Neuregelung der Schenkung- und Erbschaftsteuer September 2016/Private Mandanten Nach einer zähen Hängepartie haben sich die politischen Kräfte im Vermittlungsausschuss am 22. September 2016 endlich auf eine Neuregelung des Schenkung- und Erbschaftsteuerrechts verständigt. Wir stellen die wesentlichen Neuregelungen sowie künftige mögliche Gestaltungen zum Erhalt der Verschonungsregelungen für unternehmerisches Vermögen dar. Von Dr. Martin Feick und Prof. Dr. Stephan Scherer 1. Hintergrund der Neuregelung Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits mit Urteil vom 17. Dezember 2014 entschieden, dass einzelne Regelungen der Vergünstigungen bei der Vererbung von Unternehmensvermögen in 13a, 13b ErbStG verfassungswidrig sind. Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Gesetzgeber eine Frist zur Neuregelung bis zum 30. Juni 2016 gesetzt. Diese Frist ist bekanntermaßen nicht eingehalten worden. Nachdem daraufhin das Bundesverfassungsgericht angekündigt hatte, Ende September sich noch einmal mit der Angelegenheit zu befassen und angedroht hatte, notfalls die Gesetzgebung selbst in die Hand zu nehmen, ist nunmehr im Vermittlungsausschuss ein Kompromiss gefunden worden. Die gefundene Neuregelung stellt leider gelinde gesagt kein politisches Glanzstück dar. Es ist damit zu rechnen, dass das neue Gesetz in einigen Jahren wieder vor dem Bundesverfassungsgericht landet, da aus Sicht vieler Experten Teile der Neuregelungen erneut verfassungswidrig sind. Zu den Neuregelungen im Einzelnen: 2. Verwaltungsvermögenstest Das neue Gesetz geht im Grundsatz weiterhin von einem Verwaltungsvermögenstest aus. Schon im alten Recht war die Übertragung von unternehmerischem Vermögen nur dann begünstigt, wenn das sog. schädliche Verwaltungsvermögen nicht mehr als 50 % des Wertes des Unternehmens ausmachte. Der neue Vermögensverwaltungstest sieht aber wesentliche Änderungen gegenüber der bisherigen Gesetzesfassung vor. Die Neuregelung ist insgesamt sehr kompliziert geraten und dürfte daher in der Praxis zu nicht unerheblichen Problemen führen. Bislang war es so, dass dann, wenn das Verwaltungsvermögen nicht mehr als 50 % des Wertes des Unternehmens ausmachte, das gesamte Unternehmensvermögen, also auch das Verwaltungsvermögen, begünstigt übertragen werden konnte. Bekanntlich wurde ein Verschonungsabschlag von 85 % gewährt, so dass also nur 15 % des gesamten Unternehmenswerts der Versteuerung unterworfen werden mussten. Nach neuem Recht ist das Unternehmensvermögen begünstigt, soweit sein Wert den des Verwaltungsvermögens übersteigt. Nur dann ist das unternehmerische Vermögen grundsätzlich begünstigungsfähig.
- 2 - Neu und für den Steuerpflichtigen nachteilig ist also, dass das Verwaltungsvermögen selbst künftig grundsätzlich nicht mehr begünstigt, sondern voll steuerpflichtig ist. Es werden allerdings hiervon zwei Ausnahmen gemacht. Zum einen wird jedem Unternehmen ein Verwaltungsvermögen in Höhe von 10 % des Wertes des begünstigten Vermögens (d.h. Wert des Unternehmens nach Abzug des Wertes des Nettoverwaltungsvermögens) zugestanden und als begünstigtes Vermögen behandelt. Nur soweit das Verwaltungsvermögen mehr als 10 % beträgt, gilt es als schädliches und damit steuerpflichtiges Verwaltungsvermögen. Eine zweite Ausnahme wird für sog. Finanzmittel (Geschäftsguthaben, Geldforderungen, Forderungen aus Lieferung und Leistungen) gemacht. Finanzmittel gehören nur dann zum (schädlichen) Verwaltungsvermögen, soweit ihr Wert nach Abzug aller Schulden 15 % des gemeinen Werts des gesamten Unternehmens übersteigt. Für Finanzmittel besteht somit ein Freibetrag in Höhe von 15 % des Unternehmenswerts. Hat also ein Unternehmen einen Wert von z.b. EUR 10 