Schülerprojekt Gewitter- Ein spektakuläres Naturphänomen als Zugang zur Physik

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Transkript:

Wissenschaftliche Prüfungsarbeit gemäÿ Ÿ12 der Landesverordnung über die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien vom 07. Mai 1982, in der derzeit gültigen Fassung Schülerprojekt Gewitter- Ein spektakuläres Naturphänomen als Zugang zur Physik Kandidatin: Luisa Wollmerstädt Fach: Physik Erstgutachter: PD Dr. Frank Fiedler Zweitgutachter: Prof. Dr. Heinz-Georg Sander Abgabedatum: 16.07.2012

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 5 1.1. Motivation.................................. 5 1.2. Ziele der Arbeit............................... 6 1.3. Aufbau der Arbeit............................. 7 2. Einordnung in den schulischen Kontext 8 2.1. Lehrplanbezug................................ 8 2.2. Umsetzungsmöglichkeiten der Lehrplanforderungen........... 11 3. Physikalische Grundlagen 13 3.1. Gewitterentstehung............................. 13 3.2. Konvektion................................. 16 3.3. Hagelbildung/Regen............................ 17 3.4. Ladungstrennung.............................. 18 3.5. Blitztypen.................................. 21 3.6. Blitzentladung................................ 22 3.7. Entstehung des Donners.......................... 24 3.8. Ende des Gewitters............................. 25 3.9. Faradayscher Käg............................. 25 3.10. Spitzenentladung.............................. 26 3.11. Schutz vor Gewittern............................ 28 3.11.1. Mythos oder Schutz?........................ 30 4. Der Kelvingenerator -ein Gewittermodell 32 4.1. Geschichte des Kelvingenerators...................... 32 4.2. Theorie des Kelvingenerators....................... 33 4.2.1. Aufbau................................ 33 4.2.2. Funktionsweise........................... 35 4.3. Modellierung des Kelvingenerators.................... 37 4.3.1. Das Programm Dynasys..................... 38 2

Inhaltsverzeichnis 4.3.2. Die Modellierung.......................... 39 5. Die Wimshurstmaschine 42 5.1. Aufbau.................................... 42 5.2. Funktionsweise............................... 44 6. Versuche 50 6.1. Versuch zur Konvektion.......................... 50 6.1.1. Das Bénard-Experiment...................... 50 6.1.2. Konvektion im Kakao........................ 51 6.2. Versuche zur Ladungstrennung....................... 53 6.2.1. Elektrische Flöhe.......................... 53 6.2.2. Künstlicher Blitz.......................... 55 6.2.3. Trennen von Salz und Pfeer................... 56 6.2.4. Versuch zur Demonstration von Blitzen (Hochspannungshörnchen) 57 6.3. Versuch zur Schallgeschwindigkeit..................... 59 6.3.1. Mehl im Luftballon......................... 59 6.4. Versuche zum Faradayschen Käg..................... 60 6.4.1. Kugel im Faradayschen Käg................... 61 6.4.2. Elektroskop im Faradayschen Käg................ 63 6.4.3. Handy im Faradayschen Käg................... 64 6.5. Versuche zur Spitzenentladung....................... 66 6.5.1. Elektrischer Wind.......................... 66 6.5.2. Elektrostatischer Motor...................... 68 6.5.3. Blitzableiter............................. 70 6.6. Inuenz am Wasserstrahl.......................... 74 7. Das Schülerprojekt 76 7.1. Zielsetzung................................. 76 7.2. Beschreibung der Rahmenbedingungen.................. 76 7.2.1. Das Gymnasium Birkenfeld.................... 76 7.2.2. Gruppenzusammensetzung..................... 77 7.2.3. Zeitrahmen............................. 78 3

Inhaltsverzeichnis 7.3. Planung................................... 79 7.3.1. Methodische Überlegungen..................... 79 7.4. Der Präsentationstag............................ 82 7.5. Fazit..................................... 84 7.5.1. Die Evaluation........................... 84 7.5.2. Schlussfolgerungen......................... 88 Anhang 90 A. Bauanleitung für einen Kelvingenerator.................. 90 B. Evaluationsbogen.............................. 95 C. Auswertung des Evaluationsbogens.................... 98 4

Abbildungsverzeichnis 3.1. Entstehung eines Kaltfrontgewitters [44]................. 14 3.2. Entstehung eines Wärmegewitters [44].................. 14 3.3. Entwicklungsstadien einer Cumulonimbus[3]............... 15 3.4. Typische Gewitterwolke (Cumulonimbus)[42]............... 16 3.5. Luftbewegungen in einer Gewitterwolke[3]................ 17 3.6. Querschnitt eines Hagelkorns 1....................... 18 3.7. Ladungsverteilung einer Gewitterwolke[49]................ 20 3.8. Verschiedene Blitztypen nach [42]..................... 21 3.9. Erde-Wolke-Blitz[15]............................ 22 3.10. Wolke-Erde-Blitz[15]............................ 22 3.11. Fangentladung und Leitblitz[42]...................... 23 3.12. Prinzip des Faradayschen Kägs 2..................... 26 3.13. Feldlinien einer Punktladung........................ 27 3.14. Feldlinien an einer Spitze 3......................... 28 3.15. Funktionsweise eines Blitzableiters 4.................... 29 3.16. Veranschaulichung der Schrittspannung[34]................ 30 4.1. Modell des Kelvingenerators........................ 34 4.2. Inuenz eines Stabes auf zwei Metallkugeln 5............... 35 4.3. Mögliche Ladungsverteilung beim Kelvingenerator[53].......... 36 4.4. Modellierung des Kelvingenerators mit Dynasys............. 39 4.5. Ladungswachstum in System_A...................... 41 5.1. Vorderansicht................................ 42 5.2. Rückansicht................................. 42 5.3. Seitenansichtansicht einer Wimshurstmaschine.............. 43 5.4. Schematische Darstellung der Wimshurstmaschine............ 44 5.5. Zufällige Ladung der Wimshurstmaschine................. 45 5.6. Inuenz auf einen Staniolstreifen nach [32]................ 46 5.7. Erste Drehung der Scheiben um 45.................... 47 5

Abbildungsverzeichnis 5.8. Zweite Drehung der Scheiben um 45................... 48 5.9. Dritte Drehung um der Scheiben 45................... 49 6.1. Bénard-Zellen nach [48]........................... 51 6.2. Flüssigkeitsschicht mit: (a) stabilem Temperaturgradient, (b) instabiler Temperaturkoezient,(c) kreisförmige Konvektion resultierend aus (b) [8] 51 6.3. Versuchsaufbau: Hochspannungshörnchen................. 58 6.4. Versuchsaufbau: Kugel im Faradayschen Käg.............. 62 6.5. Versuchsaufbau: Elektroskop im Faradayschen Käg........... 63 6.6. Versuchsaufbau: elektrischer Wind.................... 67 6.7. Versuchsaufbau elektrostatischer Motor [35].............. 69 6.8. links: Haus mit Blitzableiter; rechts: Haus ohne Blitzableiter 6...... 70 6.9. Versuchsaufbau: Blitzableiter....................... 72 6.10. Hochfrequenzgenerator des Mini-Teslatransformators 7.......... 72.1. Im Rahmen dieser Staatsexamensarbeit gebauter Kelvingenerator... 90.2. Evaluationsbogen, Seite 1......................... 95.3. Evaluationsbogen, Seite 2......................... 96.4. Evaluationsbogen, Seite 3......................... 97.5. Graphische Auswertung, Handouts.................... 98.6. Graphische Auswertung zu den Versuchsbeschreibungen......... 99 6

