Rauchfreie Fluchtwege - MRFC-Modellsimulation

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Transkript:

Rauchfreie Fluchtwege - MRFC-Modellsimulation Matthias A. Braun, Braun Brandsicherheit, Winterthur Der Beitrag gibt Hinweise, wie sich wirksame Entrauchungsmassnahmen für grosse Räume mittels rechnerischer Rauchsimulationen bestimmen lassen. Während bei natürlichen Rauchabzugsanlagen die erforderlichen Öffnungsflächen den Brandschutzvorschriften [1] entnehmbar sind, werden bei maschinellen Anlagen auf der Basis vereinbarter Schutzziele und Brandszenarien Computersimulationen durchgeführt. Verschiedene Phänomene im Zusammenhang mit Plume, Zuluft, Rückströmungen, Plugholing und Rauchschürzen sind bei einer sorgfältigen Modellierung zu beachten. Ergänzt werden die Erläuterungen durch ein praktisches Beispiel. Einleitung Im vergangenen Jahrzehnt wurden Ingenieurmethoden entwickelt, um bei Gebäudebränden die Verrauchung von Räumen mittels rechnerischer Rauchsimulationen zu bestimmen. Am Computer lassen sich die Auswirkungen verschiedener Parameter studieren, wie z.b. Brandszenarien, Brandentstehungsorte und Entrauchungsmassnahmen. Die Parameter zu den Massnahmen werden so lange variiert, bis die Berechnungsergebnisse vereinbarte Schutzziele erfüllen. Natürlich bedarf es eines sichtbaren Nutzens, dass solch ungewöhnliche und zeitaufwändige Verfahren in der Praxis nachgefragt werden. Hauptsächlich war das bisher bei den folgenden Strukturen der Fall: Ausgedehnte Gebäude mit grossen Räumen, vielfach nur durch Glaswände unterteilt (z.b. Flughafen). Mehrgeschossige Bereiche, die offen untereinander verbunden sind (z. B. Einkaufszentrum). Sicherheitsfachkongress 16.11.2001 in Zürich und VKF-Fachtagung 19.06.2001 in Zürich

Innenliegende, überbaute oder unterirdische Räume, wenn die Machbarkeit natürlicher Rauch- und Wärmeabzüge besonders schwierig ist (z.b. U-Bahnhof). Im Titel dieses Beitrags sind Begriffe enthalten, die näher erklärt werden sollen: Unter rauchfrei wird heute zunehmend raucharm verstanden, was mit der Weiterentwicklung der Simulationsmodelle erklärbar ist. In einfachen Programmen ist die unten liegende Kaltluftschicht per definitionem rauchfrei, während sich bei komplexerer Software die auch bei Realbränden feststellbare Kontamination durch Rauch aufzeigen lässt. Behandelt werden ausschliesslich die Fluchtwege in Räumen mit grosser Personenbelegung und von mehr als 200 m 2 Fläche. Selbstverständlich sind Korridore und Treppenanlagen auch Fluchtwege; dort werden aber die Standardmassnahmen der Brandschutzvorschriften vorausgesetzt. Und schliesslich die MRFC-Modellsimulation: Dabei handelt es sich im Rahmen dieses Beitrags um einen Entrauchungsnachweis am Computer. Schutzziele und Brandszenarien Natürliche Rauchabzüge im Dach lassen sich anordnen, ohne sich mit dem Begriff Schutzziel näher auseinander setzen zu müssen, da die erforderliche Abzugsfläche direkt aus den Brandschutzvorschriften hervor geht. KRITERIUM GRENZWERT INGENIEURMÄSSIGE ANNAHMEN Strahlung auf Boden < 20 kw/m 2 < 10 kw/m 2 Sauerstoff > 12 Vol.-% > 14 Vol.-% CO 2 < 6 Vol.-% < 5 Vol.-% CO < 1400 ppm < 700 ppm Höhe raucharme Schicht > 1.50 m > 1.80 m Sichtweite > 10 m > 20 m Temperatur Rauchgasschicht < 600 C < 300 C Temperatur raucharme Schicht < 65 C < 50 C Abbildung 1 Überlebensbedingungen - Grenzwert und ingenieurmässige Annahmen [2] Schwieriger wird es bei maschinellen Entrauchungsanlagen; die Brandschutznorm [1] verlangt einen dem Raumvolumen entsprechend wirksamen Luftwechsel, was Rauchfreie Fluchtwege - MRFC-Modellsimulation - Seite 2

