Kollaborativ und sozial - Die realen Potenziale hinter der Cloud. Dr. Wolfram Jost Chief Technology Officer Software AG



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Transkript:

Kollaborativ und sozial - Die realen Potenziale hinter der Cloud Dr. Wolfram Jost Chief Technology Officer Software AG

Cloud Computing elektrisiert die Führungskräfte in allen Branchen. Denn unter der "Wolke" verbirgt sich ein weitaus größeres Potenzial, als die heute über Technik und Betriebskosten geführte Diskussion erkennen lässt. In Kombination mit einer kollaborativ und partizipativ ausgerichteten Arbeits- und Geschäftsprozess-Gestaltung verändert Cloud Computing jede Firmenorganisation nachhaltig. Über den Autor Dr. rer. nat. Wolfram Jost, Jahrgang 1962, ist seit August 2010 Mitglied des Vorstandes der Software AG und verantwortlich für Forschung und Entwicklung sowie das Produktmanagement und -marketing Sein Studium der Betriebswirtschaft mit den Studienschwerpunkten Wirtschaftsinformatik und Marketing absolvierte Dr. Wolfram Jost von Oktober 1983 bis April 1988 an der Universität des Saarlandes. Nach erfolgreichem Abschluss als Diplom-Kaufmann wurde er 1988 Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftsinformatik (IWi) der Universität des Saarlandes, wo er neben der Betreuung und Durchführung von Lehrveranstaltungen auch Projekte im Bereich Computer Integrated Manufacturing leitete und wissenschaftliche Kongresse organisierte. An der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes stellte Dr. Wolfram Jost im November 1992 seine Dissertation zum Thema Rechnergestützte CIM-Rahmenplanung - Konzeption und Realisierung eines Werkzeuges zur Analyse und Planung von CIM-Systemen fertig. 1992 wechselte er zur IDS Prof. Scheer GmbH, Saarbrücken. Hier übernahm er zunächst die Leitung des Bereiches ARIS Produktentwicklung und ab 1998 den Geschäftsbereich ARIS Produktstrategie. 1994 wurde er zum Mitglied der Geschäftsleitung ernannt und bekleidete diese Position bis zu seiner Bestellung zum Vorstandsmitglied der IDS Scheer AG 2000. Diese Funktion erfüllt er bis zum Abschluss der Übernahme der IDS Scheer AG durch die Software AG. Dr. Wolfram Jost ist Autor zahlreicher Fach- und Zeitschriftenartikel sowie (Mit)-Herausgeber von mehr als zehn Fachbüchern. Alle wiedergegebenen Meinungen sind ausschließlich die des Autors und repräsentieren nicht zwangsläufig die Ansichten des gesamten Software-Clusters. 1

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung... 3 2 Was der Verbraucher kennt, muss ein Unternehmen können... 5 3 Taktik treibt Cloud-Nutzung in Unternehmen... 6 4 Die lähmende Wirkung des Standards... 9 5 Transformation zu einem digitalisierten Unternehmen... 10 2