Tabellenverzeichnis 2.1. Wahlpichtbaustein aus dem Lehrplan Physik des Landes Rheinland- Pfalz[27]................................... 8 2.2. Pichtbaustein für das Leistungsfach aus dem Lehrplan Physik des Landes Rheinland-Pfalz[27]........................... 9 2.3. Pichtbaustein für das Grundfach aus dem Lehrplan Physik des Landes Rheinland-Pfalz[27]............................. 10 7.1. Gruppenzusammensetzung......................... 78 7.2. Auswertung: Projektplanunug....................... 85 7.3. Auswertung: Wissenserwerb........................ 85 7.4. Auswertung: Thema des Projekts..................... 86 7.5. Auswertung: Sicht auf das Fach Physik.................. 87.6. Auswertung: Handouts........................... 98.7. Auswertung: Versuchsbeschreibungen................... 98 7

1. Einleitung 1.1. Motivation Ein Gewitter ist ein spektakuläres Naturphänomen. Selten erlebt man die Naturgewalten so eindrucksvoll wie bei einem Gewitter. Blitze, Donner und Hagel üben eine eigentümliche Faszination auf uns aus. Allerdings ist ein Gewitter kein seltenes Ereignis. In jeder Sekunde sind weltweit durchschnittlich 3000 Gewitter aktiv. Allein in Deutschland kann man, je nach Standort, zwischen 20 und 40 Gewitter pro Jahr beobachten[24]. Auch Blitzeinschläge sind keine Rarität. Davon werden in Deutschland im Jahr etwa eine Million registriert[41]. Die meisten Menschen haben schon einmal einen Baum gesehen, in den ein Blitz eingschlagen ist. Brände aufgrund von Blitzeinschlägen kommen häug vor, was der Grund dafür ist, dass die meisten Häuser und Gebäude mit Blitzschutzsystemen ausgestattet sind. Ein Naturereignis, das so oft zu beobachten ist und dessen Auswirkungen groÿen Ein- uss auf unser Leben haben, macht neugierig. Kein Wunder also, dass dieses Naturschauspiel seit Menschengedenken Anlass war für mythologische Deutung und Darstellung in Literatur und Kunst 1. Natürlich reizte das Phänomen Gewitter nicht nur Dichter und Künstler, sondern auch Naturwissenschaftler, der bekannteste unter ihnen war der Ernder des Blitzableiters Benjamin Franklin [1706-1790][36]. Gewitter wurden schon immer intensiv von Meteorologen untersucht und trotzdem wissen die wenigsten, was genau geschehen muss, damit ein Gewitter entsteht oder wie die Elektrizität in die Wolken kommt. Obwohl man im Prinzip auf diese Fragen Antworten gefunden hat, sind Gewitter bis heute nicht beherrschbar. Sie können nicht künstlich erzeugt werden und man kann nie sagen, wo der Blitz als nächstes einschlagen wird. Genau diese Ungewissheit im Zusammenspiel mit der Faszination, die von Gewittern 1 5 Jacobsen, J.: http://www.planet-schule.de/warum/blitze/themenseiten/t_index/s1.html, 21.05.2012 8

1. Einleitung ausgeht, soll genutzt werden, um Schüler und Schülerinnen 2 für das Thema Gewitter zu begeistern. Es ist auf jeden Fall ein Thema, das es wert ist, genauer hinzuschauen und nachzufragen. 1.2. Ziele der Arbeit Sage es mir, und ich werde es vergessen. Zeige es mir, und ich werde es vielleicht behalten. Lass es mich tun, und ich werde es können. 3 (Konfuzius) Konfuzius Aussage gibt das Hauptziel dieser Arbeit wieder. Die Schüler sollen selbst aktiv werden, um einen längerfristigen Lernerfolg zu garantieren. Dabei wird ein groÿes Augenmerk auf die bewusste Distanzierung vom lehrerzentrierten Unterricht gerichtet. Dementsprechend sind alle in dieser Arbeit vorgestellten Versuche als Schülerversuche angelegt. Ein weiteres Ziel dieser Staatsexamensarbeit ist es, das Thema Gewitter so aufzubereiten, dass es möglichst viele Schüler erreicht und motiviert. Grundlegend ist dabei eine schülergerechte Erklärung der physikalischen Grundlagen des Gewitters und die Einbettung in einen lebensnahen Kontext. Am Beispiel des Gewitters wurde im Rahmen dieser Arbeit ein Schülerprojekt konzipiert, das seine Praxistauglichkeit bewiesen hat und das Lehrer und Lehrerinnen 4 dabei unterstützen soll, das Naturphänomen in den Physikunterricht einzubinden. Das Schülerprojekt Gewitter ist aber nicht nur ein Beispiel, es soll auch eine Anregung sein, sich weiteren Themen zu önen und nach Umsetzungsmöglichkeiten im Schulalltag zu suchen. 2 Im weiteren Teil dieser Arbeit wird der geschlechtsneutrale Begri Schüler verwendet, in dem sowohl Schüler als auch Schülerinnen einbegrien sind. 3 Schmidt, D.: Philosophie 4 Im weiteren Teil dieser Arbeit wird der geschlechtsneutrale Begri Lehrer verwendet, in dem sowohl Lehrer als auch Lehrerinnen einbegrien sind. 9

1.3. Aufbau der Arbeit 1. Einleitung Diese Staatsexamensarbeit beschreibt die Konzeption und die Durchführung des Schülerprojekts Gewitter und richtet sich an Physiklehrer, die ihren Schülern zeigen wollen, wie viel Physik in der Natur steckt und wie viel Spaÿ es machen kann, sie zu erforschen und zu verstehen. Die Schüler bekommen so die Möglichkeit, ihr Wissen bei der Beobachtung von Gewittern anzuwenden. Die Arbeit gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil wird das Thema Gewitter in den schulischen Kontext eingeordnet und ein Lehrplanbezug hergestellt. Die Durchführbarkeit als Projekt wird erläutert und Möglichkeiten für fächerübergreifenden Unterricht werden aufgezeigt. Der zweite Teil beinhaltet eine Zusammenfassung der physikalischen Grundlagen des Themas Gewitter und die dazu ausgewählten Versuche. Bei der Zusammenstellung der physikalischen Grundlagen wurde darauf geachtet, einen möglichst kompakten Überblick zu geben und dennoch einen groÿen Alltagsbezug herzustellen. Unterstützt wird dies durch ausgewählte Versuche, die das Verständnis der physikalischen Grundlagen fördern. Bei der Auswahl der Versuche wurde daher besonders darauf geachtet, dass sie die behandelten physikalischen Prinzipien verdeutlichen und klar herausstellen. Die Schüler sollen sofort verstehen, wie das neu Gelernte mit dem Versuch zusammenhängt. Ein weiterer Aspekt bei der Auswahl der Versuche war die Durchführbarkeit durch die Schüler, das Sicherheitsrisiko muss daher bei allen Versuchen überschaubar und so gering wie möglich sein. Zusätzlich ist natürlich ein Kriterium, wie die Versuche von den Schülern aufgenommen werden. Je lauter es knallt und je mehr es stinkt, desto besser merken sich Schüler die Versuche. Daher wurden ganz bewusst Versuche mit Blitzen und Feuer ausgewählt. Ein besonderes Augenmerk lag zusätzlich in der Auswahl der Versuchsmaterialien. Wann immer es möglich war, wurde auf Alltagsgegenstände zurückgegrien, damit die Schüler die Option haben, möglichst viele Versuche zu Hause wiederholen zu können. So wird ihnen vor Augen geführt, dass man nicht immer spezielle Geräte braucht, um zu experimentieren. Im letzten Teil der Arbeit wird die Durchführung des Projekts am Gymnasium Birkenfeld beschrieben und mittels einer Evaluation ausgewertet. 10

