Reminiscere Lukas 15,

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Transkript:

1 Reminiscere Lukas 15, 11-32 04.03.2007 Menschsein anders 11 Und er sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne. 12 Und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Erbteil, das mir zusteht. Und er teilte Hab und Gut unter sie. 13 Und nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land; und dort brachte er sein Erbteil durch mit Prassen. 14 Als er nun all das Seine verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land, und er fing an zu darben 15 und ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. 16 Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Säue fraßen; und niemand gab sie ihm. 17 Da ging er in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! 18 Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. 19 Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich zu einem deiner Tagelöhner! 20 Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater, und es jammerte ihn; er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn. 21 Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße. 22 Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße 23 und bringt das gemästete Kalb und schlachtet es; lasst uns essen und fröhlich sein! 24 Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein. 25 Aber der ältere Sohn war auf dem Feld. Und als er nahe zum Hause kam, hörte er Singen und Tanzen 26 und rief zu sich einen der Knechte, und fragte, was das wäre. 27 Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wiederhat. 28 Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein Vater heraus und bat ihn. 29 Er antwortete aber und sprach zu seinem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich gewesen wäre. 30 Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut mit Huren verprasst hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet. 31 Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist dein. 32 Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden. In der Passionszeit bedenken wir den Leidensweg Jesu. Er wurde verurteilt, er litt, er starb am Kreuz. Er litt und starb um unsertwillen. Bei seinem letzten Mahl mit den Jüngern, beim Abendmahl, gab er sein Vermächtnis. Er verteilte das Brot: mein Leib, für euch gegeben, und reichte den Kelch herum: mein Blut, für euch vergossen. Jesus starb für uns, an unserer Stelle. Er

2 trug unsere Schuld, mehr noch: die Schuld der ganzen Welt. Die Strafe, die anderen uns! - zugedacht war, lag auf seiner Schulter. Durch den sühnenden Tod Jesu ist unsere Schuld getilgt. Wir stehen frei und erlöst vor Gott da. Uns wird neues Leben geschenkt. Einer starb, damit wir leben. Wie geht das? Welche Schuld wird dort am Kreuz weggetragen? Welche Strafe erleidet dieser Jesus? Was ist das für ein Gott, der seinen Auserwählten so preisgibt? Ich will es anders sagen. Jesus zeigt uns in seinem Leben und Leiden den wirklichen Gott. Er bringt uns Gott ganz nahe. Er bringt uns Gottes Reich, Gottes Wirkungen, ganz nahe. Jesus zeigt uns in seiner Hingabe und Aufopferung, wie sehr Gott den Menschen liebt. Er lebt sichtbar den Gott, der sich ganz und gar auf den Menschen einlässt. In Jesus wird Gott ganz menschlich, rückt er dem Menschen ganz nahe, bis hinein in Leiden und Tod, Verurteilung und Spott, Einsamkeit und Verzweiflung. Wenn der sterbende Jesus schreit: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?, dann ist Gott gerade da nahe. Gott leidet mit. Gott stirbt mit ihm. Zu ihm bekennt sich Gott am Ostertage: Gott hat diesen Jesus auferweckt. So bedingungslos wirbt Gott um den Menschen, lebt er seine Liebe. Diese Liebe fürchtet nicht einmal den Tod. Sie nimmt den Tod auf sich, um ihn in seiner Macht und in seinem Schrecken für immer zu überwinden. Jesus zeigt uns, was Gottes Liebe ist, in seinem Leben und Leiden. Er erzählt von dieser einzigartigen Liebe Gottes zum Menschen. Gottes ganze Menschlichkeit wird in den Gleichnissen Jesu erkennbar. Ein ganz besonderes Gleichnis ist die Geschichte von den beiden Söhnen. Es könnten auch zwei Töchter sein. In der Geschichte aber sind es zwei Söhne, darum erzähle ich auch so. Diese Geschichte erzählt, was Jesus lebt. Da sind zwei Söhne eines Geschäftsmannes. Auf beiden ruht gewiss der Stolz des Vaters. Der Ältere wird wahrscheinlich das Geschäft erben. Er wird eingearbeitet und auf die Nachfolge vorbereitet. Der Jüngere will sein Glück anderswo suchen. Er lässt sich sein Erbe auszahlen. Das war mit Sicherheit keine Kleinigkeit für ein Geschäft, egal ob es ein landwirtschaftlicher oder handwerklicher Betrieb war. Die Hälfte des Kapitals musste herausgezogen werden. Der Vater tat es. Er zahlte seinen jüngeren Sohn aus. Der nahm das viele Geld und zog fröhlich von dannen. Endlich frei, endlich unabhängig, endlich reich, endlich weg von der Knute seines Vaters! Jetzt konnte er das Leben richtig anfangen. Er setzte sein Geld geschickt ein, machte aus sich und seinem