immer das heissen mag. Zur Lösung dieses Problems sind Schutzziele mit den Behörden zu vereinbaren, z.b. zu Selbstrettung, Fremdrettung und Sachwertschutz. Abbildung 1 zeigt als Beispiel solche Grenzwerte für Überlebensbedingungen. Abbildung 2 Einheitstemperaturkurve und Naturbrandkurven Für Brandschutz-Nachweise auf der Basis von Computersimulationen gilt es zunächst, die zu untersuchenden Brandszenarien aufzustellen und mit den Behörden zu vereinbaren. Reale Brände unterscheiden sich bekanntlich stark zum ISO-Normbrandverlauf (ETK-Kurve). Bei allen Naturbränden sinkt die Temperatur nach einer bestimmten Branddauer infolge Brandgutmangels oder Löscheinwirkungen ab (Abbildung. 2). Abbildung 3 Design Fires Bei der Simulationsarbeit ist es wünschenswert, möglichst schnell Brandszenarien vereinbaren zu können. Dazu wurden, angeregt durch deutsche Richtlinien [3,4], Design Fires für verschiedene Standardfälle entwickelt [9]. Abb. 3 zeigt den schematischen Aufbau. Als Entdeckungszeit EZ wird die Phase von der Brandentstehung bis zur Brandmeldung bezeichnet. Die Hilfsfrist HF berücksichtigt Anfahrt der Feuerwehr und Einleitung des Löschangriffs. Entdeckungszeit und Hilfsfrist ergeben zusammen die Brandentwicklungsdauer BED (Abb. 4). Rauchfreie Fluchtwege - MRFC-Modellsimulation - Seite 3

Brandbekämpfung Branderkennung Sprinkler Brandmelder keine Branderkennung Sprinkleranlage 5 min 5 min - Werkfeuerwehr 5 min 5 min 15 min normale Verhältnisse 5 min 10 min 20 min ungünstige Verhältnisse 5 min 15 min 25 min aussergewöhnliche Verh. 5 min 20 min 30 min Abbildung 4 Brandentwicklungsdauer Zur Wahl der anzuwendenden Brandausbreitungsgeschwindigkeit vermerkt DIN [4], dass es sich bei "mittel" um Durchschnittswerte ohne besonderen Nachweis handle. In Abbildung 5 werden den unterschiedlichen Brandbelastungsstufen unter Berücksichtigung einer allenfalls vorhandenen Sprinklerung die folgenden Brandausbreitungsgeschwindikeiten zugeordnet. "Einzel" bedeutet, dass der Brand auf ein Einzelobjekt beschränkt bleibt. Brandbelastungsstufe [10] sehr klein klein mittel hoch - 250 MJ/m 2 251-500 MJ/m 2 501-1'000 MJ/m 2 1'001-2'000 MJ/m 2 ohne Sprinkler einzel gering mittel gross mit Sprinklern einzel gering gering mittel Abbildung 5 Brandausbreitungsgeschwindigkeit Schliesslich fehlen noch die Brennstoffdaten wie Heizwert, chemische Zusammensetzung, optische Rauchdichte und spezifische Abbrandrate. Entsprechende Werte sind z.b. in [2, 5, 6, 10] zu finden. Modellierung Zur Verfügung stehen heute ganz unterschiedliche Programme. Die Palette reicht von vergleichsweise einfachen Zonenmodellen, bei denen für einen Raum nur eine einzige mittlere Temperatur ermittelt wird, über Mehrraum-Mehrzonen-Modelle bis hin zu Feldmodellen, bei denen ein Raum in eine Vielzahl von Segmenten mit unterschiedlichen Temperaturen unterteilt wird. Die breitere Verteilung der Rechenprogramme setzt allerdings voraus, dass die Anwender sowohl grundlegende Kenntnis Rauchfreie Fluchtwege - MRFC-Modellsimulation - Seite 4