2. Einordnung in den schulischen Kontext 2.1. Lehrplanbezug Um das Schülerprojekt Gewitter erfolgreich einsetzen zu können, ist eine Einordnung in den Lehrplan unumgänglich. Das Projekt ist für die Durchführung in der Oberstufe konzipiert. Bei einem Blick in die Schulbücher fällt schnell auf, dass das Thema Gewitter kaum Beachtung ndet. Verständlich, wenn man beachtet, dass der Begri Gewitter im Lehrplan Physik des Landes Rheinland-Pfalz nicht explizit erwähnt wird. Das soll aber nicht heiÿen, dass das Projekt keine Berechtigung zur Durchführung hat. Der Lehrplan setzt sich aus sogenannten Bausteinen zusammen, die in Picht- und Wahlpichtbausteine unterteilt sind. Im Lehrplan des Leistungfaches existieren 35 Wahlpichtbausteine, von denen in der Qualikationsphase des Leistungskurses zwölf auszuwählen und zu unterrichten sind. Der letzte der aufgeführten Themenblöcke ist Physik der Atmosphäre/Geophysik 1, der in Tabelle 2.1 dargestellt ist. Physik der Atmosphäre/Geophysik - Aufbau der Atmosphäre; atmosphärische Kreisläufe Anwendungen der Physik in Nachbardisziplinen verdeutlichen. - Strahlungsgesetze; Strahlungsbilanz; Klimamodelle - Luftbewegungen; Wetter - Erdgestalt; Erdbeben; Ebbe und Flut Der Zeitrahmen erfordert eine Themenauswahl. Eine Kombination mit dem Wahlbaustein Thermodynamik bzw. Strömungsphysik unter entsprechender Schwerpunktsetzung ist bedenkenswert. Fachübergreifende Bezüge nutzen. Tabelle 2.1.: Wahlpichtbaustein aus dem Lehrplan Physik des Landes Rheinland- Pfalz[27] 1 Lehrplan Physik des Landes Rheinland-Pfalz, S.49 11

2. Einordnung in den schulischen Kontext In diesem Baustein sind die Begrie Luftbewegung und Wetter zu nden. Ganz offensichtlich ist also das Thema Gewitter hier einzuordnen und ndet damit auch seine Berechtigung im Lehrplan. Vor allem auch der fächerübergeifende Aspekt wird aufgeführt und gefordert. Dazu mehr in Kapitel 2.2. Die Einordnung als Wahlpichtbaustein macht auÿerdem deutlich, dass es sich um ein optionales Themengebiet handelt und die Entscheidung für diesen Baustein damit rein im Ermessensspielraum des Lehrers liegt. Bei genauerem Lesen des Lehrplans fällt der in Tabelle 2.2 dargestellte Baustein Elektrische Wechselwirkung I ins Auge. Er ist einer von sieben Pichtbausteinen aus der Einführungsphase des Leistungsfaches. Elektrische Wechselwirkung I - elektrische Ladung; Stromstärke - elektrische Inuenz - Coulomb-Wechselwirkung - Radialfeld; elektrische Feldstärke Grundkenntnisse und ein strukturierendes Überblickswissen bereitstellen. Die Begriichkeit kann auch über das homogene Feld angegangen werden. Den Zeitrahmen nicht durch überzogene Rechnungen gefährden. Tabelle 2.2.: Pichtbaustein für das Leistungsfach aus dem Lehrplan Physik des Landes Rheinland-Pfalz[27] Die in Tabelle 2.2 auf der linken Seite genannten Themen sind in den physikalischen Grundlagen des Themas Gewitter wiederzunden. Zudem bekommen die Schüler durch dirkete Anwendung einen Überblick der physikalischen Inhalte. Die in der rechten Tabellenseite formilierten Vorgaben können problemlos erfüllt werden, da auf Rechnungen im Rahmen dieses Projekts komplett verzichtet wurde. Diese Entscheidung ergab sich, da die meisten Formeln, die das Phänomen Gewitter beschreiben, Rechenoperationen verlangen, welche in der Schule überhaupt nicht behandelt werden. Im Folgenden soll auf den Lehrplan des Grundfaches eingegangen werden, um zu prüfen, ob sich das Thema Gewitter einem Baustein zuordnen lässt. Anders als beim Leistungsfach, beinhaltet der Lehrplan des Grundfaches keinen Wahlpichtbaustein, dem das Thema Gewitter direkt zugeordnet werden kann. 12

2. Einordnung in den schulischen Kontext Elektrizität I - elektrische Ladung; Stromstärke - elektrische Inuenz - elektrisches Feld; Feldstärke - elektrische Spannung Einen ausreichenden Phänomenbereich aufzeigen und einen Einblick in die Tragfähigkeit des Feldkonzeptes geben. Die Behandlung des homogenen Feldes reicht aus. Den Zeitrahmen nicht durch überdehnte Wiederholungen der Inhalte aus der Sekundarstufe I gefährden. Tabelle 2.3.: Pichtbaustein für das Grundfach aus dem Lehrplan Physik des Landes Rheinland-Pfalz[27] Mit der gleichen Argumentation wie bereits beim Leistungsfach lässt sich das Schülerprojekt durch den in Tabelle 2.3 gezeigten Baustein in den Lehrplan einordnen und bekommt damit seine Berechtigung. Es handelt sich um einen Baustein aus der Quali- kationsphase, dessen Durchführung verpichtend ist. Um sicher zu gehen, dass nicht zu viele Inhalte besprochen werden, die bereits bekannt sind, ist ein Blick in den Lehrplan der Sekundarstufe I unumgänglich. Für die 10.Klasse ist das Themengebiet Elektrik vorgesehen, das sich unter anderem in folgende Unterthemen gliedert[26]: 1. Elektrische Ladung und Elektrisches Feld - Ladungsarten, Kraftregel für Ladungen - Elektrische Neutralisation und Inuenz - Ladungsträger in Metallen 2. Ladung - Stromstärke - Spannung - Elektrische Ladung - Elektrische Stromstärke - Gleichstrom und Wechselstrom 13

2. Einordnung in den schulischen Kontext - Elektrische Spannung - Elektrische Energie und Leistung Natürlich muss vor der Durchführung des Schülerprojekts festgestellt werden, was im Einzelnen zu den obigen Punkten behandelt wurde. Dennoch werden bereits viele Bereiche angesprochen, die beim Thema Gewitter Anwendung nden. Ein grundlegendes Verständnis für die physikalischen Grundlagen müsste also bereits gegeben sein. Je nach Leistungsstand der Schüler ist es somit durchaus möglich, das Projekt am Ende der 10.Klasse durchzuführen. 2.2. Umsetzungsmöglichkeiten der Lehrplanforderungen Bei der Erklärung des Themas Gewitter ndet eine Vielzahl von physikalischen Konzepten ihre Anwendung. Um die Schüler an möglichst viele Aspekte und deren Vernetzung heranführen zu können, sollte das Thema als Ganzes besprochen werden. Ein Projekt bietet dazu den möglichen Rahmen, da sich hier über einen längeren Zeitraum einem bestimmten Thema gewidmet werden kann. Einen Beweggrund, das Thema als Schülerprojekt auszuarbeiten, liefert der Lehrplan. Wie bereits beschrieben, kann das Thema Gewitter direkt nur dem Wahlpichtbaustein Physik der Atmosphäre/Geophysik des Leistungsfaches zugeordnet werden. Da Lehrer ihre Priorität auf die Pichthemen legen, werden diese zuerst besprochen. Stehen dann noch Unterrichtsstunden zu Verfügung, können diese mit den Wahlpichtthemen gefüllt werden. Da das Thema Gewitter viele Pichtthemen sowohl des Leistungsals auch des Grundfaches aufgreift, bietet es sich als kompakte Einheit in Form eines Projektes am Ende dieser Lerneinheit an. Aufgrund ihrer Konzeption erönen Projekte einen groÿen Handlungsspielraum. Sie werden entweder in Form einer Projektwoche oder als zusätzliche Unterrichtseinheit durchgeführt. Im ersten Fall kann die Zeiteinteilung exibel gestaltet werden und damit steht vor allem für das selbstständige Experimentieren mehr Zeit zur Verfügung, 14

