28 JUDIKATIVE 28 / Inhaltsübersicht. 1. Rechtsquellen. 2. Allgemeines. 3. Rolle der Gemeinde im Verwaltungs(gerichts)verfahren

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Transkript:

28 JUDIKATIVE Inhaltsübersicht 1. Rechtsquellen 2. Allgemeines 3. Rolle der Gemeinde im Verwaltungs(gerichts)verfahren 4. Strafverfahren vor dem Gemeinderat 1

1. Rechtsquellen Bund Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht SR 173.110 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren SR 172.021 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess SR 273 Bundesgesetz vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege SR 312.0 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht SR 173.32 Bundesgesetz vom 4. Oktober 2002 über das Bundesstrafgericht SR 173.71 Kanton Gesetz über die Organisation der Gerichte (Gerichtsorganisationsgesetz GOG) vom 22. Februar 2001 SGS 170 Verwaltungsverfahrensgesetz Basel-Landschaft (VwVG BL) vom 13. Juni 1988 SGS 175 Gesetz über die Organisation und die Verwaltung der Gemeinden (Gemeindegesetz) vom 28. Mai 1970 SGS 180 Zivilprozessordnung vom 21. September 1961 SGS 221 Strafprozessordnung vom 3. Juni 1999 SGS 251 Verwaltungsprozessordnung vom 16. Dezember 1993 SGS 271 2

2. Allgemeines Die Judikative ist neben der gesetzgebenden (Legislative) sowie der gesetzanwendenden bzw. vollziehenden Gewalt (Exekutive) im System der Gewaltenteilung die dritte Gewalt im Staat: Sie ist zuständig für die Rechtsprechung und überwacht so die richtige Einhaltung der Gesetze. Die Organisation der Gerichte, also der Judikative, ist Sache des Bundes bzw. des Kantons; die Gemeinden sind davon in erster Linie als rechtsanwendende Körperschaften im Verwaltungsverfahren bzw. als Parteien in einem gerichtlichen Verfahren betroffen. In den zwei folgenden Abschnitten dieses Kapitels werden besondere Aufgaben der Gemei n- den im Bereich der Judikative beleuchtet. Eine Übersicht zu den Hauptaufgaben und der Grundstruktur der Gerichte im Kanton Basel- Landschaft enthält die Broschüre Der Kanton in Kürze, welche von der Landeskanzlei BL herausgegeben und regelmässig überarbeitet wird. Der auf den nachfolgenden Seiten abgedruckte Auszug (in Kursivschrift) stammt aus der Ausgabe 2013/2014. 3. Rolle der Gemeinde im Verwaltungs(gerichts)verfahren Als Trägerin von hoheitlicher Gewalt darf und muss eine Gemeinde mit ihren Entscheiden und Verfügungen die Beziehungen zwischen ihr und den Bürger/-innen sowie anderen Behörden oder Gemeinwesen regeln. Sie bringt damit das Verwaltungsverfahren in Gang, und hat die Bestimmungen in den entsprechenden Gesetzen (vor allem im Verwaltungsverfahrensgesetz) zu beachten. (Für weitere Einzelheiten siehe Kapitel 3: Gemeinderecht, sowie Kapitel 6: Schriftverkehr). Die Betroffenen können die verwaltungsrechtlichen Entscheide bzw. Verfügungen bei einer vorgesetzten Behörde oder einer gerichtlichen Instanz anfechten. In Gemeindeangelegenheiten ist die Beschwerdeinstanz in der Regel der Regierungsrat. In einigen Fällen kann der Regierungsrat endgültig entscheiden. Die meisten Entscheide des Regi e- rungsrates sind jedoch an das Kantonsgericht als höchste kantonale Instanz weiterziehbar. S o- wohl beim Verfahren vor dem Regierungsrat als auch beim Verfahren vor dem Kantonsgericht (Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht) stehen sich die Behörde, deren Verfügung angefochten wird, und der Bürger oder die Bürgerin auf gleicher Stufe gegenüber. Zu einer Beschwerde des Bürgers oder der Bürgerin muss die verfügende Behörde mittels Vernehmlassung angehört werden. Beide Parteien haben die Möglichkeit Beweise vorzubringen. Der Regi e- rungsrat bzw. das Kantonsgericht entscheidet gestützt auf die gesetzlichen Grundlagen, den Sachverhalt und die Beweise, ob die Verfügung aufzuheben sei oder nicht. Als letzter Schritt bleibt auch hier der Weg ans Bundesgericht, wobei in den meisten Fällen nur die Anwendung von Willkür oder die Verletzung kantonaler verfassungsmässiger Rechte oder Bundesrechts gerügt werden kann. Das ordentliche Verwaltungsverfahren gliedert sich in folgende Stufen: 1. Verfügung einer Behörde (z.b. Gemeinderat); allenfalls mit Einsprachemöglichkeit 2. Beschwerde des Bürgers oder der Bürgerin (in der Regel) an den Regierungsrat 3. Vernehmlassung der verfügenden Behörde zur Beschwerde 4. Entscheid des Regierungsrates 5. Beschwerde des Bürgers bzw. der Bürgerin oder der verfügenden Behörde ans Kantonsgericht 6. Stellungnahme des Regierungsrates sowie der anderen Partei an das Kantonsgericht 7. Urteil des Kantonsgerichts 8. Weiterzug ans Bundesgericht oder an das eidgenössische Versicherungsgericht. 3