se der Wärmebilanztheorie als auch modellspezifische Kenntnisse und Erfahrungen erwerben. www.vib-mrfc.de Die Benützer des Mehrraum-Mehrzonen-Modells MRFC sind im VIB organisiert, einem Verein zur Förderung von Ingenieurmethoden im Brandschutz. Im Internet werden der VIB und das MRFC ausführlich beschrieben. Der Verein VIB veranstaltet zweimal jährlich in Deutschland, Österreich oder der Schweiz Fachtagungen, die dem Erfahrungsaustausch unter den Mitgliedern und auch der Vertrauensbildung gegenüber der Öffentlichkeit dienen. Abbildung 6 Zonen beim MRFC Beim Mehrraum-Mehrzonen- Modells MRFC werden die folgenden Räume und Zonen unterschieden: P: Plume CJ: Ceiling Jet 1, 2 bis 40: Virtuelle Räume o: (oben) Rauchgasschicht u: (unten) raucharme Schicht Phänomene Bei der Modellierung eines Gebäudes sind einige physikalische Phänomene zu beachten. Eine Missachtung birgt die Gefahr einer zu günstig berechneten Wirkung der Rauchabzugsanlage. Rauchfreie Fluchtwege - MRFC-Modellsimulation - Seite 5

Abbildung 7 Plume Die Rauchgassäule über dem Feuer wird im Fachjargon als Plume bezeichnet. Durch eine seitliche Einmischung von Kaltluft vergrössert sich der Volumenstrom mit zunehmender Höhe, erkennbar an einer Querschnittsausweitung, ähnlich wie über einem Hochkamin der Industrie. Die Vermischung von Kaltluft und Heissgasen führt dabei zu einer Abkühlung und Verdünnung des Rauches in Funktion der Aufstiegshöhe z (Abb. 7). Abbildung 8 Mall Eine Mall in einem Einkaufszentren ist heute kaum mehr brandlastfrei. Eine grosse Rauchaufstiegshöhe z (Abbildung 8) führt zu einer grossen Rauchproduktion, was zu einer Überforderung der Rauchabzugsanlage führt. Kunden weit weg vom Brandherd können von einer vollständigen Verrauchung bis zum Fussboden überrascht werden. Je nach Objekt bieten sich unterschiedliche Massnahmen an. Durch ein Anheben des Glasdachs kann die Wirksamkeit eines Rauchabzugs gesteigert und die Schichtgrenze angehoben werden. Ein Anbringen von automatisch abrollenden Rauchschutzvorhängen kann das oberste Geschoss vor einer Verrauchung bewahren. Schliesslich lassen sich Verkaufsflächen in einer Mall in gesprinklerten Kommerzpavillons (Baldachin) zusammenfassen. Rauchfreie Fluchtwege - MRFC-Modellsimulation - Seite 6

