Landtag Brandenburg 5. Wahlperiode Drucksache 5/9270 Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Bericht der Landesregierung zu den Beschlüssen des Landtags zum Volksbegehren für ein landesplanerisches Nachtflugverbot - Drucksache 5/9227 Beschlüsse des 115. und des 117. Deutschen Ärztetags ernst nehmen, Nachtflugverbot am BER von 222 bis 6 Uhr endlich umsetzen Vom 22.5. bis 25.5.2012 tagte der 115. Deutsche Ärztetag. Er befasste sich mit der Problematik des Fluglärms und fasste folgende Entschließung (Drucksache VI 81): Der 115. Deutsche Ärztetag 2012 fordert den Bundesrat, die Bundesregierung und die Landesregierungen sowie die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) auf, die Bevölkerung in Deutschland nachhaltig und umfassend vor den Folgen des Flugverkehrs durch Flugzeugabgase und Lärmemissionen zu schützen. Das bestehende Fluglärmschutzgesetz und die untergeordneten Regelwerke sind kurzfristig so zu überarbeiten, dass aktuelle wissenschaftliche Evidenz berücksichtigt wird. Dazu sind Ärzte und Lärmforscher in die Überarbeitung der Gesetze und Regelungen aktiv einzubeziehen. Sämtliche Regelungen für den Flugbetrieb müssen so angelegt werden, dass sie eindeutig vorrangig den Schutz der Bevölkerung adressieren und erst nachrangig die Wirtschaftlichkeit der Fluganbieter und Flughäfen. Der 117. Deutsche Ärztetag, der vom 27. bis zum 30. Mai 2014 tagte, hat sich erneut zum Thema Lärmschutz zu Wort gemeldet und klar für den Schutz der Bevölkerung positioniert. Es wird darüberr hinaus festgestellt, dass für Diagnostik und Behandlung von vermeidbaren Lärmkrankheiten mehrere 100 Millionen pro Jahr von der Bevölkerung aufgebracht werden müssen. In der aktuell gefassten Entschließung (Drucksache VII 79) wird gefordert, die Verursacher von Fluglärm in maßgeblicher Weise an den notwendigen Behandlungskosten zu beteiligen. Insbesondere wird von der Ärzteschaft auf ein aktuelles Sondergutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen SRU verwiesen, das im März 2014 unter dem
Titel Fluglärm reduzieren veröffentlicht wurde. Darin hat der SRU folgende Handlungsempfehlung erteilt: Um den Schutz der Nachtruhe besonders hervorzuheben, sollte die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kodifiziert werden. Insoweit sollte der Schutz der gesamten Nachtzeit (22 bis 6 Uhr) gewährleistet bleiben. Die von der Rechtsprechung vorgenommene Flexibilisierung, die zwischen Kernnacht und Randzeiten unterscheidet, muss vor dem Hintergrund der staatlichen Schutzpflicht für die menschliche Gesundheit aus Grundrechten eine besonders rechtfertigungsbedürftige Ausnahme bleiben (Aus der Kurzfassung des Gutachtens) Der Landtag stellt fest: Lärm stellt eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die menschliche Gesundheit dar. Vor allem nächtlicher Fluglärm führt dazu, dass betroffene Anwohnerinnen und Anwohner von Flughäfen einem signifikant erhöhten Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind. Der Landtag bestätigt seine Beschlüsse Volksbegehren `Für eine Änderung des 19 Absatz 11 des Landesentwicklungsprogrammes zur Durchsetzung eines landesplanerischen Nachtflugverbotes am Flughafen Berlin Brandenburg International (BER) vom 27.02.2013 (Drucksache 5/6894-B und 5/6916-B) und Akzeptanz für den Flughafen Willy Brandt durch Nachtruhekompromiss (erhöhen) vom 05.06.2013 (Drucksache 5/7376-B). Der Landtag möge beschließen Die Landesregierung wird aufgefordert, die o.g. Forderungen aus der Entschließung des 115. Deutschen Ärztetages zur Grundlage