Auswertung der Umfrage Wirkung der Baclofen-Medikation bei Alkoholabhängigkeit, Angst und Depressionen und in der Nikotinreduktion vom 24. Januar 2010 im Alkohol-und Baclofen-Forum Am 15.1.2010 heben wir unsere Fragebögen an die damals 54 Mitglieder des Forum verschickt. Ein Rücklaufquote von ca. 40% hat zu 21 auswertbaren Antworten bis zum 24.01.2010 geführt, verglichen mit den 8 Antworten (32% Rücklauf aus damals 25 Mitgliedern im Forum) aus unserer 1.Umfrage vom 27.12.2009 eine mehr als deutliche Steigerung. Erfreulicherweise haben sich von den 8 Teilnehmern (TN) der 1.Umfrage sieben auch bei der 2. Umfrage beteiligt. Alle 21 TN sind (mehr oder weniger stark) alkoholabhängig. Die Gesamtheit der TN wird unterteilt in die Gruppe AB (Abstinenz, 60%) und die Gruppe MT (Moderates Trinken, 40%). Unter dem Begriff Moderates Trinken wird sowohl die Reduktion der aktuellen Trinkmenge als auch das bewusste Ab-und-zu-Trinken subsummiert. Die Abbildung 1 zeigt die Verteilung der Zielsetzungen vor Beginn der Baclofen- Medikation. Von 8 TN ( 38%) wurde eine Reduzierung des Zigarettenkonsums als weiteres Ziel genannt. Diese Zielsetzung wird weiter unten separat behandelt. Ziele der Baclofenmedikation 5% 15% 30% Moderates Trinken (MT) MT+ Angstreduktion MT+ Depressionsred Abstinenz (AB) AB+ Angstreduktion AB+ Depressionsred 5% 25% Abb.1 Aufteilung der Zielsetzungen Von den 21 TN, die eine Baclofen-Medikation begonnen haben, sind noch 19 TN (ca. 90%) zum Erfassungstermin der Umfrage in der Medikation. Die beiden Abbrüche der Medikation sind 2 TN, die als Ziel Abstinenz und Angstreduktion genannt hatten, zuzuordnen. Die Baclofen-Medikation wurde bei 59% der TN ohne eine der klassischen Möglichkeiten: Psychotherapie, Selbsthilfegruppen oder einer Kombination von beiden durchgeführt (siehe Abb. 2). Jedoch ist zu beachten, dass das Forum selbst als eine SHG verstanden werden muss.
Begleitende Massnahme 23% 59% 4,50% 13,50% Psychotherapie Psychotherapie+ SHG SHG Keine Abb 2. Begleitende Maßnahmen Von 82% der TN wurde als zusätzliches Problemfeld die Angst und/oder die Depression genannt, ca. 60% geben explizit als Ziel Reduktion der Angst und/oder Depression an. Entsprechend hoch (ca.50 %) ist die Zahl derer, die mit Antidepressiva behandelt werden. Das Baclofen haben 68% über den Hausarzt oder den Facharzt bezogen, 32% über andere Quellen wie z.b. das Internet. Dosierungsverlauf Abbildung 3 zeigt den Dosierungsverlauf in den ersten 20 Tagen (21 TN berücksichtigt). Dargestellt ist der gemittelte Dosierungsverlauf in den ersten 20 Tagen der Baclofen- Medikation und die Maximal- und Minimalwerte. Der als Maximum 1 bezeichnete Verlauf wird durch die Medikation eines TN verursacht. Ohne diesen Dosierungsverlauf stellt sich der Verlauf der Maximalmedikation gemäss Datenreihe Maximum dar. Bemerkenswert ist der sich über den Zeitraum von 20 Tagen entwickelnde starke Unterschied zwischen Minimal- und Maximaldosierung, d.h. die Bandbreite der Dosierung. Nach unseren Umfragedaten lässt sich dieser Unterschied nicht aus der Schwere der Alkoholvorgeschichte erklären. Bei einer Dosierung in dem angegebenen Bereich zwischen Maximum und Minimum treten die deutlich positiven Wirkungen und relativ geringe Nebenwirkungen auf (siehe unten). HR 2. Umfrage 30.01.10-2-
