Rahmenbedingungen für die Integration von Funk-Komponenten in Automobile Autor: Harald Ansorge, Leiter Test & Market Access Services der 7Layers AG, Ratingen, Germany 0. Einleitung Seit Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts halten moderne Funktechnologien zunehmend Einzug in Automobile. Dieser Trend stützt sich auf die Produktion von hochintegrierten Komponenten und Modulen der Funktechnik in immer höheren Stückzahlen und dem dadurch bedingten Preisverfall. Beispiele dafür sind Navigationssysteme mit GPS Empfängern bei 1.575 MHz dynamische Fahrgeschwindigkeitsregler bei 77 GHz oder 24 GHz Funkschlüssel für die Zentralverriegelung oder sog. keyless-go Systeme bei 433 oder 868 MHz Einrichtungen auf Basis der Bluetooth Funktechnologie bei 2,4 GHz zur Verbindung des Mobiltelefons o mit der Freisprechanlage zum Telefonieren während der Fahrt oder o mit einem Multimedia Center zum Abspielen oder Anzeigen von Musik, Bildern und sonstigen Informationen GSM/UMTS Module bei 900/1800/2100 MHz zum Telefonieren oder Datenaustausch über die Mobilfunkinfrastruktur Experten erwarten, dass die Nutzung von Funktechnologien im Automobil weiter anwächst, z.b. durch gebührenpflichtige Telematik Anwendungen, Zugangskontrollen und Mauterfassungen die von sogenannten managed service providern angeboten werden. Quelle: 7Layers AG
1. Gesetzliche Rahmenbedingungen Voraussetzung für die Integration von Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen in Kraftfahrzeugen ist die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben. In Europa sind sie in folgenden Richtlinien beschrieben: Richtlinie 1999/5/EG vom 9.3.1999 über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen und die gegenseitige Anerkennung ihrer Konformität (R&TTE Richtlinie) Richtlinie 2004/104/EG vom 14.10.2004 zur Anpassung der Richtlinie 72/245/EWG des Rates vom 20.6.1972 über die Funkentstörung (elektromagnetische Verträglichkeit) von Kraftfahrzeugen an den technischen Fortschritt (EMV Richtlinie für Kraftfahrzeuge) Produkte, die unter die R&TTE Richtlinie fallen, müssen die grundlegenden Anforderungen der Richtlinie erfüllen in Bezug auf: Schutz der Gesundheit und Sicherheit des Benutzers und anderer Personen nach Richtlinie 73/23/EEG (sog. Niederspannungsrichtlinie); der anwendbare Standard ist hier die EN 60950 für Funk- und IT-Geräte oder die EN 60065 für Audio- und Video-Geräte Schutzanforderungen in Bezug auf die elektromagnetische Verträglichkeit nach Richtlinie 2004/108/EG (sog. EMV Richtlinie); die anwendbaren Standards sind hier die EN 301489, die EN 55022 und die EN 55024 Effektive Nutzung des für terrestrische und satellitengestützte Funkkommunikation genutzten Frequenzspektrums, ohne dass funktechnische Störungen auftreten; die anwendbaren Standards sind hier die EN 300328 für Bluetooth und WLAN Geräte bei 2,4 GHz, die EN 301893 für WLAN Geräte bei 5 GHz, die EN 301511 für GSM Geräte, die EN 301908 für UMTS/LTE Geräte, die EN 300440 für GPS Empfänger, sowie die EN 300220 für 433 und 868 MHz Geräte Der Inverkehrbringer eines Produktes mit integrierten Funkkomponenten muss im Rahmen der CE Kennzeichnung die Konformität des Produktes mit der R&TTE Richtlinie erklären. Der Nachweis dafür wird durch Tests nach produktspezifischen EN-Standards erbracht. Da für diese Tests oft hochspezialisierte Testsysteme erforderlich sind, wenden sich viele Hersteller an akkreditierte Prüflabore, die die entsprechenden Produkteigenschaften normgerecht prüfen und entsprechende Testberichte als Konformitätsnachweise anfertigen. Darüberhinaus werden Produkte, die unter die R&TTE Richtlinie fallen und in ein Automobil mechanisch fest eingebaut werden, als elektronische Unterbaugruppe ( Electronic Sub Assembly ESA ) betrachtet. Sie müssen den EMV Anforderungen der Kraftfahrzeug Richtlinie entsprechen. Dies gilt ebenfalls für Produkte, die über eine Schnittstelle mit dem Fahrzeug verbunden werden, und für die keine Typgenehmigung nach der EMV Richtlinie für Kraftfahrzeuge vorliegt. In diesem Falle ist ein Verfahren zur Typengenehmigung der elektronischen Unterbaugruppe anzustrengen. Dazu müssen nationale Zulassungsstellen in Europa, und von diesen akkreditierte, technische Dienstleister hinzugezogen werden. Die nationale Zulassungsstelle in Deutschland ist das KBA (Kraftfahrt-Bundesamt). Produkte mit Funkschnittstellen, die als Nachrüstteile verkauft werden, benötigen dahingegen keine Typgenehmigung nach der Kraftfahrzeugrichtlinie, solange sie die Störfestigkeit des Fahrzeuges nicht