Mio., wovon EUR 2 Mio. Verwaltungsvermögen sind, war nach altem Recht die Übertragung des gesamten Vermögens in Höhe von EUR 10 Mio. begünstigt. Nach neuem Recht werden nur noch EUR 8,8 Mio. begünstigt sein. Da Verwaltungsvermögen in Höhe von 10 % des begünstigten Vermögens als unschädlich anerkannt wird, gelten somit EUR 800.000,00 (10 % von EUR 8 Mio.) des Verwaltungsvermögens als unschädlich. Letztlich muss daher "nur" auf den restlichen Anteil des Verwaltungsvermögens in Höhe von EUR 1,2 Mio. ganz "normal" Erbschaftsteuer gezahlt werden. Unternehmen mit Finanzmitteln in Höhe von mehr als 15 % des Unternehmenswerts und Unternehmen mit Verwaltungsvermögen in Höhe von mehr als 10 % des begünstigten Vermögens werden daher nach neuem Recht gegenüber dem alten Recht schlechter gestellt. 3. Ausdehnung des Verwaltungsvermögens Auf Verlangen des Bundesrats ist der Begriff des Verwaltungsvermögens noch erweitert worden. Bislang gehörten schon Kunstgegenstände und Kunstsammlungen zum Verwaltungsvermögen. Nach dem Ergebnis im Vermittlungsausschuss sollen künftig auch Briefmarkensammlungen, Oldtimer, Yachten, Segelflugzeuge sowie sonstige typischerweise der privaten Lebensführung dienende Gegenstände als Verwaltungsvermögen gelten. Mit dieser Erweiterung sollen Gestaltungen unterbunden werden, wonach die vorgenannten (Privat-)Gegenstände durch Einbringung in unternehmerisches Vermögen hätten steuerfrei übertragen werden können. 4. Investitionsklausel für Verwaltungsvermögen Zur Abmilderung der grundsätzlichen Nichtbegünstigung von Verwaltungsvermögen wird es künftig eine sog. Investitionsklausel geben, die allerdings unverständlicherweise nur bei Erbfällen, nicht jedoch bei Schenkungen eingreift. Nach dieser Neuregelung entfällt die Qualifizierung von Verwaltungsvermögen rückwirkend, wenn nach einem Erbfall der Erwerber das vom Erblasser erworbene Verwaltungsvermögen innerhalb von zwei Jahren in begünstigungsfähiges Vermögen, also in "echtes unternehmerisches Vermögen" investiert. Leider enthält diese allgemeine Investitionsklausel eine weitere sehr starke Einschränkung, die ihre Anwendung in der Praxis wohl erheblich erschweren wird. Aus Angst vor Missbrauch hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass die Reinvestition nur dann anerkannt wird, wenn die Investition des Erben auf einem "vorgefassten Plan des Erblassers beruht". Ein Erblasser, der mit einem vorgefassten Plan zur Investition stirbt, wird in der Praxis allerdings voraussichtlich nicht häufig vorkommen. Hinzu kommt, dass diese Investitionsklausel wohl mehr auf den Einzelunternehmer abzielt. Bei Unternehmen mit größerem Gesellschafterkreis werden Investitionsentscheidungen ohnehin nicht von den einzelnen Erben, sondern von den jeweiligen Geschäftsführern
- 3 - und Vorständen getroffen. Insbesondere wenn der Erbe nur Minderheitsgesellschafter ist, hat er auf etwaige Investitionsentscheidungen in aller Regel gar keinen Einfluss. Es steht daher zu befürchten, dass diese im Ansatz gut gemeinte Investitionsklausel für Verwaltungsvermögen in der Praxis kaum zur Anwendung kommen wird. 5. Vollverschonung des unternehmerischen Vermögens Bislang konnte eine Vollverschonung des unternehmerischen Vermögens, d.h. eine 100 %-ige Steuerbefreiung nur dann erreicht werden, wenn das schädliche Verwaltungsvermögen nicht mehr als 10 % (statt 50 % bei der Regelverschonung betrug). Diese Grenze sollte im Gesetzgebungsverfahren zunächst generell gestrichen werden, so dass auch bei einer höheren Verwaltungsvermögensquote als 10 % die Option bestanden hätte, eine Steuerbefreiung in Höhe von 100 % zu wählen. Nach dem Ergebnis im Vermittlungsausschuss wird jedoch wieder eine neue maximale