Baclofendosierung 160 mg pro Tag 140 120 100 80 60 40 20 Minimum Maximum1 Mittelwert Maximum 0 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 Tage Abb.3 Zeitlicher Verlauf der täglichen Baclofen- Dosierung Ein Vergleich der beiden Gruppen AB (9 TN) und MT (8 TN) zeigt keinen deutlichen Unterschied im Dosierungsverlauf zwischen den beiden Gruppen und liegt innerhalb der Standardabweichung. Betrachtet man nur die Teilnehmer, die die Erhaltungsdosis erreicht haben (10 TN) ergibt sich für die Dauerdosierung; - Mittelwert der Dauerdosierung Gruppe AB 54+/-7,5 mg pro Tag - Mittelwert der Dauerdosierung Gruppe MT 65+/-5 mg pro Tag Der Mittelwert der Anwendungsdauer von Baclofen liegt bei 34 Tage in der Gruppe AB und 57 Tage in der Gruppe MT. Einfluss der Psychotherapie und der SHG auf das Abstinenzverhalten Um einen Hinweis auf den Einfluss der Psychotherapie (PT) oder der SHG zu erhalten, wurde die Gruppe AB genauer betrachtet. Die 11 TN mit Ziel Abstinenz unterteilen sich in - Abstinenz mit PT oder /und SHG 5 TN, davon 1 Abbruch - Abstinenz ohne PT und SHG 6 TN, davon 1 Abbruch D. h. 9 TN (81%) sind zum Erfassungstermin noch abstinent. Die gemittelte Dauer der Abstinenz (+/- Standardabweichung) beträgt - mit PT/SHG 48 (+/- 19) Tage - ohne PT/SHG 19 (+/-2) Tage Dieser nicht so deutliche Unterschied zwischen den beiden Gruppen ist vermutlich mit der Wirkung des Forum als SHG zu erklären. HR 2. Umfrage 30.01.10-3-
In der Gruppe MT ist aufgrund der allgemeinen Ablehnung bei den SHGs und Psychotherapeuten und der damit nicht vorhandenen Daten ein Einfluss der begleitenden Maßnahme nicht erfassbar. Maximaldosis von Baclofen 4 TN haben Baclofen in einer Dosis von höher 100 mg pro Tag genutzt. Bei 3 TN kam es zu erheblichen Nebenwirkungen wie Sprach- und Koordinationsstörungen allerdings in Kombination mit Alkoholkonsum. Bei 1 TN mit moderatem Alkoholkonsum traten diese Nebenwirkungen nicht auf. Für eine Aussage zur Dosierung ohne gleichzeitigen Alkoholkonsum liegen keine Daten vor. Dosissteigerung Aus der Abb.3 wird deutlich, dass eine langsame stetige Steigerung der Baclofen-Dosis von nahezu allen TN gewählt wurde. Der Mittelwert der Dauer bis zur Erreichung der Dauerdosierung (Mittelwert ca. 60 mg pro Tag) beträgt 20 Tage. Die minimale Zeit für die Erreichung einer Dauerdosierung von 15 mg pro Tag beträgt 6 Tage, die Zeit für die Erreichung einer Dosierung von 150 mg liegt bei 60 Tagen. Hierbei handelt es sich um Einzelerfahrungen. Eine Erhöhung der Dosis um 50 mg oder mehr von einem Tag auf den anderen führt zu erheblichen Nebenwirkungen bei gleichzeitigem Alkoholkonsum (4TN). Diese Nebenwirkungen sind sowohl Sprach- und Konzentrationsstörungen bis hin zum kompletten Kontrollverlust. Wirkungen von Baclofen Für die Betrachtung der Wirkungen und Nebenwirkungen wurden die Ergebnisse für die zwei Gruppen AB und MT getrennt ausgewertet. Das Ergebnis für die Wirkungen ist in den Abbildungen 4, 5 und 6 dargestellt. Craving 100% 80% 60% 40% stark schw ach kein 0% AB MT Abb.4 Craving aufgeteilt auf die Gruppen AB und MT HR 2. Umfrage 30.01.10-4-