1 Einleitung Es war das Topthema auf der CeBIT, es steht an erster Stelle auf der Liste der strategischen Technologien bei Gartner. Die Experton Group unterstreicht die Relevanz mit Wachstumsraten im hohen zweistelligen Bereich. Keine Frage: Cloud Computing ist das meist diskutierte IT-Thema der Gegenwart. Hype und Modewelle oder ein neues, nachhaltiges Konzept, das den Umgang mit IT in Unternehmen nachhaltig verändern wird? Vor diesem Hintergrund stellt sich einmal mehr die Frage, ob wir es bei Cloud Computing mit einem weiteren Glied in der Kette "gehypter" IT- Themen zu tun haben. Denn ähnlich wie beim E-Business, beim Dotcom-Boom und zuletzt bei dem SOA-Konzept (serviceorientierte Architektur) wird das Versprechen nur zögerlich - wenn überhaupt - eingelöst. Ebenso offen ist die Frage, ob sich das Cloud Computing doch zu einem allgegenwärtigen Konzept entwickelt, das den Umgang mit IT-unterstützten Leistungen in Zukunft dominiert? Die aktuelle Diskussion wird von den taktischen Kostenvorteilen und Effizienzgewinnen auf Seiten der IT-Infrastruktur dominiert. Das reale Potenzial des Cloud Computings erschließt sich jedoch erst im Kontext mit weiteren Entwicklungen, die den Einsatz der IT in Zukunft prägen werden. Erst in der Kombination dieser Entwicklungen wird das Cloud Computing zum Teil einer Innovation, die den Alltag verändert. Ein Techniktrend entwickelt sich erst zu einem spannenden Thema für Unternehmen, wenn der organisatorische Nutzen zum Vorschein kommt. Es geht darum, ob Cloud Computing in Unternehmen zum Fundament neuer Formen der Kooperation und Kollaboration wird, die endgültig die Barrieren zwischen den einzelnen Fachabteilungen, zwischen Fachressorts und IT-Organisation, aber auch zu den Kunden und Geschäftspartnern aus dem Weg räumen. Mehr Menschen, mehr Knowhow und mehr Geschäftsinformationen werden zusammengeführt, um einer Organisation eine höhere Dynamik und Schlagkraft zu verleihen. Mit anderen Worten: Die radikale Ausweitung der Kooperations- und Kollaborationsformen wird von dem Konzept des Cloud Computing gestützt und verändert Organisationen. Beispiele für diesen Zusammenhang sind in der jüngeren IT- Geschichte leicht zu identifizieren. So lässt sich die Ablösung des Mainframes durch das Client-Server-Modell als dominierende Rechnerarchitektur in den Achtzigern letztlich auch auf den Management- Wunsch zurückführen, in ihren Unternehmen eine divisionale bzw. spartenorientierte Organisationsstruktur zu etablieren. Der Erfolg des Internet/Web als 3

Kommunikationsinfrastruktur für Unternehmen ist gleichfalls ein Ergebnis der Arbeitsteilung in einem globalisierten Wirtschaftsraum. Das Beispiel SOA zeigt, dass hervoragenden technischen Ideen der (schnelle) Durchbruch verweigert wird, wenn auf der fachlichorganisatiorischen Ebene das passende Gegenstück fehlt. 4

2 Was der Verbraucher kennt, muss ein Unternehmen können "Extreme Collaboration", wie die US-amerikanische Analystenfirma Gartner die Ausweitung der Kooperations- und Kollaborationsformen nennt, findet bereits heute statt. Denn es wird damit im Unternehmenssegment eine Entwicklung losgetreten, die den Konsumentenbereich in den vergangenen Monaten im Sturm eroberte. Diese Entwicklung ist eng verknüpft mit Namen wie Facebook, Twitter, Wikipedia, Google, Apple und Amazon. Die US-Konzerne, die als Synonym für technologischen Fortschritt und Innovation gelten, zeigen erfolgreich, wozu Cloud Computing taugt - selbst wenn der Begriff bei ihnen noch nicht einmal fällt. Im wohl anspruchsvollsten und schwierigsten Marktumfeld - dem Geschäft mit Privatkunden - beweisen sie täglich, dass die Nutzung der IT keinerlei Orts- oder Zeit-Begrenzung unterliegen muss. Ein Web-fähiges Endgerät und ein Internet-Zugang sind auf Anwenderseite vollkommen ausreichend, um ein beeindruckendes Angebot an Services und Kommunikationsanwendungen rund um die Uhr im Zugriff zu haben. Die US-Konzerne, aber auch hiesige SocialMedia-Vertreter wie Xing und StudiVZ/SchülerVZ oder kleinere Service- Plattformen wie foursquare verdeutlichen in unterschiedlichen Ansätzen, welchen Nutzen die aktive Teilhabe des Anwenders stiftet. Sie verbinden Gleichgesinnte (social networking über Facebook, Xing, Stayfriends...), unterstützen die Zusammenarbeit (social collaboration über wikis, blogs...), garantieren einen standardisierten Informationszugang (social publishing über flickr, youtube, slideshare.com...) und generieren Rückmeldungen (social feedback etwa Amazon, Wer kennt wen..). Allein an der führenden Social Media-Plattform Facebook nehmen sieben Jahre nach der Live-Schaltung über 600 Millionen Menschen weltweit teil. All den genannten Beispielen sind zwei Dinge gemein: Erstens stellen sie den Nutzer und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt und sind auf Kommunikation&Kollaboration getrimmt. Zweitens wird die komfortable Nutzung für den Anwender über die Betriebsform des Cloud Computing realisiert. Weder das "Wie" und "Wo" noch die Skalierungsfragen der IT- Infrastruktur sind für den Kunden von Belang. In den Data Centers der Anbieter stehen nahezu unendlich viele IT-Ressourcen bereit, die sich bedarfsabhängig automatisiert zu- und abgeschalten lassen. Die Voraussetzungen hierzu schaffen hocheffiziente Virtualisierungskonzepte zur Entkoppelung technischer Ebenen und Workload-Verfahren in Kombination mit einem modular erweiterbaren Rechenzentrumsdesign auf Basis standardisierter System-Blöcke. 5

