Stellenwert von Brivudin in der antiviralen Behandlung der Gürtelrose: Aktuelle Virus- und Komplikationsbekämpfung bei Herpes zoster

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Transkript:

17.10.2003 Prof. Dr. med. Sawko Wassilew Deutschland Stellenwert von Brivudin in der antiviralen Behandlung der Gürtelrose: Aktuelle Virus- und Komplikationsbekämpfung bei Herpes zoster Keywords: Herpes zoster, Zoster, Gürtelrose, Zoster-Studiengruppe, Richtlinien, Komplikationen, Aciclovir, Valaciclovir, Famciclovir, Brivudin Take Home Messages Eine systemische antivirale Behandlung sollte so früh wie möglich durchgeführt werden.sie ist dringend indiziert bei jedem Zosterpatienten über 50 Jahre, bei Hautmanifestationen im Nacken-/Kopf-Bereich, bei schweren Verläufen mit multisegmentalem oder generalisiertem Verlauf oder bei beeinträchtigter Immunabwehr. Die systemische antivirale Behandlung sollte ohne Verzug, möglichst innerhalb 48 bis 72 Stunden beginnen. Die einmal tägliche Gabe von Brivudin ist ebenso wirksam wie die dreimal-täglich Gabe von Famciclovir und signifikant wirksamer als 5 x 800 mg Aciclovir täglich. Parallel zur antiviralen Therapie sollte eine Schmerzbehandlung verschrieben werden, damit die Entstehung eines "Schmerzgedächtnisses" möglichst vermieden wird. Jüngere Patienten ohne virushemmende Behandlung sollten überwacht werden. Bei Zunahme des Schweregrades sollten sie rasch eine antivirale Behandlung erhalten. Patienten mit Schmerzen sollten nach Stufenschema behandelt werden (z.b. WHO), mit dem Ziel Schmerzfreiheit zu erreichen. Die Behandlung des Herpes zoster wird beeinflusst durch neue Erkenntnisse, neue Studien und die neuen Richtlinien der Deutschen Dermatologie-Gesellschaft (DDG), ( 1), (2), (3) Prof. Dr. med. S. W. Wassilew, der Autor und Co-Autor dieser neuen Publikationen beantwortet die Fragen zur aktuellen Behandlung des Herpes zoster. Welches sind die aktuellen Therapieziele bei Herpes zoster und wer benötigt eine antivirale Behandlung? Abb. 1: Haupt-Therapieziele bei Patienten mit Herpes zoster Die aktuellen Richtlinien bei Herpes zoster empfehlen die Früherkennung und eine rasche Behandlung zur Verhinderung von Dissemination (Streuung) und postherpetischen Komplikationen (Abb. 1). Bei Patienten über 50 Jahren sollte rasch eine systemische antivirale Behandlung eingeleitet werden. Dringend empfohlen ist die antivirale Behandlung auch bei jüngeren Patienten mit schwerem Verlauf oder mit Immunschwäche oder Herpes zoster im Kopf-, Nacken- oder Augen-Bereich (3). Was ist neu bei der antiviralen Behandlung? Die systemische antivirale Behandlung ist in den letzten Jahren wirksamer geworden. Frühzeitig eingesetzt verkürzt sie den Heilungsprozess, hilft Akutschmerzen einzudämmen sowie Komplikationen zu vermeiden. Das in Deutschland seit Dezember 2000 verfügbare und in der Schweiz neueingeführte Brivudin hat eine markant höhere antivirale Potenz als Aciclovir, als Valaciclovir und als www.just-medical.de just-medical! 1