Verwaltungsvermögensquote eingeführt, und zwar in Höhe von 20 %. Insoweit ergibt sich also eine leichte Verbesserung gegenüber dem alten Gesetz. Es bleibt aber dabei, dass auch im Optionsmodell nur das unternehmerische Vermögen selbst, nicht das Verwaltungsvermögen begünstigt ist. 6. Konsolidierte Ermittlung des Verwaltungsvermögens Eine Erleichterung bei der Ermittlung des maßgeblichen Verwaltungsvermögens soll künftig dadurch erreicht werden, dass nicht mehr für jede Gesellschaft das Verwaltungsvermögen gesondert ermittelt wird. Vielmehr soll das Verwaltungsvermögen in einem Konzern insgesamt für den Konzern ermittelt und dann in das Verhältnis zum Unternehmenswert des Konzerns gesetzt werden. Dennoch werden sich auch weiterhin komplexe Bewertungsfragen stellen, auf die an dieser Stelle im Detail nicht eingegangen werden kann und soll. 7. Neuregelung (Schlechterstellung) beim Erwerb von Großvermögen (mehr als EUR 26 Mio.) Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 17. Dezember 2014 unter anderem kritisiert, dass die Abschläge von 85 % im Regelmodell und von 100 % im Optionsmodell unabhängig davon gewährt werden, ob ein kleines und nicht besonders werthaltiges Unternehmen oder ob ein großes Unternehmen mit hohen Werten übertragen wird. Es hat insoweit einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gesehen, wenn auch sehr große Vermögen komplett steuerfrei übertragen werden können. Der Gesetzgeber ist dem nunmehr entgegengetreten, indem die Begünstigungen beim Erwerb von unternehmerischem Vermögen in Höhe von 85 % im Regelmodell bzw. 100 % im Optionsmodell künftig nur noch dann uneingeschränkt gelten, wenn der Erwerb des unternehmerischen Vermögens eine Grenze von EUR 26 Mio. nicht überschreitet. In diesem Zusammenhang ist wichtig darauf hinzuweisen, dass insoweit auf den Erwerb eines jeden einzelnen Erwerbers abgestellt wird. Würde also z.b. eine Unternehmensbeteiligung im Wert von EUR 50 Mio. auf zwei (oder mehr) Personen übertragen, würde keiner mehr als EUR 26 Mio. erwerben und der Erwerb wäre weiterhin begünstigt. Würde dieselbe Beteiligung jedoch nur an eine Person vererbt werden, wäre die Grenze von EUR 26 Mio. überschritten. Beträgt der Erwerb mehr als EUR 26 Mio. (sog. Großerwerb) kann der Erwerber künftig zwischen zwei Verschonungsmodellen wählen: a) Im sog. Abschmelzmodell wird der Verschonungsabschlag von 85 % bzw. 100 % mit zunehmender Höhe des Erwerbs immer weiter reduziert; eine beim ersten Lesen des Gesetzestextes kaum verständliche Regelung. Die Abschmelzung erfolgt dabei um einen Prozentpunkt für jede volle EUR 750.000,00. Das heißt, der Verschonungsabschlag wird immer weiter reduziert je größer der Erwerb ist. Ab einem Erwerb von rund EUR 90 Mio. ist der Abschlag vollständig abgeschmolzen, so dass keinerlei Verschonung mehr erfolgt. Wer also unternehmerisches Vermögen im Wert von mehr als EUR 90 Mio. erhält, kann von dem Abschmel-
- 4 - zungsmodell keinen Gebrauch mehr machen. b) In der Praxis dürfte daher insbesondere das sog. Erlassmodell große Bedeutung erlangen. Hiernach wird die Steuer bei einem Großerwerb ganz oder teilweise erlassen, wenn der Erwerber nachweist, dass er nicht in der Lage ist, die Steuer aus seinem eigenen verfügbaren Vermögen zu begleichen (sog. Bedürfnisprüfung). Hierbei ist der Erlass der Steuer auch bei einem Erwerb von mehr als EUR 90 Mio. möglich. Diese Neuregelung wird nach unserer Einschätzung dazu führen, dass noch häufiger Vermögen auf bislang selbst vermögenslose minderjährige Kinder übertragen wird, um den Steuererlass nutzen zu können. Die Neuregelung führt nämlich zu teilweise absurden Ergebnissen. Wenn z.b. ein Unternehmer zwei Kinder hat, von dem eines