Abbildung 9 Zuluft Im Brandfall sind Fenster zu schliessen mag in einem Wohnraum richtig sein. Bei grossen Räumen hat die Erfahrung allerdings gezeigt, dass sich auf diese Weise ein Brand nicht ersticken lässt, da allzu viel Sauerstoff zur Verfügung steht. Sowohl natürliche als auch maschinelle Entrauchungsanlagen können nur zufriedenstellend funktionieren, wenn ausreichend Zuluft nachströmen kann. Auch Chemineeanlagen haben einen speziellen Zuluftkanal, so dass nicht mehr im Winter die Fenster geöffnet werden müssen. Zuluftöffnungen sind allerdings auch mit Gefahren verbunden (Abbildung 9). Kleine Öffnungen ergeben eine hohe Zuluftgeschwindigkeit, was zu einer Verrauchung der Kaltluftschicht führen kann. Liegt eine Zuluftöffnung in der Rauchschicht, kann einströmende Kaltluft Rauchpartikel in die Kaltluftschicht mitreissen. Zuluftöffnungen sind entsprechend gross und tiefliegend anzuordnen. Rauch breitet sich vom Brandherd weg in alle Richtungen horizontal aus, vermischt sich dabei mit Kaltluft und kühlt entsprechend ab. In brandferneren Bereichen lässt sich ein Absinken der Schichtgrenze beobachten (Abb. 10). Dabei kann Abbildung 10 Rückströmung sich eine unerwünschte Rückströmung aus der Rauchgasschicht in die raucharme Schicht einstellen, was eine Verrauchung der Kaltluftschicht zur Folge hat. Anheben lässt sich die Schicht in brandfernen Bereichen, indem auch dort Rauchabzugsanlagen installiert und von Anfang an automatisch ausgelöst werden. Rauchfreie Fluchtwege - MRFC-Modellsimulation - Seite 7

Abbildung 11 Plugholing Unter Plugholing wird bei maschineller Entrauchung das Ansaugen von Luft aus der raucharmen Schicht verstanden, was mit einem Krater verbunden ist, ähnlich bei wie bei einem Badewannenablauf. Im Englischen wird das Wort Plug für Stecker oder Stöpsel verwendet. Der Plugholing-Effekt reduziert die Wirksamkeit einer Entrauchungsanlage, da ein Teil der Leistung für das Absaugen von sauberer Kaltluft anstelle von Rauch verbraucht wird. Zur Vermeidung des unerwünschten Plugholing-Effektes tragen die folgenden Massnahmen bei: viele kleine anstelle weniger grosser Absaugstellen; eine höhere Platzierung der Absaugstellen; das Ermöglichen einer grösseren Rauchschichtdicke ds, z.b. durch Anordnen einer Rauchschürze mit Staubildungsfunktion (z.b. Stahlträger statt Flachdecke); das Ermöglichen einer höheren Rauchgastemperatur, z.b. durch Anordnen einer Rauchschürze, die ein grossflächiges Verteilen der Rauchgase stoppt. In den Abbildungen 12 und 13 wird gezeigt, dass die Rauchschichtdicke und die Rauchgastemperatur einen wesentlichen Einfluss auf die erforderliche Anzahl Absaugstellen haben. Die Abbildungen sind das Ergebnis von Berechnungen [7] eines Beispiels für 10'000 m 3 /h Absaugleistung und Absaugstellen von 35 cm x 35 cm Grösse. In Abbildung 12 beträgt die Rauchgastemperatur konstant 30 C, bzw. 10 grd mehr als die Kaltluftschicht. Bei einer Rauchschichtdicke von 1,0 m sind gemäss Grafik vier Absaugstellen erforderlich, bei 0,5 m dagegen sechzehn. Wenn also bei einer geringen Rauchschichtdicke nicht die erforderliche Anzahl von Absaugstellen vorgesehen werden, wird mit einem Teil der Ventilatorleistung Kaltluft anstelle von Rauch Rauchfreie Fluchtwege - MRFC-Modellsimulation - Seite 8