beeinträchtigen und nicht sicherheitsrelevant sind. In diesem Falle muss die Konformität des Produktes mit der R&TTE Richtlinie und den Vorgaben der EMV Richtlinie erklärt werden. Dazu ist eine explizite Aufführung der Einhaltung der Anforderungen der Kapitel 6.5, 6.6, 6.8 und 6.9 des Anhangs I der Richtlinie erforderlich. Sollen Funkprodukte, die für den Einbau in Kraftfahrzeuge vorgesehen sind, in Ländern außerhalb der EU in Verkehr gebracht werden, so sind länderspezifische Regularien zu beachten. Deren detaillierte Schilderung würde in dieser Darstellung allerdings zu weit führen. Besonders anzumerken ist, dass auch bei Integration von zertifizierten Funkmodulen in Endgeräte ein Teil der Prüfungen mit dem Endgerät durchzuführen sind. Dies ist wesentliche Voraussetzung für die länderspezifische Zertifizierung. Hier sei auf global aufgestellte Dienstleister verwiesen, die Hersteller von Funkprodukten, die zum Einbau in weltweit vermarktete Automobile vorgesehen sind, bezüglich der Beibringung von Länderzulassungen unterstützen. 2. Testvorgaben nach der EMV Richtlinie Die Einhaltung oben erwähnter Anforderungen der Kapitel 6.5, 6.6, 6.8 und 6.9 des Anhangs I der EMV Richtlinie für Kraftfahrzeuge wird durch folgende Tests nachgewiesen: Testreferenz Laborkonfiguration Spezifikation Elektromagnetische Strahlungsmessung 6.5 Elektromagnetische Interferenz (EMI) 6.6 Elektromagnetische Interferenz (EMI) 6.9 Emission von leitungsgeführten Störungen Schirmkabine Elektromagnetische Strahlungsmessung im Frequenzbereich 30 1000 MHz zur Messung breitbandiger elektromagnetischer Störungen ausgehend vom Fahrzeug Elektromagnetische Strahlungsmessung im Frequenzbereich 30 1000 MHz zur Messung schmalbandiger elektromagnetischer Störungen ausgehend vom Fahrzeug Emission von leitungsgeführten Störungen (nur anwendbar, falls das Produkt spezielle Komponenten wie z.b. Schalter und Induktivitäten enthält) Störfestigkeit gegen elektromagnetische Strahlung 6.7 Störfestigkeit gegenüber elektromagnetischen Feldern 6.8 Störfestigkeit gegen leitungsgeführte transiente Störungen Schirmkabine Störfestigkeit gegen elektromagnetische Strahlung im Frequenzbereich 20 2000 MHz (nur anwendbar falls das Produkt verbunden ist mit dem Fahrzeug- Bussystem oder sicherheitsrelevanten Systemen wie Bremsen etc.) 1 - transiente Störungen hervorgerufen durch Unterbrechung der Spannungsversorgung 2a transiente Störungen hervorgerufen durch plötzliche Unterbrechung von Strömen eines parallel
entlang der Versorgungsleitungen geschalteten Gerätes 2b transiente Störungen von Gleichspannungsmotoren, die als Generatoren arbeiten nach Ausschalten der Zündung 3a transiente Störungen hervorgerufen durch Schaltprozesse im Fahrzeug 3b - transiente Störungen hervorgerufen durch Schaltprozesse im Fahrzeug 4 Reduktion der Batteriespannung durch Drehen des Zündschlüssels Quelle: 7Layers AG 3. Anforderungen von Mobilfunknetzbetreibern und Industrieforen Neben den in Abschnitt 1 beschriebenen gesetzlichen Anforderungen für Funk-Komponenten und Endgeräte mit integrierten Funktechnologien, existieren Anforderungen von Netzbetreibern und Industrieforen (z.b. Bluetooth SIG, WiFi Alliance), die die Interoperabilität dieser Produkte mit der Mobilfunkinfrastruktur sicherstellen. Im Falle der Bluetooth - und WLAN Funktechnologien hat auch das nahtlose Zusammenwirken von Funk-Komponenten unterschiedlicher Hersteller einen hohen Stellenwert.
Netzbetreiber und Industrieforen haben dazu Testprogramme entwickelt, die von anerkannten benannten Testlaboren unterstützt werden. An diese wenden sich Hersteller von Funk-Kompenten und Endgeräten, um die Interoperabilität ihrer Produkte nachzuweisen. Das Anfang 2011 gegründete Car Connectivity Consortium hat es sich z.b. zur Aufgabe gemacht, die komfortable Nutzung von Smart Phones während der Fahrt zu ermöglichen. Eine Voraussetzung dafür ist, dass die auf dem Display des Smart Phones angezeigten Bedienelemente und Informationen einszu-eins auf das Display der Multimedia-Einheit des Fahrzeugs übertragen werden. Diese Funktionalität wird durch vom Konsortium entwickelte Spezifikationen sichergestellt. Die Einhaltung dieser sogenannten Mirrorlink TM Spezifikationen ist die Basis für die vom Car Connectivity Consortium unterstützte Mirrorlink TM Zertifizierung. Sie wird ausschließlich von solchen Testlaboren durchgeführt, die das Konsortium anerkannt hat. 4. Zusammenfassung Die zunehmende Integration von Funk-Komponenten und Funkprodukten in Kraftfahrzeugen trägt in erheblichem Maße zur Fahrzeugsicherheit bzw. zur komfortablen Nutzung von Funktionen moderner Smart Phones während der Fahrt bei. Voraussetzung für das einwandfreie, störungsfreie Funktionieren der Funk-Komponenten auf engstem Raum ist die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen sowie der von Mobilfunknetzbetreibern und Industrieforen vorgegebenen Anforderungen zur Sicherstellung der Interoperabilität von Produkten unterschiedlicher Hersteller. Anerkannte akkreditierte Testlabore unterstützen die Hersteller von Funk-Komponenten mit der Durchführung von anspruchsvollen Tests als Voraussetzung für die benötigten Nachweise gegenüber Zulassungsstellen, Netzbetreibern und Kunden.