05. 2013 65. Jahrgang W&B Wirtschaft Beruf Zeitschrift für berufliche Bildung Duale PersPektiven akademisierung? Berufsausbildung unter Druck Drei in eins Kaufmann/-frau für Büromanagement sie sind anders Jugendforscher Klaus Hurrelmann
Praxisdialog Duales Studium Das duale Studium stellt im Zusammenhang mit einem drohenden Mangel an qualifizierten Mitarbeitern ein geeignetes Instrument des Personalwesens dar. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen können über das duale Studium attraktive Stellen schaffen, Nachwuchskräfte anwerben und diese langfristig an das Unternehmen binden. Prof. Dr. Alexander Bode und Katja Müller Zunehmende Komplexität und Dynamik im Markt- und Wettbewerbsumfeld erhöhen die Anforderungen an die Mitarbeitenden im Unternehmen: Kundenorientierte Produkte und Leistungen müssen unter Berücksichtigung ökologischer und gesellschaftlicher Aspekte entwickelt, hergestellt und vermarktet werden. Gleichzeitig bedingt die demografische Entwicklung eine zunehmende Knappheit an qualifizierten Arbeitskräften, die den gestiegenen Anforderungen im Unternehmen gerecht werden müssen. Hier bietet das duale Studium mit seiner Koppelung zwischen beruflicher Ausbildung und Hochschulstudium viele Chancen, die aber noch nicht ausreichend genutzt werden. Trotz der Vorteile scheuen sich vor allem kleine und mittlere Unternehmen häufig vor einer Einführung, da sie entweder keine geeigneten Ansprechpartner kennen oder einen hohen organisatorischen Aufwand befürchten. Zum Teil sind sie darüber hinaus über die Vorzüge des dualen Studiums schlecht oder gar nicht informiert. Das Duale Studium Hessen, das mehr als 20 Anbieter dualer Studiengänge in Hessen unter einer Dachmarke vereint, fokussierte mit einem eigenen Projekt die gezielte Unternehmensansprache, um Barrieren abzubauen und vermehrt kleine und mittelständische Unternehmen als Praxispartner für duale Studiengänge gewinnen zu können. So übernahm 2011 und 2012 die HESSENMETALL Cluster-Initiative im Rahmen der Dachmarkenkampagne die hessenweite systematische Unternehmensansprache in enger Kooperation mit dem Verband der Metall- und Elektro-Unternehmen Hessen e.v. Die Metall- und Elektroindustrie wurde als Zielbranche des Praxisdialogs ausgewählt, da sie in Hessen die stärkste Branche darstellt, stark mittelständisch geprägt ist und viele Berufsfelder vereint, die in dualen Studiengängen angeboten werden. Nach Abschluss des Projektes kann auf einige zentrale Ergebnisse zurückgeblickt werden, die in diesem Beitrag ausgehend vom Ansatz des regionalen Kooperationsmanagements geschildert werden sollen. 30 Wirtschaft und Beruf 05. 2013
Regionales Kooperationsmanagement zur zielgerichteten Information von Unternehmen Um die Projektziele Gewinnung von Praxispartnern und Weiterentwicklung von dualen Studiengängen zu erreichen, wurde der Ansatz des regionalen Kooperationsmanagements umgesetzt. Für die Regionen Nord-, Mittel- und Südhessen gab es jeweils eine feste Ansprechperson, die aktiv den Kontakt zu den fokussierten Metall- und Elektro-Unternehmen suchte. Ein zentraler Erfolgsfaktor des Ansatzes ist darin zu sehen, dass das Kooperationsmanagement neutral agieren konnte und gemeinsam mit den Unternehmen bedarfsgerecht passende duale Studienangebote bei zum Teil unterschiedlichen Bildungsanbietern identifizieren konnte. Der enge Kontakt zu den jeweiligen Unternehmen in den Regionen wurde im Wesentlichen durch die enge Zusammenarbeit mit den HESSENMETALL-Bezirksgruppen möglich. Darüber hinaus wurden regionale Runde-Tische- Veranstaltungen gemeinsam mit Unternehmen und Bildungsanbietern organisiert, bei denen die Unternehmensbedarfe erfasst und gebündelt werden konnten. Die Erkenntnisse über die Bedarfe der Unternehmen im dualen Studium wurden dadurch effizient an die Bildungsanbieter kommuniziert und in einem gemeinsamen Prozess weiterentwickelt. Als Erfolgsbeispiel für eine besonders enge Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Bildungsanbietern in der Studiengangsentwicklung wird im Folgenden der neue duale Masterstudiengang Energieeffiziente Systeme in Kälte-/Klima- und