Stand Juni 2012 Hintergrundinformationen: Tiertransporte Immer noch gibt es Tiertransporte quer durch Europa und sogar weit über die Grenzen hinaus. Allein mehr als 360 Millionen Tiere werden jährlich innerhalb der EU zum Schlachthof befördert, hinzu kommen vier Milliarden Stück Schlacht-Geflügel. Aber nicht nur zum Schlachten werden Tiere transportiert, sondern meist finden auch Aufzucht und Mast an getrennten Orten, oft in verschiedenen Ländern, statt. So vervielfacht sich die Summe der transportierten Tiere. Baumschulallee 15 53115 Bonn Tel: 0228/60496-0 Fax: 0228/60496-40 E-Mail: bg@tierschutzbund.de Internet: www.tierschutzbund.de Bedingt durch die großen Entfernungen, von teilweise mehreren tausend Kilometern, die häufig zwischen Aufzucht,- Mast- und Schlachtbetrieb liegen, sind die Tiere oft tagelang unterwegs. Eine Begrenzung der absoluten Transportdauer gibt es nämlich nicht. Diese Langstreckentransporte sind aus mehreren Gründen aus Tierschutzsicht abzulehnen. Da jede Beförderung für die Tiere eine anstrengende Extremsituation darstellt, müssten alle Vorgaben an den Transport so gestaltet werden, dass er für die Tiere so schonend wie möglich verläuft. Stellt ein Langstreckentransport für die Tiere schon eine extreme Strapaze dar, auch wenn die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden, wird die Situation umso schlimmer, wenn die Vorschriften missachtet werden. Immer wieder wird jedoch bei Tiertransporten gegen die Regelungen zu Platzangebot, Temperatur und Pausenzeiten verstoßen. Aktuelle Rechtslage Europa Gesetzlich geregelt sind die Bedingungen, unter denen Tiere transportiert werden dürfen, in der EU einheitlich in der EU-Transportverordnung 1/2005, die seit Januar 2007 gültig ist. Anlass für diese Verordnung war ein Bericht der EU-Kommission aus dem Jahr 2000, der erhebliche Missstände beim Transport lebender Tiere bestätigte. Allerdings gestalteten sich die Verhandlungen über die neue Verordnung sehr schwierig. Die Vertreter der Mitgliedsstaaten konnten sie sich in den aus Tierschutzsicht sensiblen Punkten Ladedichte, Transportzeiten und Temperaturregelungen nicht einigen. Einige Staaten forderten nachhaltige Verbesserungen für den Tierschutz, anderen gingen die Vorschläge schon zu weit. In den Hauptstreitpunkten Ladedichte, Temperatur- und Pausenregelungen konnte kein Konsens erzielt werden. Daher entschied man sich, die Verhandlungen zu diesen strittigen Problembereichen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben und die alten Regelungen aus dem Jahr 1999 zu übernehmen, auch wenn diese Bestimmungen dem Bericht der EU- Kommission zufolge nicht ausreichend waren. Die EU-Tiertransportverordnung wurde also nur in den Bestimmungen novelliert, zu denen man ein Einvernehmen erreichen konnte. Neben wenigen Verschärfungen von Detailanforderungen zielten die Neuerungen in der Transportverordnung 1/2005 in erster Linie auf eine verbesserte Durchsetzung der Transportgesetzgebung ab. So wurden die Bestimmungen in einer unmittelbar bindenden EU- Verordnung statt wie zuvor in einer Richtlinie erlassen. Ferner wurden strengere Anforderungen an Registrierung, Zulassung, Verantwortlichkeiten und Sachkunde im Transportgeschehen erlassen. Auch schreibt die neue Verordnung zur Verbesserung der Kontrollen die Ausstattung von Transportfahrzeugen mit Navigationssystemen vor. Trotzdem
Seite - 2 - Hintergrundinformationen: Tiertransporte vom Juni 2012 bleiben die Vorgaben der neuen europäischen Gesetzgebung nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. So sind die Vorschriften, insbesondere zum Platzangebot, zur Temperaturregelung und zu den Pausenzeiten, weiterhin nicht ausreichend, um einen tierschutzkonformen Transport der Tiere zu garantieren. Beispielsweise steht einem Mastschwein von 100 Kilogramm eine Fläche von nur knapp einem halben Quadratmeter zur Verfügung. Dabei ist es zulässig, es 24 Stunden lang bei Temperaturen von 0 C bis zu 35 C ununterbrochen zu transportieren. Ausgewachsene Rinder müssen mit einem Platzangebot von je eineinhalb Quadratmetern auskommen; es ist erlaubt, sie 29 Stunden lang bei bis zu 35 C zu befördern, bevor sie das erste Mal abgeladen werden müssen. Lange Transportstrecken sind eine immense Belastung für die Tiere, sie versuchen, so lange sie können, zu stehen und die Bewegungen des Fahrzeugs auszubalancieren. Auch ist die Fläche nicht ausreichend, damit alle Tiere gleichzeitig liegen