Annette Bopp. Misteltherapie Studienlage und Fehlinformationen. info 3, 12/2007

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Transkript:

info 3, 12/2007 Misteltherapie Studienlage und Fehlinformationen Die Misteltherapie ist unter den unkonventionellen Verfahren in der Krebsmedizin sicher das mit Abstand am besten erforschte Verfahren. Insgesamt liegen mehrere hundert Studien aus der präklinischen Forschung sowie knapp hundert klinische Studien vor. Hier ein Überblick über die wichtigsten Ergebnisse zur Wirksamkeit, aber auch über strittige Fragen. Die Misteltherapie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von Rudolf Steiner als Heilpflanze in der Krebstherapie empfohlen. Heute gehören Mistelpräparate zu den meist verordneten Arzneimitteln in der Onkologie. Von allen komplementärmedizinischen Medikamenten sind sie sicher die am besten untersuchten. Dennoch wird die Wirksamkeit einer Misteltherapie immer wieder in Frage gestellt, und wider besseres Wissen nicht auszurotten ist auch die Behauptung, die Mistel könne das Tumorwachstum begünstigen. Beide Aspekte und auch ihre Darstellung in den Medien sollen hier etwas näher betrachtet werden. Die Studienlage Es gibt mehrere systematische Reviews, die alle bisher vorliegenden klinischen Studien analysieren und bewerten. Bei einer der jüngsten und sicher umfangreichsten dieser Analysen für die anthroposophischen Mistelpräparate wurden zwölf elektronische sowie vier private Datenbanken und alle verfügbaren Literaturverzeichnisse durchsucht sowie etwa 160 Experten befragt. Gefunden wurden 94 klinische Studien, von denen 23 prospektiv-vergleichend und von diesen 23 wiederum 14 randomisiert angelegt waren. 34 Untersuchungen waren Kohortenstudien ohne Vergleichsgruppe, 37 Studien waren retrospektiv vergleichend. Geprüft worden war die Misteltherapie bei Brust-, Darm-, Lungen-, Eierstock-, Kopf-Hals-, Magen-, Hautund Gebärmutterhalskrebs, wobei die Studien zu Brust-, Darm- und Lungenkrebs überwiegen. Im Ergebnis zeigt sich überwiegend ein Vorteil für die Misteltherapie. Allerdings variiert die Qualität der Studien teilweise erheblich. Berücksichtigt man die Qualität bzw. mögliche Schwächen einzelner Studien, so lässt sich zusammenfassend sagen: - Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit verbessert eine Misteltherapie bei Krebs generell die Lebensqualität. - Auch kann sie die Nebenwirkungen konventioneller onkologischer Therapien (Chemotherapie, Strahlentherapie, Operation) verringern. Mistel-Therapie, Seite 1

