Worte aus dem Buch des Propheten Jesaja: Die Wüste und Einöde wird frohlocken, und die Steppe wird jubeln und wird blühen wie die Lilien. Stärkt die müden Hände und macht fest die wankenden Knie! Sagt den verzagten Herzen:»Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott! Er kommt zur Rache; Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfen.«dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden. Dann werden die Lahmen springen wie ein Hirsch, und die Zunge der Stummen wird frohlocken. Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Lande. Und wo es zuvor trocken gewesen ist, sollen Teiche stehen, und wo es dürre gewesen ist, sollen Brunnquellen sein. Wo zuvor die Schakale gelegen haben, soll Gras und Rohr und Schilf stehen. Und es wird dort eine Bahn sein, die der heilige Weg heißen wird. Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. Jesaja 35
Predigt zu Jesaja 35, 3-10 Zweiter Advent 2012 Liebe Gemeinde, starke Bilder im Advent. Der Prophet Jesaja zieht alle Register: Die Wüste wird blühen, schreibt er, Wasserströme im dürren Land. Vor Jahren bin ich mal mit dem Omnibus durch eine Wüste gefahren, eine richtige, heiße, sandige Wüste. Stundenlang nichts als Sand, Sand, Sand und eine Straße. Die Luft flimmert, die Hitze steht und man träumt von einer Oase mit frischem Wasser. Die Wüste wird blühen, schreibt der Prophet Jesaja. Das können wir uns in Hugsweier oder Langenwinkel zunächst mal gar nicht vorstellen, was das heißt. Bei uns blüht es ja sowieso, jedenfalls im Sommer. Aber im Land der Trockenheit, wo fast nie Regen fällt, da ist die Vorstellung, dass die Wüste blüht, atemberaubend. Die Wüste ist ein Bild der Trostlosigkeit, ein Bild für die Trostlosigkeit des Lebens. Und davon verstehen wir auch etwas. Mancher empfindet sein Leben wie eine Wüste, in der nichts wächst. Nur Sand, Sand, Sand. Leerlauf, jeden Tag dasselbe. Der Prophet Jesaja zieht alle Register. Er malt uns das gelingende Leben vor Augen. Er sagt nicht: wer blind ist, der sieht halt nichts, wer taub ist, der hört halt nichts, wer lahm und krumm und alt und krank ist, der hat halt nichts mehr zu erwarten und wer tot ist, der ist halt tot. NEIN, Jesaja zieht alle Register, überschlägt sich in seinen Erwartungen: Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden. Dann werden die Lahmen springen wie ein Hirsch, und die Zunge der Stummen wird frohlocken. Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Lande.
Mach langsam, Jesaja, möchten wir da sagen. Wann soll denn das sein? Übertreibst du da nicht ziemlich? Jesaja ist maßlos in seinen Zukunftsvisionen. Er gibt sich nicht ab mit dem, was ist und was wir sehen und erfahren. Er sagt das Unsagbare, er glaubt das Unglaubliche. Wer an Gott glaubt, der glaubt das Unglaubliche. Wer an Gott glaubt, der glaubt an einen Sinn hinter allem Unsinn, daran, dass am Ende nicht die Katastrophe steht, sondern --- die Vollendung. Vor ein paar Jahren war ich bei einer Konfirmation eingeladen, irgendwo im Hessischen. Viele Leute, die ich nicht gekannt habe. Die Frau, die neben mir saß beim Mittagessen, kannte ich auch nicht. Auch sie kannte mich natürlich nicht, wusste nicht, wer ich bin. Wir sind ins Gespräch gekommen, sie hat gesagt: Naja, heute ist Konfirmation. Aber ich selber bin schon vor Jahren aus der Kirche ausgetreten. In die Kirche gehen doch nur die Superfrommen oder die Heuchler. Da hab ich einen Augenblick geguckt und dann hab ich ihr gesagt: Wissen Sie, ich glaube, in der Kirche sitzen nicht die Frömmler und Heuchler, sondern da sitzen die Mühseligen und Beladenen, diejenigen, die spüren und wissen, dass sie ihr Leben nicht allein meistern können, dass sie manchmal am Ende sind mit ihrem Latein, mit ihrer Kraft Nicht die Fehlerlosen, Vorbildlichen oder die sich dafür halten, sitzen in der Kirche, sondern da sitzen die, die s halt nötig haben im wahrsten Sinne des Wortes, die manchmal keine Kraft mehr haben. Wir sind doch alle irgendwie beschädigt, können uns nicht selber trösten, brauchen das Wort, das uns MUT macht zum Leben. Und Jesaja, der sagt es uns. Die Wüste wird blühen. Der Lahme wird springen. Es gibt einen Weg, für jeden von uns. Und am Ende steht nicht der Untergang, sondern die Vollendung. Über diesen Sätzen im Jesajabuch steht obendrüber Kleine Apokalypse. 700 Jahre vor Christus ungefähr sind sie aufgeschrieben. Apokalypse, da denkt man an Weltuntergang, Apokalypse now war mal ein bekannter amerikanischer Krieg über den Vietnamkrieg, da war die Hölle los. Für Jesaja heißt Ende der Welt nicht Untergang, sondern: es wird gut werden mit uns. Gott kommt, er ist der Heiland, macht alles heil. Gott kommt, beseitigt das Unrecht, gute Nachricht für die Betrogenen, Ausgenutzten, Zukurzgekommenen. Über die Lahmen, Blinden, Stummen ist das letzte Wort noch nicht gesagt.