können. Nach einer Fahrzeit von 24 Stunden bei Schweinen und 29 Stunden bei Rindern müssen die Tiere vom Transporter abgeladen und eine Versorgungs- und Ruhepause von 24 Stunden eingehalten werden. Anschließend darf der Transport für die nächsten 24 bzw. 29 Stunden fortgesetzt werden. Diese Intervalle von Transport und Pausen dürfen beliebig oft wiederholt werden. In der EU-Verordnung ist zwar die Ausstattung der Transporter mit Navigationssystemen vorgeschrieben, um die Routen und Pausenzeiten besser kontrollieren zu können. Sinnvoll wäre aber darüber hinaus die Errichtung einer zentralen Datenbank, an die die dokumentierten Daten in Echtzeit weitergegeben werden und auf die die zuständigen Behörden ständig zugreifen können. Nur so könnte die Kontrolle effektiv verbessert und verhindert werden, dass Transporteure gegen Routenpläne verstoßen. Die Überarbeitung der Verordnung zu Ladedichte, Temperatur- und Pausenregelungen wurde von der Kommission immer wieder angekündigt, aber dann doch wieder verschoben. Ein Entwurf wurde 2009 vorgelegt, aber nicht angenommen. Im April 2010 verkündete der zuständige EU-Kommissar John Dalli, man werde erst einen Bericht zur Situation der Tiertransporte abwarten, bevor man weitere Gesetzesinitiativen in Betracht ziehen würde. So werden mögliche Verbesserungen weiter verzögert. Im Januar 2011 legte die Europäische Behörde für Nahrungsmittelsicherheit (EFSA) ein Gutachten über den Schutz von Nutztieren während des Transportes vor. Dieses Gutachten ist aus Tierschutzsicht enttäuschend, da es die katastrophalen Bedingungen unter den die Tiere transportiert werden nicht ausreichend kritisiert. Für die besonders bedenklichen Parameter Transportzeit, Ladedichte und Temperaturregelung werden keine grundsätzlichen, drastischen Änderungen gefordert. Eine weitere Studie der EU-Generaldirektion für Gesundheit (DG Sanco), die im Juli 2011 veröffentlicht wurde, befasst sich mit den Auswirkungen der Transportverordnung. Diese Studie bewertet die Situation kritischer als die EFSA. Sie zeigt, wie wenig die EU- Transportverordnung zur Verbesserung des Tierschutzes beiträgt und kommt zu dem Schluss, dass nur eine Harmonisierung bei der Umsetzung der Verordnung in allen Mitgliedsländern und eine einheitliche Ahndung von Verstößen, den Tierschutz verbessern können. Durch das einheitliche Vorgehen aller Länder und eine Verteuerung der Transporte könne es langfristig zu einer Verlagerung auf den Transport von Fleisch anstelle von lebenden Tieren kommen. Obwohl diese Beurteilung angefertigt wurde, um auch in dem Bericht der EU-Kommission berücksichtigt zu werden, finden sich die Schlussfolgerungen dort kaum wieder.
Seite - 3 - Hintergrundinformationen: Tiertransporte vom Juni 2012 Im November 2011 wurde dann der lange angekündigte Bericht der EU-Kommission über die Auswirkungen der geltenden EU-Transportverordnung auf den Tierschutz bei Transporten vorgelegt. Laut Aussagen des Berichts hat die Transportverordnung den Tierschutz auf Transporten verbessert, Defizite gebe es jedoch bei der Umsetzung der Verordnung. Die Feststellung, der Tierschutz auf Transporten habe sich durch die Verordnung verbessert, widerspricht den Erfahrungen bei Kontrollen in der Praxis. Nach den Schlussfolgerungen des im November 2011 vorgelegten Berichtes ist mit einer Novellierung der geltenden EU-Transportverordnung nicht in absehbarer Zeit zu rechnen. Im März 2012 wurde im EU-Parlament die 8hours-Kampagne abgeschlossen. Die Mehrheit der Abgeordneten hatte eine Resolution unterschrieben, in der eine Begrenzung der Transportzeit von Schlachttieren auf acht Stunden und eine entsprechende Überarbeitung der Transportverordnung gefordert wird. Damit ist dies eine offizielle Forderung des Parlaments. Auch mehr als eine Million Bürger der EU hatte die Forderung in einer Unterschriftenaktion unterzeichnet. Im Juni 2012 wurden die Unterschriften dem zuständigen EU-Kommissar Dalli überreicht. Er hatte bislang eine Begrenzung der Transportzeit für Schlachttiere auf acht Stunden abgelehnt, stellte aber bei der Überreichung der Unterschriften eine Überarbeitung der geltenden Gesetzgebung in Aussicht, bei der auch die Transportzeiten berücksichtigt werden sollten. Auch in verschiedenen Ausschüssen des EU-Parlaments stimmten die Abgeordneten für die Begrenzung der Transportzeiten. Die gesetzlichen Grundlagen für Tiertransporte haben sich also seit 1999 nicht geändert, aber die Anzahl der