4. Strafverfahren vor dem Gemeinderat ( 70b Gemeindegesetz) In einem einzigen Fall (und dies ist streng genommen ein Verstoss gegen das Prinzip der Gewaltentrennung!) darf der Gemeinderat also die Exekutivbehörde - ausnahmsweise als richterliche Instanz auftreten und Strafen verhängen. Dies hat der Gesetzgeber so im Gemeindegesetz bestimmt: Damit sollen bei gewissen Übertretungstatbeständen einerseits volksnahe Entscheide ermöglicht, und andererseits natürlich auch die gerichtlichen Instanzen entlastet we r- den. 70b Strafverhängung des kantonalen Gemeindegesetzes lautet wie folgt: 1 Der Gemeinderat oder der Ausschuss gemäss 81 Absatz 4 beurteilt Verstösse gegen die Reglemente und Verordnungen der Gemeinde. 2 Er verhängt die dort angedrohten Bussen und kann Urteilsgebühren bis 200 Fr. auferlegen. 3 Er kann in einer separaten Verfügung die Herstellung des rechtmässigen Zustandes auf Kosten der verurteilten Person anordnen. Der Gemeinderat beurteilt und bestraft also ausschliesslich jene Verstösse, die kommunale Rechtsnormen ausdrücklich unter Strafe stellen. Auch die Höhe der Bussen, die gegen die Verstösse ausgesprochen werden können, müssen im Reglement genannt werden. Die häufigsten Anwendungsgebiete sind Verstösse gegen die Ruhebestimmungen, gegen die Hundegesetzgebung sowie gegen die Abfallreglemente. Das Verfahren wird in den 81 ff Gemeindegesetz beschrieben: - Zuständig für die Beurteilung der genannten Verstösse ist der Gemeinderat. - Er kann diese Kompetenz an den sogenannten Bussenausschuss delegieren: Dazu b e- stimmt er mindestens zwei GR-Mitglieder sowie eine/n Protokollführer/in. - Der/die Verzeigte wird vor den Gemeinderat bzw. vor den Bussenausschuss geladen. - Bevor eine Busse ausgesprochen wird, ist (ausser bei Ordnungsbussen) der oder die Verzei g- te anzuhören: Es wird also das rechtliche Gehör erteilt. - Wird das rechtliche Gehör nicht wahrgenommen bzw. erscheint der/die Verzeigte nicht, wird ohne Anhörung entschieden. - Der Entscheid bzw. die Busse wird in der Regel gleich an der Sitzung eröffnet; Abwesenden wird der Strafbefehl als Verfügung zugestellt. - Die Gemeinden können in ihren Reglementen anstelle dieses Verfahrens ein sogenanntes Bussenanerkennungsverfahren vorsehen: Der/die Verzeigte erhält zuerst eine provisorische Verfügung des Gemeinderats oder des Bussenausschusses und kann diese ohne Anhörung akzeptieren bzw. die Busse bezahlen. Tut er/sie dies nicht, findet das ordentliche Verfahren statt. - Es können Urteilsgebühren bis zu CHF 200 erhoben werden. - Rechtsmittel: Gegen den Strafbefehl des Gemeinderates oder des Bussenausschusses können die B e- troffenen innert 10 Tagen Einsprache beim Gemeinderat erheben. Dieser entscheidet sodann, ob er das Verfahren ganz einstellt, oder einen neuen Strafbefehl erlässt, oder am Strafbefehl festhält und die Akten an das Strafgerichtspräsidium (bzw. bei jugendlichen Tätern an das Jugendgerichtspräsidium) zum Entscheid weiterleitet. 4