selbst schon erfolgreich Vermögen aufgebaut hat und das andere nicht, kommt es zu einer ungleichen steuerlichen Behandlung seiner Kinder bei Schenkung oder Erbschaft. Während das vermögenslose Kind den Großerwerb steuerfrei im Wege des Erlassmodells erwerben kann, muss das vermögende Kind einen Teil seines Privatvermögens einsetzen, um die Steuer auf den Großerwerb zu begleichen. Das für die Steuer einzusetzende Vermögen beträgt hiernach 50 % des sog. verfügbaren Vermögens. Der Unternehmererbe, der also selbst über ein Privatvermögen in Höhe von EUR 1 Mio. verfügt, muss dann hiervon künftig EUR 500.000,00 Steuern aus seinem eigenen Privatvermögen zahlen. Das Erlassmodell wird nach unserer Einschätzung zu einer weiteren Renaissance der Familienstiftung führen. Wird eine Familienstiftung nämlich neu errichtet, verfügt diese über noch kein (nennenswertes) eigenes Vermögen. Wird dann unternehmerisches Vermögen im Rahmen eines sog. Großerwerbs auf die Familienstiftung übertragen, kann die Familienstiftung von dem Erlassmodell Gebrauch machen und verlangen, dass ihr die Steuer erlassen wird, indem sie nachweist, dass sie nicht in der Lage ist, die Steuer aus eigenem Vermögen zu begleichen (weil die Familienstiftung nur mit einem äußerst geringen Vermögen ausgestattet wird). 8. Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe Der guten Ordnung halber sei an dieser Stelle noch festgehalten, dass ein Großerwerb nicht dadurch umgangen werden kann, dass man in zeitlich kurzen Abständen hintereinander jeweils Beteiligungen im Wert von weniger als EUR 26 Mio. überträgt. Wie in anderen Fällen bei der Schenkung- und Erbschaftsteuer auch, werden mehrere Erwerbe von unternehmerischen Vermögen von derselben Person innerhalb von zehn Jahren zusammengerechnet. Wenn dabei insgesamt die Grenze von EUR 26 Mio. überschritten wird, kann der allgemeine Verschonungsabschlag von 85 % bzw. 100 % nicht mehr in Anspruch genommen werden. 9. Neue Verschonung bei sog. "qualifizierten Familienunternehmen" Der Gesetzgeber wollte eine zusätzlich Privilegierung für Familienunternehmen in das Gesetz mitaufnehmen, die aber aller Voraussicht nach in der Praxis weitgehend ins Leere laufen wird. Nach der Neuregelung wird für den Erwerb von Anteilen an Familienunternehmen vor Anwendung des Verschonungsabschlags von 85 % bzw. 100 % ein neuer Vorab-Abschlag von maximal 30 % gewährt. Die Gewährung dieses Abschlags setzt jedoch voraus, dass der Gesellschaftsvertrag bestimmte Entnahme-, Verfügungs- und Abfindungsbeschränkungen enthält. Diese gesellschaftsvertraglichen Beschränkungen müssen mindestens zwei Jahre vor dem Übertragungsstichtag und 20 Jahre (!) nach dem Übertragungsstichtag fortbestehen. Nach den gesetzlichen Vorgaben darf aufgrund des Gesellschaftsvertrags die Entnahme oder Ausschüttung höchstens 37,5 % "des um die auf den Gewinnanteil oder die Ausschüttungen aus der Gesellschaft entfallenden Steuern vom Einkommen gekürzten Betrages des steuerrechtlichen Gewinns" betragen; Entnahmen zur Begleichung der anfallenden Einkommensteuern sollen jedoch bei der Beschränkung der Entnahme oder Ausschüttung unberücksichtigt bleiben (eine beim
