spielen, Manipulationen (für Foto!) Auslöser )
Hottentota judaicus Libanon, wüstenähnliche Habitate, sehr giftig
Androctonus australis Nordafrika, wüstenähnliche Habitate/anthropogen, sehr giftig
Euscorpius sp. Europa, steinige Habitate, weitgehend harmlos
Gifttiere: Schlangen Pakistan 40.000 Bisse/Jahr mit 15-18 Todesfällen pro 100.000 Menschen Australien 1.000-3.000 Bisse, Mortalitätsrate aber nur 2 Fälle/Jahr Giftiger Samstag 11.6.2016 Was kreucht & fleucht denn da - Christoph Hörweg
Schlangengifte Die Gifte der verschiedenen Schlangen bzw. ihre Komponenten lassen sich nach ihrer chemischen Zusammensetzung und ihrem Ansatzpunkt bzw. ihrer Wirkung im Organismus in verschiedene Gruppen einteilen: Entzündungserscheinungen Zytotoxizität: Schädigung von Zellen und Gewebe Neurotoxizität: Wirkung auf das Nervensystem Hämotoxizität: Wirkung auf die Blutgerinnung Giftallergie In vielen Fällen finden sich mehrere Komponenten mit verschiedener Wirkung (hämotoxisch, neurotoxisch etc.) kombiniert in einem Gift.
Levanteotter Macrovipera lebetina obtusa Asien, Wüsten/trockenes Buschland, sehr giftig
Todesotter Acanthophis antarcticus Australien, trockene Habitate, sehr giftig
Tiger snake Notechis scutatus Australien, in der Nähe von Behausungen (Mäusejäger!), sehr giftig
Schlangenbiss Prävention: Vorsicht wo man hintritt bzw. sich hinsetzt! Kein Hantieren mit dem Tier! Nach einem Biss: Beruhigend einwirken (Panikreaktion vermeiden) Betroffene Extremität ruhigstellen Identifizierug des Gifttieres Rascher Transport zum Arzt Keinesfalls Manipulation an der Bissstelle!
Zecken Giftiger Samstag 11.6.2016 Was kreucht & fleucht denn da - Christoph Hörweg
Schildzecke (Ixodes ricinus) Bellmann/Aspöck 2002
Schildzecke (Ixodes ricinus) Bellmann/Aspöck 2002
Die Zecke sticht!
Medizinische Bedeutung von Zecken Nach Stechmücken die medizinisch wichtigsten Blutsauger Vektoren der größten Vielfalt von Mikroorganismen (Viren, Bakterien, Protozoen, Pilze, Helminthen) Intoxikationen und allergische Reaktionen durch Speichel Übertragung von pathogenen Organismen und Speichel Sekundärinfektion der Einstichstelle bei Tieren: Blutverlust durch große Zahlen saugender Zecken Giftiger Samstag 11.6.2016 Was kreucht & fleucht denn da - Christoph Hörweg
Zecken-übertragene Infektionen Viren FSME Tribec Lipovnik Eyach Erve Bhanja Uukuniemi Bakterien Borrelia burgdorferi Borrelia afzelii Borrelia garinii Borrelia valaisiana Borrelia lusitaniae Borrelia spielmanii Francisella tularensis Coxiella burnetii Rickettsien R. helvetica R. slovaca R. monacensis R. massiliae R. IRS 3/4 R. RpA4 Babesien B. divergens B. microti Ehrlichien Anaplasma phagocytophilum Ehrlichia canis Ehrlichia equi
Krim-Kongo-Hämorrhagisches Fieber zeckenübertragen (Hyalomma anatolicum u.a.) Mortalität bis >30% Tierwirte: Rinder u.a. Wdk., Strauss, erkranken klinisch nicht Reservoirs: Feldhase! In Afrika: Igel, Vielzitzenratten Giftiger Samstag 11.6.2016 Was kreucht & fleucht denn da - Christoph Hörweg
CCHF-endemische Gebiete Afrika, Europa (Albanien, Bulgarien, Kosovo, Russland, Türkei, Griechenland), Nahost (Iran), Asien (Pakistan, China, Kasachstan, Tajikistan, Usbekistan)
57 Vorbeugemaßnahmen Repellents Kleidung Absuchen/Entfernen der Zecken Giftiger Samstag 11.6.2016 Was kreucht & fleucht denn da - Christoph Hörweg
Bienen / Wespen In D jährlich 10 Todesfälle nach Stichen, nicht wegen des Giftes, aber wegen der allergischen Reaktion auf das Gift
Stechmücken Giftiger Samstag 11.6.2016 Was kreucht & fleucht denn da - Christoph Hörweg
Unterscheidung
Verhaltensregeln Schützende Kleidung (lange Hosen) festes Schuhwerk darauf achten, wohin man greift, wohin man tritt und worauf man sich setzt Keine Steine umdrehen Mögliche Verstecke wie Schuhe, Zeltplanen, Gepäckstücke vor Verwendung überprüfen Giftiger Samstag 11.6.2016 Was kreucht & fleucht denn da - Christoph Hörweg
TAKE HOME MESSAGE VORSORGE / PROPHYLAXE beinhaltet: vorab Informationen einholen! Expositionsprophylaxe Schutz (Kleidung, Schuhwerk, Moskitonetz, ) Verhalten! Persönliche Hygiene! Giftiger Samstag 11.6.2016 Was kreucht & fleucht denn da - Christoph Hörweg
Danke für die Aufmerksamkeit.. und einen ERHOLSAMEN