Schleswig-Holstein 2008 Leistungskurs Biologie Thema: Entwicklung und Veränderung lebender Systeme. Zur Evolution einer giftigen Form des Weißklees

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Transkript:

Schleswig-Holstein 008 Zur Evolution einer giftigen Form des Weißklees ) Definieren Sie die Begriffe Art, Rasse und Population und diskutieren Sie, inwieweit es sich bei dem ungiftigen und dem Blausäure bildenden (giftigen) Weißklee in dem in M abgebildeten Verbreitungsgebiet um Arten oder Rassen handelt. ) Ermitteln Sie anhand der vorliegenden Sachinformationen die hier wirksamen Evolutionsfaktoren und erläutern Sie auf dieser Grundlage die Verbreitung der beiden Phänotypen des Weißklees gemäß M. ) Erklären Sie die Ergebnisse des Materials und erläutern Sie die evolutionsbiologische Bedeutung der Infektion für die Verbreitung des ungiftigen und des giftigen Weißklees. B08_0_H-A Seite von 5

Schleswig-Holstein 008 5 0 5 0 5 Material M Der Weißklee ist ein weiß blühender, in ganz Europa häufiger Schmetterlingsblütler, der auch eine typische Pflanze auf Vertrittflächen ist. Beim Sammeln von Pflanzen des Weißklees stellte man immer wieder fest, dass es Pflanzen gab, die durch Schnecken stark angefressen waren, während dicht daneben Pflanzen der gleichen Art keinerlei Fraßverletzungen aufwiesen. Die chemische Analyse dieser nicht angefressenen Pflanzen zeigte, dass sie Substanzen eingelagert haben, aus denen sich bei Verletzung der Zellen Blausäure bildet. Blausäure ist stark giftig und hemmt die Enzyme der Atmungskette. Das gilt nicht nur für die Tiere, die diese Pflanzen fressen, sondern auch für die Pflanzen selbst, wenn die freigesetzte Blausäure in die Zellen und damit in die Mitochondrien gelangt. Im gesamten Verbreitungsgebiet des Weißklees gibt es Schneckenarten, die am Weißklee fressen. In einem Experiment, bei dem man den Schnecken beide Weißkleevarietäten zur Auswahl anbot, konnte gezeigt werden, dass die Schnecken sich nur von den blausäurefreien Pflanzen ernähren. Die Schnecken sind im Winter als wechselwarme Tiere inaktiv. Obwohl sie den Winter im Erdboden eingegraben verbringen, können sie tiefe Temperaturen auf diese Art nicht überdauern. Tiefe Wintertemperaturen dezimieren Schneckenpopulationen dementsprechend stärker als milde Winter. Der Weißklee überdauert den Winter einerseits durch Samen, andererseits sind die langen Wurzeln und die dicht über dem Boden stehenden Blätter winterhart. Bei Frost kann es jedoch durch Gefrieren des Zellsaftes zu Verletzungen der Zellen kommen. Zudem ist bekannt, dass der Weißklee von einem Rostpilz parasitiert wird, dessen Wintersporen kälteresistent sind. Man hat in ganz Europa und im vorderen Orient Populationen des Weißklees untersucht und festgestellt, wie hoch der Anteil Blausäure bildender und nicht Blausäure bildender Pflanzen in der jeweiligen Population ist (siehe Material M). Abb.: Trifolium repens B08_0_H-A Seite von 5

Schleswig-Holstein 008 Material M: Verteilung der Weißkleepopulationen Abb. : geografische Verteilung von Weißkleepopulationen; schwarze Flächen geben den Anteil der cyanogenen (blausäurebildenden) Pflanzen an. Eingezeichnet sind außerdem die Januarisothermen, d. h. die Verbindungslinien der Orte mit der gleichen Durchschnittstemperatur im Januar Material M: Grafisch dargestellte Ergebnisse eines Infektionsversuchs von Weißkleepflanzen mit einem Rostpilz Abb. : Rostpilzinfektion an zwei Weißkleevarietäten. Quellen: http://caliban.mpz-koeln.mpg.de/~stueber/thome/ban/tafel_5.html Weber, U. (Hrsg.): Handbuch für den Unterricht Biologie Oberstufe, Berlin 00, Briggs, David/Walters, Max: Die Abstammung der Pflanzen, München 969 B08_0_H-A Seite von 5

Schleswig-Holstein 008 Erwartungshorizont zu Aufgabenvorschlag: Evolution einer giftigen Form des Weißklees Aufgabenteil Erwartete Schülerleistung ) Erklärung der Begriffe Art / Rasse /Population Es handelt sich bei den Weißkleeformen im dargestellten Verbreitungsgebiet um Rassen. Begründung Für die Verbreitungsrandgebiete, in denen eine Form zu 00% vorkommt, kann dies jedoch nicht eindeutig belegt werden.vorschlag für eine Verifizierung ) Beschreibung des Vorkommens der Phänotypen,: in S- Europa fast nur Blausäure bildende Formen, in W-Europa ist der Anteil sehr hoch, in M-Europa wird der Anteil von Westen nach Osten immer geringer und in O- und NO-Europa sind keine Blausäure bildenden Formen zu finden. Beschreibender Bezug zu den Isothermen / kurze Kommentierung Isothermen Als wirksame Evolutionsfaktoren kommen in Frage: Mutation, Rekombination, Selektion, Erläuterung Selektion durch Temperatur, Schneckenfraß, wobei die Selektionsfaktoren in einer komplexen Wechselbeziehung stehen: In Regionen mit milden Wintern haben Weißkleearten, die Blausäure bilden, einen Selektionsvorteil, da die Fressfeinde vergiftet werden und die Möglichkeit der Eigenvergiftung nicht zum Tragen kommt. Die Fressfeinde haben günstigere Selektionsbedingungen und damit einen hohen Einfluss. In den kalten Regionen Eigenvergiftung durch Frostschäden an den überwinternden Pflanzenteilen. Der Einfluss der Schnecken ist hier temperaturbedingt geringer. Balance der Selektionsfaktoren Unter Berücksichtigung eines Temperaturgefälles im Verbreitungsgebiet: transformierende oder dynamische Selektion Anforderungsbereiche I II III 40 50 0 4 4 Lehrplanbezug III- III- B08_0_H-A Seite 4 von 5

Schleswig-Holstein 008 ) Grafikbeschreibung: Verlauf der Rostpilzinfektion Auswertung des Befundes: Rostpilz befällt bzw. schädigt giftigen Weißklee stärker als ungiftigen, Hypothese: Blausäure beeinträchtigt wahrscheinlich die Vitalität des Weißklees, so dass er für Infektionen anfälliger ist. Die ungiftige Form des Weißklees hat gegenüber der giftigen in Bezug auf den Rostpilzbefall einen Selektionsvorteil. Dieser Vorteil wird kompensiert durch den Nachteil des erhöhten Schneckenfraßes. Hypothese: Der Schneckenfraß scheint als Selektionsfaktor der ausschlaggebende Faktor zu sein, da die giftige Form des Weißklees überall dort dominiert, wo die milden Winter den Schneckenpopulationen einen Selektionsvorteil liefern. IV- IV- Summe der Punkte ) 4 9 Summe der Punkte ) 4 6 Summe der Punkte ) 5 0 Summe insgesamt 7 5 45 Prozentuale Verteilung 8 5 00 B08_0_H-A Seite 5 von 5