des politischen und des Verwaltungshandelns im Land Brandenburg zu machen. Die Landesregierung wird beauftragt im Bundesrat den Gesetzesantrag Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes (Bundesrat Drucksache 138/13) zurückzuziehen und den Antrag des Landes Rheinland- Pfalz zu unterstützen Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung vor Fluglärm (Bundesrat Drucksache 90/13), der im Hinblick auf den Schutz der Bevölkerung und insbesondere der Nachtruhe die weitgehenderen und ernsthafteren Vorschläge unterbreitet. Die Landesregierung wird beauftragt die Gesundheits- bzw. Krankheitskosten die im Zusammenhang mit dem BER dem System der Krankenversicherungen entstehen zu evaluieren und jährlich zu veröffentlichen. gemäß der Landtagsbeschlüsse 5/6894-B, 5/6916-B und 5/7376-B und im Sinne des Lärm- und Gesundheitsschutzes am Flughafen BER ein generelles
Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr zu gewährleisten. Ausnahmen von der Regelung sollen eindeutig und abschließend definiert werden, wie z.b. Rettungsflüge, Katastrophenschutz, Notlandungen etc. das generelle Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr spätestens zur Eröffnung des BER zu regeln. Begründung: Bereits bei der Anhörung am 7.4.2011 des Verkehrs- und des Umweltausschusses, auf das Wortprotokoll wird verwiesen, wurde durch den international anerkannten Kardiologen Prof. Martin Kaltenbach auf die Problematik, Folgen und Konsequenzen des Fluglärms und des Nachtflugs hingewiesen. Der Landtag Brandenburg und die Landesregierung haben daraus aber bisher keinerlei Konsequenzen für eigenes Handeln gezogen. Der Landtag Brandenburg und die Landesregierung wurden in der Vergangenheit vielfältig auf die Diskrepanz zwischen den medizinischen Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung und den von Regierung und Verwaltung angesetzten Grenzwerten hingewiesen. Lärm und insbesondere Fluglärm und Nachtfluglärm sind auch nach Meinung des Bundesumweltamtes ernst zu nehmende Risikofaktoren für große Teile der Wohnbevölkerung und der Volksgesundheit mit ernst zu nehmenden Folgen für die Morbidität und Mortalität in der Zukunft und daraus resultierende unabsehbare Kosten für das Gesundheitssystem und die sozialen Sicherungsnetze in Deutschland. Die einschlägige Untersuchung im Auftrage des Umweltbundesamtes wurde durch Prof. Eberhard Greiser im Jahr 2010 abgeschlossen und trägt den Titel Risikofaktor nächtlicher Fluglärm - Abschlussbericht über eine Fall-Kontroll-Studie zu kardiovaskulären und psychischen Erkrankungen im Umfeld des Flughafens Köln-Bonn. Weil offensichtlich die Zeit überreif ist und auch für die Deutsche Ärzteschaft die Untätigkeit von Politik, und Verwaltung nicht mehr zeitgemäß und vor allem hinnehmbar erschien, hat sich der 115. Deutsche Ärztetag der Problematik angenommen und aus medizinisch notwendiger Sicht Forderungen aufgestellt (https://www.fluglaermfakten.de/images/dokumente/entschliessung_115_deutscher_aerztetag_2012_fluglaerm.pdf). Die Bundesärztekammer ist die Spitzenorganisation der ärztlichen Selbstverwaltung. Sie vertritt die ca. 420.000 Ärzte in Deutschland. Der Deutsche Ärztetag ist die jährliche Hauptversammlung der Bundesärztekammer, auf die 250 Delegierte von 17 deutschen Ärztekammern entsandt werden. Zu seinen Aufgaben zählt das Erarbeiten von bundesweiten Regelungen zum Berufsrecht und Positionen zur Gesundheitspolitik. Das Parlament der Deutschen Ärzteschaft ist zugleich das höchste beschlussfassende Gremium der deutschen Ärzteschaft.