2. Einordnung in den schulischen Kontext als die normale 45minütige Unterrichtsstunde bietet. Als zusätzliche Unterrichtseinheit entfällt der Noten- und Zeitdruck und somit können auch Doppelstunden komplett dem Experimentieren gewidmet werden. Gerade im Rahmen eines Projekts bietet sich fächerübergreifendes Arbeiten an. Dieses Vorgehen ist explizit im Lehrplan Physik erwähnt: Der Lehrplan möchte die Lehrer zum fachübergreifenden Arbeiten ermutigen, wo immer dies möglich und sinnvoll ist. 2. Zudem wird eine Umsetzung in Form von Projekten vorgeschlagen. Aufgrund der Vielschichtigkeit des Themas sind Kombinationen mit verschiedenen Fächern denkbar. Daher sollte diese Möglichkeit durchaus ausgeschöpft werden. Es liegt natürlich auf der Hand, dass eine Verbindung zum Unterrichtsfach Geographie besteht, denn hier wird ebenfalls das Wettergeschehen besprochen. Die Vielzahl an Gedichten, die sich mit Gewittern beschäftigen, rechtfertigen ein fächerübergreifendes Projekt mit dem Fach Deutsch. Ebenso vorstellbar wäre die Zusammenarbeit mit einem Kunstlehrer, da es zahlreiche Gemälde zu dem Naturphänomen gibt. 2 Lehrplan Physik des Landes Rheinland-Pfalz, S.12 15

3. Physikalische Grundlagen Das Thema Gewitter ist ein sehr komplexes Thema und ist wegen der Vielzahl der gleichzeitig ablaufenden atmosphärischen Prozesse stets Gegenstand intensiver meteorologischer Untersuchungen gewesen. 1. Daher würde eine Beschreibung im Detail den Rahmen dieser Staatsexamensarbeit sprengen. Im Hinblick auf die Konzeption eines Schülerprojekts ist es notwendig, das Thema didaktisch zu reduzieren. Daher werden in dieser Arbeit nur einige elementare Teilbereiche des Gewitters besprochen. Im Folgenden werden die Themenbereiche Gewitterentstehung, Konvektion, Ladungstrennung, Blitzentstehung, Donner und Schutz vor Gewitter dargestellt, da diese für ein grundlegendes Verständnis unbedingt notwendig sind. 3.1. Gewitterentstehung Grundsätzlich entstehen Gewitter aufgrund von warmen, feuchten Luftmassen, die nach oben aufsteigen und in groÿen Höhe wieder abkühlen. Dieses Aufsteigen der Luftmassen kann verschiedene Ursachen haben. Deshalb wird zwischen drei Gewitterarten unterschieden: Kaltfrontgewitter, Wärmegewitter und orographische Gewitter. Bei einem Kaltfrontgewitter treen Warm- und Kaltluftfronten aufeinander. Aufgrund der höheren Dichte der kalten Luft schiebt sich diese unter die Warmluft. Die warme Luft wiederum steigt aufgrund der geringeren Dichte auf. Da sich Kaltfrontgewitter durch nachströmende kalte Luft selbst erneuert, treten ständig Luftbewegungen auf[28]. Charakteristisch für Kaltfrontgewitter auf der Nordhalbkugel ist ihr schnelles Durchziehen von West nach Ost und die dabei auftretenden starken Sturmböen, die ihrerseits aus westlicher oder nordwestlicher Richtung wehen [44]. 1 Bock, K.-H.: Seewetter- Das Autorenteam des Seewetterteams, S.186 16

3. Physikalische Grundlagen Abbildung 3.1.: Entstehung eines Kaltfrontgewitters [44] Wärmegewitter können hauptsächlich im Sommer beobachtet werden. Hierbei erwärmen sich bodennahe Luftschichten, die dann aufgrund der geringeren Dichte von warmer Luft aufsteigen. Da Wärmegewitter nicht durch das Aufeinandertreen von Luftmassen erzeugt werden, sind sie nahezu ortsfest. Zudem ist ein Luftdruckabfall bereits vor dem Beginn des Gewitters zu beobachten, was auf das Aufsteigen der warmen Luftschicht zurückzuführen ist. Abbildung 3.2.: Entstehung eines Wärmegewitters [44] Beide Gewittertypen werden durch Geländegegebenheiten verstärkt. So können warme Luftschichten durch ansteigendes Gelände zum weiteren Aufstieg gezwungen werden. In manchen Fällen sind die Geländegegebenheiten allein schon der Auslöser eines Gewitters. Diese Gewitter werden als orographische Gewitter bezeichnet. Ein Gewitter kann bereits aus einiger Entfernung anhand der charakteristischen Gewitterwolke, der Cumulonimbus (Cb), erkannt werden[3]. Diese Wolke wird auch als 17

3. Physikalische Grundlagen Gewitterzelle bezeichnet und ist ein Bereich begrenzter horizontaler Fläche, in der alle fundamentalen Prozesse stattnden 2. Eine solche Gewitterwolke hat einen Durchmesser von 5-10 km und kann 5-12 km hoch werden. Mit zunehmender Höhe nimmt auch die Temperatur der Umgebungsluft ab, was zu einer Abkühlung und damit auch zur Ausdehnung der aufsteigenden Luftmassen führt. Damit bekommt die Gewitterwolke ihre typische Ambossform [49]. Sie durchläuft während des Gewitters drei Stadien: das Cumulus- oder Aufbaustadium, das Reifestadium und das Auösestadium [3](siehe Abbildung 3.3). Abbildung 3.3.: Entwicklungsstadien einer Cumulonimbus[3] Ein Gewitter besteht in der Regel aus mehreren Gewitterzellen, von denen jede etwa 30 Minuten aktiv ist[3]. Ein weiteres Merkmal einer Gewitterwolke ist die herabstürzende Kaltluft, der sogenannte Downrush, der im Reife- und Auösestadium beobachtet werden kann. Er erzeugt die starken Böen, die während eines Gewitters auftreten. 2 Feynman, R.P.: Vorlesungen über Physik : Hauptsächlich Elektromagnetismus und Struktur der Materie-Teil 1, S. 18

