Im Labor der Gefühle Verfahren zur Erfassung emotionaler Kompetenzen bei Kindern Irina Rosa Kumschick, Michael Eid
Ziel des Verfahrens Im Labor der Gefühle begibt sich das Kind an der Seite eines Marsmännchens auf eine Reise durch ein Forschungslabor, in dem Gefühle erforscht werden. In jedem Raum werden verschiedene Dimensionen des Emotionsverständnis und Emotionswissens (Teilbereiche emotionaler Kompetenz) abgefragt, die gelöst werden sollen: 1. Umfang des produktiven Emotionslexika: Welche Gefühle gibt es? 2. Emotionswissen betreffend Universalität von Gefühlen: Haben alle Menschen Gefühle? 3. Elaboration der fünf Komponenten nach Scherer: Die verschiedenen Dimensionen eines Gefühls werden abgefragt: a) Begriffliche Zuordnung eines Gefühls zu einer kurzen Situationsvignette b) kognitive Komponente c) physiologische Komponente d) Handlungstendenz und e) Ausdruckskomponente. 4. Gemischte Gefühle: Wissen darüber, dass es mögliche ist, zwei Gefühle gleichzeitig zu haben. In kurzen Geschichten sollen ambivalente Gefühle erkannt werden. 5. Emotionserkennung in Gesichtern: Zuordnung des richtigen Gefühlswortes zu emotionalen Gesichtsausdrücken. 6. Situationsrepertoir zu Gefühlsübergängen: Die Kinder sollen Situationen schildern, die zur Veränderung eines Gefühls in ein anders führen. 7. Emotionsregulationsstrategien: Persönliche Strategien der Emotionsregulation aufzählen. 8. Maskierte Gefühle: Wissen darüber, dass Gefühle maskiert werden können. In kurzen Geschichten sollen maskierte Gefühle erkannt werden. 1
Konzeptionierung des Testverfahrens als Spiel Ausgehend von der Leitidee, dass altersadäquates, ansprechendes Stimulusmaterial erzeugt werden sollte, wurde ein Spielbrett entwickelt, welches die Grundlage bietet, die eingangs formulierten Teilbereiche der emotionalen Kompetenz (siehe Seite 1) mit dem Kind spielerisch abzufragen. Das Spiel heißt Im Labor der Gefühle und wird als räumliche Einrichtung verstanden, in der viel über Gefühle geforscht wird. Als Spielfigur wurde ein Marsmännchen generiert, welches Emotiko heißt. Die Abbildung 1 zeigt das Spielbrett und die jeweilige Zuordnung, der auf Seite 1 beschriebenen Skalen der emotionalen Kompetenz. Abbildung 1: Skizzierung des Spielbrettes mit der Zuordnung der verschiedenen Skalen zu den verschiedenen Räumen Im Folgenden wird der Ablauf in jedem einzelnen Raum innerhalb des Spieles kurz skizziert. 2
Raum 1 Produktives Emotionslexika und Universalität von Gefühlen Der Empfangsraum: Der erste Raum ist der Empfangsraum. Hier wird das Kind innerhalb einer Rahmenhandlung mit der Spielfigur Emotiko bekanntgemacht: Emotiko ist auf die Welt gekommen, um zu erfahren, was Gefühle sind. Das Marsmännchen hat das Kind ausgewählt, um mit ihm durch das Labor der Gefühle zu wandern. In jedem Raum werden verschiedene Rätsel und Probleme zu Teilbereichen der emotionalen Kompetenz gelöst. Im Empfangsraum gibt es zwei Items, die gelöst werden müssen, um in den nächsten Raum zu gelangen: 1. Abfrage des produktiven Emotionslexika: Zähle alle Gefühle auf, die du kennst. 2. Frage nach der Universalität von Gefühlen: Haben alle Menschen Gefühle? Begründe die Antwort. Abbildung 2: Das Marsmännchen Emotiko im Empfangsraum 3
Raum 2 - Dimensionen der Gefühle Das Gewächshaus und die Dimensionen der Gefühle: Der zweite Raum ist das Gewächshaus. Hier wächst die berühmte Gefühlsblume, die erkennen kann, was Menschen in unterschiedlichen Situationen fühlen. Leider ist sie kaputt und muss neu programmiert werden. Abbildung 3: Gefühlsblume vor der Neuprogrammierung Es werden fünf Basisemotionen abgefragt. Das Prozedere der Neuprogrammierung der Blume verläuft für jede Emotion nach dem gleichen Schema: Zuerst gilt es, einer erzählten Situation das entsprechende Gefühl zuzuordnen. Anschließend soll das Kind und Emotiko die adäquate, dazugehörige Kognition, die Handlungstendenz, den dazugehörigen Körperausdruck und die physiologische Dimension dieses Gefühls bestimmen. Als interaktives Spielelement, darf das Kind nach der vollständigen Durcharbeitung einer Basisemotion, ein neues gesundes Blatt an die Blume stecken. Exemplarische Beispielfragen zur Emotion Freude - Wie fühlt sich Peter, nachdem er im Fußball ein Tor geschossen hat? - Was denkt er, wenn er ein Tor geschossen hat? - Was macht er als nächstes? - Wie sieht sein Gesicht aus? - Wie fühlt sich sein Körper innen an? Abbildung 4: Gefühlsblume nach der Programmierung 4