Johannes der Täufer hat von Jesus gehört, damals, in der Wüste. Und er lässt ihn fragen: Bist du es, der da kommen soll? Und was lässt Jesus ihm ausrichten? Geht hin und sagt Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen, Lahme gehen, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündigt! Sehen Sie, darum geht s in der Kirche: nicht um ein bissel frommen Zucker, alles bleibt so wie es ist sondern: alles wird anders, Hoffnung für die Mühseligen und Beladenen, Hoffnung für alle, für jeden von uns. Morgen Abend um halb acht läuten in Hugsweier und Langenwinkel und überall im Land die Kirchenglocken, evangelisch und katholisch. Hausgebet im Advent. Das ist eine schöne Tradition, eine Einladung, allein oder mit anderen Adventslieder zu singen und dran zu denken, dass das jetzt andere auch tun. Es gibt dazu jedes Jahr ein Faltblatt, Sie haben es vorhin am Eingang bekommen. Und Sie können es nachher mitnehmen, es gibt da viel zu entdecken. Auf diesem Faltblatt sitzt vorne rechts auf der Titelseite der Prophet Jesaja, unser Jesaja, von dem unser Predigttext stammt. Er hat einen Becher in der Hand und eine Krone. Siehe, dein König kommt zu dir. Wenn Sie das Faltblatt umdrehen, sehen Sie ein Riesengemälde, da entdeckt man den Propheten Jesaja hinten rechts an der äußeren Säule wieder. 1659, ein paar Jahre nach dem 30-jährigen Krieg, hat diese Riesentafel ein Künstler gemalt, man kann sie in Natura sehen in Bad Teinach in der evangelischen Kirche, Bad Teinach, da wo der Sprudel herkommt, im Schwarzwald, gar nicht so arg weit von uns entfernt. Das wär mal ein Ausflug Ganz unten am Bildrand in der Mitte steht die Prinzessin, die dieses Bild hat malen lassen: Antonia von Württemberg, geboren 1613, nächstes Jahr wäre sie 400 Jahre alt. Als sie fünf ist, fängt der Dreißigjährige Krieg an 30 Jahre Krieg. Als sie 15 ist, stirbt ihr Vater. Dann kommen Flucht und Vertreibung. Als sie 22 ist, stirbt die Mutter. Und immer noch der Krieg, Gewalt und Tod. Wie kann man nach 30 Jahren Krieg wieder zurückfinden zu einem normalen Leben? Wie überlebt man so eine Katastrophenzeit, ohne verrückt zu werden?
Der Hofprediger Johann Valentin Andreae las mit der suchenden und fragenden Prinzessin die Bibel, hielt also so eine Art Privat-Konfirmandenunterricht für Prinzessinnen. Und je mehr Antonia las, desto mehr verstand sie. Hier auf unserem Riesenbild (5 Meter breit und 6 ½ Meter hoch) steht sie unten am Eingang eines riesigen Gartens. Es gibt viel zu entdecken in diesem Garten, verwirrend ist es, wenn man draufschaut. Aber irgendwie ist alles wohlgeordnet, alles hat einen Sinn. Das will die Tafel uns sagen: keiner von uns hat den Überblick, aber das Ganze ist nicht Chaos, sondern es gibt hier eine geheimnisvolle Ordnung, die Welt dargestellt als ein Garten. Der Garten ist das Gegenteil von Wüste. Die Wüste wird blühen Christus steht in der Mitte des Gartens, um ihn herum 12 Gestalten, die 12 Söhne Jakobs im Alten Testament, von denen die 12 Stämme Israels herkommen, im Neuen Testament die 12 Apostel. Viele biblische Geschichten sind hier zu finden: Mose und der brennende Dornbusch, die vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas, Johannes, an die sich die Konfirmanden noch dunkel aus dem Konfirmandenunterricht erinnern, sind zu finden auf den Treppenstufen rechts und links, mit ihren Kennzeichen: Engel, Löwe, Stier, Adler. Und auch die Weihnachtsgeschichte gibt es irgendwo, da kann man lange suchen, heute Mittag beim Kaffeetrinken oder morgen Abend, wenn die Glocken läuten Antonia unten am Eingang zum Garten spürt: Ich habe nicht den Überblick. Aber das Ganze hat einen Sinn. Um es mit Marie Luise Kaschnitz zu sagen: Nur das Gewohnte ist um uns. Keine Fata Morgana von Palmen mit weidenden Löwen und sanften Wölfen. Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken, die Wüste gibt es und Blinde, Lahme, Taube, Stumme. ABER: Die Wüste wird blühen. Die Wüste wird zum Garten. Es gibt einen Weg. Gott lässt uns nicht allein. Gott kommt. Es wird Advent. Amen.