Nationalrat, XXV. GP 11. November 2015 100. Sitzung / 1 9.08 Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Geschätzte Gäste, junge Besucher auf der Galerie! Ich darf Sie ganz herzlich zu einem Thema in dieser Aktuellen Stunde begrüßen, das aktueller nicht sein kann einem Thema, dem sich nämlich niemand entziehen kann, einem Thema, das alle betrifft. Es betrifft die Menschen in unseren Städten, es betrifft die Menschen in unseren Gemeinden und Dörfern; es ist nicht nur ein regionales, sondern ein globales Phänomen. Ignorieren oder davonlaufen geht nicht. Es geht um den Klimawandel und um die damit verbundenen Auswirkungen auf unsere gesamte Welt, wie zum Beispiel die Erderwärmung mit all ihren dramatischen Folgen, und natürlich um die Fragen wenige Wochen vor dem Klimagipfel in Paris : Wo stehen wir? Was können wir tun? Was kann die Welt, was kann Europa tun? Welchen Beitrag können wir leisten? Welche Perspektiven haben wir? Gehandelt werden muss rasch; darin sind sich alle Experten einig. Das sind wir nicht nur uns, sondern vor allem auch unseren nachkommenden Generationen schuldig, die die Auswirkungen noch viel drastischer merken werden als wir. Daher müssen wir uns verpflichtet fühlen, ihnen diese Erde mit einem funktionierenden Ökosystem weiterzugeben. (Unruhe im Sitzungssaal.) Was heißt eigentlich Klimawandel und Erderwärmung? Gerade heute, an diesem Tag, sind uns bis zu 20 Grad Celsius prognostiziert, plus wohlgemerkt. Da wird sich der eine oder andere vielleicht denken, na ja, es ist Herbst, es kommt der Winter, ein paar Grad mehr machen mir gar nichts aus, ich fühle mich wohl, brauche nicht zu viel zu heizen und vielleicht nicht so viel Schnee zu schaufeln. Sogar manchen Präsidentin Doris Bures: Entschuldigung, Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren! Ich würde Sie ersuchen, den allgemeinen Lärmpegel ein wenig zu senken, damit wir den Ausführungen folgen können. Danke. Bitte, Herr Abgeordneter. Abgeordneter Johann Höfinger (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin. Auch manchen Pflanzen und manchen Tieren würde es gar nichts ausmachen, wenn es ein wenig wärmer wäre; sie würden sich vor Ort vielmehr anpassen. Ja sogar manchen Kulturpflanzen täte es gut und sie würden höhere Erträge liefern. Nur: Das ist halt nicht das Ende der Fahnenstange.
Nationalrat, XXV. GP 11. November 2015 100. Sitzung / 2 Das Schlimme ist, die Erderwärmung hat weitaus dramatischere Auswirkungen als die jetzt kurz beschriebenen. Nicht nur, dass die Meeresspiegel anzusteigen drohen und damit Land rauben, ganze Inseln verschwinden würden, Küstenstriche untergehen würden davon sind ungefähr 600 Millionen Menschen aktiv und akut betroffen, nein, es kommt zu den sogenannten Wetterextremen. Diese erleben wir auch bei uns in den letzten Jahren immer häufiger. Es kommt zu Naturkatastrophen, es kommt auf der einen Seite zu Stürmen, es kommt zu Phasen der extremen Trockenheit, es kommt auf der anderen Seite wieder zu Dauerregen und Überschwemmungen, es kommt zu einem Verschieben der Jahreszeiten. Herr Generaldirektor Christian Köberl vom Naturhistorischen Museum sagt, jede Stunde sterben drei Tier- oder Pflanzenarten aus. Wir lesen ständig von neuen Rekorden bei den Wetteraufzeichnungen. Vielleicht ist Ihnen das in den letzten Jahren aufgefallen, es gibt kaum ein Jahr, in dem nicht ein neuer Rekord gemeldet wird. Ich habe hier einen kurzen Überblick: Das wärmste Jahr war 2014, gleichzeitig mit dem kältesten Sommer, also ein Phänomen in sich. Heuer, im Jahr 2015, war der wärmste Juli, es gab die größten