Buß, E. Tod und Sterben bleiben ein Tabu. Universität Hohenheim. 2006, S. 1.

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Transkript:

Der Ort der Trauer Zum Wandel der Bestattungskultur in Deutschland Jedes Jahr sterben in Deutschland rund 850.000 Menschen. Im besten Fall hat der oder die Verstorbene einen Bestattungsvorsorgevertrage abgeschlossen und bereits alles zu Lebzeiten geregelt, so dass die Angehören sich nicht vor einem Berg von Fragen und Entscheidungen wiederfinden. Jedoch ist dies leider nur eher selten der Fall, da der Umgang mit dem Tod noch immer keine Alltäglichkeit ist. Im Gegenteil, der Umgang mit dem Tod wird von den meisten Deutschen abgelehnt. So geben 75% der Männer und 63% der Frauen an, dieses Thema zu verdrängen. Als Grund wird häufig genannt, dass es die Freude am Leben beeinträchtigen würde. 1 Jedoch muss sich jeder Mensch an einem oder mehreren Punkten in seinem Leben mit diesem Thema konfrontiert sehen. Sei es der Tod von geliebten Menschen, oder der eigene. Eine wichtige Entscheidung, die im Falle eines Todesfalles getroffen werden muss ist die Form der Beisetzung. Hat der oder die Verstorbene keinen eindeutigen Wunsch geäußert, so ist es die Aufgabe der Angehörigen eine angemessene Entscheidung zu treffen. Erd- oder Feuerbestattung? Ein traditionelles Reihen- oder Wahlgrab 2? Oder doch eine der alternativen Bestattungsformen? Trotz der strengen Bestattungsgesetze in den Bundesländern und des Friedhofszwanges, gibt es eine große Vielfalt an Bestattungsformen. Wie kam es jedoch zu dieser Vielfalt der Bestattungsformen, wie wir sie noch gar nicht all zu lange kennen? Um eine Frage wie diese beantworten zu können, muss man weit zurück in die Vergangenheit blicken. Bis zu dem Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit war das Friedhofswesen fast ausschließlich durch religiöse Vorstellungen geprägt. So gab es christliche und jüdische Begräbnisstätten. Mit der Reformation, gab es bald katholische, evangelische und jüdische Friedhöfe. Diese Friedhöfe waren allerdings abgeschirmte Orte, die Menschen mit einer andere Konfession oder Konfessions- 1 Buß, E. Tod und Sterben bleiben ein Tabu. Universität Hohenheim. 2006, S. 1. 2 Bei einem Reihengrab ist die Lage nicht wählbar, es ist nur als Einzelgrab verfügbar und läuft nach Ende der Ruhezeit des entsprechenden Friedhofes aus und kann nicht verlängert werden. Ein Wahlgrab ist jedoch verlängerbar und wie der Name sagt, kann die Lage frei getroffen werden.! 1!