3. Physikalische Grundlagen Abbildung 3.4.: Typische Gewitterwolke (Cumulonimbus)[42] 3.2. Konvektion Allgemein bezeichnet der Begri der Konvektion den Austausch von Energie durch Materialtransport. Darin besteht der Unterschied zur Wärmeleitung. Die erwärmte Materie kommt in Bewegung und dabei in Kontakt mit weniger warmer Materie, wodurch der Wärmeaustausch (=Energieaustausch) realisiert wird [11]. Bei einem Gewitter tritt Konvektion auf, da die warme, labile Luft aufgrund der geringeren Dichte nach oben aufsteigt und dabei Luftmassen aus der Umgebung ansaugt [3]. Die aufsteigende warme Luft kühlt sich aufgrund der niedrigen Umgebungstemperatur in groÿer Höhe bis zu ihrer Sättigungstemperatur ab. Bei dieser Abkühlung kommt es zur Kondensation des Wasserdampfes zu winzigen Tröpfchen, wobei Energie freigesetzt wird [3]. Diese freigesetzte Wärme wird von der noch nicht kondensierten Luft aufgenommen und führt zu einem weiteren Aufstieg [49]. In diesem Aufwind benden sich auch die kleinen, aus der Kondensation resultierenden Wassertröpfchen, die so weiter nach oben getragen werden. Erreichen diese Wassertropfen die 0 C-Grenze und sind ausreichend Kristallisationskeime, also Verunreinigungen des Wassers, vorhanden, beginnen sie zu frieren. Wie bereits bei der Kondensation wird auch bei diesem Vorgang Energie in Form von Gefrierwärme frei [49], was die umgebenden Luft und damit auch die Eiskristalle weiter aufsteigen lässt. In den Aufwindschläuchen treten Vertikalgeschwindigkeiten von bis zu 100 km auf [49]. h Die nach oben strömende Luft hat zur Folge, dass im unteren Bereich ein Unterdruck ensteht. Zusätzlich schiebt die warme Luft weiter oben die dort bereits vorhandene Luft zur Seite. Diese Luft steigt ab und wird zu dem Bereich des Unterdrucks gezo- 19

3. Physikalische Grundlagen gen. Dadurch entstehen neben den Aufwindbereichen auch Abwindschläuche, die sich jedoch nicht regelmäÿig in vertikalen Luftsäulen anordnen. Cumulonimben bestehen aus einer Serie groÿer auf- und absteigender Luftpakete, die zusätzlich von vertikalen und horizontalen Wirbeln überlagert sind 3 (siehe Abbildung 3.5). Abbildung 3.5.: Luftbewegungen in einer Gewitterwolke[3] 3.3. Hagelbildung/Regen Eine weitere Besonderheit des Gewitters ist der Niederschlag in Form von Hagel. Hagelbildung ndet ausschlieÿlich in Gewitterwolken, in der einige Kilometer breiten Hagelzone, statt. Wie bereits in Kapitel 3.2 beschrieben, werden Wassertropfen durch Aufwinde in groÿe Höhen transportiert und gefrieren dort. In einer Höhe von etwa 12.000 Metern gibt es keinen Aufwind mehr und die Eiskörner fallen wieder nach unten[45]. Während des Fallens stoÿen sie mit anderen Eiskristallen oder Wassertropfen zusammen. Dabei können die Teilchen aneinander festfrieren und es kommt zu einer Anhäufung von Eiskristallen. Beim Herabfallen ziehen die Teilchen Luft mit sich und sorgen so für weitere 3 Bock, K.-H.: Seewetter- Das Autorenteam des Seewetterteams, S.186 20

3. Physikalische Grundlagen Abwärtsströmungen[9]. Je tiefer die Eiskörner fallen, desto stärker wird der Aufwind. An einem bestimmten Punkt ist der Aufwind stark genug, um das gewachsene Eiskorn wieder nach oben zu transportieren. Diese Aufwärtsbewegung ndet so lange statt, bis der Aufwind das Teilchen aufgrund seines Eigengewichts nicht mehr nach oben befördern kann. Das Teilchen fällt wieder und stöÿt erneut mit anderen Teilchen zusammen. Dieser Vorgang wiederholt sich mehrere Male, bis das Eiskorn auf eine Gröÿe herangewachsen ist, die der Aufwind nicht mehr tragen kann. Die Eiskörner fallen auf die Erde, es hagelt. Schneidet man ein groÿes Hagelkorn auf, so sind Ringe zu erkennen, die bei der Anfrierprozedur entstanden sind[45](vgl. Abbildung3.6). Dennoch ist bekannt, dass es nicht bei jedem Gewitter hagelt. Das liegt daran, dass kleine Hagelkörner während des Fallens aufgrund der zunehmenden Temperatur wieder tauen und somit nur noch als Regentropfen ankommen. Die Phase des Niederschlags dauert 10-15 Minuten[45].Es muss also nicht bei jedem Gewitter Hagel fallen, aber wenn es hagelt, dann ganz sicher aus einer Gewitterwolke. Abbildung 3.6.: Querschnitt eines Hagelkorns 4 3.4. Ladungstrennung Bevor auf die einzelnen in einer Gewitterwolke stattndenden Prozesse eingegangen wird, soll festgehalten werden, dass Gewitter bis heute noch nicht vollständig erforscht sind. Aktueller Forschungsgegenstand ist das Zustandekommen der zur Entladung not- 4 http://www.gutefrage.net/media/fragen-antworten/bilder/11800624/0_big.jpg, 05.04.2012 21

3. Physikalische Grundlagen wendigen Feldstärke. Damit es blitzt, muss eine Feldstärke von 30 Kilovolt pro Zentimeter erreicht werden. Dieser Wert wurde jedoch noch nicht in einer Gewitterwolke gemessen [50]. Theoretisch dürften also gar keine Blitze entstehen. Aktuell vertreten US-Forscher die Theorie, dass kosmische Strahlung für das Auslösen der Blitze verantwortlich ist. Diese Strahlung löst in der Luft Elektronenlawinen aus, die beim Auftreen auf die unter Hochspannung stehende Gewitterwolke Blitze zünden. Niederländische Forscher dagegen gehen von einer Kraftfokussierung aus, bei der freie Elektronen und Ionen Entladungskanäle ausbilden, die die elektrischen Kräfte bündeln und die Keimzelle der Blitze bilden. Beide Theorien sind jedoch noch nicht bewiesen und die Forschung auf diesem Gebiet hält bis heute an[50]. Dennoch sind die grundlegenden bewegungs- und elektrodynamischen Vorgänge im Wesentlichen verstanden 5. Zwischen Wolke und Erde konnten Potentialdierenzen zwischen 20 und 100 Millionen Volt gemessen werden [9]. Damit eine Spannung aufgebaut wird, müssen freie Ladungen vorliegen. Dazu werden die in der neutralen Wolke bereits vorliegenden Ladungen getrennt [28]. Im Folgenden werden die bekannten physikalischen Prozesse zur Ladungstrennung in der Gewitterwolke geschildert. Ein entscheidender Faktor bei der Trennung von Ladungen ist die Relativbewegung der Wasserteilchen bzw. Eispartikel zueinander. Dabei üben die Teilchen gegenseitig Inuenz aufeinander aus. In Kapitel 3.3 wurde auf das Zusammenstoÿen der Niederschlagsteilchen eingegangen. Zusätzlich zur Hagelbildung kommt es beim Aufeinandertreen der Teilchen zum Ladungsaustausch. Auÿerdem werden die Teilchen durch Berührungselektrizität (siehe Kapitel 6.2.1) geladen. Ladungen können auch innerhalb unterkühlter Wassertropfen getrennt werden. Die Temperaturgradienten im Eis führen zu einer Ladungsverschiebung im Tropfen. Auf der wärmeren Seite entsteht dadurch ein Elektronenüberschuss und folglich auf der kälteren Seite ein Elektronenmangel. Brechen die Eiskristalle dann auseinander, kommt es zur Trennung der Ladungen und aus den ursprünglich neutralen Tropfen entstehen geladene Teilchen (vgl. [3]). Eine weitere Methode zur Ladungstrennung basiert auf den vertikalen Luftströmungen innerhalb einer Wolke. Die positiv geladenen Teilchen sind leichter als die negativ geladenen Teilchen. Dadurch werden die positiven Teilchen von der Luft nach 5 Bock, K.-H.: Seewetter- Das Autorenteam des Seewetterteams, S.186 22

