Predigt zu 1.Kön.19, 1 13 ( 15), Okuli Markus Mühling-Schlapkohl

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Transkript:

Predigt zu 1.Kön.19, 1 13 ( 15), Okuli 2002 Markus Mühling-Schlapkohl Predigttext: Und Ahab sagte Isebel alles, was Elia getan hatte und wie er alle Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht hatte. Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast! 3 Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort. 4 Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Wacholder und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter. 5 Und er legte sich hin und schlief unter dem Wacholder. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iß! 6 Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen. 7 Und der Engel des HERRN kam zum zweitenmal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iß! Denn du hast einen weiten Weg vor dir. 8 Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb. 9 Und er kam dort in eine Höhle und blieb dort über Nacht. Und siehe, das Wort des HERRN kam zu ihm: Was machst du hier, Elia? 10 Er sprach: Ich habe geeifert für den HERRN, den Gott Zebaoth; denn Israel hat deinen Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert getötet, und ich bin allein übriggeblieben, und sie trachten danach, daß sie mir mein Leben nehmen. 11 Der Herr sprach: Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den HERRN! Und siehe, der HERR wird vorübergehen. Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriß und die Felsen zerbrach, kam vor dem HERRN her; der HERR aber war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der HERR war nicht im Erdbeben. 12 Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der HERR war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen. 13 Als das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und ging hinaus und trat in den Eingang der Höhle. Und siehe, da kam eine Stimme zu ihm und sprach: Was hast du hier zu tun, Elia? 14 Er sprach: Ich habe für den HERRN, den Gott Zebaoth, geeifert; denn Israel hat deinen Bund verlassen, deine Altäre zerbrochen, deine Propheten mit dem Schwert getötet, und ich bin allein übriggeblieben, und sie trachten danach, daß sie mir das Leben nehmen.

15 Aber der HERR sprach zu ihm: Geh wieder deines Weges durch die Wüste nach Damaskus und geh hinein und salbe [a] Hasaël zum König über Aram. Liebe Gemeinde! Unser Predigttext um Elia beschreibt eine Reihe von Dingen, die es wert werden, bedacht zu werden. Elia kommt aus der Ebene, aus dem was er für Gott getan hat über Umwege des Zweifelns an den Horeb und erlebt eine Erscheinung Gottes. ER erlebt einen Sturm, aber Gott ist nicht im Sturm, er erlebt ein Erdbeben, aber Gott ist nicht im Erdbeben, er erlebt ein Feuer, aber Gott ist nicht im Feuer. Er erlebt schließlich ein sanftes, kaum merkliches Säuseln des Windes. Und hier ist Gott und spricht zu Elia. Ich möchte mich hier auf einen Gedanken beschränken und über die Art unserer Gotteserfahrungen nachdenken und die Frage stellen: Wie erleben wir eigentlich Gott? Ich möchte dieses Nachdenken anhand einer Geschichte erzählen, von drei ausgedachten Personen oder Frömmigkeitstypen, nennen wir sie Arno, Benno und Carla. Anschließend werde ich noch kurz eine theologische Deutung anhand eines Theologen aus dem 19. Jh. Albrecht Ritschl erwähnen. Beobachten wir zunächst einmal Arno und die Art und Weise, wie er seine Frömmigkeit zum Ausdruck bringt. Arno macht sich bewußt auf die Suche nach Gott. Mindestens einmal im Jahr fährt er nach Taize und die Kirchentage sind alle zwei Jahre ein Höhepunkt in seinem Leben. Er trifft sich jede Woche zwei mal abends mit Freunden, um Bibellese zu halten, in einem kleinen andächtigen Rahmen und danach gehen sie nicht auseinander, sondern die Abende enden in theologischen Gesprächen. Tagsüber finden wir Arno in jeder Mittagspause in der Mensa. Aber im Gegensatz zu seinen Kommilitonen beginnt er nicht einfach mit dem Essen, sondern das leise gemurmelte Gebet zuvor ist ihm eine innere Notwendigkeit. Sonntags fährt Arno immer in die Nachbarstadt zum Gottesdienst in eine freikirchliche Gemeinde. Obwohl Arno nicht selbst Freikirchler ist, muß er zugeben, daß die Gottesdienste, die er hier erlebt, ihn näher zu Gott bringen. Hier wird nicht langweilig gepredigt und eine vertraute Liturgie abgespult, sondern hier hält ein Prediger, ganz ohne Kanzel mit einem Mikrophon in der Hand, während er auf und ab geht, eine mitreißende Rede, und während des Singens steht man auf und tanzt. Nicht selten kommen Gemeindeglieder spontan nach vorne und erzählen herzzerreißend von ihrem Erfahren mit Gott und es kommt zu spontanen Bekenntnissen und Lobreden.