losen vorenthalten wurden. 3 Mit der Aufklärung und dem Streben nach der Trennung von Kirchen und Staat begann auch die Säkularisierung des Friedhofswesens. Es entwickelte sich in Europa die Idee, Friedhöfe für Menschen ohne Bezug zu einer Religionsgemeinschaft zu schaffen. So entstanden im ausgehenden 18. Jahrhundert die ersten kommunalen Friedhöfe, auf welchen die Standeszugehörigkeit ebenfalls keine Rolle spielte. Eine noch wichtigere Rolle in der Säkularisierung des Friedhofwesens spielte die Einführung der Feuerbestattung. Die Verbrennung der Leichname wurde von der Kirche als heidnisch verdammt und für Christen verboten und sollte erst 1963 erlaubt werden. Nichts desto trotz wurde das erste deutsche Krematorium 1878 in Gotha gegründet. Einige wichtige Faktoren begünstigten die Verbreitung und Anerkennung der Feuerbestattung. Die, durch die Industrialisierung und der damit einhergehenden Urbanisierung, hervorgerufenen Raumprobleme in den Städten war einer der wichtigsten Faktoren. Die Einäscherung wurde nun als hygienische und kostengünstigste Lösung der Raumprobleme auf städtischen Friedhöfen propagiert. 4 Obwohl Krematorien viele wichtige Funktionen, wie die Aufbewahrung der Leichname, Ort für die Trauerfeier, Einäscherung und manchmal sogar Ort der Beisetzung in Form von Kolumbarien 5, in sich vereinigten, blieb die Feuerbestattung vorwiegend Angelegenheit einer kleinen Gruppe des aufgeklärten Bürgertums. 6 Aber nicht nur die Form der Bestattung, sondern auch die Organisation der Bestattung wurde zunehmend nicht mehr von der Kirche bestimmt. So führte der Wechsel der Jenseits- zur Diesseitsorientierung dazu, dass die Bestattung ab dem Ende des 19. Jahrhundert einem Professionalisierungsprozess unterlag. 1870 entstanden die ersten Bestattungsunternehmen, welche vor allem aus Schreiner- und Fuhrbetrieben hervorgingen. Hygiene, Technik und Effizienz bestimmten den Umgang mit Verstorbenen [...]. 7. Ein ganz neuer Gewerbezweig entstand und 3 Vgl. Sörries, Reiner: Die Zukunft deutscher Friedhöfe. Zwischen Säkularisierung, Werteorientierung und Kommerzialisierung. In: Humanistische Bestattungskultur. Hrsg. von Horst Groschopp. 1. Auflage. Aschaffenburg 2010, S. 12-24. 4 Vgl. Fischer, Norbert: Von Krematisten und Sozialisten. Zur Geschichte weltlicher Bestattungskultur. In: Humanistische Bestattungskultur. Hrsg. von Horst Groschopp. 1. Auflage. Aschaffenburg 2010, S. 66-78. 5 Columbarium, lat. Taubenschlag. Bauwerk, das der Aufbewahrung von Urnen (selten Särgen) dient. Vor allem in südlichen Ländern sind Kolumbarien ein fester Bestandteil der Bestattungskultur. 6 Vgl. Fischer: Von Krematisten und Sozialisten. S. 68 7 Borckholder, Thomas: Der Tod im 21. Jahrhundert. Eine Untersuchung der gesellschaftlichen Einstellung zum Tod in der Bundesrepublik Deutschland. 2. Auflage. Norderstedt: BoD Books on Demand 2015, S. 269.!! 2!

übernahm mehr und mehr Funktionen, welche zuvor einzig der Kirche vorbehalten waren. Der Effizienz-Gedanke spielte auch eine große Rolle als die Nationalsozialisten im 3. Reich die Kremation förderten um so auch den Idealen der alten Germanen nachzukommen. Die Feuerbestattung wurde außerdem für günstiger und ressourcenschonender gehalten, weswegen sie 1934 ein Gesetz erließen, welches die moderne Feuerbestattung dem herkömmlichen Erdbegräbnis gleichstellte 8. Dies ist in seinen Grundzügen heute noch gültig und hat der Einäscherung im 20. Jahrhundert den Weg bereitet. Auch in der DDR spielte die Einäscherung eine wichtige Rolle. Nach dem sozialistischen Gedanken, sollten die Menschen in allen Bereichen ihres Lebens gleichgestellt werden. Aus dieser Idee heraus wurden Urnengemeinschaftsanlagen entworfen und die anonymen Gräber durch Aschestreuwiesen ersetzt. 9 In West-Deutschland war das anonyme Grab so beliebt, dass verschiedene Institutionen versuchten mit Mitteln wie der Einführung eines Tag des Friedhofs diesem Trend entgegenzuwirken. Jedoch fand bald der Gedanke der damaligen DDR gefallen und die Bevölkerung forderte ebenfalls Streuwiesen, woraufhin 2003 in NRW das Bestattungsgesetz dahingehend geändert wurde, sodass auch Verstreuen der Asche nun auf gekennzeichneten Flächen erlaubt wurde. Fast parallel gründete sich 2002 der erste Friedwald in Kassel, unter Ausnutzung einer Grauzone im Bestattungsgesetz. 10 Heute kann man eine Vielzahl dieser Angebote finden und sogar auf kommunalen Friedhöfen werden Baumbestattungen mittlerweile angeboten. Diese Entwicklungen haben verschiedene Gründe, zum Beispiel ist hier der Bedeutungsverlust der bürgerlichen Familie zu nennen sowie die ansteigende berufliche Mobilität. Angehörige haben weniger Zeit und Möglichkeiten sich um die Gräber ihrer Verstorbenen zu kümmern. Der Aspekt der Pflege spielt eine immer größere Rolle. Zahlreiche mit Steinplatten zugedeckte Gräber, pflegefreie Rasengräber aber auch angelegte Flächen, wie die Friedhofsgärten auf dem Melatenfriedhof in Köln, findet man auf deutschen Friedhöfen immer öfter. So besteht keine Verpflichtung sich um ein Grab zu kümmern, dennoch gibt es einen, mit dem Namen des oder der Verstorbenen gekennzeichneten, Ort, im Gegensatz zu einem anonymen Grab. 8 Sörries: Die Zukunft deutscher Friedhöfe. S. 15 9 Ebd. S. 15-16 10 Ebd. S. 17!! 3!

