Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL Öffentliche Vorlesungen Luftfahrt Universität St. Gallen Der Einfluss supranationaler Regulierung auf die CH Raymond Cron, 16. Oktober 2007 Inhalt 1. Einleitung 2. Internationales regulatorisches Umfeld 2.1 Internationale Einbindung der Schweiz 2.2 Einflussmöglichkeiten der Schweiz 2.3 Regulatorisches Umfeld 3. Regulatorische Herausforderungen 3.1 Allgemein 3.2 EASA 3.3 SES 3.4 Regulatorische Initiativen Schweiz 4. Fazit 2 1
BAZL: Facts and Figures BAZL: Fachbehörde für öffentliche und private Zivilluftfahrt BAZL: - Aufsicht über die Zivilluftfahrt - Mitgestaltung der Rahmenbedingungen für eine gedeihliche Entwicklung der Zivilluftfahrt Wer: rund 230 Mitarbeitende Wo: Hauptstandort Ittigen bei Bern, Filiale Flughafen Zürich-Kloten Herausforderungen BAZL Sicherstellung eines hoch stehenden Sicherheitsstandards in der Schweizer Luftfahrt Mitgestaltung einer nachhaltigen Schweizer Luftfahrtpolitik Zukunftsgerichtete Positionierung der Schweiz in der europäischen Luftfahrt 3 Rollenverständnis BAZL BAZL Sicherheitsabteilungen Technik Flugbetrieb Aufsichtsbehörde Infrastruktur Abteilung Luftfahrtentwicklung Luftfahrtpolitische Behörde Regulator (Sicherheit) Regulator (Policy/Ökonomie) Anspruchsgruppen Kunden / Umfeld 4 2
Luftverkehr ist international geprägt: Der Luftverkehr ist fast immer grenzüberschreitend anders verhält es sich beim Strassen- und Schienenverkehr! Quelle: Wikipedia, Stichwort «Erde» liberalisiert: Der Staat beschränkt sich auf die Vorgabe von Rahmenbedingungen die von den Akteuren des Luftverkehrsmarktes möglichst autonom ausgefüllt werden sollen. 5 Luftfahrtsystem: Total system approach Luftfahrt vernetztes System! Services segment Airports ATM Airlines Airworthiness Economic Safety Regulatory dimension Security Environment Social aspects Network management Access/capacity management 6 3
Regulierung / Regulatorischer Prozess Regulierung: Gesamtheit derjenigen Regeln (Gesetze, Verordnungen, usw.), mit denen der Bund den Rahmen für das Funktionieren (hinsichtlich Wettbewerb, Sicherheit, Konsumentenschutz, Grundversorgung etc.) eines Sektors vorgibt. Audit, analysis and feedback Supervision/ monitoring Rule preparation Regulatory activities Certification/ licensing/ approval Rule setting Implementation support Oversight 7 Inhalt 1. Einleitung 2. Internationales regulatorisches Umfeld 2.1 Internationale Einbindung der Schweiz 2.2 Einflussmöglichkeiten der Schweiz 2.3 Regulatorisches Umfeld 3. Regulatorische Herausforderungen 3.1 Allgemein 3.2 EASA 3.3 SES 3.4 Regulatorische Initiativen Schweiz 4. Fazit 8 4
Internationale Einbindung der Schweiz ICAO JAA ECAC Azerbaijan Georgia Eurocontrol Albania Armenia Bosnia H Croatia FYROM Monaco Moldova Serbia Ukraine Turkey Norway Switzerland Iceland European Union Estonia Latvia Austria Belgium Bulgaria Czech Rep. Cyprus Denmark Finland France Germany Greece Hungary Ireland Italy Lithunania Luxembourg Malta Netherlands Poland Portugal Romania Slovak Rep. Spain Slovenia Sweden U.K. EASA 9 Internationale Einbindung der Schweiz Europäische Ebene 1 Bilaterale Luftverkehrsabkommen Im Aviatik-Bereich ist die Schweiz faktisch EU-Mitglied. Die Bewirtschaftung erfolgt über den gemischten Ausschuss Schweiz EU. 2 EASA (European Aviation Safety Agency) Teilnahme der Schweiz seit 01.12.2006, Schweiz ist im Verwaltungsrat ohne Stimmrecht vertreten ECAC (European Civil Aviation Conference) Schweizer Vizepräsident Eurocontrol Schweizer Vizepräsident 10 5
Internationale Einbindung der Schweiz Einflussmöglichkeiten Schweiz Formell Bilaterale Verträge Gemischter Ausschuss Leitungsgremien der europ. Organisationen Informell Persönliche Kontakte Einsitz in Arbeitsgruppen der ECAC, JAA, EASA, Eurocontrol Fazit Die Schweiz hat Einfluss und wird gehört Kompetenz / Engagement Die Schweiz ist im Luftfahrtbereich faktisch «EU-Mitglied», der nationale Spielraum ist eingeschränkt. 11 Regulatorisches Umfeld 1/2 Sitz Schweiz Mitglied seit «Regelwerk» ICAO International Civil Aviation Organization Montreal 1944 (Gründungsmitglied) Annexe zur ICAO Convention EU Europäische Union Brüssel Nicht-Mitglied (bilaterale Verträge in Kraft seit 01.06.2002) EU-Erlasse (In-Kraft- Setzung) EASA European Aviation Safety Agency Köln 01.12.2006 (Teilnahme) EU-Erlasse (Vorbereitung und Umsetzung) Eurocontrol Eurocontrol Brüssel 01.07.1992 (Beitritt) ESARRs (Safety Regulatory Requirements) 12 6