Nach seiner Frömmigkeit befragt antwortet Arno mit einem Bekenntnis: Ja, ich glaube an Gott, ja ich erfahre Gott, aber man muß ihn suchen, man kann ihn nicht immer und überall finden. Sehen Sie sich doch einmal unsere Fußgängerzone an: Lauter Schuhgeschäfte und Bekleidungsländen und Leute die nichts weiter im Kopf haben, als sich zu überlegen, welchen Anzug sie heute tragen wollen und wie sie sich heute möglichst auffällig schminken können. Da kann man Gott nicht erfahren. Das ist eine wirklich heidnische Zeit, in der wir hier leben - leider. Halten Sie sich davon fern; dort finden sie nur den üblen Gott der Welt, mit dem will ich nichts zu schaffen haben. Diese Welt ist verloren und dem Untergang geweiht. Wenn Sie sich aber auf die Suche machen, wenn sie heilige Orte aufsuchen, wenn Sie in sich gehen, beten und bitten, dann haben Sie die Chance, daß sich Gott Ihnen zeigt - so wie mir. Aber glauben sie mir, sie müssen sich schon anstrengen, selbst wenn sie Gott intensiv und mit glühendem Bemühen suchen; sie werden ihn nur selten finden, nur selten werden Sie jenes erhabene Gefühl erleben, in dem sie mit Sicherheit wissen: Hier naht sich Gott. Soweit also Arnos Bekenntnis. Werfen wir nun einmal einen Blick auf Benno und beobachten, wie er sein Leben in Frömmigkeit lebt: Benno ist in seiner Gemeinde dem Pfarrer gut vertraut. Zwar kommt Benno nur selten zum Gottesdienst, aber Benno wendet sich bei persönlichen Problemen gern an seinen Seelsorger. Das tat er schon immer. Als Bennos Freundin ihn verließ, als er bei einem Autounfall großes Glück hatte und mit einem Schreck davon kam, da scheute er sich nicht zu klingeln. Als er schließlich heiratete, als er die Geburt seiner Tochter erlebte, auch da klingelte er am Pfarrhaus - wenn er sie auch erst zwei Jahre später taufen ließ. Auch im Urlaub sucht Benno gern das Gespräch mit einem Theologen, so etwa nach einer Gebirgstour oder mit dem Kreuzfahrtseelsorger auf hoher See, den er bis spät in die Nacht in Anspruch nahm. Befragen wir doch nun auch einmal Benno nach seiner Frömmigkeit und lassen und hören, was er uns zu sagen hat: Nein in den Gottesdienst gehe ich nicht, ich habe auch keinen besonderen Kontakt zu meiner Kirchengemeinde, aber ich kenne den Pfarrer ganz gut. Aber ich glaube natürlich an Gott, wer tut das eigentlich nicht? Sehen Sie, Gott ist so erhaben und herrlich, daß er sich uns nur selten zeigt. Im Alltag gewiß nicht, da denke ich nicht an Gott, eher an schnelle Autos, mein Bankkonto oder die hübsche Kollegin in meinem Büro. Und es macht auch keinen Sinn sich dieser verstaubten Kirchenfrömmigkeit auszusetzen, im Gottesdienst oder bei diesen langweiligen Gemeindekreisen; schon mein Konfirmandenunterricht war die pure Langeweile. Aber als meine Tochter geboren wurde, das war eine schwierige Geburt müssen sie wissen, und als alles gutging und sie gesund im Bettchen lag, was habe ich gebetet und dann