3 Taktik treibt Cloud-Nutzung in Unternehmen Diese IT-Services auf den unterschiedlichen Ebenen - von Server und Speicher über Anwendungen wie E-Mail oder Büroprogrammen bis hin zu spezialisierten Applikationen - werden nun vermehrt auch Unternehmen zur Miete angeboten. Statt ein eigenes Rechenzentrum zu betreiben, können die Firmen diese Services nach Bedarf beziehen und bezahlen. Hohe zweistellige Wachstumsraten dokumentieren das Interesse. Bis 2015 sollen sich die Cloud-Umsätze im Business-Sektor auf 8,2 Milliarden Euro vervierfachen. Das ergab eine aktuelle Studie der Experton Group, die der BITKOM Ende Februar 2011 veröffentlichte. Der Bezug von Cloud-Leistungen verspricht mehr Flexibilität auf wechselnde Bedürfnisse als erst aufwändigig eigene Ressourcen zu planen, zu implementieren und zu betreiben. Wer die Reaktion eines CIOs auf die Ankündigung von über 200 weiteren Nutzern für eine Anwendung oder einen Server schon einmal erleben durfte, wird Verständnis für das eher taktisch geprägte Interesse eines Unternehmens haben. Es ist ein bequemer Weg, das traditionelle IT-Konzept auf bequeme Weise um weitere Ressourcen zu verlängern. Das reale Potenzial hinter Cloud Computing verpassen die CIOs mit diesem Vorgehen jedoch deutlich. Denn die Entkoppelung des Zugangs der IT-Ressourcen von der Physik und dem Ort befähigt Unternehmen, den seit Jahren formulierten Anspruch "Anwender bzw. Nutzer in den Mittelpunkt zu stellen und einzubinden" endlich einzulösen. Der Wert einer solche Kollaboration und Partizipation lässt sich an dem Erfolg von Apple ablesen. Der US-Konzern etabliert ein komplettes Öko-System rund um das iphone- Geschäft. Er selbst stellt ein hervorragendes Endgerät sowie eine attraktive Vermarktungsund Abrechnungsplattform, über die der Konsument Anwendungen für das iphone beziehen kann. Die App-Entwickler lässt Apple an dem wirtschaftlichen Erfolg partizipieren, ohne dass sie sich um lästige Pflichten wie Online-Verkaufsshop, Organisation des Zahlungsverkehrs u.ä. kümmern müssen. All das übernimmt Apple mit dem über das Internet zugänglichen Plattformen AppStore und itunes und verdient daran. Mitunter zwingen die eigenen Kunden ein Unternehmen dazu, sich einem solchen Crowdsourcing zu öffnen, wie im Fall von Lego. So benannte Jeff Howe vor rund fünf Jahren im WIRED-Magazin erstmals diese Partizipation. Nach anfänglichen Irritationen über Nörgeleien in Kommentaren als auch "gehackte" programmierbare Bausteine ging das dänische Unternehmen offen auf die eigenen Kunden zu. Jedem interessierten Lego-Fan stehen jetzt eine Reihe von Design-Tools, Message-Boards u.ä. zur Verfügung, um eigene 6