Niederschlagsmengen, und, und, und. Neun der zehn wärmsten Jahre seit den Wetteraufzeichnungen fallen in den Zeitraum seit dem Jahr 2000. Neun der zehn wärmsten Jahre seit den Wetteraufzeichnungen fallen in den Zeitraum der letzten 15 Jahre. Leider meldet auch die Österreichische Hagelversicherung ständig neue Rekorde Rekorde an Niederschlägen, an Hagel, an Überschwemmungen, an Extremfrosten, an Dürreschäden und vielem mehr. Und die Schadenssummen steigen jährlich. Die geschätzten Kosten, die uns diese Wetterkapriolen gesamt als Nation verursachen durch Ernteausfälle, durch Aufräumarbeiten, durch Sicherungsmaßnahmen, durch Gesundheitsschäden und vieles mehr, gehen bis ins Jahr 2050 in die Milliarden. Mit diesen Wetterextremen rund um den Globus werden auch die fruchtbaren Regionen weniger. Es fehlt an Wasser, es fehlt an Nahrungsgrundlagen. Das, was in den letzten Jahren und Jahrzehnten geschafft wurde, um den Hunger in der Welt einzudämmen, bekommt durch die Wetterkapriolen ernsthafte Konkurrenz und gerät dabei in Gefahr, wieder verloren zu gehen. Eine Abwanderung der Menschen aus diesen kargen oder von Überschwemmungen betroffenen Regionen ist die Folge, der Verteilungskampf wird weiter zunehmen. Ich habe hier eine Grafik, um Ihnen zu zeigen, wie sich die Erderwärmung in den letzten Jahren, im letzten Jahrtausend dargestellt hat. (Der Redner hält eine Tafel mit einem Kurvendiagramm mit der Überschrift Globale Erwärmung in den letzten
Nationalrat, XXV. GP 11. November 2015 100. Sitzung / 3 1 000 Jahren in die Höhe, die er dann vor sich auf das Rednerpult stellt.) Ich habe diese Tafel auch ganz bewusst für die Kollegen der Freiheitlichen Partei mitgenommen. Bei euch ist ja schon Winter ade nicht der Winter, sondern die Winter. Sie war ja bis vor Kurzem die Umweltsprecherin eurer Fraktion. Frau Kollegin Winter war ja eine vehemente Klimawandelleugnerin. Daher hier diese Übersicht für euch: Diese flache Kurve in den letzten tausend Jahren beginnt in den letzten 130 Jahren massiv zu steigen. Diese flache Kurve könnte man noch 20 000 Jahre zurückverfolgen, also nichts mit Eiszeit und großräumiger Wetterund Klimaverschiebung. Nein, diese Kurve bleibt 20 000 Jahre zurück flach. Nur in den letzten 130 Jahren steigt durch unseren massiven Eingriff der Industrialisierung diese Erderwärmung drastisch an. (Abg. Brunner: Und welche Schlussfolgerungen ziehen Sie jetzt daraus?) Verursacht das wissen wir längst wird diese Erderwärmung durch den Ausstoß von Treibhausgasen, vor allem von CO 2. Dieses CO 2 entweicht hauptsächlich durch das Verbrennen von fossilen Energieträgern Kohle, Erdgas und Erdöl. Alleine im letzten Jahr betrugen die Zahlungen für die Nettoimporte fossiler Energieträger in Österreich rund 10 Milliarden. Österreich hat alleine im vergangenen Jahr 2014 rund 10 Milliarden bezahlt, um fossile Energieträger zu importieren. Daher ist es ein Gebot der Stunde, uns von diesen fossilen Energieträgern zu lösen. Gerade in Österreich haben wir die besten Voraussetzungen, dass uns das auch wirklich gelingen kann. In diesem Falle und das sage ich immer wieder ist die Umweltpolitik eine Chancenpolitik. Wir wissen, dass wir in diesem Land auf der einen Seite eine große Zahl an innovativen Unternehmen haben, die neue, umweltschonende Technologien entwickelt haben und weltweit Marktführer sind. Auf der anderen Seite verfügen wir über einen bunten Mix an alternativen Energien: die Sonne, den Wind, das Wasser, nachwachsende Rohstoffe all das steht uns in einem enormen Umfang zur Verfügung, um den uns andere Länder beneiden. Es war