- Gut belegt ist, dass sich der Tumor unter einer Misteltherapie verkleinern kann. Solche»Tumorremissionen«scheinen aber abhängig zu sein von der Dosierung und der Applikationsart (Spritzen in die Haut, in die Vene, in den Tumor hinein oder an dessen Rand), und sie stellen bei der üblichen, niedrig dosierten Misteltherapie eher die Ausnahme dar. - Eine Verlängerung der Überlebenszeit unter einer Misteltherapie ist möglich, sie ist aber vermutlich sowohl von der Dosierung als auch von der Wahl des Wirtsbaums und des Präparats sowie von der Dauer der Misteltherapie abhängig. Ein Anstieg der Lebensqualität unter einer Misteltherapie zeigt sich vor allem in folgenden Auswirkungen: * der Appetit kehrt zurück * das Gewicht steigt bei Krebs ein Zeichen dafür, dass der Körper an Kraft gewinnt * der Schlaf verbessert sich * das Frösteln und Frieren hört auf, der Körper fühlt sich wieder gut durch wärmt an * die Stimmung wird besser, Depressionen legen sich * die Angst lässt nach, es ist möglich, Abstand zur Krankheit zu gewinnen und anstehende Aufgaben anzupacken * Schmerzen lassen nach * die Leistungsfähigkeit nimmt zu. Allerdings führen Kritiker der Misteltherapie immer wieder an, dass die Misteltherapie ihre Wirksamkeit nach wie vor nicht bewiesen habe. Denn als Mittel dafür zählt allein der Goldstandard der Studien: die randomisierte (nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen aufgeteilte Probanden), placebokontrollierte (Vergleich von Mistelextrakt mit einem Scheinmedikament), doppelblinde (Patient und Arzt wissen nicht, wer das zu prüfende Mittel erhält und wer das Placebo), prospektive (in die Zukunft gerichtete) Studie. Und als Wirksamkeitsnachweis gilt für sie nur, dass die Mistel in einer solchen Studie das krankheitsfreie Überleben oder des Gesamtüberleben verlängert. Solche Studien sind bei der Misteltherapie allerdings schon vom Design her schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Aus mehreren Gründen. Schwierigkeiten in der Forschung Randomisiert-placebokontrollierte Studien mit Mistelextrakten scheitern immer wieder oder kommen gar nicht erst zustande, denn: * Mistelextrakte machen wenn sie in einer wirksamen Dosis gegeben werden eindeutige Lokalreaktionen an der Einstichstelle. Es lässt sich also sofort erkennen, wer den Mistelextrakt bekommt und wer das Scheinmedikament. Eine Verblindung ist somit kaum möglich. Mistel-Therapie, Seite 2

* Die Einteilung in zwei Gruppen scheitert häufig daran, dass Krebspatienten nicht dazu bereit sind, sich die möglicherweise günstige Misteltherapie entgehen zu lassen. So musste eine Studie an der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg nach zwei Jahren abgebrochen werden, weil von 1922 Brustkrebs- Patientinnen lediglich 29 (=1,5%) bereit waren, sich in dieser Art randomisieren zu lassen. * Renommierte Tumorzentren sind weder an der Erforschung der Misteltherapie interessiert noch kennen sie sich damit aus. Sie konzentrieren sich vielmehr auf die wesentlich lukrativere Forschung mit chemischen Medikamenten. Entsprechend mühsam ist es oft, eine ausreichende Anzahl von Zentren zusammenzubringen, die die notwendige Anzahl von Patienten in eine solche Studie einschleusen können. * Es gibt keine staatliche Förderung für die Mistelforschung. Und die Mittel der Hersteller für diese sehr aufwendige Art der Forschung sind begrenzt. * Fraglich ist darüber hinaus, wie lebensnah die Aussagen sind, die aus solchen Studien hervorgehen. Denn das randomisiert-placebokontrollierte Doppelblind-Setting spiegelt nicht die Realität, sondern eine künstlich Situa tion, die mit den realen Bedingungen wenig zu tun hat. Hinzu kommt, dass sich die Ergebnisse aus einer Studie mit einem bestimmten Mistelextrakt nicht auf alle Mistelpräparate oder gar Tumorarten übertragbar sind. Das zeigt beispielhaft eine 2001 veröffentlichte Studie zur Auswirkung des phytotherapeutischen Mistel-Gesamtextrakts Eurixor (normiert auf einen gleichbleibenden Gehalt an Mistellektin I) bei 477 Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren. Die Patienten erhielten die Standard-Therapie mit oder ohne Mistel, wobei die Mistel sechzig Wochen lang zweimal wöchentlich unter die Haut gespritzt wurde. Anschließend folgte eine Nachbeobachtungszeit von durchschnittlich vierzig Monaten. Dabei fanden sich zwischen den mit Mistel behandelten Patienten und der Kontrollgruppe keine signifikanten Unterschiede weder in bezug auf das krankheitsfreie Überleben noch auf die Überlebensrate, den Immunstatus oder die Lebensqualität. Allerdings hatte die Misteltherapie auch keine negativen Auswirkungen. Möglicherweise hätte eine Therapie mit anderen, höher dosierten und länger verabreichten Mistelextrakten andere Ergebnisse erbracht, denn Eurixor ist als phytotherapeutisches Mistelpräparat vergleichsweise niedrig dosiert und wird pauschal verabreicht (nicht in ansteigender Dosierung, keine Orientierung an Lokalreaktion, Körpertemperatur, Befinden). Deshalb lautet das Fazit der Studienleiterin:»Aus der Untersuchung können weder Rückschlüsse auf andere Tumorentitäten (Tumorarten, Anm. d. Aut.) noch auf andere Mistelextrakte oder Dosierungen gezogen werden.«mistel-therapie, Seite 3