vor Freude geweint. Oder als ich in einem Urlaub mit einem Bergführer auf einen Gipfel stieg, um mich blickte und das weite Panorama und unten im Tal ganz klein das Dorf sah, auch da wußte ich: Gott ist bei mir. Freilich, nicht nur bei schönen Erlebnissen ist Gott da. Auch bei schrecklichen Erfahrungen bin ich immer wieder erstaunt, daß ich einsehen muß, daß es da mehr gibt, als unsere Alltagswirklichkeit, daß ich dann erfahre: ich bin nicht allein. Aber sie verzeihen mir, wenn ich diese schrecklichen Dinge hier nicht im Detail vor Ihnen ausbreiten will. Wissen Sie, man erfährt Gott - das habe ich in Gesprächen mit meinem Pfarrer gelernt - vor allem in Grenzsituationen, in Krisenzeiten oder wenn etwas Außergewöhnliches passiert. In außergewöhnlichen Situationen sind wir halt für das außergewöhnlichste, was es gibt, für Gott, empfänglich. Mein Pfarrer sagt, schon viele hätten wieder angefangen zu beten, wenn Sie in einer Krise steckten. Und genau so geht es mir auch. Und das geht doch jedem so, denke ich und daher glaube ich, daß eigentlich jeder irgendwie an einen Gott glaubt. Nun haben wir also auch Benno gehört. Beobachten wir doch einmal Carla bei ihrem Tageslauf. Vormittags treffen wir Carla im Büro einer Versicherung. Sie erledigt ihre Arbeit und geht Mittags mit ihren Kollegen essen. Sie unterhält sich plaudert. Nichts außergewöhnliches ist hier zu sehen. Nachmittags holt sie ihre Kinder vom Kindergarten ab und geht auf den Spielplatz. Während am noch die Kinder im Kinderzimmer toben, bereitet Carla das Abendessen zu und schließlich kommt ihr Mann nach Hause. Auch hier kein besonderer Ausdruck von gelebter Frömmigkeit. Schauen wir uns also den Sonntag an: Ah, Carla geht mit ihrer Familie in den Gottesdienst an ihrem Wohnort, sehr schön. Jetzt fängt eines der Kinder an zu quengeln. Carla nimmt es auf den Arm und geht hinaus. Schade, viel scheint sie von dem Gottesdienst so nicht zu haben. Hat sie sonst noch Kontakt zur Gemeinde? Ah, sie geht auch Mittwoch abends ins Gemeindehaus. Geht sie zu einem theologischen Gespächskreis? Nein, es ist nur der Bastelkreis, in dem sie mit Freundinnen für den Osterbasar bastelt. Es sieht ganz so aus, als wäre Carla nun doch kein besonders frommer Mensch. Jedenfalls war von bewußt gelebter Frömmigkeit nicht viel zu sehen. Wenn wir sie nun nach ihrem Glauben befragen, bekommen wir wahrscheinlich keine spannenden Antworten, wie bei Arno und Benno. Hören wir uns aber trotzdem an, was sie uns zu sagen hat und fragen sie, ob sogar Carla von Erfahrungen mit Gott zu berichten hat: Ob sogar ich mit Erfahrungen mit Gott zu berichten weiß?, fragt Carla empört zurück. Na, sie stellen aber komische Fragen: Natürlich! Ich erfahre Gott täglich. In Gesprächen mit meinem Mann, mit Arbeitskollegen in meinem Büro oder aus dem Lächeln meiner Kinder, spricht Gott zu mir. Und dann bin ich

dankbar, und kann das weitergeben. Ich lese meinen Kindern abends aus der Kinderbibel vor, gut, die wollen oft immer die gleichen Geschichten hören, aber was macht das schon? Meine Kinder sind ein Geschenk Gottes, und ich bin froh, daß ich mich um sie kümmern kann, auch wenn die manchmal schon nervig sind. Und meine Arbeit im Büro, auch da ist Gott nicht fern. Ich arbeite bei einer Versicherung, müssen Sie wissen. Das ist zwar trockene Schreibarbeit, aber ich mache die im Bewußtsein, daß ich den Menschen helfen kann und ihnen etwas gutes tue, wenn ich ihre Fälle bearbeite, ich versuche da immer fair zu sein; Sie denken doch nicht im Ernst, ich würde nur in den Topf meiner Firma wirtschaften? Sie haben doch sicher auch Versicherung abgeschlossen, also vertrauen sie doch auch darauf, daß es dort Leute gibt, die sie nicht einfach über den Tisch ziehen wollen. Jetzt in der Fastenzeit haben wir in unserer Gemeinde einen Bastelkreis. Wir basteln da allerlei, was wir dann Ostern bei einem Basar verkaufen. Sie glauben gar nicht, wie dankbar die vielen Leute sind, die Ostern nach dem Gottesdienst zum Kaffee im Gemeindehaus bleiben und sich noch ein Stück sichtbare Osterfreude in Form unserer Basteleien mit nach Hause nehmen können. Ja, die sind schon manchmal etwas kitschig, aber was macht das schon? Ich erfahre Gott täglich in der Normalität unseres Lebens, und dafür bin ich dankbar! Soweit unsere Interviews mit Arno, Benno und Carla, drei ausgedachten Figuren, die verschiedene Arten von Frömmigkeit veranschaulichen sollen. Sie sind sicher etwas karikiert, aber dennoch muß man sich hüten, Frömmigkeit oder Gotteserfahrungen vergleichend zu bewerten. Es gibt da nicht einfach ein schlechter und besser. Aber wir können schon unsere Aufmerksamkeit mehr auf einen als auf einen anderen richten. Wir können fragen, wer beeindruckt uns eigentlich besonders? Und mich beeindruckt am meisten nicht Arno oder Benno, sondern Carla. Nun das ist auch kein Wunder, schließlich habe ich mir die Geschichte so ausgedacht, daß Carla am Ende steht und die Pointe bilden soll. Warum? Arno repräsentiert den angestrengten, ehrfürchtigen Menschen, der mit Ernst auf der Suche nach Gott ist. Soweit ist das völlig in Ordnung, aber Benno gerät leicht in Gefahr, etwas sauertöpfisch zu werden, nämlich dann, wenn sein Bemühen zu anstrengend ist und doch erfolglos bleibt. Und Benno hat die Tendenz sich selbst in Gegensatz zur schlechten Welt zu sehen, von der er sich dann zurückzieht und die er sich selbst überlassen möchte. Benno repräsentiert eine Frömmigkeit, die Gott in den Grenzerfahrungen unseres Lebens, oft ganz überraschend findet. Auch das ist natürlich soweit ganz in Ordnung. Aber tendiert dazu, aus seiner Erfahrung abzuleiten, Gott sei so erhaben und außergewöhnlich, daß er sich auch nur in außergewöhnlichen Situationen zeigt, so daß Gott mit unserem Alltag nichts zu tun habe.