eine weltberühmte Persönlichkeit, die gemeint hat ich zitiere : Ich würde mein Geld auf die Sonne und die Solartechnik setzen. Was für eine Energiequelle! Ich hoffe, wir müssen nicht erst die Erschöpfung von Erdöl und Kohle abwarten, bevor wir das angehen. Thomas Alva Edison, leider schon verstorben, 1931. Seine Hoffnung hat sich bis heute nicht wirklich erfüllt. Ich bin der Meinung, dass sich für uns durch diese innovativen Technologien, die uns mittlerweile zur Verfügung stehen, gepaart mit den Ressourcen, wenn wir diese zusammenführen, neue Möglichkeiten und Chancen ergeben. Wir können neue
Nationalrat, XXV. GP 11. November 2015 100. Sitzung / 4 Arbeitsplätze schaffen, wir können die Wertschöpfung im Land lassen, wir können uns unabhängig machen, die Transportwege verkürzen und schließlich und endlich auch CO 2 -Emissionen vermeiden. Um die Erderwärmung zu dämpfen, muss der CO 2 - Ausstoß drastisch reduziert werden. Die Wissenschaft weltweit ist sich einig, es muss rasch gehandelt werden und das mit wirkungsvollen Maßnahmen. Wer heutzutage etwas anderes behauptet, will einfach nur rasch berühmt werden; das behaupte ich jetzt einmal. Diesen CO 2 -Ausstoß zu verringern, dazu sind wir alle gefordert. Jeder kann einen Beitrag leisten Private, Unternehmen, Gemeinden, Bund und Länder. Und es bewegt sich etwas. Vorgestern wurde der Österreichische Klimaschutzpreis verliehen. Ich darf allen Preisträgern nochmals ganz herzlich gratulieren. Ihr seid damit ein Vorbild und zeigt, dass es möglich ist, diese Veränderung herbeizuführen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.) Für die Konferenz in Paris heißt das, wir dürfen in dieser Stunde nicht mehr mit dem Finger auf andere zeigen, auf intensive Industrienationen wie China oder Indien. Wir dürfen nicht vergessen, dass es in letzter Zeit immer populärer geworden ist, nach deren billigen Produkten unter dem Motto Geiz ist geil zu gieren. Zum anderen müssen wir in dieser Frage mittlerweile alle im Boot halten und im Boot haben. Eine Klimakonferenz wie jene in Paris mit einer Beteiligung von 150 Ländern dieser Welt ist kein Wunschkonzert. Das verlangt diplomatisches Fingerspitzengefühl, um endlich alle gemeinsam an einem Strang ziehen zu lassen. Herr Bundesminister, ich bin zuversichtlich, dass du als Delegationsleiter des österreichischen Teams, so wie du es in der Vergangenheit bewiesen hast, ein leidenschaftlicher Kämpfer für den Umwelt- und Klimaschutz bist. Das hast du sowohl bei internationalen Auftritten als auch bei nationalen Gelegenheiten bewiesen. Wir lassen uns auch unsere österreichischen Erfolge nicht kleinreden. Daher ist die Ausgangssituation gut, dass wir in Paris kurz- und langfristige Ziele erreichen können, wie die angepeilten 2 Grad der maximalen Erderwärmung. Diese muss eingedämmt werden, aber mit den neuen Auflagen muss es auch einen Sanktions- und Überwachungsmechanismus geben. Es sollte da sind wir uns, glaube ich, auch einig keine starre Zuteilung wie im Kyoto-Protokoll geben, sondern diese sollte durch einen flexiblen Mechanismus ersetzt werden. Die laufenden Anpassungen und Evaluierungen müssen auch ihren Platz finden.
Nationalrat, XXV. GP 11. November 2015 100. Sitzung / 5 In diesem Sinne, Herr Bundesminister, herzlichen Dank für deinen Einsatz und alles Gute für Paris! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) 9.19 Präsidentin Doris Bures: Zu einer einleitenden Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Rupprechter zu Wort gemeldet. Herr Bundesminister, Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. Bitte.