Ungeachtet dessen erklärte jedoch der Leiter der Klinik, an der die Studie stattgefunden hat, anderthalb Jahre nach deren Veröffentlichung in einem Gespräch mit der Frankfurter Rundschau:»Für mein Fachgebiet, die Hals- Nasen-Ohren-Medizin, haben wir mit dieser Untersuchung bewiesen, dass Mistelbehandlungen bei Tumorerkrankungen überhaupt nichts bringen. Wer heute noch anderes behauptet, lügt die Patienten an.«und auch viele andere Medien haben das Fazit der Studienleiterin ignoriert und verallgemeinernd gemeldet, nun sei eindeutig erwiesen, dass eine Misteltherapie nichts bringe. Eine derartige pauschale Verallgemeinerung lassen die Studiendaten jedoch mit Sicherheit eben gerade nicht zu. Kann die Mistel das Tumorwachstum fördern? Seit 1999 wird immer wieder behauptet, dass die Mistel das Tumorwachstum fördern könne. Diese Warnungen beruhen vorwiegend auf zwei Quellen: * auf theoretischen Annahmen, abgeleitet aus Zytokin-Versuchen an Zellkulturen im Reagenzglas sowie aus Tierversuchen an Ratten * auf einer Studie zur Therapie des schwarzen Hautkrebses (malignes Melanom) mit Interferon, wobei ein Teil der Patienten auch mit Mistel (Iscador M) behandelt worden ist. Bei den Laborversuchen stützen sich die Angaben vor allem auf die Tatsache, dass Mistellektine an isolierten Zellkulturen die Abgabe von speziellen Immun-Botenstoffen (Zytokine) aus weißen Blutkörperchen fördern können. Zytokine das ist bekannt können u.a. das Tumorwachstum fördern. ABER: Sie können es auch bremsen je nachdem, in welcher Umgebung und in welchem Milieu sie ihre Aufgabe ausüben. Behauptet man, die Mistel könne das Tumorwachstum fördern, weil vermehrt Zytokine ausgeschüttet werden, so könnte man genauso gut sagen, Sport habe den gleichen Effekt denn auch sportliche Betätigung fördert die Freisetzung von Zytokinen. Niemand würde jedoch auf die Idee kommen zu behaupten: Sport fördert Krebs! Zudem gibt es isoliertes Mistellektin überhaupt nicht als Medikament. Alle Mistelpräparate sind Gesamtextrakte aus der ganzen Mistelpflanze, die auch aber nicht nur Mistellektine enthalten. Um jeden Zweifel auszuräumen, ließen die Hersteller von Iscador und Helixor die Versuche in identischer Anordnung wiederholen. Kein einziges Mal zeigte sich eine tumorwachstumsfördernde Wirkung. Der zweite Beleg für diese vielfach behaupteten schädlichen Effekte ist eine Studie zum Melanom (schwarzer Hautkrebs). Sie begann schon 1987 und sollte in Mistel-Therapie, Seite 4