Ganz anders Carla. Ihre Gotteserfahrung ist zwar nicht außergewöhnlich, aber hier kommt es zu einer interessanten Verbindung von Sonn- und Alltag. Sie findet Gott auch in der Normalität ihres Lebens und kann aus einem Gefühl oder Bewußtsein freundlicher Heiterkeit heraus in dieser Normalität ihres Lebens auch an den Orten, an denen sie sowieso steht - in der Familie und in ihrem Job - ungezwungen Gutes tun. Diese Art von Frömmigkeit im Alltag hat im 19.Jh. ein heute oft vergessener und auch z.t. verkannter Theologe, Albrecht Ritschl, vertreten. Ritschl war der Meinung, daß der Gerechtfertigte und Versöhnte Gott vertraut und in seinem Beruf Gutes tun kann und so gewissermaßen die Heiligung vollzieht. Unter Beruf versteht Ritschl dabei als Einheit einerseits den bürgerlichen Beruf als Vater, Mutter, Kind oder die jeweilige Stelle, an der wir unserer Erwerbstätigkeit nachgehen. Andererseits sieht er diese Tätigkeiten aber auch als Berufung von Gott als spezifische Charismen, die uns im Reich Gottes gegeben sind. Man hat Ritschls Auffassung von christlicher Frömmigkeit und Ethik stark kritisiert. Er verweltliche und säkularisiere das Reich Gottes, er verschaffe einer rein bürgerlich-preußischen, stockkonservativen Berufsethik eine christliche Legitimation und trage dazu bei, daß es keine Veränderung zu besseren gesellschaftlichen Verhältnissen geben könne und stütze so nur die Herrschenden und halte die Beherrschten klein. Solche Vorwürfe sind zum Teil sicher berechtigt. Ritschl fehlt es an einer sozialethischen Betrachtung des Berufs. Aber man muß auch das echt evangelische Anliegen in Ritschls Ethik schätzen lernen: Er zeigt, daß es ungemein befreiend sein kann, wenn man freudig und ohne Zwang an den Orten, an denen man steht, quasi nebenbei seine Pflicht erledigen kann, und daß dies schon die Guten Werke sind, die der Rechtfertigung folgen. Sein Anliegen ist zu vermeiden, daß wir immer und überall unsere Pflicht erfüllen sollen und so doch wieder in einen überfordernden Leistungsdruck kommen, der uns leicht dazu verführen kann, uns mit unseren Handlungen zu identifizieren. Und dann ist die Gefahr doch nahe, Gott ebenso zu mißtrauen und zu denken, er beurteile uns ebenso nach unseren Taten. Mit einem Wort: Ritschl zeigt, daß Gott im Alttag erfahrbar ist und daß Gottesdienst in Sonnund Alltag zusammengehören. Was hat das alles mit Elias Gotteserfahrung zu tun? Nun Elia kommt nach einem schweren Auftrag, seinem Beruf an den Horeb. Hier ist Gott nicht im Sturm, nicht im Erdbeben, nicht im Feuer. Gott zeigt sich nicht im Außergewöhnlichen, nicht im Großen. Gott zeigt sich im sanften Säuseln des Windes, im Kleinen. Und das, was Elia nach dieser langen Anstrengung seiner Suche nach Gott von Gott mitgeteilt bekommt, ist nun schon auf fast ironische Weise unspektakulär: Er soll wieder in seinen Alltag, wieder in seine Normalität gehen und auf die gleiche Weise Gott dienen, wie er es bisher getan hat. Elia geht zum Horeb, damit er wieder in die Ebene gehen

kann. Wir gehen in den Gottesdienst am Sonntag, damit wir wieder in den Alltag gehen können. Beides gehört untrennbar zusammen.