Modelle zu entwerfen, Modelldesigns in der Lego- Gemeinschaft zu publizieren und gemeinsam weiterzuentwickeln. Lego selbst wird als Blaupause für eine erfolgreiche Partizipation der Kunden geschätzt. Die zahlreichen Open Source-Projekt gelten gleichfalls als Beweis, dass Gruppen orts- und zeitunabhängig ihre Produktarbeit über das Internet organisieren. Inzwischen laden immer mehr Firmen ihre Kunden ein, als "Freunde" - um im Jargon des Social Computing zu reden - ihre Ideen, Meinung und Wünsche kundzutun. Netz-Ökonomen stellen das Konzept des Social Computing und Crowdsourcing gerne in Kontext der Überlegungen des britischen Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträgers Ronald Harry Coase zu "The Nature of a Firm". Es dreht sich letztendlich um die Frage, unter welchen Bedingungen ein Unternehmen eine Leistung selbst erbringen oder über Dritte erstellen lassen soll. Das Internet hat hier die sogenannten Kollaborationskosten - also den Aufwand für die Koordination und Kommunikation - deutlich reduziert. Die Betriebsform des Cloud Computings aufgrund des flexiblen, einfachen, orts- und zeitungebundenen Bezugs von IT-Leistungen senkt diese Eintrittshürde zusätzlich. Die Zusammenführung von Cloud und Crowd eröffnet prinzipiell großartige Chancen, komplexe Aufgaben und Vorhaben noch besser in Teilaspekte zu unterteilen, unabhängig zu bearbeiten und wieder zusammenzuführen. Nach dem Urteil der bereits erwähnten Gartner- Agenda zählt Social Communication and Collaboration neben Cloud Computing und Mobile Applications/Media Tablets zu den drei wichtigsten strategischen Technolgien, die 2011 zu beachten sind. Die Analystenfirma prognostiziert, dass 2016 die Mehrheit der betrieblichen Anwendungen Social Computing-Technologien integrieren werden. Gartner-Analyst Adam Sarner stellte anlässlich einer Veranstaltung über die Entwicklung rund um das Kundenbeziehungsmanagement von Unternehmen sogar die These auf, dass diese Aktivitäten das Internet wieder auf die ursprüngliche Idee der Nutzer-Kollaboration und - Partizipation zurückführen. Die unternehmerischen Chancen liegen nicht ausschließlich auf dem überbetrieblichen Aufgabenfeld, wie es einige Theoretiker nahelegen. Sie liegen gleichsam auf dem Gebiet der intraorganisationalen Informations- und Kommunikationsprozessen. Potenzielle Einsatzfelder für neuartige Kooperationsformen lassen sich in allen Schichten und auf allen Ebenen im Geschäft eines Unternehmens schnell identifizieren. In einer Produktionsfirma schafft der Austausch von Produktfachleuten, Prozessexperten, Geschäftsbereichsleitern, Kunden und Partnern in den Planungsprozessen eine herausragende Grundlage, mit Produktverbesserungen tatsächlich die Kundenbedürfnisse zu adressieren. Ebenso lassen sich Produkterstellung und -auslieferung beschleunigen. Durch die Ausstattung mit mobilen Endgeräten lässt sich die Koordination und 7