erster Linie die Therapie mit Interferon-alpha und Interferon-gamma im Vergleich zu keiner tumorspezifischen Therapie untersuchen. Hinzugefügt wurde dann noch eine Patientengruppe, die ein Jahr lang den Mistelextrakt Iscador M bekam, allerdings hielten nur 40 Prozent der Patienten diese Therapie auch ein. Beteiligt waren 45 Prüfzentren in Europa, und es dauerte acht Jahre, bis die nötige Patientenzahl erreicht war. Angesichts dessen, dass unter diesen Bedingungen jedes Zentrum nur alle vier Jahre durchschnittlich einen der insgesamt 102 Patienten im Misteltherapie-Arm der Studie behandelte, sind das denkbar schlechte Ausgangsbedingungen für die Bewertung einer so speziellen Therapie, die einiges Fachwissen voraussetzt. Schon von daher sind die Ergebnisse dieser Studie mit Vorsicht zu genießen. 1999 wurde in mehreren Vorabberichten auf großen Krebs-Kongressen und in namhaften wissenschaftlichen Journalen (z.b. Lancet Oncology) über die Studie berichtet, ohne die Daten selbst in vollem Umfang offenzulegen. Bei den mit Mistel Behandelten, so hieß es da, seien vermehrt Hirnmetastasen aufgetreten bzw. sei das Fortschreiten der Krankheit zuerst an diesen Hirnmetastasen entdeckt worden. Eine Misteltherapie sei also durchaus nicht so harmlos, wie man immer meine, mehr noch: sie könne vermutlich sogar erheblich schaden. Diese Botschaft wurde zwischen 1999 und 2004 in verschiedensten Medien z.b. der Süddeutschen Zeitung, dem Arzneitelegramm, in GEO Wissen immer wieder publiziert. Die Veröffentlichung der gesamten Studienergebnisse im Jahr 2004 zeigte dann jedoch: Weder mit Interferon noch mit Mistel ergab sich hinsichtlich des krankheitsfreien oder des gesamten Überlebens ein signifikanter Unterschied gegenüber der Kontrolle; das krankheitsfreie Intervall war unter Iscador im Trend etwas kürzer als bei der Kontrollgruppe. Ergebnisse für die Lebensqualität wurden nicht publiziert. Das bestätigen im Übrigen Daten einer Untersuchung, die eigens aufgrund der Vorabveröffentlichungen der genannten Studie erstellt wurde, um Sicherheit und Wirksamkeit einer langfristigen Iscador -Therapie bei Patienten mit Hautkrebs zu prüfen. Beteiligt waren 35 Krankenhäuser und Arztpraxen. In die Auswertung aufgenommen wurden insgesamt 686 Patienten (davon knapp 500 allein aus der Universitäts-Hautklinik Freiburg), die zwischen 1985 und 2001 wegen Hautkrebs operiert, mindestens sechs Monate lang mit oder ohne Mistel behandelt und mindestens drei Jahre oder bis zu ihrem Tod nachbeobachtet worden waren. Die Ergebnisse: * Mistel-Patienten lebten signifikant länger, auch hielt die krankheitsfreie Zeit bei ihnen länger an. Mistel-Therapie, Seite 5

* In keinem Fall hatte die Misteltherapie das Tumorwachstum beschleunigt. * Mistel-Patienten hatten deutlich seltener Lungen- oder Hirnmetastasen. * Und: Die besten Ergebnisse ergaben sich, wenn die Patienten mindestens ein Jahr lang mit Kiefernmistel behandelt worden waren. Bei Anwendung der Apfelbaummistel oder bei einer kürzeren Therapie, wie sie auch in der oben genannten Interferon/ Mistel-Hautkrebs-Studie praktiziert wurde, zeigten sich dagegen keine Vorteile. Fazit des Autors dieser Studie:»Trotz einiger methodischer Einschränkungen ( ) weisen die Ergebnisse der vorliegenden Studie auf einen signifikanten und klinisch relevanten Überlebensvorteil der adjuvanten (im Anschluss an die Operation einsetzenden, Anm. d. Aut.) Iscador -Therapie bei Patienten mit malignem Melanom hin.«mit anderen Worten: Auch bei Hautkrebs profitieren Patienten von einer Misteltherapie, vor allem wenn sie mit Präparaten aus Kiefernmistel und länger als ein Jahr erfolgt. Die vielfach wiederholte Warnung vor einer tumorwachstumsfördernden Wirkung der Mistel hat sich damit als haltlos erwiesen. Bisher hat darüber jedoch keine der Zeitschriften und Magazine berichtet, die vorher so gern die Nachricht von der angeblichen tumorwachstumsfördernden Wirkung der Mistel verbreitet haben. Mistel-Therapie, Seite 6