Elektrotechnik vorgestellt. Initiierung eines dualen Masterstudiengangs Die Entwicklung des dualen Masterstudiengangs Energieeffiziente Systeme in Kälte-/Klima- und Elektrotechnik zeigt eindrucksvoll das Vorgehen und die Potenziale der proaktiven, neutralen Unternehmensansprache. In einem Beratungsgespräch mit einem Unternehmen, das sich durch die Kontaktaufnahme bei einer Karrieremesse ergeben hatte, wurde der Bedarf nach einem dualen Masterstudiengang im Bereich der Kälte- und Klimatechnik identifiziert. Um diesen Bedarf an einer größeren Stichprobe zu reflektieren, wurde in Absprache mit einem Bildungsanbieter eine Online-Befragung erstellt und über die E-Mail-Verteiler der Kampagne und von HESSENMETALL versendet. Die Rückmeldungen ergaben einen Bedarf nach einem branchenübergreifenden dualen Master-Studienprogramm, welcher Aspekte der Kälte- und Klimatechnik mit der Elektrotechnik verbindet. Im nächsten Schritt konnten zwei hessische Bildungsanbieter für eine Kooperation gewonnen werden. In mehreren Gesprächen und zwei Workshops gemeinsam mit Unternehmensvertretern wurde ein innovatives Konzept entwickelt, das nach einem erfolgreichen Akkreditierungsprozess im Wintersemester 2014 starten soll. In dieser Studiengangsinitiative sind insbesondere drei Aspekte mit Neuheitscharakter hervorzuheben. Erstens zeigt die Entwicklung eines dualen Masterstudiengangs das Potential, das für die Zukunft in dualen Studienangeboten steckt und weit über die bisherigen Bachelorangebote hinausgeht. Wie der Überblick zu dualen In dualen Masterstudiengängen steckt Zukunftspotenzial Studiengängen in Deutschland ergibt, nimmt das Bundesland Hessen hinsichtlich dualer Masterangebote eine der Vorreiterrollen ein. Zweitens ist die Kooperation von zwei Bildungsanbietern hervorzuheben. So wird durch das Einbringen der Kernkompetenzen beider Partner ein fundiertes Studienprogramm geschaffen, was den Unternehmen einen umfassenden Mehrwert stiftet. Nicht zu vernachlässigen ist der Austausch, der sich durch diese Kooperation ergibt, in dem beide Partner voneinander lernen können. Drittens wurde das Vorgehen von allen Beteiligten als sehr effizient beurteilt. Durch eine große Plattform an Unternehmenskontakten und einen neutralen Ansprechpartner wurden viele Unternehmen erreicht, die mit wenig Aufwand ihre Bedarfe und Ansprüche kommunizieren konnten. Durch die Bündelung dieser Informationen erhielten die Bildungsanbieter einen Überblick über einen potenziellen Markt, für den in Zukunft zielgerichtet und mit guter Informationsbasis ein Angebot entwickelt werden konnte. 05. 2013 Wirtschaft und Beruf 31
Gewinnung neuer Praxispartner Die Gewinnung neuer Praxispartner erfolgte im Prozess als eine gezielte Unterstützung der Unternehmen in den sieben Phasen der Einführung dualer Studiengänge im Unternehmen (Abb. 1). Diese sieben Phasen erstrecken sich aufgrund der Strukturen und operativen Belastungen kleiner und mittelständischer Unternehmen häufig über mehrere Monate. In der Regel findet der tatsächliche Start eines dualen Studiums zum Wintersemester statt. Aufgrund der hohen Flexibilität, die sich in Hessen durch den pluralistischen Ansatz mit mehr als 20 Bildungsanbietern im dualen Studiensystem ergibt, ist in einigen Fällen auch ein Start zum Informationsphase Involviert: U, BA Entscheidungsphase Involviert: U Initiierung Kooperationsphase Involviert: U, BA Bewerbermanagementphase Ausgestaltungsphase Durchführungsphase Evaluationsphase U = Unternehmen; BA = Bildungsanbieter; S = Studierende Abb. 1: Phasen zur Einführung des dualen Studiums im Unternehmen Neue Entscheidungsfindung Sommersemester möglich. Allen dualen Studiengängen gemeinsam ist jedoch die Abwechslung zwischen Theoriephase an der Hochschule oder Berufs akademie und Praxisphase im Unternehmen. Wechsel zwischen Theorie und Praxis als Markenzeichen Insgesamt kann das Projektteam auf persönliche Gespräche zum dualen Studium mit über 360 Unternehmen, zwei Veröffentlichungen in Fachzeitschriften für Personalmanagement, fünf Runde-Tische-Veranstaltungen ( Praxisdialoge ) in allen Regionen Hessens