transportierten Tiere steigt kontinuierlich an und die Strecken, über die Tiere transportiert werden, werden immer größer. Selbst bei konsequenter Befolgung der Transportverordnung ist ein schonender Transport der Tiere nicht gegeben und sie sind weiterhin unnötigem Leiden ausgesetzt. Nicht nur Tierschutzgründe sprechen gegen die Fortführung der Langstreckentransporte, sondern auch seuchenhygienische Argumente. Durch den Transport großer Mengen an Tieren werden Krankheitserreger über weite Strecken verschleppt. Auch auf den Versorgungsstationen, wo Tiere aus den verschiedensten Ländern untergebracht werden, ist das Ansteckungsrisiko besonders hoch. Deutschland Mit dem Inkrafttreten der EU-Transportverordnung musste die bis dahin gültige deutsche Tiertransportverordnung von 1999 an die Bestimmungen des EU-Rechts angepasst werden. Für innerstaatliche Tiertransporte räumt die europäische Transportverordnung 1/2005 in Art. 1 Abs. 3 den Mitgliedsstaaten explizit die Möglichkeit ein, strengere Maßnahmen zu ergreifen, die den besseren Schutz der Tiere bezwecken. Diese Gelegenheit, die innerdeutschen Tiertransporte mit strengen Bestimmungen auf ein aus Tierschutzsicht akzeptables Niveau zu verschärfen, hat die deutsche Regierung unter dem damaligen Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) mit der deutschen Transportverordnung von 2008 jedoch nicht genutzt. Im Gegenteil, es wurden sogar Ausnahmen genutzt, um die Tierschutzbestimmungen weiter herunterzuschrauben. Beispielsweise schrieb die deutsche Tiertransportverordnung von 1999 vor, dass die Ladedichte reduziert werden muss, wenn während des Transportes Außentemperaturen von
Seite - 4 - Hintergrundinformationen: Tiertransporte vom Juni 2012 mehr als 25 C zu erwarten sind. Diese wichtige Vorgabe wurde in der neuen deutschen Verordnung nicht übernommen. Auch dürfen nach der 2008 beschlossenen neuen deutschen Verordnung Tiere innerhalb Deutschlands bis zu zwölf Stunden lang transportiert werden, ohne dass die für Langzeittransporte von mehr als acht Stunden eigentlich vorgeschriebenen Bedingungen wie Zulassung, Temperaturüberwachung, Datenschreiber und Navigationssystem erfüllt werden müssen. Aus der Sicht des Tierschutzes ist es völlig unverständlich, Transportunternehmen von diesen sinnvollen Anforderungen an den Tierschutz zu entbinden und gleichzeitig die Transportzeit zu verlängern. Es ist nicht einzusehen, warum man in der nationalen Tiertransportverordnung die Chance nicht genutzt hat, für Transportzeiten, Platzangebot und Temperatur strengere Regelungen vorzuschreiben, als sie in der EU-Transporterordnung vorgesehen sind. Das ist ein unnötiger Rückschritt für den Tierschutz vor allem vor dem Hintergrund, dass die EU die jetzigen Anforderungen schon als nicht ausreichend erkannt hatte. Forderungen des Deutschen Tierschutzbundes zu Tiertransporten Eine Begrenzung der Transportzeiten für internationale Tiertransporte auf acht Stunden und für nationale Tiertransporte auf vier Stunden. Festlegung einer maximalen Ladedichte für jedes Fahrzeug. Das Platzangebot muss angemessen sein, so dass jedes Tier ausreichend Platz zum Liegen und Aufstehen hat. Die zulässigen Temperaturen von 0-35 C innerhalb eines Fahrzeuges beim Transport müssen korrigiert werden. Schweine sollten möglichst nicht bei Temperaturen von über 16 C, andere Tiere nicht bei Temperaturen von über 25 C transportiert werden. Bei Transporten, die länger als acht Stunden dauern, müssen am Ursprungsort und auf den Versorgungsstationen durch einen amtlichen Tierarzt die Transportfähigkeit der Tiere, der Ladevorgang und die Ladedichte kontrolliert werden. Elektrische Treibhilfen sind zu verbieten. Laderampen müssen rutschfest und seitlich solide begrenzt sein, die Steigung sollte 15 Grad nicht übersteigen. Multideck-Fahrzeuge für Rindertransporte sind zu verbieten. Die Kontrolle und der Zugang zu jedem Tier auf dem Transporter müssen gewährleistet sein. Allen Tieren muss während des Transportes ständig Wasser zur Verfügung stehen. Die Ladeflächen müssen eingestreut sein. Die Anforderungen an die Kontrollen, wie sie die EU-Transportverordnung vorgibt, müssen besonders bezüglich ihrer Häufigkeit konkretisiert werden.
Seite - 5 - Hintergrundinformationen: Tiertransporte vom Juni 2012 Tiere müssen grundsätzlich am nächstgelegenen Schlachthof geschlachtet werden. Regionale Schlachthofstrukturen und mobile Schlachteinheiten müssen gefördert werden.