abgesaugt. Dieser Effekt ist bei der Modellierung zu berücksichtigen, ansonsten die Ergebnisse auf der unsicheren Seite liegen können. Abbildung 12 Einfluss der Rauchschichtdicke ds Abbildung 13 Einfluss der Rauchgastemperatur o Analog wird in Abbildung 13 der Einfluss der Rauchgastemperatur untersucht. Die Rauchschichtdicke ist im Beispiel konstant mit 0,5 m vorgegeben. Bei einer Rauchgastemperatur von 50 C sind neun, bei 25 C dagegen 22 Absaugstellen erforderlich. Wenn die Temperaturdifferenz zwischen Rauchgasen und Kaltluftschicht gegen Null geht, wird die erforderliche Anzahl Absaugstellen unendlich. Abbildung 14 Rauchschürzen Basierend auf den gewonnen Plugholing-Erkenntnissen wird bei Abbildung 14 zwischen den Bereichen 3 und 4 eine Rauchschürze angeordnet. Ohne ein solches Hindernis würde ein Teil des Rauches auch in den Bereich 4 strömen. Um den unerwünschten Rückströmungseffekt von Abbildung 10 zu verhindern, Rauchfreie Fluchtwege - MRFC-Modellsimulation - Seite 9

müsste im Bereich 4 eine geringere Rauchschichtdicke als bei 3 erzielt werden. Dies lässt, bei zudem einer noch tieferen Rauchgastemperatur, die Anzahl erforderlicher Absaugstellen stark ansteigen, was in der Regel zu Machbarkeitsproblemen führt. Für ausgedehnte Räume mit relativ kleinen Brandszenarien, z.b. bei Sälen, Personenverkehrsflächen oder gesprinklerten Verkaufsräumen, haben die Plugholing- Erkenntnisse zu den folgenden Richtwerten geführt (Abbildung 14): Rauchschürzen werden alle 1'200 bis 1'600 m 2 bzw. bei länglichen Räumen alle 60 bis 80 m angeordnet. Bei der Modellierung wird die Länge eines virtuellen Raumes auf das 8- bis 10-fache der Raumhöhe begrenzt. Praktisches Beispiel Im neuen Dock Midfield des Flughafens Zürich stellt das Ankunftsgeschoss ein ausgedehntes System von Korridoren und Schaltervorzonen dar, welches zu entrauchen ist (Abb. 15). Für diesen innenliegenden Bereich fällt eine natürliche Entrauchung aus dem Rennen. Gewählt wird eine maschinelle Entrauchung mit acht Brandgasventilatoren von gesamthaft 42'000 m 3 /h Volumenstrom. N47 N43 N40 N37 N33 S47 S43 S40 S37 (5) S33 NS30 Abbildung 15 Ankunftsgeschoss eines Flughafens Länge 200 m, Breite 26 m, verzerrt gezeichnet Die folgenden Schutzziele wurden mit den Behören vereinbart: für die Selbstrettung in den ersten 10 Minuten nach Brandausbruch 20 m Sichtweite in einer 2 m hohen raucharmen Schicht; Rauchfreie Fluchtwege - MRFC-Modellsimulation - Seite 10

für die Fremdrettung von Fluggästen durch die Feuerwehr in den ersten 30 Minuten nach Brandausbruch 10 m Sichtweite in einer 2 m hohen raucharmen Schicht; für den Sachwertschutz Brandabschnitte und Brandmelder im Rahmen einer Brandrisikobewertung nach SIA 81 [8]. Als Brandszenario wurde ein Einzelbrandobjekt in einer Personenverkehrsfläche mit einer sehr kleinen Brandlast angenommen (Abbildung 16). Die entsprechende Energiefreisetzungskurve stellt eine Umhüllende zu Ergebnissen aus Brandversuchen dar. Die Energie steigt in fünf Minuten auf 1'500 kw an, um anschliessend wieder langsam auf 500 kw abzusinken. Abbildung 16 Brandszenario Als Brennstoff wurde Holz mit 20 % Kunststoffanteil angenommen. Ein wesentlicher Vorteil gegenüber den komplizierteren Feldmodellen oder aufwändigen Rauchversuchen besteht bei Zonenmodellen in der Möglichkeit, kostengünstig verschiedene Parameter zu variieren und deren Einflüsse auf die Ergebnisse zu studieren. Beim vorliegenden Fall wurden beispielsweise die Einflüsse der Ventilatorenanordnung, Ventilatorengrösse und des Zeitpunktes des Entrauchungsbeginns (Abbildung 17) variiert. Es zeigte sich die Notwendigkeit einer automatischen Auslösung der Entrauchungsanlage, um eine ausreichend hohe raucharme Schicht auch in der wichtigen Fluchtphase gewährleisten zu können. Selbstverständlich waren dabei auch die als Zuluftöffnungen dienenden Aussentüren mit Antrieben auszustatten, um sie automatisch öffnen und damit ein Vakuum ausschliessen zu können. Rauchfreie Fluchtwege - MRFC-Modellsimulation - Seite 11

