Arbeitslosigkeit. Die neue Regierung will den Bereich der Sozialversicherung verbessern. Brasilien

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Transkript:

Arbeitslosigkeit Verläßliche Daten über die Zahl der Arbeitslosen in gibt es nicht. Die offiziellen Statistiken nennen Werte unter zehn, manchmal unter fünf Prozent, Schätzungen unabhängiger Institute liegen teilweise bei über 30 Prozent. Seit 1986 gibt es unter bestimmten Bedingungen für 60 Tage ein Arbeitslosengeld. Diese Versicherung können aber nur jene Arbeitnehmer in Anspruch nehmen, die unter Vertrag gearbeitet haben - das trifft auf die meisten Beschäftigten aus den ärmsten Schichten nicht zu. Die neue Regierung will den Bereich der Sozialversicherung verbessern.

Armut Schätzungen zufolge leben etwa zwei Drittel der brasilianischen Bevölkerung an oder unter der Armutsgrenze. Armutszentren sind der Nordosten s sowie die großstädtischen Elendsquartiere.

Bevölkerung hat zwischen 140 und 150 Millionen Einwohner. Damit liegt an sechster Stelle unter allen Ländern der Welt (bei der Landesfläche an fünfter Stelle). Das jährliche Wachstum liegt derzeit bei etwa 2,1 Prozent - und dies, obwohl in mehr ungeborene Kinder abgetrieben werden (1988: drei Millionen) als zur Welt kommen (1988: 2,7 Millionen). Das hohe Bevölkerungswachstum führt zu einer jungen Gesellschaft: Jeder dritte Brasilianer ist jünger als 15 Jahre. Im Jahre 2000 soll das Land etwa 178 Millionen Menschen zählen.

Bildung Jeder vierte Brasilianer über sechs Jahre kann weder schreiben noch lesen, im Nordosten des Landes ist es fast jeder zweite. Acht von zehn Kindern gehen entweder überhaupt nicht zur Schule oder aber brechen in der ersten oder zweiten Klasse wieder ab. Die öffentlichen Schulen sind schlecht ausgestattet: Die Hälfte aller Schulen haben weder Licht noch sanitäre Anlagen. Auch Lehrmittel sind dürftig: 75 Prozent der Schulen besitzen nicht einmal eine Landkarte. Viele Lehrer, besonders auf dem Land, verfügen nur über eine Grundschulbildung. Die Gehälter sind extrem niedrig: Die Lehrer mussen deshalb 40 oder mehr Stunden unterrichten, um überhaupt überleben zu können. Dies wirkt sich natürlich extrem auf die Qualität des Unterrichts aus.

Drogen Alkoholismus und Drogenkonsum sind weit verbreitet, auch unter Kindern. Die meisten der jungen Drogenkonsumenten "schnüffeln". Das heißt, sie atmen die Dämpfe von chemischen Stoffen (z. B. Klebstoff) ein. Dadurch werden Hunger- und Kältegefühle vertrieben die Kehrseite ist eine starke Schädigung des Gehirns und für langjährige "Schnüffler" der Tod.

Ernährung Statistisch gesehen sind die Brasilianer ausreichend ernährt. Hinter dieser Angabe stecken aber starke Ungleichgewichte, nach unterschiedlichen Angaben ist die Unterversorgung mit Kalorien bei ein Drittel bis zwei Drittel der Bevölkerung festzustellen. Eine Studie der Vereinten Nationen ergab, daß zwei von drei Kindern im Nordosten s bleibende Schäden wegen Unterernährung erleiden. Hauptnahrungsmittel der armen Bevölkerung sind Reis und Bohnen.

Frauen Die Frauen tragen - gemeinsam mit den Kindern - die Hauptlast der Armut. So ernähren sie sich oft schlechter, weil das wenige Essen zunächst dem Mann und den Kindern gegeben wird. Viele Frauen arbeiten neben Kindererziehung und Haushalt, um zum lebensnotwendigen Familieneinkommen beizutragen. Das lateinamerikanische Phänomen des"machismo" verhindert dabei, daß die Männer (selbst wenn sie arbeitslos sind) den Frauen im Haushalt oder bei der Arbeit mit den Kindern helfen. Dass Zigtausende von Frauen fast regelmäßig von ihren Männern sitzengelassen werden, gehört beinahe zur "Normalität" der Armut. Frauen werden häufig schon als Mädchen sexuell ausgebeutet. Im Bildungsund Berufsbereich sind Frauen gegenüber Männern fast chancenlos.

Gesundheit & Krankheit Weit verbreitete Krankheiten in sind die Lungentuberkulose, Keuchhusten, Masern und Malaria. Die Malaria, die zeitweise unter Kontrolle schien, breitet sich seit einigen Jahren wieder stark aus. 1989 starben 56000 Menschen an dieser Krankheit. Das brasilianische Gesundheitssystem ist ein Zweiklassensystem: Die herkömmliche öffentliche Versorgung ist völlig unzureichend ausgestattet, das Personal wird schlecht bezahlt. Medikamente und sogar gewisse Arztleistungen müssen extra bezahlt werden (zum Beispiel, wenn ein Arzt bei der Entbindung eines Kindes dabei sein muss). Für viele Arme ist das nicht bezahlbar. Andererseits gibt es ein erstklassiges privates Gesundheitssystem mit europäischem Standard, zu dem allerdings nur etwa ein bis drei Prozent der Bevölkerung Zugang haben, gemäß den finanziellen Möglichkeiten des Patienten.