Interesse am Alkohol 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 10% 0% AB MT stark schwach kein Abb.5 Interesse am Alkohol für die Gruppen AB und MT Motivation,Elan 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 10% 0% AB MT mittel hoch Abb.6 Motivation, Elan für die Gruppen AB und MT In Bezug auf den sehr positiven Nebeneffekt Motivation, Elan unterscheiden sich die beiden Gruppen nicht deutlich. Beim Interesse am Alkohol liegen die Prozentzahlen gleich, wenn man kein und schwaches Interesse zusammen nimmt. Gemäss der unterschiedlichen Zielsetzungen in beiden Gruppen verschieben sich die Prozentahlen für kein und schwaches Interesse erheblich. Auch beim craving zeigt sich ein nachvollziehbarer Unterschied zwischen beiden Gruppen hin zu mehr craving in der Gruppe MT. HR 2. Umfrage 30.01.10-5-
Nebenwirkungen Eine Aufteilung in die Gruppen AB und MT liefert keine deutlich anderen Ergebnisse und es wird daher die Gesamtheit der TN betrachtet. Die Abbildung 7 fasst die hauptsächlichen Nebenwirkungen Müdigkeit am Tag, Müdigkeit am Abend und Schwindel zusammen. Nebenwirkungen 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 10% 0% Müd. Tags Müd. Abends Schwindel stark mittel schwach kein/normal Abb. 7 Nebenwirkungen der Baclofen- Medikation Für eine Aussage über ein Abklingen dieser Nebenwirkungen wurde die Gruppe mit einer Medikation von Baclofen länger als 6 Wochen betrachtet. Bei der Müdigkeit tagsüber und am Abend ergab sich keine Änderung. Der Anteil der TN ohne Schwindelgefühl erhöhte sich von 65% auf 82%. Hier scheint ein Abklingen mit dem Dosierungszeitraum vorzuliegen. Beim Schwitzen scheint es sich um eine relativ seltene Nebenwirkung zu handeln. Mehr als 80% sehen hier keinen Einfluss von Baclofen. Als weitere Nebenwirkungen (öfter als 1 Mal) wurden genannt: - Hautveränderungen 3 - Vergesslichkeit 6 - Änderung im Traumverhalten 3 Damit sind ca. 15% bzw. 30% von diesen Nebenwirkungen betroffen. Angstreduktion und/oder Reduktion von Depressionen HR 2. Umfrage 30.01.10-6-
Von 20 TN haben 12 TN (60%) als Ziel neben der Abstinenz/Moderates Trinken eine Reduktion der Angst und/oder der Depression genannt. Am Erfassungstag waren nach den o.g. 2 zwischenzeitlichen Abbrüchen 10 TN übrig: - 6 TN (60%) frei von Angst und Depressionen (Gruppe1) - 4 TN (40%) zeigten schwache Ängste und Depressionen ( Gruppe2) - 0 TN mit starken Ängsten und Depressionen Ein Unterschied zwischen den Gruppen AB und MT in Bezug auf Angst und Depression war nicht feststellbar. Zwei weitere wichtige Hinweise konnten aus der Umfrage gewonnen werden. Dazu wurden die Mittelwerte der Baclofendosierung am Erfassungstag und der Dauer der Medikation berechnet: G1 G2 Dosierung (mg pro Tag) 45 40 Dauer der Medikation (Tage) 42 9 Die Höhe der Dosierung ist in den beiden Gruppen annähernd gleich. Die berechneten Mittelwerte der Medikationsdauer legt den Schluss nahe, das die Wirkung von Baclofen sich mit längerer Medikationsdauer verstärkt. Reduzierung des Nikotinkonsums Das Ziel der Reduzierung des Nikotinkonsums wurde vor Beginn der Medikation von 8 TN (38%) als zusätzliches Ziel genannt. Zum Erfassungstag stellt sich die Situation wie folgt dar: - Keine Reduktion 2 TN (25%) - Wenig Reduktion 4 TN (50%) - Starke Reduktion 2 TN (25%) Einen Unterschied zwischen den Gruppen AB und MT lässt sich nicht erkennen; ein Einfluss der Medikationsdauer auf die Reduktion ist nicht sichtbar. Der mögliche Einfluss dieser beiden Faktoren ist jedoch eher gering. Vergleich mit der 1. Umfrage vom 27.12.09 Wesentliche Ergebnisse der 1. Umfrage mit nur 8 TN z.b. zum Dosierungsverlauf und der Dauerdosierung konnten durch diese 2. Umfrage bestätigt werden. Der berechnete Mittelwert der Dauerdosierung liegt nun bei ca. 60 mg im Vergleich zu 40 mg in der 1. Umfrage. Die Aussage aus der 1. Umfrage, dass die Enddosierung unabhängig von der Schwere der Alkoholabhängigkeit ist, wird voll bestätigt. Zusammenfassung 1. Baclofen bei Alkoholabhängigkeit HR 2. Umfrage 30.01.10-7-
1.1 Die zur Erreichung des Ziels Abstinenz oder Moderates Trinken notwendige Dosierung liegt mit ca. 60 mg pro Tag deutlich unter den von O. Ameisen genannten Werten von 1-5 mg pro Kg Körpergewicht. 1.2 Baclofen eignet sich in gleicher Weise für eine Erhaltung der Abstinenz und des Zustands eines Moderaten Trinken. Beim Moderaten Trinken ist das Craving und das Interesse an Alkohol jedoch deutlich vorhanden, wenn auch in einer abgeschwächten Form im Vergleich zur Situation ohne Baclofen. 1.3 Baclofen wird in der Behandlung der Alkoholabhängigkeit stetig bis zu einer individuell zu bestimmenden Dauerdosierung gesteigert. In dieser Form der Anwendung sind die Nebenwirkungen als leicht zusammenzufassen. Die Dauerdosierung scheint nicht durch die Schwere der Alkoholabhängigkeit bestimmt. Ein Hochdosieren von Baclofen zur Erreichung der Abstinenz auf Tagesdosen von mehr als 200 mg mit einer Runterdosierung auf eine Erhaltungsdosis wie von O. Ameisen empfohlen, beruht auf einer Einzelerfahrung und widerspricht unseren Ergebnissen. 1.4 Dosierungen oberhalb von 100 mg pro Tag mit gleichzeitigem Alkoholkonsum können erhebliche Nebenwirkungen verursachen. In noch größerem Maße gilt das für Dosierungssprünge von mehr als 50 mg oder mehr pro Tag. Sprach- und Konzentrationsstörungen oder ein kompletter Kontrollverlust wird berichtet. 2. Baclofen bewirkt eine vollständige Beseitigung bzw. eine deutliche Reduzierung von Angst und Depressionen; die Wirkung verstärkt sich mit der Dosierungsdauer. 3. In der Reduktion des Zigarettenkonsums ist eine positive Wirkung deutlich, wenn auch bei weitem nicht so ausgeprägt wie bei Angst und Depressionen und in der Alkoholabhängigkeit. 4. Die wesentliche positive Wirkung von Baclofen ist die gesteigerte Motivation und erhöhter Elan. Diese Studie und ihre Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen die Urheberrechte bei 2010 alkohol-und-baclofen-forum. Die Speicherung des Inhalts ist lediglich zu privaten Zwecken gestattet. Eine Nutzung zur Weiterveröffentlichung oder kostenlosen Verteilung, insbesondere der Verbreitung in jeglicher elektronischer Form bedarf einer schriftlichen Zustimmung von alkohol-und-baclofenforum. Zuwiederhandlungen werden geahndet. HR 2. Umfrage 30.01.10-8-