Aus Der Kanton in Kürze (Ausgabe 2013/2014) http://www.baselland.ch/main_inkuerze-htm.273418.0.html HAUPTAUFGABEN UND GRUNDSTRUKTUR DER GERICHTE Die Gerichte sind für die Rechtsprechung zuständig, sie gewähren Rechtsschutz, wo dieser ve r- langt wird. Neben Legislative und Exekutive ist die Judikative die dritte Staatsgewalt. Die Zuständigkeit der Gerichte richtet sich nach dem Rechtsgebiet (Zivilrecht, Strafrecht, öffentliches Recht). Diejenigen Gerichte, die sich als erste mit einem Fall befassen, sind die s o- genannt erstinstanzlichen Gerichte. Ihre Entscheide können an die übergeordnete Instanz weitergezogen werden. Im Kanton Basel-Landschaft ist das Kantonsgericht die oberste gerichtliche Instanz in allen Rechtsgebieten. Entscheide des Kantonsgerichts können ans Bundesg e- richt weitergezogen werden, die höchste richterliche Instanz in der Schweiz. Die Richterinnen und Richter werden vom Volk beziehungsweise vom Landrat gewählt. Die Organisation der Gerichte ist durch Verfassung und Gesetz vorgegeben. Im Kanton Basel-Landschaft verwalten sich die Gerichte selbst. Das führende operative Organ ist die Geschäftsleitung der Gerichte. Um strategische Fragen kümmert sich die Gerichtskonferenz. Administrativ werden diese beiden Organe von der Gerichtsverwaltung unterstützt. Die für sämtliche Gerichte zuständige Gerichtsverwaltung ist beim Kantonsgericht angesiedelt. Sie unterstützt alle Gerichte in administrativen Belangen und ist zudem die kantonale Zentralbehörde für internationale Rechtshilfe in Zivilstreitigkeiten. Weiter führt sie das Sekretariat der Geschäftsleitung der Gerichte und der Gerichtskonferenz. ZIVILRECHT VERFAHREN UND INSTANZEN Zivilrechtliche Verfahren beginnen je nach Gegenstand mit dem Anrufen des Friedensrichteramtes, einer anderen Schlichtungsstelle oder direkt beim Bezirksgericht. Die 34 Friedensrichterinnen und Friedensrichter sind zuständig für Schlichtungsversuche im ordentlichen und vereinfachten Verfahren, ausser in familien-, erb- und arbeitsrechtlichen Streitigkeiten (Schlichtungszuständigkeit bei den Bezirksgerichtspräsidien) und in mietrechtlichen und Diskriminierungsstreitigkeiten (Schlichtungszuständigkeit bei den jeweiligen Schlichtungsstellen). Sie können in Verfahren mit einem Streitwert bis und mit 2 000 Franken Entscheide fällen sowie Urteilsvorschläge bis zu einem Streitwert von 5 000 Franken unterbreiten. Gegen ihre Entsche i- de kann beim Kantonsgericht, Abteilung Zivilrecht, Beschwerde eingereicht werden. Die Bezirksgerichte Arlesheim, Laufen, Liestal, Sissach, Gelterkinden und Waldenburg beurteilen Streitigkeiten im Zivilrecht (Eheschutz, Ehescheidung, Forderung, Nachbarrecht, Erbrecht, Arbeitsrecht, Mietrecht, etc.) und im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (Rechtsöffnung, Konkurseröffnung, Nachlassverfahren etc.). Per 1. April 2014 werden die sechs Bezirksgerichte zu den beiden Zivilkreisgerichten West mit Sitz in Arlesheim beziehungsweise Ost in Sissach z u- sammengeführt (siehe unten). Dem Entscheidverfahren im ordentlichen und vereinfachten Verfahren vor den Bezirksgeric h- ten geht in der Regel ein Schlichtungsversuch voraus (siehe Abschnitt «Friedensrichter»). Im summarischen Verfahren (Eheschutz, Rechtsöffnung, Konkurseröffnung etc.) sowie in weiteren Verfahren wie Ehescheidung entfällt das Schlichtungsverfahren und es ist das Bezirksgericht d i- rekt anzurufen. Gegen Entscheide des Bezirksgerichts kann beim Kantonsgericht, Abteilung Zivilrecht, Berufung beziehungsweise Beschwerde eingereicht werden. Die Bezirksgerichte erteilen unentgeltliche Rechtsauskünfte. 5