3. Physikalische Grundlagen oben getragen, die negativen Teilchen jedoch nicht. So kommt es zu einer groÿächigen Ladungstrennung[49] und auch teilweise zur Ladungsverteilung innerhalb der Gewitterwolke. Aus dem gerade beschriebenen Vorgang folgt, dass der obere Teil der Wolke positiv und der untere Teil der Wolke negativ geladen ist. Zusätzlich gibt es noch eine kleine Tasche positiver Ladungen im Basisgebiet der Wolke[28]. Dieses Ladungszentrum resultiert aus positiven Koronaentladungen, die aufgrund der hohen elektrischen Feldstärke an den Spitzen am Boden (Panzen, Türme) vom Wind abgesprüht und an den unteren Teil der Wolke hochtransportiert werden[49]. Aus elektrophysikalischer Sicht ist ein Gewitter also ein gigantischer elektrostatischer Generator mit Wassertröpfchen und Eispartikeln als Ladungsträger, mit dem Aufwind als Ladungstransportmittel und der Sonne als Energielieferant 6 Die schematische Ladungsverteilung einer Gewitterwolke ist in Abbildung 3.7 dargestellt. Auÿerdem zeigt die Abbildung deutlich, dass die Ladungsverteilung direkt mit der Temperatur zusammenhängt. Exemplarisch können die negativen Ladungen betrachtet werden, die nur bei Temperaturen über -15 C und unter +10 C zu nden sind. Abbildung 3.7.: Ladungsverteilung einer Gewitterwolke[49] 6 VDE: http://www.vde.com/de/ausschuesse/blitzschutz/faq/fo/oeentlich/seiten/entstehung%20gewitter.aspx, 25.05.2012 23

3. Physikalische Grundlagen 3.5. Blitztypen Es gibt drei verschiedene Arten von Blitzen: Wolke-Wolke-Blitze, Wolke-Erde-Blitze und Erde-Wolke-Blitze. Zusätzlich wird zwischen positiven und negativen Blitzen unterschieden. Die Bezeichnung positiv oder negativ richtet sich nach der Polarität des Ausgangsbereichs des Blitzes[5]. In Abbildung 3.8 sind die verschiedenen Blitzarten zwischen Wolke und Erde dargestellt. Abbildung 3.8.: Verschiedene Blitztypen nach [42] Bei Wolke-Wolke-Blitzen ndet die Entladung zwischen zwei Wolkenladungszentren statt. Dabei kann ein schwaches, beständiges Aueuchten in der Wolke beobachtet werden[29], da der Blitz von den Wolken verdeckt wird. Hinzu kommt, dass Wolke- Wolke-Blitze schwächer leuchten als die anderen Blitztypen. Wesentlich heller als die Wolke-Wolke-Blitze sind Blitze zwischen Erde und Wolke. Erde-Wolke-Blitze gehen immer von hohen Spitzen, wie Bergspitzen oder Türmen, aus und bewegen sich Richtung Wolke. Dabei wurden Ströme von mehreren 100 Ampère gemessen. Zu erkennen sind Erde-Wolke-Blitze an den nach oben zeigenden Verästelungen [49](vgl. Abbildung 3.9). 24

3. Physikalische Grundlagen Abbildung 3.9.: Erde-Wolke-Blitz[15] Bei einem Wolke-Erde-Blitz werden die auf der Erdoberäche inuenzierten Ladungen durch die Wolkenladungen neutralisiert. Die positive Variante dieses Blitze geht meistens von dem kleinen positiven Ladungszentrum am Fuÿ der Wolke aus. Entladungen aus dem oberen Bereich sind sehr selten und treten erst nach dem Abbau des negativen Ladungszentrums in Form eines einzelnen kräftigen Blitzes auf[49]. Wolke-Erde-Blitze sind, analog zu Erde-Wolke-Blitzen, an den zur Erde zeigenden Verästelungen zu erkennen (vgl. Abbildung 3.10). Abbildung 3.10.: Wolke-Erde-Blitz[15] 3.6. Blitzentladung Im Folgenden wird die Blitzentstehung am Beispiel des negativen Wolke-Erde-Blitzes erklärt, da dies der am häugsten auftretende Blitztyp ist. Der Ablauf ist prinzipiell bei allen Blitzen gleich. 25

3. Physikalische Grundlagen Bevor der typische grelle Blitz zu sehen ist, gibt es eine stufenweise Vorentladung, den stepped leader oder kurz leader. Diese Vorentladung ist ein Blitz, der jedoch nicht so hell ist, wie der Blitz, der normalerweise beobachtet wird[9]. Daher wird der Leader oft gar nicht wahrgenommen. Der Leader ist ein mit Wolkenladung gefüllter, zylinderförmiger Schlauch mit einem hochionisierten Plasmakern, der sich ruckweise zur Erde schiebt[49]. Dabei legt der Leader zwischen 10 und 200 Metern an einem Stück zurück, bevor er für ungefähr 50µs stoppt[29]. Die weitere Bewegungsrichtung des Leaders nach einer Pause kann nicht vorausgesagt werden. Er kann seinen eingeschlagenen Weg weitervefolgen, die Richtung ändern oder sich verzweigen[5]. Der Leitblitz nähert sich bis auf einige 100 Meter der Erde[49]. Dabei übt er eine Inuenzwirkung auf die Erde aus. Vor allem an Spitzen erzeugt die Inuenz eine hohe Feldstärke (siehe Kapitel 3.10), wodurch Ladungen aus den Spitzen dem Leader entgegenwachsen[5]. Diese Ladungen werden Fangentladung genannt (siehe Abbildung 3.11). Daher ist die Wahrscheinlichkeit von einem Leader getroen zu werden bei Türmen und Bäumen besonders groÿ[9]. Abbildung 3.11.: Fangentladung und Leitblitz[42] 26

3. Physikalische Grundlagen Treen die Fangentladung und der Leader aufeinander, bekommt der Leitblitz eine Verbindung zur Erde, ist damit geerdet und die Elektronen können zur Erde abieÿen[49]. Die Retourwelle des Potentialzerfalls und die damit verbundene Neutralisation des Leaders läuft den Blitzkanal Richtung Wolke entlang. Dabei kommt es zu dem typischen hellen Aueuchten, das mit dem Auftreten eines Blitzes verbunden wird[29]. Das Leuchten ist die Hauptentladung (return stroke) und wandert mit einer Geschwindigkeit von 100.000 km von unten nach oben[5]. Die Hauptentladung zieht einen Stromschwanz s hinter sich her, bei dem für einige zehntel Sekunden ungefähr 100 Ampère ieÿen. Die dabei auftretenden hohen Temperaturen können zu Bränden führen[29]. Nach einer Pause von 10-100 ms tritt eine zweite, schnelle Vorentladung (dart leader) auf. Diese Vorentladung verläuft entlang der Spur der ersten Vorentladung, da sich hier noch Restladungen benden und die Luft damit schon ionisiert ist. Der alte Blitzkanal wirkt also wie eine Leitung im Vergleich zu der neutralen, isolierenden Umgebungsluft. Da der Weg bereits vorgeladen ist, macht diese zweite Vorentladung keine Pausen und kann daher schneller zur Erde gelangen[9]. Solche Folgeentladungen treten mehrfach auf und werden als das typische Flackern eines Blitzes wahrgenommen. Sie sind auch der Grund dafür, dass ein und das selbe Objekt mehrfach von Blitzen getroen wird. 3.7. Entstehung des Donners Bei der in Kapitel 3.6 beschriebenen Hauptentladung heizt sich der Blitzkanal auf mehrere 10.000 C auf[49]. Die höchste gemessene Temperatur beträgt 30.000 C[3]. Die den Blitz umgebende Luft wird dabei genauso erhitzt. Aufgrund der schlagartigen Erwärmung dehnt sich die Luft mit Schallgeschwindigkeit aus, wodurch es zu einer Druckwelle kommt, die als Donner gehört wird. Ein Beobachter des Gewitters sieht das Licht des Blitzes sofort bei seinem Auftreten, während er den Donner erst später hört. Diese Tatsache kann mit den unteschiedlichen Ausbreitungsgeschwindigkeiten erklärt werden. Der Blitz breitet sich mit Lichtgeschwindigkeit aus, der Donner bewegt sich mit Schallgeschwindigkeit, also mit 300 m, fort. s Aus der Zeit t zwischen Blitz und Donner und d, der Entfernung des Gewitters in 27