Regulatorisches Umfeld 2/2 Anwendbarkeit der «Regelwerke» ICAO - Standards: direkt anwendbar supranat. Regulierung (Ziel: minimaler, weltweiter Sicherheitsstandard) - Recommendations: Übernahme ins nationale Recht, sofern sachlich gerechtfertigt und gesetzgeberischer Handlungsspielraum besteht EU (inkl. EASA) - direkt anwendbar nach Aufnahme in den Anhang des Luftverkehrsabkommens durch den Geminschten Ausschuss EG CH supranationale Regulierung EUROCONTROL - praktisch direkt anwendbar (nach Art. 3 VFSD) 13 Inhalt 1. Einleitung 2. Internationales regulatorisches Umfeld 2.1 Internationale Einbindung der Schweiz 2.2 Einflussmöglichkeiten der Schweiz 2.3 Regulatorisches Umfeld 3. Regulatorische Herausforderungen 3.1 Allgemein 3.2 EASA 3.3 SES 3.4 Regulatorische Initiativen Schweiz 4. Fazit 14 7
Allgemeine regulatorische Herausforderungen Luftfahrtsystem Europa Bewältigung des Wachstums des Luftverkehrs Bewältigung der Folgen der globalen Liberalisierung Gewährleistung eines hohen Sicherheitsniveaus Schutz vor Terror Reduktion der Umweltbelastung Luftfahrtsystem Schweiz im Speziellen Mithalten mit globalen und europäischen Entwicklungen Verhindern der Marginalisierung Fazit: Modernisierung der Luftfahrtsysteme ist zwingend 15 Spezifische regulatorische Herausforderungen: EASA Europäische Agentur für Flugsicherheit EASA Ziel: eine europäische Sicherheitsbehörde, die alle safetyrelevanten Bereiche der Zivilluftfahrt bearbeitet Teilnahme der Schweiz an der EASA aus Sicherheits- und Wettbewerbsgründen von zentraler Bedeutung! Politischer Prozess abgeschlossen: Teilnahme der Schweiz an der EASA ab 1. Dezember 2006 Rollenteilung zwischen EASA und nationalen Luftfahrtbehörden im Fluss neues Rollenverständnis für die nationalen Behörden Luftfahrtpolitik ist und bleibt eine nationale Aufgabe, die aber einen starken europäischen Bezug aufweist. 16 8
Spezifische regulatorische Herausforderungen: EASA Regulatorische Aufgaben - Unterstützung der EU-Kommission bei der Ausarbeitung von Regeln und Standards - Überwachung der Umsetzung der Regeln und Standards in den Mitgliedstaaten Heutige Aufgabenbereiche: Airworthiness - Ausstellung von Typenzertifikaten für Luftfahrzeuge - Ausstellen von Zertifikaten für Designerbetriebe in der EU - Ausstellen von Zertifikaten für Designer-, Herstellerund Unterhaltsbetriebe in Drittstaaten Zukünftige Aufgabenbereiche - Betrieb von Luftfahrtunternehmen / Luftfahrtpersonal (2008/2009) - Flugsicherung (2013) / Flughafenbetrieb (2010) Rule preparation Audit, analysis and Rule feedback setting Regulatory activities Supervision/ Implemen- monitoring tation support Certification/ licensing/ approval 17 Rechtlicher Rahmen der EASA 1/2 Verbindliche Rechtsvorschriften der EU treten in der Schweiz erst nach Übernahme im Rahmen des bilateralen Luftverkehrsabkommens (Beschluss GA EU CH) unmittelbar in Kraft. Die Notwendigkeit der Übernahme führt betreffend Inkrafttreten zu einer Verspätung von rund 6 bis 12 Monaten gegenüber der EU. Die Frage, ob rein technische Vorschriften mit einem Verfahren light übernommen werden könnten, wird zur Zeit studiert. 18 9
Rechtlicher Rahmen der EASA 2/2 EASA-Grundverordnung 1592/2002 Standards («Hard law») Recommendations («Soft law») Acceptable Means of Compliance (AMC) Guidance Material (GM) Certifications Specifications (CS) Durchführungsvorschrift «Airworthiness» 1702/2003 (Part21, EASA Forms) Part 21 AMC / GM CS (Airworthiness Codes) Administrative Erlasse Gebührenverordnung 488/2005 «Standardisation»- Verordnung 736/2006 SAFA-Verordnung 768/2006 Durchführungsvorschrift «Maintenance» 2042/2003 (Part M, Part 145, Part 66, Part 147, App.) Part M Cont. Airworthiness AMC / GM Part 145 Maintenance Organisation Approvals AMC / GM Part 66 Certifying Staff AMC / GM Part 147 Training Org.s AMC / GM 19 EASA: Supranationale Regulierung Vorteile Erhöhung der Sicherheit durch einheitliche Standards Vollintegration der CH in EU im Bereich der Safety Freier Marktzugang innerhalb Europas für CH-Industrie CH kann gegenüber Drittstaaten als Teil des Partners EU auftreten Nachteile Schwerfälligkeit der Institutionen Undifferenzierter regulatorischer Ansatz Verzögerungen durch den speziellen Übernahmeprozess Industrie bleibt u.u. wenig Zeit zur Umsetzung der neuen Vorschriften Spezielle Situation CH: CH hat Mitspracherecht, aber als Nicht-EU-Mitglied kein Mitbestimmungsrecht 20 10