Famciclovir und bietet ausserdem eine einfachere Dosierung (1x täglich). Nach einer Brivudin-Therapie von 1x 125mg/Tag während 7 Tagen waren postzosterische Neuralgien signifikant geringer (p=0.006) als mit Aciclovir 5x 800 mg täglich, ebenfalls über 7 Tage. Bei ähnlich guter Verträglichkeit war das Risiko für postzosterische Neuralgien unter Brivudin im Vergleich zu Aciclovir um 25% geringer (1), (2). Wie entsteht und verläuft Herpes zoster? Über 90 Prozent der erwachsenen Bevölkerung hat im Kindesalter Windpocken. Daraus kann im Alter Herpes zoster entstehen, denn die Varizella-zoster-Viren (VZV), die Erreger der Windpocken, persistieren in den Spinalganglien, wo sie jederzeit aktiviert werden können. Der Herpes zoster macht sich in der Regel durch akute Schmerzen, Erythem und die typischen Bläschen bemerkbar. Das Erythem, tritt einseitig auf und ist auf ein bis drei Dermatome ("Gürtel" von sensibel inervierten Hautbezirken) beschränkt (darum der Name Gürtelrose). Innerhalb einiger Stunden entwickeln sich aus Erythem und Pappeln gruppiert stehende Bläschen, die während einem bis fünf Tagen neu auftreten, was als Zeichen fortgesetzter Virusreplikation gilt. Anschliessend trocknen die Bläschen über mehrere Stadien aus. Ein Herpes zoster ist normalerweise nach ca. zwei bis vier Wochen abgeheilt. Wer soll virustatisch behandelt werden? Abb. 2: Dringende Indikationen für eine virustatische Therapie bei Herpes zoster Ein Herpes zoster muss nicht in jedem Fall virustatisch behandelt werden. Die Entscheidung pro oder kontra Therapie richtet sich nach dem Alter und Gesundheitszustand des Patienten sowie der Lokalisation und dem Schweregrad des Infekts (Abb. 2). Bei Patienten mit dringender Indikation verhindert die frühe virustatische Behandlung das Auftreten von Komplikationen, wobei besonders der Verhinderung einer postherpetischen Neuralgie eine grosse Bedeutung zukommt. Wie wirken antivirale Behandlungen in der Akutphase? www.just-medical.de just-medical! 2

Abb. 3: Virustatika hemmen die Virusvermehrung und stoppen die Bläschenbildung. Meist leiden die Patienten unter mittelstarken bis starken akuten Schmerzen, die normalerweise ähnlich lange bestehen wie die Hautveränderungen. Die antivirale Behandlung stoppt nicht nur die Virusvermehrung, sie wirkt auch schmerzlindernd. Sie kann Schmerzen allerdings nicht völlig verhindern. Eine unverzügliche intensive Schmerztherapie wird empfohlen, da dadurch die Entwicklung eines Schmerzgedächtnisses verhindert werden kann und chronische Schmerzen gar nicht erst entstehen. Die Gabe eines Corticoids in Kombination mit dem Virustatikum kann ebenfalls helfen, den akuten Zosterschmerz signifikant zu reduzieren, hat jedoch zu keiner Reduktion beim Auftreten von postherpetischen Neuralgien geführt. Kann die rasche Unterbrechung der Virusvermehrung Schmerzen und Komplikationen verhüten? Abb. 4: 25% weniger Post-Zosterische Neuralgie mit Brivudin Ein grosser Teil der Patienten ist bedroht von postherpetischen Neuralgien (PHN). Diese chronischen zosterassoziierten Schmerzen treten besonders bei Patienten ab dem 50. Lebensjahr auf. Bei unbehandelten älteren Patienten sind bis zu zwei Drittel davon bedroht. Die Intensität dieser chronischen Schmerzen ist abhängig von der Intensität des vorangegangenen Akutschmerzes und vom Alter des Patienten. In einer Nachbeobachtungsstudie mit über 50-jährigen immunkompetenten Patienten wurde der Einfluss einer siebentägigen Behandlung mit Brivudin (1x 125 mg/tag) bzw. Aciclovir (5x 800 mg/tag) auf die Inzidenz des postzosterischen Schmerzes verglichen (Abb. 4): Über chronische postzosterische Schmerzen berichteten unter Brivudin 32,7 % und unter Aciclovir bei 43,5 %2 der Patienten. Dieser Unterschied entspricht einer relativen Risikoreduktion durch Brivudin gegenüber der Behandlung mit Aciclovir um 25 %. Wichtig ist, mit der virustatischen Behandlung so früh wie möglich (innerhalb der ersten 72 Stunden) nach Erscheinen der www.just-medical.de just-medical! 3

Hautsymptome zu beginnen. Redaktion: just-medical! www.just-medical.de just-medical! 4

Referenz 1) Wassilew S.W. et al.: Oral brivudin in comparison with acyclovir for improved therapy of herpes zoster in immunocompetent patients: results of a randomized, double-blind, multi-centered study. Antiviral Res. 2003 Jun; 59 (1): 49-56. 2) Wassilew S.W. et al.: Short communication, Oral brivudin in comparison with acyclovir for herpes zoster: a survey study on postherpetic neuralgia, in: Antiviral Res. 2003 Jun; 59 (1): 57-60. 3) Gross G. et al.: Herpes zoster guideline of the German Dermatology Society (DDG). J. Clin. Virol. 2003; 26 (3): 277-289. www.just-medical.de just-medical! 5