Entscheidungsfindung in Echtzeit garantieren. Diese Echtzeitsteuerung ermöglicht fließende Übergänge, das heißt, jeder kann sich nach Belieben in die Interaktion einschalten oder sie verlassen. Verschiedene interne und externe Teilnehmer arbeiten ohne organisatorische und geografische Barrieren zusammen, um gemeinsam vertriebliche Verbesserungen, Prozessoptimierungen oder Verbesserung am Leistungsportfolio einzuleiten. Statt mühsam aus den einzelnen Unternehmensgliederungen Informationen abzufragen oder Ergenisse zusammenzutragen, sind sie einfach "da". Im Ergebnis spart das Unternehmen Zeit und Geld, liefert bessere Produkte und stärkt in letzter Konsequenz seine Wettbewerbskraft. 8

4 Die lähmende Wirkung des Standards Von daher muss es im Eigeninteresse eines CIO liegen, Social Computing-Techniken und "Extreme Collaboration"-Anwendungen in die IT-gestützten Prozesse zu adaptieren. Das Anliegen, mehr Agilität und Flexibilität in der IT zu gewinnen, ist nicht grundlegend neu! Viele technisch motivierte IT-Konzepte auf Anwendungsseite (Supply Chain Management, Customer Relationship Management, Lean Production) oder Programm-Ebene (SOA) scheiterten in der Vergangenheit an der Realität der bisherigen Anwendungsstrategie. Bei der Suche nach einer möglichst umfassenden Stützung der Unternehmensprozesse ging die Mehrzahl der Firmen eine langjährige Partnerschaft mit einem Anbieter von Enterprise Resource Planing-Systemen wie beispielsweise SAP oder Oracle ein. Durch die Prozessunterstützung entlang aller Leistungs- und Wertschöpfungsketten versprechen Standardprogramme im Vergleich zur Kombination von Speziallösungen unterschiedlicher Anbieter ein Höchstmaß an Effizienz. Anwendungsfunktion und Prozesssteuerung sind fest ineinander verwoben. Den Vorteil der hohen Integration bezahlen die Firmen mit dem Verlust an Flexibilität, die wiederum Voraussetzung für die heute erwartete Dynamik im Geschäftsleben ist. Zeit- und kostenaufwändig sehen sich Unternehmen daher bei jeder Prozessänderung in der Pflicht, in Anpassungsprojekten ("Customizing") durch IT- Spezialisten Teile der Standardsoftware neu auszurichten. Die Vielfalt und Breite des Standardssoftware-Marktes in seinen unterschiedlichen Kategorien sind letztendlich Ausdruck des inhärenten Widerspruchs zwischen Standard und Flexibilität. Der Markt setzt heute jedoch Agilität und Geschwindigkeit eindeutig vor Standards und Integration. Letztendlich benötigen Unternehmen eine Plattform á la "Facebook", um die lähmende Wirkung starrer Anwendungssysteme ein für allemal aufzubrechen, um agilen Arbeits- und Organisationsformen der Prozesse den Boden zu bereiten. Anknüpfungspunkt für eine solche Plattform ist zum einen die konsequente Trennung der Prozessgestaltung und -steuerung vom Content betrieblichen Standardsoftware. Zum anderen muss eine solche Plattform die Konzepte des Sozial Media/Crowd Computing für die Gestaltung und das Management der Unternehmensprozesse erschließen. 9