Raum 3 - Gemischte Gefühle Das Kochstudio und gemischte Gefühle: Der dritte Raum ist das Kochstudio. Hier werden in Töpfen Gefühle miteinander gemischt. In dieser Küche analysieren Forscher Geschichten, in denen Menschen etwas fühlen. Das Kind und Emotiko sollen mithelfen beim Analysieren der Proben. Dieses Testverfahren wird computerbasiert erhoben. Die Geschichten werden den Kindern via Headsets von Schauspielern vorgelesen. Die Antwort kann per Mausklick am Computer angeklickt werden. Im Hintergrund wird die Reaktionszeit miterhoben. Im Folgenden wird ein Beispielitem gegeben. Exemplarisches Beispielitem zu gemischte Gefühle Die Höhle: Sascha darf heute mit seinem Papa eine Tropfsteinhöhle besuchen. Die Höhle ist beleuchtet. Von der Decke hängen viele weiße schlangenförmige Tropfen herunter. Mit einem Führer fahren sie in einem kleinen Boot durch die Höhle. Die Tropfen spiegeln sich im Wasser. Mit leuchtenden Augen schaut Sascha herum: Wie schön es hier drinnen ist. So anders! Aber auch ein bisschen gruselig, denkt er und rückt ganz nahe an seinen Papa heran. Wie fühlst sich Sascha? Du kannst mehrere Antworten ankreuzen. freudig enttäuscht ängstlich gelangweilt wütend Emotiko und die Kochtöpfe 5
Raum 4 - Emotionserkennungstest Das Fotolabor und der Emotionserkennungstest: Der vierte Raum ist das Fotolabor. In diesem Raum werden dem Kind 28 schwarz-weiß Fotografien von Kindern mit emotionalen Gesichtsausdrücken dargeboten. Mittels eines Multiple-choice-Verfahrens soll das Kind eine von sieben Gefühlskategorien (Stolz, Freude, Wut, Angst, Überraschung, Trauer, Ekel) auswählen und dem Foto zuordnen. Das adäquate Gefühl soll mit einem Mausklick auf die richtige Kategorie identifiziert werden. Die Kinder haben maximal vier Sekunden Zeit, die Gesichtsausdrücke zu betrachten. Dieser Test wird computerbasiert dargeboten. Im Hintergrund wird die Reaktionszeit miterhoben. Eine Beispielmaske wird in Abbildung 5 gegeben. Abbildung 5: Hier ist eine Beispielmaske aus dem Emotionserkennungstest im Fotolabor zu sehen. Die Kinder sollen das entsprechende Gefühl dem Bild zuordnen. 6
Im Flur Situationsrepertoir zu Gefühlsübergängen; Emotionsregulationsstrategien Der Geschichtenerzähler und das Situationsrepertoir zu Gefühlsübergängen: Die nächste Station findet zwischen dem Raum vier und fünf auf dem Flur statt. Hier treffen Emotiko und das Kind den Geschichtenerzähler. Sie sollen ihm helfen, Situationen zu finden, die von einem Gefühl in ein anderes führen. Dazu werden dem Kind jeweils zwei Fotos gezeigt. Abbildung 6 zeigt ein Beispielitem zum Situationsrepertoir zu Gefühlsübergängen. Abbildung 6: Der Geschichtenerzähler hat nur zwei Bilder im Kopf: Das Gesicht eines glücklichen Jungen und das Gesicht eines weinenden Jungen. Was ist dazwischen passiert? Emotionsregulationsstrategien: In einer weiteren Aufgabe wird das Kind aufgefordert, eigene Strategien zur Emotionsregulation aufzuzählen, indem es dem Geschichtenerzähler Beispiele gibt, was es selbst tut, um von einem traurigen Gefühl wieder zu einem glücklichen zu kommen. Emotiko und der Geschichtenerzähler 7
Raum 5 Maskierte Gefühle Raum des Wahrheitsspiegels und maskierte Gefühle: Der fünfte Raum ist der Raum, in dem der Wahrheitsspiegel steht. Der Wahrheitsspiegel, kann erkennen, was Menschen in Wahrheit fühlen, wenn sie ihre Gefühle verstecken. Leider ist der Wahrheitsspiegel kaputt und muss neu programmiert werden. Das Kind und Emotiko sollen mithelfen, Geschichten zu analysieren, in denen Menschen ihre Gefühle maskieren. Dieses Testverfahren wird computerbasiert erhoben. Die Geschichten werden den Kindern via Headsets von Schauspielern vorgelesen. Die Antwort kann per Mausklick am Computer angeklickt werden. Im Hintergrund wird die Reaktionszeit miterhoben. Im Folgenden wird ein Beispielitem gegeben. Exemplarisches Beispielitem zu maskierte Gefühle Der Pfannkuchen: Peter kommt nach Hause. Seine Eltern haben sich in den vergangenen Monaten immer öfter gestritten: Ist Papa da? fragt er. Seine Mama seufzt und sagt mit belegter Stimme: Mhm heute Abend nicht. Nein. Dann klatscht sie in die Hände, grinst und ruft übertrieben fröhlich: Zu Tisch, Lausejunge! Ich habe dir ein Pfannkuchen gemacht! Peter findet es nicht schön, wenn Papa nicht da ist, aber er lächelt und antwortet: Super, Pfannkuchen! Wie fühlt sich Peter? Nur eine Antwort ankreuzen: freudig angeekelt traurig stolz beschämt ängstlich wütend Wie fühlt sich seine Mama? Nur eine Antwort ankreuzen: freudig angeekelt traurig stolz beschämt ängstlich wütend Emotiko und der Wahrheitsspiegel 8
Film Im Rahmen des Excellence-Clusters Languages of Emotion der Freien Universität Berlin wurde das Testverfahren zur Erfassung emotionaler Kompetenzen bei Kindern innerhalb eines DFG-Filmes vorgestellt. Dieser Film kann unter folgendem Link eingesehen werden: http://www.exzellenz-initiative.de/berlin-languages-emotion 9
Einsatzbereich: 6- bis 9-jährige Grundschüler der 1. Bis 3. Klassen. 10