Die Abteilung Zivilrecht ist Berufungs- und Beschwerde-instanz gegen Entscheide der Bezirksgerichte und der Friedensrichterinnen und -richter sowie der Schlichtungsstellen. Diese Abteilung ist die einzige kantonale Instanz für internationale Kindsentführungsverfahren sowie für Firmenrecht und Immaterialgüterrechtsprozesse (Markenrecht, Urheberrecht). Sie ist ausserdem Au f- sichtsbehörde für schuldbetreibungs- und konkursrechtliche Entscheide der Betreibungs- und Konkursämter. STRAFRECHT VERFAHREN UND INSTANZEN Strafrechtliche Verfahren beginnen mit einer Anzeige bei der Polizei oder bei der Staatsa n- waltschaft oder mit einem polizeilichen Ermittlungsverfahren beziehungsweise mit Untersuchungshandlungen der Staatsanwaltschaft. Das Straf- und Jugendgericht ist als erste kantonale Gerichtsinstanz zuständig für die Beurteilung von Straftäterinnen und Straftätern. Es prüft, ob die von der Staats- oder Jugendanwaltschaft angeklagte Person freizusprechen oder zu verurteilen ist. Bei einer Verurteilung legt es die angemessene Strafe/Massnahme fest. Ausserdem beurteilt das Strafgericht Einsprachen gegen Strafbefehle der Staatsanwaltschaft. Das Zwangsmassnahmengericht ist zuständig für die Anordnung von strafprozessualer Haft (z.b. Untersuchungshaft) gegen die beschuldigte Person. Im Weiteren beurteilt es unter and e- rem die Rechtmässigkeit geheimer Überwachungsmassnahmen wie die Überwachung des Post- und Fernmelde-verkehrs, die Überwachung mit technischen Überwachungsgeräten, die Überwachung von Bankbeziehungen sowie die verdeckte Ermittlung. Gegen Entscheide des Straf- und Jugendgerichts und des Zwangsmassnahmengerichts kann beim Kantonsgericht, Abteilung Strafrecht, Berufung beziehungsweise Beschwerde eingereicht werden. Das Straf- und Jugendgericht sowie das Zwangsmassnahmengericht ziehen per Mitte 2014 nach Muttenz ins Strafjustizzentrum (SJZ). Die Abteilung Strafrecht ist Berufungsinstanz gegen Urteile des Straf- und Jugendgerichts sowie Beschwerdeinstanz gegen Verfahrenshandlungen, Verfügungen und Beschlüsse der Polizei, der Staatsanwaltschaft, des Straf- und Jugendgerichts sowie des Zwangsmassnahmengerichts. Zudem ist die Abteilung Strafrecht zuständig für Revisionsgesuche, die sich auf rechtskräftige Urteile oder einen rechtskräftigen Strafbefehl beziehen. Ausserdem stellt diese Abteilung sowohl das Präsidium als auch das Sekretariat der Anwaltsaufsichtskommission. VERFASSUNGS- UND VERWALTUNGSRECHT VERFAHREN UND INSTANZEN Bei Streitigkeiten zwischen Privatpersonen und dem Staat (Verwaltungsrecht) ist in der Regel der Regierungsrat erste Beschwerdeinstanz, mit der Möglichkeit des Weiterzugs an das Kantonsgericht, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht. Im Bereich der Abgaben ist das Steuer- und Enteignungsgericht das erstinstanzliche Spezialverwaltungsgericht. Die Abteilung Steuergericht beurteilt Rekurse gegen Einspracheentscheide der Steuerverwaltung betreffend die Staatssteuer (inkl. Handänderungs-, Grundstückgewinn- sowie Erbschaftsund Schenkungssteuer). Sie beurteilt auch Beschwerden betreffend die direkte Bundessteuer und gegen Einspracheentscheide des Amtes für Militär- und Bevölkerungsschutz in Sachen Wehrpflichtersatz. Vom Steuergericht abgewiesene Begehren können ans Kantonsgericht, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, weitergezogen werden. Die Abteilung Enteignungsgericht beurteilt Beschwerden gegen Verfügungen der Gemeinden betreffend Erschliessungsabgaben (Wasser, Kanalisation, Strassen etc.) und Verbrauchsgebühren. Sie beurteilt Entschädigungen aus formellen und materiellen Enteignungen sowie Gesuche für eine vorzeitige Besitzeinweisung des Gemeinwesens. Entscheide des Enteignung s- gerichts können ans Kantonsgericht, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, weitergezogen werden. 6