sowie zahlreiche Messeauftritte und -besuche verweisen. So konnten in der Projektlaufzeit bereits mehr als zehn Unternehmen bis zur Durchführungsphase begleitet und als Praxispartner gewonnen werden. Für weitere 90 Unternehmen sieht das Projektteam eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass diese sich zukünftig aktiv an dualen Studiengängen beteiligen. Mit den insgesamt neun Initiativen zur Einführung neuer dualer Studiengänge, die innerhalb des Projektes aktiv unterstützt und mitgestaltet wurden, wird das Potenzial für weitere Studienplätze geschaffen. Analyse dualer Studienangebote in Deutschland und Europa Die Begleitforschung zum Projekt Praxisdialog stellt dem Dualen Studium Hessen im innerdeutschen Vergleich ein gutes Zeugnis aus. Dieses rechtfertigt sich insbesondere durch eine hohe Flexibilität, die sich durch die über 20 aktiven Bildungsanbieter ergibt, verbunden mit der gezielten proaktiven Information und Beratungstätigkeiten, die sich im Rahmen der Dachmarke Duales Studium Hessen an alle drei Akteure richtet: Schülerinnen und Schüler bzw. Studierende, Unternehmen und Bildungsanbieter. In einem weiteren Report wurde das duale Studium mit Bildungsangeboten aus anderen europäischen Ländern verglichen. Dies geschah mit einem klaren Urteil: 32 Wirtschaft und Beruf 05. 2013
Das duale Studium stellt für Deutschland einen Wettbewerbsvorteil dar. Die gezielte Verknüpfung von Theorie und Praxis im akademischen Bereich kann so an den andauernden Erfolg der dualen Berufsausbildung anknüpfen. Eine systematische Einbindung der Unternehmen als Praxispartner mit einem Fokus auf den Mittelstand hilft, diesen Wettbewerbsvorteil in Deutschland zu nutzen. Projektfazit Als abschließendes Fazit des Projekts lässt sich die Ausweitung von bedarfsgerechten Angeboten dualer Studiengänge nur durch eine proaktive Unternehmensansprache innerhalb einzelner Branchen verwirklichen. Es hat sich gezeigt, dass die richtigen Ansprechpartner zur Einführung dualer Studiengänge in kleinen und mittelständischen Unternehmen die Geschäftsführung und Personalverantwortliche sind. Mit der gezielten Aufbereitung von Informationen zum dualen Studium für Unternehmer und spezifisch passenden Angeboten können die genannten Entscheider fundiert unterstützt werden. Außerdem konnten mit dem Ansatz des regionalen Kooperationsmanagements die unternehmerischen Bedarfe gebündelt an Bildungseinrichtungen weitergegeben werden. Diese gebündelte Weitergabe von Bedarfen hat es ermöglicht, dass sich beteiligte Bildungsanbieter auf ihre Kernkompetenzen, die Entwicklung und Umsetzung von Studienangeboten, konzentrieren konnten. Im Fall des neuen dualen Masterstudiengangs Energieeffiziente Systeme in Kälte-/Klima- und Elektrotechnik wurde über diesen Weg eine Kooperation zwischen zwei Bildungsanbietern angeregt, die durch Kooperation ein attraktives Angebot für gleich mehrere Branchen schaffen. Schließlich sollte die Verbindung von Theorie und Praxis im dualen Studium nicht allein über die Studierenden in ihren Theorien und Praxisphasen stattfinden, sondern auch durch Informationsaustausch und gemeinsame Aktivitäten von Bildungsanbietern und Unternehmen. Im vorgestellten Projekt konnte die HESSENMETALL Cluster-Initiative als ein geeigneter Mittler agieren und die Metallund Elektroindustrie zielgerichtet in das Duale Studium Hessen einbinden. o Informationen zum Dualen Studium Hessen finden Sie unter www.dualesstudium-hessen.de. Dort können Sie auch die Informationsmaterialien und veröffentlichten Studien herunterladen. Prof. Dr. Alexander Bode Leiter des Fachgebietes Cluster- & Wertschöpfungsmanagement an der TU Darmstadt und Leiter der HESSENMETALL Cluster-Initiative, welche in der Kampagne Duales Studium Hessen aktiv ist. Tel: 0 61 51-16 65 66; bode@cluster-initiative.de Katja Müller Dipl.-Hdl., Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, BWL: Cluster- & Wertschöpfungsmanagement, Technische Universität Darmstadt, HESSENMETALL-Stiftungsprofessur mueller@bwl.tu-darmstadt.de 05. 2013 Wirtschaft und Beruf 33
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