Zudem legen immer weniger Menschen wert auf kirchliche Rituale und Begleitung während ihrer eigenen Bestattung. Bei einer Umfrage des Vereins Aeternitas e.v. in dem Jahr 2013, gaben 27 % der Befragten an, sie wünschen keine kirchliche Begleitung und 28 % gaben an, ihnen sei einen kirchliche Begleitung eher unwichtig. 11 Diese Abwendung von der Religion mag auch ein Grund für die Zuwendung zu neuen und alternativen Bestattungsformen sein. Die traditionellen Rituale treten immer mehr in den Hintergrund und persönliche, individuelle Wünsche werden mit mehr Aufmerksamkeit bedacht. Dies führt zu einem weiteren Punkt, und zwar das Empfinden der Menschen, die Friedhöfe des 19. Und 20. Jahrhunderts seien Orte der Anonymität und Inhaltslosigkeit, was bis heute zu der Entwicklung eines neuen Bewusstseins führte. So organisieren Mitglieder verschiedener Gemeinschaften beispielsweise ihre Beerdigungen in Gemeinschaftsgräbern. 1990 schlossen sich Erkrankte der ersten AIDS-Welle in Deutschland zusammen und gründeten den Verein Memento, welcher heute drei Gemeinschaftsgräber in Hamburg betreibt. Aber auch Fußballfans lassen sich heute gemeinsam bestatten, wie es auf dem Friedhof Altona in Hamburg der Fall ist. Das Gemeinschaftsgrab der Wahlfamilie ersetzt das Familiengrab der biologischen Familie. 12 Die alternativen Beisetzungsformen, welche alle einschließen, die nicht unter ein traditionelles Reihen- oder Wahlgrab fallen, werden als spiritueller und wertvoller betrachtet. Der Preis der Bestattung kann hier nicht mehr der entscheidende Faktor sein, da eine alternative Bestattungsform nicht deutlich von einer traditionellen abweicht. Bei einer Infratest-Umfrage von 2007 gaben sogar bereits 51 % der Befragten an, dass sie sich kein Reihen- oder Wahlgrab für ihre Beisetzung wünschen. 13 Derselben Umfrage ist ebenfalls zu entnehmen, dass sich 9 % der Befragten wünschen die Urne Zuhause aufbewahren oder im eigenen Garten begraben zu können. Dies ist in Deutschland allerdings nicht gestattet, da es mit dem Friedhofszwang nicht vereinbar ist. Bei einer weiteren Umfrage aus dem Jahr 2010 gaben jedoch 58 % der Befragten an, dass sie den Friedhofzwang als veraltet empfin- 11!Aeternitas e.v.: Kirchliche Begleitung. http://www.aeternitas.de/inhalt/marktforschung/meldungen/2013_aeternitas_umfrage _bestattungswuensche/kirchliche_begleitung2013.pdf (Aufruf 14. Juni, 17:35). 12 Sörries: Die Zukunft deutscher Friedhöfe. S. 23 13 Vgl. Hadraschek, Stephan: Der letzte Weg. Wie bedeutend sind die neuen Bestattungsformen in unserer Gesellschaft?. In: Humanistische Bestattungskultur. Hrsg. von Horst Groschopp. 1. Auflage. Aschaffenburg 2010, S. 79-98! 4!