raucharme Schichthöhe Sichtweite Abbildung 17 Einfluss des Entrauchungsbeginns - oben: nach 10 bis 15 Minuten (Auslösung durch die Feuerwehr) - unten: nach 0 bis 5 Minuten (automatische Auslösung bei Brandalarm) Die Computersimulationen ermöglichten, die erforderlichen Massnahmen zur Entrauchung detailliert festzulegen: Brandgasventilatoren (Grösse, Temperaturkategorie, Auslösung) Absaugstellen (Verteilung, Höhenlage, Grösse) Entrauchungsleitungen (Temperaturkategorie, Ausführungsart) Zuluftöffnungen (Verteilung, Grösse, Auslösung) Schlussbemerkungen Zur Auslegung maschineller Entrauchungsanlagen sind Ingenieurmethoden für den Brandschutz erforderlich. Simulationssoftware allein genügt keinesfalls. Versierte Brandschutzingenieure sind erforderlich, die nicht nur die Software beherrschen, sondern auch als Brandschutzfachleute anerkannt sind. Nun fehlt aber in der Schweiz eine Hochschule zur Ausbildung von Brandschutzingenieuren, wie es dies z.b. in England und Schweden gibt. Ein möglicher Weg führt über das Studium der Rauchfreie Fluchtwege - MRFC-Modellsimulation - Seite 12

Literatur, z.b. [6, 10, 11, 12] und die Teilnahme an internationalen Brandschutzkongressen. Für zuverlässige Entrauchungsnachweise ist es ausserdem wichtig, diese gewissenhaft zu erstellen und die dargestellten Phänomene ernst zu nehmen. Literatur [1] VKF-Brandschutznorm. Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen. 1993. [2] VdS 2827 (2000-05: Bemessungsbrände für Brandsimulationen und Brandschutzkonzepte. [3] VdS 2098 (5 90): Rauch- und Wärmeabzugsanlagen. [4] DIN 18'232 Teil 2 (November 1989): Rauch- und Wärmeabzugsanlagen - Rauchabzüge. Bemessung, Anforderungen und Einbau. [5] Schneider, U.: Festlegung von Brandszenarien für den Entwurf von Gebäuden und für die Risikobetrachtung. VdS 2440, 1995. [6] The SFPE Handbook of Fire Protection Engineering, 2nd edition. [7] TRVB S 125, Ausgabe 1997. Technische Richtlinien Vorbeugender Brandschutz; Rauch- und Wärmeabzugsanlagen. Österreichischer Bundesfeuerwehrverband; Die Österreichischen Brandverhütungsstellen. [8] SIA Dokumentation 81: Brandrisikobewertung Berechnungsverfahren. Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein. 1984. [9] Braun, Matthias A.: Design Fires für Brandschutz-Nachweise. Nicht publiziert, wird den Bewilligungsbehörden jedoch zur Verfügung gestellt. 2. Juni 1998. [10] Schneider, U.: Ingenieurmethoden im Baulichen Brandschutz. Kontakt und Studium, Band 531, expert-verlag, 2001. [11] Drysdale, D.: An Introduction to Fire Dynamics. John Wiley and Sons, 1985. [12] Klote, J.H.; Milke, J.A.: Design of Smoke Management Systems. American Society of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineers Inc., Society of Fire Protection Engineers; 1992. Rauchfreie Fluchtwege - MRFC-Modellsimulation - Seite 13