3. Physikalische Grundlagen Kilometern, ergibt die bekannte Faustformel: t/s 3 = d/km Steht der Blitzkanal senkrecht zur Sehlinie des Beobachters, treen alle Schallwellen gleichzeitig ein und ein lauter Knall ist zu hören. Bei einer parallelen Ausrichtung von Sehlinie und Blitzkanal, kann ein Rumpeln oder Rollen wahrgenommen werden. Groÿe Eingangsenergie und geringe Luftdichte sorgen für eine tiefe Tonlage des Donnerklangs. Da die Dauer des Donners proportional zur Länge des Blitzkanals ist, hört man beim letzten Blitz, da dieser die gröÿte Länge hat, den längsten Donner[28]. 3.8. Ende des Gewitters Strömt bei einem Gewitter keine Luft mehr nach, so können die Niederschlagsteilchen nicht mehr nach oben getragen werden[5]. Damit entstehen keine Ladungen mehr und es kann keine weitere Spannung aufbebaut werden. Das bereits vorhandene Feld baut sich aufgrund der Entladungen durch die Blitze ab, wodurch die in der Wolke bendlichen Eis- und Wasserpartikel nicht mehr in der Schwebe gehalten werden können. Es beginnt zu regnen, wobei die Niederschlagsmenge proportional zur Anzahl der Blitze ist[28]. 3.9. Faradayscher Käg Ein Faradayscher Käg besteht aus einem leitfähigen Material und ist im Innern immer hohl. Es wird ausgenutzt, dass Ladungen bei einem leitenden Hohlkörper immer auf die Oberäche ieÿen. Diese Eigenschaft kommt besonders zum Tragen, wenn der Faraday Käg in ein elektrisches Feld gebracht wird. Aufgrund der Inuenz richten sich die Ladungen an der Oberäche des Kägs aus. Dabei wird in dem Faradayschen Käg ein elektrisches Feld erzeugt, welches dem äuÿeren Feld entgegengesetzt ist. Die beiden Felder überlagern sich und das Innere des Faradayschen Kägs bleibt feldfrei. Die Wände des Kägs müssen nicht vollkommen geschlossen sein, ein engmaschiges Netz genügt in den meisten Fällen. Auch die Form des Kägs ist variabel, wichtig ist nur, 28

3. Physikalische Grundlagen dass der Käg allseitig geschlossen ist. Der Faraday Käg ist nicht nur in der Lage, statische elektrische Felder abzuschirmen. Er schirmt auch elektromagnetische Wellen ab, wie in Kapitel6.4.3 demonstriert wird. Abbildung 3.12.: Prinzip des Faradayschen Kägs 7 3.10. Spitzenentladung Die Spitzenentladung spielt vor allem bei Gewittern eine bedeutende Rolle, wie bei Funken- und Koronaentladungen beobachtet werden kann. Bei der Spitzenentladung kommt es, wie der Name schon sagt, zu Entaldungen an Spitzen. Dieser Vorgang lässt sich anhand des starken elektrischen Feldes an Spitzen erklären. Um sich diese Tatsache vortsellen zu können, bedient man sich dem Modell der Feldlinien. Feldlinien sind gedachte Linien, welche die Kraft des elektrischen Feldes auf eine Probeladung im Feld veranschaulichen. Die Feldlinien stehen immer senkrecht auf der Oberäche eines Gegenstands im elektrischen Feld. Zudem sind Feldlinien so konstruiert, dass ihre Dichte ein Maÿ für die Stärke des elektrischen Feldes ist. In Abbildung 3.13 sind die Feldlinien einer positiven Punktladung zu sehen. Um diese Ladung wurden zwei Kugelschalen K1 und K2 gelegt. Die grünen Ellipsen sind gleich groÿ und umfassen einen Teil der Feldlinien. Es ist deutlich zu sehen, dass die Ellipse bei der kleineren Kugelschale K1 mehr Feldlinien umfasst als bei Kugelschale K2. Bei der kleineren Kugel gibt es mehr Feldlinien pro Fläche, also eine höhere Feldliniendichte. 7 Veterinärmedizinische Universität Wien: http://www-med-physik.vuwien.ac.at/physik/ws95/w95e0dir/w95e2000-dateien/image010.jpg, 14.04.2012 29

3. Physikalische Grundlagen Abbildung 3.13.: Feldlinien einer Punktladung Eine noch gröÿere Feldliniendichte kann direkt bei der Punktladung beobachtet werden. Daraus ergibt sich, dass die Feldliniendichte und damit die elektrische Feldstärke mit kleinerem Kugelradius zunimmt. Diese Tatsache kann auch anhand der Formel für das elektrische Feld einer Kugel nachvollzogen werden: E = 1 4πɛ 0 q r 2 Hier sieht man, dass das elektrische Feld mit abnehmendem Radius gröÿer wird. Damit wird das Feld für eine Punktladung maximal. Eine Spitze kann aufgrund ihres kleinen Radius annähernd als Punktladung angesehen werden, womit sich das groÿe elektrische Feld an der Spitze erklären lässt. Der Eekt der Spitzenentladung wird auÿerdem durch die Ionisation der Luft, welche die Spitze umgibt, verstärkt. An einer Spitze sammeln sich aufgrund des hohen elektrischen Feldes viele gleichnamige Ladungsträger, die sich gegenseitig abstoÿen. Sind die abstoÿenden Kräfte groÿ genug, können Ladungen aus dem Material gestoÿen werden und in die umgebende Luft übergehen. Die Luft wird ionisiert und wird dadurch besonders gut leitend, was in einem spontanen Durchschlag der Luft, also einem Blitz, enden kann [14]. 8 Finckh, U.: http://www.leiphysik.de/web_ph10/versuche/01dipol_im_feld/e_inhom.gif, 13.04.2012 30