5 Transformation zu einem digitalisierten Unternehmen Bedingung für eine kooperativ ausgerichtetes Business Process Management (BPM) ist eine Prozess- und Integrationsplattform, die dem gesamten Lebenszyklus eines Geschäftsprozesses mit einer einheitlichen Architekturphilosophie und einem semantischen Metadatenmodell begleitet. Denn nur dann lässt sich die bislang vorherrschende "Verständnislücke" zwischen einem fachlichen und IT-technischen BPM überbrücken. Im Rahmen des Kollaborationsansatzes Model-to-Execute lassen sich auf diesem Weg mit hohem Automatisierungsgrad die fachlichen Prozessmodelle der Prozessdesigner in ausführbare Services in der IT- und Anwendungslandschaft überführen. Änderungen, die durch einen der Beteiligten vorgenommen werden, sind unmittelbar für alle Arbeitsebenen transparent. Die Zusammenführung der Leistungsdaten aus der technischen Überwachung mit den betrieblichen Prozess-Kennziffern schafft die Basis für ein "kollaboratives Dashboarding", um ad-hoc und gemeinsam zu einer Entscheidungsfindung bei neuen Markterfordernissen oder Störvorfällen zu gelangen. Neben dem gemeinsamen Verständnis auf der inhaltlichen Ebene ist für solche lebensnahe Kollaborationsszenarien der "barrierefreie" Zugang zu Geschäftsprozessen und Tool- Umgebungen vorteilhaft. An dieser Stelle kommt das Cloud Computing-Modell ins Spiel. Vergleichbar zu Social Media-Plattformen lassen sich so unabhängig vom Standort Kollegen kurzfristig zur Mitarbeit einladen. Mehr als ein Web-Frontend ist dann nicht mehr vonnöten, um Prozesswissen und -modelle auszutauschen, zu vergleichen oder gemeinschaftlich weiterzuentwickeln. Die Vereinfachung der Kollaboration zwischen allen Beteiligten eines Prozessablaufs durch Cloud Computing ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor, Geschäftsprozesse schnell und flexibel an ständig wechselnde Marktanforderungen auszurichten. Die Modellierung, das Prototyping und Testen eines Geschäftsprozesses lässt sich problemlos in der Cloud bewerkstelligen. Ob der technische Betrieb der Services und Anwendungen später in der Cloud oder traditionell im eigenen Systemenbetrieb erfolgt, ist erst einmal davon unabhängig. Fraglos werden Unternehmen immer mehr spezialisierte Anwendungsservices über das Cloud Computing-Modell bereitgestellt. Auf der operativen Seite besteht daher die Erfordernis, alle Daten und Leistungen transparent in eine vollständige Prozessgestaltung einzubinden - unabhängig von Standort und Herkunft. 10

Die Kombination aus BPM, Kollaboration und Cloud leitet damit zwangsläufig zu einem radikalen Umbruch im Umgang mit Standardsoftware, der voraussichtlich die (Aus-)Wirkung des Wechsels von Mainframe/Host-basierten Lösungen auf das Client/Server-Modell noch übertrifft. Anstatt des zentralen Erwerbs von Komplettlösungen wird der individuelle Zuschnitt der Prozesslogik für Unternehmen außerhalb der Anwendungsfunktionen gesteuert. Die Arbeitergebnisse der Kollaboration auf Prozessebene bilden hierbei die Quelle für eine kontinuierliche Business Transformation auf dem Weg zu zu einem umfassend digitalisierten Unternehmen. Anbieter von Standardsoftware werden versuchen, die tiefe Integration ihrer Standardsoftware zu lockern und vermehrt kleinteiligeren Anwendungscontent über Koppelungspunkte bereitzustellen. Erst dann erschließt sich für Anwendungsunternehmen auch das vollständige Potenzial des Cloud Computing. Mit der heute eher technisch geprägten Debatte über die innovative IT-Betriebsform gelingt es den Herstellern noch erfolgreich, von den eigentlichen Anforderungen abzulenken. Denn ein traditionelles ERP- Modell in eine Cloud zu überführen, hilft vielleicht, die Effizienz im Bezug zu erhöhen. Der grundlegende Widerspruch zwischen Standardsoftware und Prozessflexibilität wird damit jedoch nicht gelöst, sondern hinter einer "Wolke" versteckt. 11