Die Entschließung des Ärztetages sollte für Politik und Verwaltung hinreichender Grund sein, endlich aufzuwachen und sich des Problems anzunehmen und nicht weiter aus falsch verstandener Wirtschaftsfreundlichkeit anachronistische Zustände hinzunehmen und weiter zu prolongieren. Der 117. Deutsche Ärztetag tagte vom 27. bis zum 30. Mai 2014 (https://www.fluglaermfakten.de/images/dokumente/entschliessung_117_deutscher_aerztetag_2014_laermind uzierte_gesundheitsschaeden.pdf). Hier wurde beklagt, dass die Adressaten in Bund und Ländern seit dem Beschluss des 115. Ärztetags auf diesem Bereich keine Verbesserungen bewirkt hätten. Zudem wurde auf eine aktuelle Studie verwiesen, die die Kosten, die dem Krankenversicherungssystem durch Lärm und andere Flugzeugemissionen entstehen, alleine für Frankfurt auf 160 Millionen pro Jahr beziffert (https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0033-1333785). In allen Städten in Deutschland, die über große Flughäfen verfügen, bestehen laut Aussage der Ärzteschaft vergleichbare Kosten und Probleme. Dadurch, dass durch vermeidbaren (Flug-) Verkehrslärm ausgelöste Krankheiten aus Versichertengeldern bezahlt werden, wird der Ärzteschaft und dem Gesundheitssystem überall in Deutschland aus den begrenzten Budgets mit Billigung der Verantwortlichen in der Politik Geld entzogen. Aus Sicht der Ärzteschaft hat Prävention immer Vorrang vor der Therapie eindeutig vermeidbarer Krankheiten. Ärzte haben nach eigener Auffassung die Pflicht auf Missstände hinzuweisen, um die Bevölkerung vor unnötigen Gesundheitsgefahren zu warnen. Aus Sicht der Ärzte ist es außerdem unverantwortlich, wenn krankmachende Wirtschaftszweige finanziell gefördert werden, und die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung aktiv darunter leidet. In seiner Entschließung bezieht sich der 117. Deutsche Ärztetag ausdrücklich auf das Sondergutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen SRU, das im März 2014 unter dem Titel Fluglärm reduzieren veröffentlicht wurde (http://www.umweltrat.de/shareddocs/downloads/de/02_sondergutachten/2012_20 16/2014_03_KF_Fluglaerm.html). Hier wurde eine Vielzahl von Vorschlägen ausgearbeitet, die letztlich dem Schutz der menschlichen Gesundheit vor Fluglärm dienen. Auch über die Entschließung des Ärztetages hinaus sollte dem SRU-Gutachten und insbesondere seiner Empfehlung eines Nachtflugverbots von 22 bis 6 Uhr großes Gewicht beigemessen werden. Der Sachverständigenrat für Umweltfrage SRU ist ein bedeutendes wissenschaftliches Beratungsgremium der deutschen Bundesregierung. Der SRU begutachtet die Umweltsituation in Deutschland und berät die Bundesregierung hinsichtlich ihrer zukünftigen Umweltpolitik. Der Umweltrat ist nicht an Weisungen gebunden und entscheidet selbst über die Themen seiner Gutachten, Stellungnahmen und sonstigen Publikationen.
Ein Antrag auf ein Nachtflugverbot am BER zum Schutz der menschlichen Gesundheit (Drucksache 5/5800) wurde vom Landtag Brandenburg am 30.08.2012 abgelehnt. Allerdings waren in der Zwischenzeit Ereignisse zu verzeichnen, die eine politische Neubewertung des Gegenstands notwendig machen, denn zum einen hat es ein erfolgreiches Volksbegehren mit 106.000 Unterschriften von Brandenburger Bürgerinnen und Bürgern gegeben, das bewiesen hat, dass das Nachtflugverbot nicht die Forderung einer verschwindend kleinen Minderheit von Betroffenen ist, sondern von einer großen Bevölkerungsgruppe getragen und geteilt wird. Darüber hinaus hat der Landtag mehrheitlich am 27.02.2013 und am 05.06.2013 Beschlüsse zur Annahme des Volksbegehrens gefasst. Beides sind Tatsachen, die eine politische Neubewertung des Nachtflugverbots erforderlich machen bzw. direkten Einfluss auf die Mehrheiten im Landtag Brandenburg haben, was eine neue Abstimmung auch über diesen Teil des vorliegenden Entschließungsantrags im Parlament erforderlich macht. Fraktion Bündnis 90/Die Grünen