Wohnungen Wieviele Menschen in unter katastrophalen Wohnbedingungen leben, ist insgesamt nicht zu erfassen. Möglich sind nur Ausschnitte des Gesamtbildes: Von den Familien in Salvador, die mit dem staatlich vorgeschriebenen Mindestlohn (umgerechnet rund 1800 Franken monatlich) leben, verfügt nur jede sechste über eine "angemessene Wohnung", d. h. eine Wohnung mit elektrischem Licht und fließend Wasser; Abwasserkanalisation oder Sickergrube; Wohndichte bis zu einer Person pro Raum; errichtet in dauerhafter Bauweise. Jede dritte der Familien in den Elendsvierteln von Salvador mit einem Familieneinkommen von bis zu drei Monatslöhnen (damit müssen 75 Prozent der brasilianischen Bevölkerung leben) verfügt nur über eine Wohnung, die keine einzige der genannten Kriterien erfüllt.

Indianer Die Urbevölkerung s hat - wie in anderen lateinamerikanisehen Regionen - vor allem während der Kolonialzeit stark abgenommen. Zum Teil wurden die Indianer bei Kämpfen, zur Strafe oder aus anderen Gründen getötet, zum Teil starben sie durch Krankheiten, die von den Europäern eingeschleppt wurden, zum Teil gingen sie zugrunde, weil ihnen die Lebensgrundlage entzogen wurde. Zum Zeitpunkt der "Entdeckung" s (1500) sollen dort mehrere Millionen Indianer gelebt haben, heute sind es nach offiziellen Angaben noch etwa 228.000, etwa 136.000 von ihnen leben im Amazonas-Gebiet. Die Indianer unterliegen besonderen Gesetzen und stehen unter der Vormundschaft der Indianerbehörde FUNAI, deren Aufgabe es offiziell ist, für ihren Schutz und ihre behutsame Integration zu sorgen. Doch nach Ansicht vieler Beobachter gelingt dies nicht, mehrere indianische Völker sind von der Ausrottung bedroht.

Schwarze 1570 wurden die ersten schwarzen Sklaven nach verschleppt, Millionen weitere folgten. 1888 wurde die Sklaverei aufgehoben. Offiziell gibt es in keinen Rassismus, und es wird immer wieder festgestellt, daß die Rassenprobleme in deutlich kleiner seien als zum Beispiel in den USA oder gar in Südafrika, doch die schwarze Bevölkerung (11 Prozent der Brasilianer, dazu 34 Prozent Mischlinge) wird in zahlreichen Lebensbereichen benachteiligt. Als Regel gilt: «Je höher die Schicht, um so heller die Hautfarbe.» Und: «Der reiche Schwarze ist weiß.» Die schwarze Bevölkerung, die vor allem im Nordosten lebt, hat die brasilianische Kultur erheblich beeinflußt, so haben sich beispielsweise zahlreiche Formen (und manchmal auch Inhalte) aus afrikanischen Kulten mit dem Christentum vermischt.

Verstädterung 1960 lebten 45 Prozent der brasilianischen Bevölkerung in den Städten, 1988 waren es bereits 75 Prozent, und dieser Anteil wächst weiter. Menschen, die auf dem Land keine Perspektive mehr sehen, versuchen ihr Glück in den Städten, vor allem in den Städten des industrialisierten Südens. Diese wuchern weiter, allein in Sao Paulo leben heute 15 Millionen Menschen, fast soviele wie in ganz Nordrhein-Westfalen. Der Anteil der Menschen in den städtischen Elendsgebieten ("Favelas") wächst. So lebte 1950 jeder 14. Einwohner von Rio de Janeiro in den Favelas, heute jeder dritte: etwa zwei Millionen Menschen. In anderen Städten liegt dieser Anteil noch wesentlich höher: in Salvador leben 70 Prozent der Bevölkerung in Favelas. Von den zahlreichen Problemen, die sich aus der Verstädterung ergeben, sei nur eines erwähnt: die zunehmende Gewaltkriminalität. Mord und Totschlag ist inzwischen bei männlichen Jugendlichen in Sao Paulo die mit Abstand höchste Todesursache, gefolgt von Verkehrsunfällen sowie Krankheit und anderen Unfällen an dritter Stelle.

Migration Unter diesem Begriff ist das Umherziehen (teilweise die Flucht) von Menschen zu verstehen, auf der Suche nach (besseren) Lebenschancen - ein Phänomen, das in zum Alltag gehört. Da sind zum Beispiel die Wanderarbeiter. Millionen von Männern - mit und ohne Familie - ziehen von Ort zu Ort, von Region zu Region, immer auf der Suche nach Arbeit. Ein Beispiel sind die "Garimpeiros", deren Zahl die brasilianische Regierung im Jahr 1989 allein auf 1,2 Millionen schätzte. Es handelt sich dabei um Gold-, Edelstein- oder Zinnerzsuchende, die mit handwerklichen Methoden Bergbau betreiben und nie lange an einem Ort leben.

Lebenserwartung Sie liegt im Landesdurchschitt bei 63 (Männer) bzw. 68 Jahren (Frauen). Hierin sind aber starke Schwankungen verborgen: In einigen Landstrichen s liegt die durchschnittliche Lebenserwartung noch immer unter 45 Jahren.