Die Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht ist Beschwerdeinstanz unter anderem bei Entscheiden des Landrats, des Regierungsrats, der Gemeinden, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden, der Baurekurskommission und des Steuer- und Enteignungsgerichts. Die Abteilung ist einzige kantonale Instanz bei Klagen aus Streitigkeiten betreffend öffentlichrechtliche Verträge und Konzessionen, vermögensrechtliche Ansprüche aus öffentlichem Recht sowie Haftungsforderungen Dritter nach Massgabe des Bundesrechts und nach dem kantonalen Haftungsgesetz. SOZIALVERSICHERUNGSRECHT Die Abteilung Sozialversicherungsrecht ist einzige kantonale Instanz im Sozialversicherungsrecht und somit zuständig für die Beurteilung von Beschwerden und Klagen in den Bereichen der Sozialversicherungen: Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), Invalidenversicherung (IV), Berufliche Vorsorge (BVG, Pensionskasse), Unfallversicherung (UVG), Krankenversicherung/ Krankenkasse (KVG), Ergänzungsleistungen (EL), Erwerbsersatzordnung (EO), Arbeitslosenvers i- cherung (ALV), Familienzulagen und Prämienverbilligung. 7

Testfragen Fragen: 1. Wie werden die richterlichen Instanzen zusammenfassend in unserer Demokratie bezeichnet? 2. Wem obliegt die Organisation der Gerichte in der Schweiz? 3. In welche drei Rechtsgebiete ist die Judikative aufgeteilt? 4. Wie nennt man das Verfahren, das die Gemeinde mit ihren Entscheiden ins Rollen bringt? 5. Welches ist das höchste Gericht in unserem Kanton? 6. In welchen Fällen darf der Gemeinderat als richterliche Behörde auftreten? 7. Was ist der Bussenausschuss? Wer gehört ihm an? 8. Was ist die Aufgabe der Friedensrichter/- innen? Antworten: Als dritte Gewalt (Judikative). Dem Bund sowie den Kantonen Zivilrecht Strafrecht Verwaltungsrecht Verwaltungsverfahren Kantonsgericht Bei Verstössen, die das kommunale Recht unter Strafe stellt Er vertritt den Gemeinderat in den Fällen unter Frage 6 und setzt sich aus mind. zwei GR- Mitgliedern sowie einer/m Protokollführer/in zusammen Schlichtungsversuche in gewissen Streitigkeiten des Zivilrecht 8