3 Geld etwas, offenbar so richtig das 'schnelle Geld', wurde reich, hatte viele Freunde, feierte Partys, konnte sich die Frauen aussuchen, die ihn alle haben wollten. Was war er doch für ein Glückspilz! Vielleicht hat er manchmal an zu Hause gedacht, wie eng, kleinkariert und bieder das Leben dort gewesen war. Nun, sollte sein Bruder doch so leben er jedenfalls würde mehr aus sich machen. Er wollte leben, lieben, die Welt auskosten: Hauptsache heute, Hauptsache Spaß! So ging es eine Weile, bis eine Wirtschaftskrise kam. Der Junge verlor viel Geld, er war unerfahren, schließlich verlor er sogar alles. Die Klügeren hatten sich rechtzeitig abgesetzt. Er aber wollte es nicht wahrhaben, konnte es nicht glauben, dass es einmal so rapide abwärts gehen konnte. Eines Tages war es so weit: Er war mittellos. Alles war weg, alles Geld, all sein schöner Besitz. Seine Freunde blieben auf einmal auch alle weg: kein Geld, kein Spaß, kein Freund, keine Freundin. Mit Mühe suchte er Gelegenheitsjobs, um sich über Wasser zu halten. Seine Not war so groß, dass er jede Arbeit annahm. Er ging zum Schweinehüten und hatte Hunger auf das, was er den Schweinen zu Fressen gab, und durfte doch nicht einmal davon nehmen. Wo war nur sein Glück geblieben? Er dachte jetzt immer öfter an zu Hause. Er dachte jetzt aber ganz anders an seinen Vater und an seinen Bruder als vor einiger Zeit. Wie gut erschien ihm auf einmal der elterliche Betrieb! Dort hatten sie weiterhin Arbeit, dort verdiente man Geld, dort hatten die Angestellen Brot zum Leben! Das Geschäft war solide und konnte der Krise trotzen. Wenn er doch nur wieder dort sein könnte! Wenn er doch nur noch einmal neu anfangen könnte! Wenn er doch nur die Zeit zurückdrehen könnte! Er sah es jetzt: Er hatte viel falsch gemacht. Seine Fehler und sein Leichtsinn hatten ihn sein ganzes Vermögen gekostet. Er hatte sein leben zerstört. Wenn er das doch nur rückgängig machen könnte! Er sah seine Schuld, aber er erkannte auch, dass er seine Chance gehabt hatte, dass es eigentlich für ihn keine zweite Chance zu Hause geben konnte. Noch einmal neu anfangen wer kann das schon? Den größten Fehler seines Lebens ungeschehen machen, wer vermag das jemals? Er war so verzweifelt, er wollte dennoch nach Hause zurückkehren, nicht als Sohn, sondern nur mit der Bitte um Arbeit. Er wollte auch seinen Vater um Verzeihung bitten für all seinen Hochmut und all seinen Leichtsinn und all seine Überheblichkeit. Vielleicht bekäme er ja ein kleine zweite Chance. An dieser Stelle bekommt die Geschichte eine unwahrscheinliche Wendung. Das normale Leben würde höchstwahrscheinlich ziemlich gnadenlos verlaufen, wer unten ist, kommt so leicht nicht wieder hoch. Die Geschichte geht aber positiv weiter und steuert auf ein happy end zu. Dennoch