Spezifische regulatorische Herausforderungen: SES Der Single European Sky SES ist eine Initiative der EU, Ziel des SES: Steigerung der Sicherheit, Effizienz und der Kapazitäten im Luftraum (Performancesteigerung) Dies soll erreicht werden durch - Vereinheitlichung der Flugsicherungsdienstleistungen - Verminderung der Fragmentierung zwischen Staaten, zivilem und militärischem Luftverkehr sowie zwischen technischen Systemen - Rahmen schaffen für die Einführung neuer Technologien in der Flugsicherung Die drei wichtigsten Massnahmen des SES sind: - Zertifizierung von Flugsicherungsunternehmen - Bildung von Funktionalen Luftraumblöcken (FAB) - SESAR (SES Air Traffic Management Research) 21 Regulatorische Initiativen Schweiz Umsetzung Luftfahrtpolitscher Bericht des Bundesrates (Dez. 2004) Änderung Art. 86 BV; Neue Zweckbindung der Kerosinabgaben (Botschaft am 29.8.07 verabschiedet) Revision Luftfahrtgesetz (LFG) im Rahmen von drei aufeinander abgestimmten Teilrevisionen: - LFG Paket 1: Luftfahrtpolitische Grundsätze; Economic Regulation, Finanzierung Aufsicht, Verfahrensstraffung, Luftfahrtdaten (Verabschiedung Botschaft Herbst 08) - LFG Paket 2: Überarbeitung der Bewilligungsverfahren im Infrastrukturbereich, - LFG Paket 3; Bundeseinfluss auf Landesflughäfen sowie Regelung der Trägerschaft, Revision zahlreicher Verordnungen 22 11
Regulatorische Initiativen Schweiz Kapazität der Flughäfen Zukünftiger Engpass im Luftfahrtsystem Wachstumsziele stehen im Widerspruch zu Klimazielen und den Interessen der Bevölkerung (Stichwort Lärm) Flughäfen müssen Ihre Verantwortung für die lokale «Lizenz zum Wachsen» in Zukunft verstärkt wahrnehmen Umwelt Verstärkte Anstrengungen im Umweltbereich sind nötig, um weiterhin nachfrageorientiertes Wachstum der Luftfahrt zu ermöglichen Ziel: ganzheitliche, europäische Umwelt-Strategie: - verbessertes «gate to gate» Air Traffic Management - noch sauberere und leisere Flugzeuge - Markt-orientierte Lösungen (ETS) 23 Inhalt 1. Einleitung 2. Internationales regulatorisches Umfeld 2.1 Internationale Einbindung der Schweiz 2.2 Einflussmöglichkeiten der Schweiz 2.3 Regulatorisches Umfeld 3. Regulatorische Herausforderungen 3.1 Allgemein 3.2 EASA 3.3 SES 3.4 Regulatorische Initiativen Schweiz 4. Fazit 24 12
Fazit 1/2 Einfluss supranationaler Regulierungen auf die Schweiz: Die Komplexität und Internationalität der Zivilluftfahrt nimmt laufend zu; die Regulationstiefe und -breite wird in Europa konsequent ausgebaut Der nationale Handlungsspielraum ist eingeschränkt: - Möglichst wenig Abweichung von internationalen Normen und Standards, Übernahme der EU-Bestimmungen Die nationalen Zivilluftfahrtsysteme sind im: - Sicherheitsbereich durch supranationale Regulationen bestimmt - Markt-/Wettbewerbsbereich durch nationale und supranationale Regulationen bestimmt - Im Bereich der Entwicklung der luftseitigen Infrastruktur durch nationale und supranationale Regulationen bestimmt - Im Bereich der Entwicklung der landseitigen Infrastruktur durch nationale Regulationen bestimmt Das regulatorische Umfeld entwickelt sich mit hoher Dynamik Herausforderung für die Luftfahrtindustrie und die Behörden 25 Fazit 2/2 Die Europäisierung der Schweizer Zivilluftfahrt ist Tatsache, die Schweiz ist nicht unabhängig in ihren Handlungen, sondern «eingebettet in Europa». Quelle: myswitzerland.com Herausforderung für die Schweiz: Einbringung der Schweizer Interessen innerhalb Europas Leistung eines konstruktiven Beitrags auf europäischer Ebene Optimale Gestaltung der verbleibenden nationalen Spielräume 26 13