- 5 - bloßen Lesen bereits äußerst schwer verständliche Regelung). Ferner muss durch Gesellschaftsvertrag die Verfügung über die Beteiligung auf Mitgesellschafter, auf Angehörige (im Sinne des 15 AO) oder auf eine Familienstiftung beschränkt sein. Als dritte und letzte Voraussetzung muss für den Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft eine Abfindung vereinbart sein, die unter dem gemeinen Wert der Beteiligung liegt. Die Höhe des sodann zu gewährenden Vorab- Abschlags entspricht der im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen prozentualen Minderung der Abfindung gegenüber dem gemeinen Wert und darf höchstens 30 % betragen. Wenn also z.b. im Gesellschaftsvertrag die vorstehenden Voraussetzungen erfüllt sind und beim Ausscheiden die Abfindung 20 % geringer ist als der gemeine Wert, würde dementsprechend ein Vorab-Abschlag von 20 % gewährt. Allein schon aufgrund der (unangemessen) langen Frist von 20 Jahren, die die Regelungen fortbestehen müssen, wird man einem Gesellschafter eines Familienunternehmens kaum empfehlen können, sich auf diese Regelung zu verlassen. Gerade in Familienunternehmen mit einem größeren Gesellschafterkreis wird der einzelne Gesellschafter unter Umständen gar nicht die Möglichkeit haben, zu verhindern, dass der Gesellschaftsvertrag innerhalb der nächsten 20 Jahre in einem der maßgeblichen Punkte geändert wird, was sodann mit Wirkung für die Vergangenheit zu einem Wegfall des Vorab-Abschlags führen würde. Im Übrigen bedeutet diese Neuregelung einen erhöhten administrativen Aufwand für alle Familienunternehmen und deren Berater, da in Familienunternehmen mit größeren Gesellschafterkreis in wiederkehrenden Abständen Übertragungen, sei es unter Lebenden oder von Todes wegen, erfolgen, so dass stets neue 20-Jahres-Fristen in Gang gesetzt würden. Faktisch würde dies bei vielen Familienunternehmen dazu führen, dass der Gesellschaftsvertrag in den vorgenannten Punkten nie mehr geändert werden könnte, wollte man nicht für einzelne Gesellschafter, die in den letzten 20 Jahren Anteile übertragen haben, den Verlust des Vorab-Abschlags riskieren. 10. Neue Stundungsmöglichkeit Die Möglichkeiten zur Stundung werden nur für Erwerbe von Todes wegen hinsichtlich ihrer Voraussetzungen erweitert. Bislang war eine Stundung nur möglich, wenn dies "zur Erhaltung des Betriebs notwendig" war. In der Praxis kam dies kaum zur Anwendung. Aufgrund der Neuregelung hat jeder Erwerber unabhängig von einer Bedarfsprüfung das Recht, eine Stundung der Steuer zu verlangen. Der Bundestag hatte hierzu noch eine zinslose Stundung für die Dauer von zehn Jahren vorgesehen. Durch den Vermittlungsausschuss wurde die Stundungsmöglichkeit auf sieben Jahre reduziert. Sie wird auch nur für das erste Jahr zinslos gewährt. Für die folgenden Jahre fallen Zinsen in Höhe von 6 % p.a. (wie auch sonst im Steuerrecht üblich) an. Für Erwerbe unter Lebenden besteht eine Stundungsmöglichkeit nur noch in Härtefällen für die Dauer von sechs Monaten ab einem Erwerb von EUR 26 Mio. Beschenkte haben also nur noch in ganz engem Rahmen die Möglichkeit, eine Stundung in Anspruch zu nehmen. 11. Neue Unternehmensbewertung Heftig kritisiert wurde die bisherige Bewertungsmethode für Unternehmen im Wege des sog. vereinfachten Ertragswertverfahrens. Das bisherige Gesetz sah eine Unternehmensbewertung vor, die bei niedrigeren Zinsen aufgrund des sich hieraus ergebenden höheren Kapitalisierungsfaktors zu höheren Unternehmenswerten führte. Durch die in den vergangenen Jahren stetig gesunkenen Zinsen hat sich der sog. Kapitalisierungsfaktor beim vereinfachten Ertragswertverfahren von unter 12 im Jahr 2010 auf nahezu 18 im Jahr 2016 erhöht. In Folge des Kompromisses des Ermittlungsausschusses ist künftig von einem einheitlich anzuwendenden Kapitalisierungsfaktor von 13,75 im vereinfachten Ertragswertverfahren auszugehen. Ferner wird das Bundesfinanzministerium ermächtigt, durch Rechtsverordnung den Kapitalisierungsfaktor künftig an die Entwicklung der Zinsen anzupassen. 12. Rückwirkende Anwendung des Kapitalisierungsfaktors auf alle Übertragungen bereits ab dem 1. Januar 2016 Völlig ohne Not hat der Gesetzgeber entschieden, dass die Reduzierung des Kapitalisie-