3. Physikalische Grundlagen Abbildung 3.14.: Feldlinien an einer Spitze 8 3.11. Schutz vor Gewittern Das beste Verhalten bei einem Gewitter ist, dem Gewitter aus dem Weg zu gehen. Man sollte sich so weit wie möglich von dem Gewitter entfernt aufhalten. Natürlich ist das nicht immer möglich. Das erste Ziel bei einem aufziehenden Gewitter sind immer Gebäude mit Blitzschutz, am besten das eigene Zuhause. Die meisten Häuser verfügen über einen äuÿeren Blitzschutz, auch als Blitzableiter bezeichnet. Hierbei geht es nicht darum, den Blitz abzuhalten, sondern ihn einzufangen und in die Erde abzuleiten[51]. Bei einem Blitzableiter handelt es sich daher um einen dicken Draht, der in eine Spitze ausläuft und an einer exponierten Stelle auf dem Dach angebracht ist. Hier greift das in Kapitel 3.10 erklärte Prinzip der Spitzenentladung. Dennoch sollte man sich sicherheitshalber an gewisse Verhaltensregeln im Haus halten. Leitungen, die von auÿen ins Haus geführt sind, dürfen nicht berührt werden. Auÿerdem kann Baden oder das Telefonieren mit einem schnurgebundenen Telefon lebensgefährlich sein, da der Blitz auch über Metallrohre und Telefonleitungen ins Haus gelangen kann. Auch wenn der Blitz nur in der näheren Umgebung und nicht im Haus selber eingschlagen hat, besteht die Gefahr von Überspannungsschäden an elektrischen Geräten[16]. Um diese zu vermeiden, gibt es spezielle Überspanungsschutzgeräte[51]. Alternativ können wertvolle Geräte auch vollkommen vom Netz getrennt werden. Nicht immer ist bei einem Gewitter ein Gebäude in unmittelbarer Nähe. Oft wird man 9 Thür, R.: http://www.dachgutachter.com/grax/dachkunde/blitzableiter.jpg, 16.04.2012 31

3. Physikalische Grundlagen Abbildung 3.15.: Funktionsweise eines Blitzableiters 9 im Freien von einem Gewitter überrascht. Dann sollte man sich möglichst in ein Auto setzen und darauf achten, dass man keine Metallteile oder die Karosserie berührt[34]. Das Auto fungiert in diesem Fall als Faradayscher Käg. Das Schutzsuchen unter Türmen und Masten birgt aufgrund ihrer Spitzenwirkung (siehe Kapitel 3.10) groÿe Gefahr. Rennen oder groÿe Schritte machen, kann bei einem Gewitter ein schwerer Fehler sein. Die Ursache dafür liegt in der sogenannten Schrittspannung (vgl. Abbildung 3.16). Die Ausbreitung des elektrischen Feldes eines Blitzes verhält sich ähnlich wie die Ausbreitung einer Wasserwelle, die durch einen auf die Wasseroberäche auftreenden Stein verursacht wird. Macht man in diesem Feld einen groÿen Schritt, so benden sich die beiden Füÿe auf unterschiedlichen Potentialen. Damit wird eine Spannung im kv-bereich überbrückt und durch den Körper ieÿt ein mitunter lebensgefährlicher Strom[34]. Eine Gefahr besteht bereits, wenn der Blitzeinschlag in einiger Entfernung auftritt. Auch wenn diese Wirkung mit zunehmendem Abstand r zum Einschlagsort abnimmt (siehe Formel für das elektrische Feld in Kapitel 3.10), darf sie dennoch nicht unterschätzt werden. Sich auf den Boden zu legen, ist besonders gefährlich, weil man dabei eine groÿe Potentialdierenz überbrückt und somit ein sehr starker Strom durch den Körper ieÿen kann. Zusätzlich wird dem Blitz eine groÿe Angrisäche geboten und die Wahrscheinlichkeit eines Blitzeinschlags steigt. Da der Blitz bevorzugt in Wasser einschlägt und Wasser ein guter Leiter ist, darf man bei einem Gewitter auf gar keinen Fall baden oder sich in der Nähe eines Gewässers aufhalten[34]. Auch hier greift wieder das Prinzip der Schrittspannung und ein tödlicher Strom kann durch den Körper ieÿen. 32

3. Physikalische Grundlagen Abbildung 3.16.: Veranschaulichung der Schrittspannung[34] Dennoch ist es wichtig, sich möglichst klein zu machen und zu versuchen, nicht der höchste Punkt in der Umgebung zu sein. Die beste Reaktion auf ein Gewitter ist es, in die Hocke zu gehen und die Füÿe möglichst dicht nebeneinander zu stellen. Zusätzlich werden die Arme um den Körper geschlungen und der Kopf eingezogen[34]. In dieser Position sollte man still verharren, bis das Gewitter vorbeigezogen ist. 3.11.1. Mythos oder Schutz? Vielen fällt bei dem Thema Schutz vor Gewitter folgende Redensart ein: Eichen sollst du weichen, Fichten such mitnichten, aber Linden sollst du nden und Buchen sollst du suchen. [46] Doch stimmt das wirklich? Seinen Ursprung hat das Sprichwort in den Auswirkungen, die ein Blitzschlag auf die verschiedenen Baumsorten hat. Eichen haben eine dicke Borke, die Wasser sehr gut speichern kann. Durch einen Blitzeinschlag wird das Wasser in der Rinde schlagartig erhitzt, dehnt sich aus und sprengt dabei regelrecht den Baum[6]. Die dünne Rinde der 33

3. Physikalische Grundlagen Buche beinhaltet weniger Wasser und leitet den Blitz direkt in den Boden. Blitzschäden sind also bei Eichen deutlicher sichtbar als bei Buchen. Daraus schlossen die Menschen früher, dass Buchen weniger häug vom Blitz getroen werden als Eichen. Aufgrund der in Kapitel3.10 beschriebenen physikalischen Grundlagen, ist sofort klar, dass dieses Sprichwort falsch sein muss. Der Blitz unterscheidet nicht zwischen den Baumarten. Jeder Baum ist bei Gewitter ein hohes Objekt, von dem aufgrund seiner Spitzenwirkung groÿe Gefahr ausgeht. 34

4. Der Kelvingenerator -ein Gewittermodell Der Kelvingenerator, auch Wassertropfengenerator [4] genannt, ist eine Inuenzmaschine, die auf dem Prinzip der Selbstanregung basiert. Die genaue Funktionsweise wird in Kapitel 4.2 beschrieben, eine Bauanleitung ist im Anhang A zu nden. Bei dem Kelvingenerator wird eindrucksvoll demonstriert, dass hohe Spannungen durch fallende Wassertropfen erzeugt werden können. Das Fehlen einer von auÿen angelegten Spannungsquelle macht deutlich, wie sich Spannungen von einigen 10.000 V (vgl. [4]) quasi aus dem Nichts aufbauen können. Auÿerdem besteht die Möglichkeit, physikalische Prinzipien wie Initialladung, Inuenz, elektrische Leitfähigkeit, Faradayscher Käg und Rückkopplung mit diesem Gerät zu untersuchen. Darüber hinaus können mit dem Kelvingenerator Funken erzeugt werden. Zusätzlich können anhand des Kelvingenerators alle wichtigen physikalischen Vorgänge, die bei der Erzeugung von Elektrizität in einer Gewitterwolke stattnden, demonstriert werden. Damit dient der Generator als gutes Modell für die Vorgänge bei einem Gewitter. Lediglich der Donner bleibt aus - dazu sind die entstehenden Blitze zu klein. 4.1. Geschichte des Kelvingenerators Dass fallende Wassertropfen Elektrizität erzeugen können, war schon vor der Entwicklung des Kelvingenerators bekannt. Andreas Gordon (1712-1751) machte im Jahr 1744 die ersten Beobachtungen zur Wasserfallelektrizität. Die Beobachtungen von Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799) beinhalteten bereits das Grundprinzip des Kelvingenerators. Er bemerkte, dass Wassertropfen in der Lage sind, eine isolierte Metalläche zu elektrisieren, wenn sie vorher durch ein nicht geladenes Rohr gefallen sind. Es folgten weitere Beobachtungen zur Wasserfallelektrizität durch Horace Bénedict de Saussure (1740-1799) und Johann Georg Tralles (1763-1822) (vgl.[39]). Schlieÿlich entwickelte 1867 William Thomson (1824-1907), besser bekannt als Lord Kelvin, den nach ihm 35