den. 2013 waren es schon 63%. 14 Würde der Friedhofszwang gelockert oder sogar ganz abgeschafft, könnte dies viele weitere alternative Bestattungsformen Entfaltungsmöglichkeit geben. So könnte die Urne privat aufbewahrt werden, auf einer Almwiese verstreut werden oder vieles mehr. Die Wahl der Bestattungsform ist Ausdruck und Bestandteil des individuellen Umgangs mit der Trauer und dem Abschied. Dieser Umgang unterliegt einer ständigen Entwicklung, so wie auch unser tägliches Leben einer ständigen Entwicklung und einer immerwährenden Neuorientierung unterliegt. Die Bestattungskultur ist daher, wie vieles andere auch, ein Spiegelbild der Zeit, in der wir leben. Die alternativen Bestattungsformen sind somit ein Teil von logischen Entwicklungen, welche in den letzten Jahren stattfinden und noch lange andauern werden. Der Tod ist ein Teil des Lebens, den man, wie sehr man es sich auch wünschen mag, nicht aus seinem Leben verbannen kann und auch nicht sollte. Die offene Auseinandersetzung mit diesem Thema nimmt meiner Meinung nach nicht die Freude am Leben, sondern bereichert es. Und dazu kann auch gehören, sich Gedanken über die Art und Weise zu machen, wie man einen Ort schaffen kann, an dem die Angehörigen trauern und sich erinnern können. Denn so wie es Heinrich Heine sagte: Denn jeder einzelne Mensch ist schon eine Welt, die mit ihm geboren wird und mit ihm stirbt, unter jedem Grabstein liegt eine Weltgeschichte. 15 aber es muss eben kein traditioneller Grabstein sein. 14 Aeternitas - Verbraucherinitiative Bestattungskultur: Meinung zum Friedhofszwang (2010 2013). http://www.aeternitas.de/inhalt/marktforschung/meldungen/2013_aeternitas_umfrage_friedhof szwang/friedhofszwang_2010_2013.pdf (Aufruf: 14. Juni 2015, 17:10).! 15 Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 3, Berlin und Weimar 1972, S. 260-264.! 5!

Literaturverzeichnis 1. Borckholder, Thomas: Der Tod im 21. Jahrhundert. Eine Untersuchung der gesellschaftlichen Einstellung zum Tod in der Bundesrepublik Deutschland. 2. Auflage. Norderstedt: BoD Books on Demand 2015 2. Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 3, Berlin und Weimar 1972 3. Buß, E. Tod und Sterben bleiben ein Tabu. Universität Hohenheim. 2006 4. Sörries, Reiner: Die Zukunft deutscher Friedhöfe. Zwischen Säkularisierung, Werteorientierung und Kommerzialisierung. In: Humanistische Bestattungskultur. Hrsg. von Horst Groschopp. 1. Auflage. Aschaffenburg 2010 5. Fischer, Norbert: Von Krematisten und Sozialisten. Zur Geschichte weltlicher Bestattungskultur. In: Humanistische Bestattungskultur. Hrsg. von Horst Groschopp. 1. Auflage. Aschaffenburg 2010 6. Hadraschek, Stephan: Der letzte Weg. Wie bedeutend sind die neuen Bestattungsformen in unserer Gesellschaft?. In: Humanistische Bestattungskultur. Hrsg. von Horst Groschopp. 1. Auflage. Aschaffenburg 2010 7. Aeternitas e.v.: Kirchliche Begleitung. http://www.aeternitas.de/inhalt/marktforschung/meldungen/2013_aeternitas _umfrage_bestattungswuensche/kirchliche_begleitung2013.pdf (Aufruf 14. Juni, 17:35) 8. Aeternitas - Verbraucherinitiative Bestattungskultur: Meinung zum Friedhofszwang (2010 2013). http://www.aeternitas.de/inhalt/marktforschung/meldungen/2013_aeternitas _umfrage_friedhofszwang/friedhofszwang_2010_2013.pdf (Aufruf: 14. Juni 2015, 17:10).! 6!