- 6 - rungsfaktors bereits rückwirkend auf alle Übertragungen ab dem 1. Januar 2016 (und nicht ab 1. Juli 2016) Anwendung finden soll. Der Gesetzgeber war wohl irrig der Ansicht, den Steuerpflichtigen hiermit ausschließlich einen Gefallen zu tun, wenn Unternehmen aufgrund eines niedrigeren Kapitalisierungsfaktors auch niedriger bewertet würden. Der Gesetzgeber hat hierbei jedoch übersehen, dass bei der Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote ein höherer Unternehmenswert für den Steuerpflichtigen durchaus vorteilhaft sein kann. Beträgt nämlich z.b. der Unternehmenswert bei einem Kapitalisierungsfaktor von 18 EUR 18 Mio., kann das schädliche Verwaltungsvermögen bis zu EUR 9 Mio. betragen. Hat ein Unternehmer auf Basis dieser Berechnungen eine Disposition getroffen und z.b. noch im ersten Halbjahr 2016 eine lebzeitige Übertragung an seine Kinder vorgenommen, würde eine rückwirkende Reduzierung des Kapitalisierungsfaktors auf 13,75 dazu führen, dass sein Unternehmen nur noch EUR 13,75 Mio. wert ist. Bei einem Verwaltungsvermögen von EUR 9 Mio. wäre dann die gesamte Übertragung nicht mehr steuerlich begünstigt. Eine solche, für den Steuerpflichtigen nachteilige Rückwirkung wirft daher erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken auf. 13. Rückwirkende Anwendung des neuen Gesetzes ab dem 1. Juli 2016 Abgesehen von der vorstehend beschriebenen Ausnahme bezüglich der Bewertung, die bereits rückwirkend ab dem 1. Januar 2016 in Kraft gesetzt werden soll, sieht das Ergebnis des Vermittlungsausschusses vor, dass das neue Gesetz im Übrigen rückwirkend mit Wirkung zum 1. Juli 2016 in Kraft tritt. Auch dies begegnet gewissen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die daher von einigen Experten vorgeschlagene Einräumung eines Wahlrechts des neuen oder alten Rechts im Übergangszeitraum vom 1. Juli 2016 bis zur Verkündung des neuen Gesetzes im Bundesgesetzblatt hat der Vermittlungsausschuss jedoch nicht aufgegriffen. 14. Zusammenfassung Die nunmehr nach den Verhandlungen des Vermittlungsausschusses beschlossenen Änderungen im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht verkomplizieren künftig die Übertragung von unternehmerischem Vermögen zusätzlich. Es wird noch stärker als früher darauf ankommen, die Unternehmensnachfolge rechtzeitig zu planen und unter Zuhilfenahme steuerlicher und rechtlicher Berater genau zu rechnen, welche der vielfältigen Optionsmöglichkeiten genutzt werden können. Insbesondere bei Vorhandensein von unternehmerischem Vermögen im Wert von mehr als EUR 26 Mio. besteht künftig erhöhter Beratungs- und ggf. Gestaltungsbedarf. Durch das neu eingeführte sog. Erlassmodell wird es aber auch künftig Wege und Möglichkeiten geben, sog. Großvermögen weitgehend steuerfrei auf die nächsten Generationen zu übertragen. Des Weiteren nachteilig ist, dass schädliches Verwaltungsvermögen generell nicht mehr steuerbegünstigt ist, so dass Verwaltungsvermögen, auch wenn es die maßgebliche Grenze von 20 % im Optionsmodell nicht überschreitet, versteuert werden muss. Eine Ausnahme gilt insoweit lediglich, als es sich um Finanzmittel handelt und diese nicht mehr als 15 % des Wertes des gesamten Unternehmens ausmachen. Die zahlreichen Ausnahmen und Sonderregelungen hinsichtlich Optionsmöglichkeiten, Wahlrechten und Stundungsmöglichkeiten werden die Komplexität gegenüber dem bisherigen Recht noch zusätzlich erhöhen. Aus verfassungsrechtlicher Sicht bleibt spannend, ob und wann das Bundesverfassungsgericht sich erneut mit dem Erbschaftsteuerrecht befassen wird. Dabei dürfte sich unseres Erachtens eher die Frage des "Wann" und nicht so sehr des "Ob" in den Vordergrund drängen.
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