4 ist sie kein Hollywood-Film. Sie erzählt gerade so von der Menschlichkeit und Barmherzigkeit Gottes. Der Vater nämlich hat sein Kind nicht, nie vergessen, wie könnte er auch? Er hat immer wieder auf seinen Jüngsten gewartet, nach Post ausgeschaut, auf einen Anruf gewartet, nach einer Email gesehen. Als er dann endlich, endlich seinen jüngsten Sohn kommen sieht, kann er nicht mehr an sich halten: Der Vater läuft ihm entgegen, zieht ihn an seine Brust, umarmt und küsst ihn. Er ist außer sich vor Freude! Der jüngere Sohn kommt gar nicht dazu, sein Sprüchlein aufzusagen, um Verzeihung zu bitten und stotternd um Arbeit nachzufragen. Der Vater ruft die Bediensteten herbei, lässt ein Bad herrichten, legt ihm neue Kleider zurecht, gibt ihm den Siegelring an die Hand, der allen deutlich macht: Dies ist der geliebte Sohn des Vaters! Der Vater tut noch mehr: Er lässt ein großes Fest ausrichten, lässt das gemästete Kalb schlachten, feiert ein Fest, wie es sonst nur bei einer Hochzeit üblich ist. Er lädt Verwandte, Freunde und Bekannte ein: Freut euch mit mir! Mein Sohn, der verloren war, ist wiedergekommen! Das ganze Haus hallt wieder von der Festfreude, von Musik und Fröhlichkeit. Der Verlorene ist wieder da! Er bekennt schließlich vor seinem Vater seine Schuld und weint sich aus an seiner Schulter. So ist Gott. So soll es unter euch Menschen sein, sagt Jesus. Es soll mehr Freude sein über einen, der wieder auf den rechten Weg zurückfindet, als über 99 andere, die sich nie verlaufen haben. Seid barmherzig, wie euer Vater im Himmel barmherzig ist! So ist Gott zu euch, das ist seine Liebe zu den Menschen, lebt doch ebenso und zeigt euch dieser Liebe würdig! Das geht in der Geschichte gleich an die Adresse des älteren Sohnes. Er reagiert, wie wir es sofort erwarten würden, wie es für uns ganz verständlich ist. Als er von dem Freudenfest erfährt und den Grund hört, will er nicht hineingehen und mitfeiern. Er ist ärgerlich, fühlt sich zurückgesetzt, macht dem Vater Vorwürfe. Nie hast du mir etwas geschenkt, sagt er, nie hast du auch nur ein kleines Fest für mich und meine Freunde ausgerichtet, alles musste ich selber bezahlen! Und nun, wo dieser Hallodri heimkommt, jetzt, wo mein treuloser und verantwortungsloser Bruder Leichtsinn wieder da ist, da wird ihm zu Ehren ein Fest gefeiert, wie es hier selten ein fest gegeben hat? Das ist ungerecht! Da mache ich nicht mit! Da machen wir nicht mit. Alle unsere Erfahrung spricht dagegen, dass Barmherzigkeit und Vergebung so weit gehen sollten. Das könnte Schule machen, das wäre doch ein schlechtes Beispiel. Wer wollte sich da noch anstrengen, wenn es am Ende so leicht wäre mit der

5 Entschuldigung und mit dem Neuanfang? Strafe muss schließlich sein. Der Jüngere hatte seine Chance ja gehabt. Ende. Wo wir ein Ende setzen, fängt Gott noch einmal neu mit uns an. Wo für uns alles aus und zu Ende ist, da findet Gott eine neue Chance, einen neuen Anfang. Selbst im Tod ist für Gott noch längst nicht alles zu Ende. Für uns kann das Leben jenseits aller Todesangst neu beginnen. Jesus hat es gezeigt. Er hat es uns vorgemacht, er hat für uns gelitten, sich aufgeopfert. So wurde der neue Mensch geboren: der Mensch nach dem Herzen Gottes, - nahe dem Herzen Gottes. Der Mensch, der barmherzig ist und vergeben kann. Der Mensch, der seine wahre Menschlichkeit findet, indem er sie sich von diesem Gott schenken lässt. Der Mensch, der nun wie neu geboren ist, der neu anfangen kann, dessen Leben nun im Zeichen der Liebe, der Barmherzigkeit und der Dankbarkeit verläuft. Das wäre in der Tat ein neuer Mensch, ein neues Menschsein! Es wäre Menschsein ganz anders. Der Schwache hat wieder eine Chance, der Verlorene wird wiedergefunden, der Verzweifelte findet ein neues Leben. Das ist wohl ein Grund zur Freude. Gott zieht uns in der Nachfolge Jesu auf diesen neuen Weg der Menschlichkeit. Es ist der Weg der Menschlichkeit Gottes. Jesus ist ihn gegangen, uns voraus. Wir werden auf diesem Weg noch manchen Kampf zu kämpfen haben, gegen unsere eigene Selbstgerechtigkeit, gegen Neid, Eifersucht und Überheblichkeit. Jesus ist den Weg der Niedrigkeit gegangen, sogar durch Leiden und Sterben hindurch, damit wir für uns einen neuen Weg finden können. Es ist der Weg des Menschen im Angesicht Gottes. Es ist der Weg des Gottes, der den Menschen niemals aufgibt, sondern ihm nachgeht und ihn sucht mit seiner aufopfernden Liebe. So finden wir auf dem Weg Jesus den Gott der Liebe und Barmherzigkeit und zugleich den Menschen, der seine wirkliche Menschlichkeit findet, der durch Hölle und Tod zum Leben kommt. Amen. 2007 Dr. Reinhart Gruhn, Andreasweg 4, D - 32427 Minden dr.gruhn@g21.de